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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 29.09.2003
Aktenzeichen: 15 TaBV 5/03
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, BetrVG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 89
KSchG § 15 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 103
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 622 Abs. 2 Satz 2
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 15 TaBV 5/03

Stuttgart, 29.09.2003

In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Miller und die ehrenamtliche Richterin Thon auf die Anhörung der Beteiligten am 29.09.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27. Mai 2003 - Az.: 11 BV 16/03 - abgeändert:

Die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds wird ersetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Arbeitgeberin erstrebt die Ersetzung der Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten Ziffer 3.

Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Niederlassungen, die sich mit Kfz-Handel und den Kfz-Reparaturen beschäftigen. Antragsgegner ist der in der Niederlassung Stuttgart gebildete Betriebsrat, dessen Mitglied der Beteiligte Ziffer 3 ist. Dieser ist am 20. April 1958 geboren, verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Seit dem 13. September 1973 steht er als Wagenreiniger/Wagenvorbereiter in den Diensten der Arbeitgeberin und erzielt einen Bruttomonatslohn in Höhe von 2.800,00 €. Der Beteiligte hat am Nachmittag des 16. Januar 2003 seinen privaten Pkw an einer Tankstelle betankt. Dort werden die Fahrzeuge, die die Beklagte veräußert, aufgetankt. Anstatt zu bezahlen, hat er eine von ihm unterzeichnete sog. Betriebsstoff-Anweisung benutzt und damit die Tankstelle veranlasst, die Tankkosten in Höhe von 16,29 € zu Lasten einer Kostenstelle der Arbeitgeberin zu belasten. Der Beteiligte hat im Rahmen der Ermittlungen geltend gemacht, er habe seinen Vorgesetzten am Vortag der Unterrichtung der Arbeitgeberin davon telefonisch benachrichtigt. Dabei handelte es sich um eine unzutreffende Angabe.

Auf den Antrag der Arbeitgeberin vom 21. Januar 2003 (ABl. 22 - 26) hat der Betriebsrat mit Schreiben vom selben Tage, welches am 23. Januar der Arbeitgeberin zugegangen ist, die Zustimmung verweigert. Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist am 24. Januar 2003 beim Arbeitsgericht eingegangen. Das Betriebsratsmitglied ist von der Arbeitgeberin freigestellt worden. Ein von ihm eingeleitetes einstweiliges Verfügungsverfahren auf Beschäftigung ist von ihm zurückgenommen worden. In dem diesbezüglichen Hauptsacheverfahren hat er vorbringen lassen, er habe 15 Liter Kraftstoff, wobei er 5 Liter von zu Hause mitgebracht und 10 Liter gekauft habe, in einen Kraftstoffbehälter der Arbeitgeberin eingefüllt.

Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, der Beteiligte Ziffer 3 habe eine unerlaubte Handlung begangen. Dieser habe gewusst, er dürfe mit der Betriebsstoff-Anweisung die Tankfüllung nicht bezahlen. Die Geschichte, bereits unmittelbar nach dem Betanken seinen Vorgesetzten informiert zu haben, habe er erfunden, nachdem er festgestellt gehabt habe, dass er bei seinem Vorgehen beobachtet worden sei. Das Betriebsratsmitglied habe im Hinblick auf seine langjährige Betriebszugehörigkeit eine hierdurch erreichte Vertrauensstellung zu seiner persönlichen Bereicherung ausgenutzt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Beteiligten Ziffer 3 zu ersetzen.

Das Betriebsratsmitglied hat geltend gemacht, er habe die Arbeitgeberin weder täuschen noch ihr einen Vermögensschaden zufügen wollen. Er habe von Anfang an beabsichtigt, das ausgeliehene Benzin tags darauf auszugleichen. Er habe bewusst nicht die weniger auffällige Variante gewählt, sich das Benzin aus dem Tank an seinem Arbeitsplatz zu besorgen. Er habe vielmehr mit offenen Karten gespielt und eine Kraftstoff-Anweisung als Beweismittel geschaffen. Das Gewicht des Fehlverhaltens habe er allerdings offensichtlich überschätzt und sich deshalb zunächst eine Geschichte ausgedacht, die ihn habe entlasten sollen. Die erfundene Geschichte bezüglich der telefonischen Information des Vorgesetzten habe das Arbeitsverhältnis nicht schwerwiegend belastet. Er meint, eine Abmahnung habe ausgereicht. Jedenfalls sei es der Arbeitgeberin zuzumuten, das Arbeitsverhältnis zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist fortzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin durch seinen Beschluss vom 27. Mai 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, selbst wenn für die rechtliche Würdigung allein der Vortrag der Arbeitgeberin herangezogen würde, könne das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht festgestellt werden. Zwar sei das Verhalten des Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage des Vorbringens der Arbeitgeberin geeignet, eine schwerwiegende Störung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen. Im Ergebnis sei jedoch die geltend gemachte Vertragspflichtverletzung nicht als so erheblich zu qualifizieren, dass bei Abwägung der Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei. In diesem Rahmen sei von ganz entscheidender Bedeutung die Dauer der Betriebszugehörigkeit, dass der Schaden relativ gering sei und das Betriebsratsmitglied nicht eine mit besonderem Vertrauen verbundene Führungsposition einnehme. Der Arbeitgeberin sei es trotz der nach ihrem Vorbringen durchaus vorliegenden schwerwiegenden Störung im Vertrauensbereich noch zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsratsmitglied fortzusetzen.

Gegen diesen am 07. Juli 2003 zugestellten Beschluss wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer am 29. Juli 2003 eingereichten Beschwerde, die sie sogleich ausgeführt hat. Sie macht insbesondere geltend, das Betriebsratsmitglied und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende hätten am Morgen des 17. Januar 2003, nachdem die Vorladung durch den Bereich Personal zu einem Gespräch bereits erfolgt sei, den Vorgesetzten aufgesucht und ihn zu der Bestätigung aufgefordert, eine Information über den Betankungsvorgang bereits am 16. Januar erhalten zu haben. Der Beteiligte Ziffer 3 habe vor dem Personalgespräch somit versucht, eine Situation zu schaffen, die ihn in ein gutes Licht habe stellen sollen. Dazu habe er sowohl den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden in Unklarheit über den wahren Ablauf gelassen wie auch mit diesem zusammen auf den Vorgesetzten eingewirkt. Das Arbeitsgericht habe bei den abzuwägenden Interessen nicht berücksichtigt, dass ein Schaden eingetreten sei sowie dass ein Wagenvorbereiter besonderes Vertrauen genieße, weil das Betanken von Fahrzeugen im Einzelfall weder hinsichtlich der Menge noch des tatsächlichen Betankungsvorganges noch der Abrechnung konkret nachvollziehbar sei. Früher hätten Fässer mit Benzin zum Auftanken zur Verfügung gestanden. Da keine Kontrolle möglich gewesen sei und erhebliche Diskrepanzen aufgetreten seien, habe man auf das Betanken an der Tankstelle umgestellt. Die Vorgehensweise des Beteiligten Ziffer 3 weise darauf hin, dass es sich um eine frei erfundene Geschichte gehandelt habe. Es sei auch nicht nur auf die Betriebszugehörigkeit abzustellen, sondern es sei der gesamte Geschehensablauf und das weitere Verhalten zu berücksichtigen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27. Mai 2003 - Az.: 11 BV 16/03 - abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung des Betriebsratsmitglieds zu ersetzen.

Der Betriebsrat führt zur Abwehr der Beschwerde im Wesentlichen aus, entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin habe das Arbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung nicht nur auf die Betriebszugehörigkeit abgestellt. Es habe auch den relativ geringfügigen Schaden und die konkrete Tätigkeit als Wagenreiniger und -vorbereiter berücksichtigt. Der Beteiligte Ziffer 3 habe sich so verhalten, wie sich der überwiegende Teil der Arbeitnehmer verhalten würde. Dieser verweist auf sein Vorbringen im ersten Rechtszug.

Der Betriebsrat und das beteiligte Betriebsratsmitglied bitten um die Zurückweisung der Beschwerde.

B.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den ihren Zustimmungsersetzungsantrag zurückweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27. Mai 2003 ist statthaft (§§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG) und form- und fristgerecht eingelegt und sogleich ausgeführt worden. Die somit gemäß §§ 87 Abs. 2, 89, 66 Abs. 1 ArbGG zulässige Beschwerde ist begründet. Die beantragte Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten Ziffer 3 ist zu erteilen, denn eine solche Kündigung ist unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt.

I.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Vorliegend ist der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung und damit auch die Beschwerde der Arbeitgeberin begründet, denn die beabsichtigte fristlose Kündigung des Beteiligten Ziffer 3 ist aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

1. Im Ausgangspunkt ist das Arbeitsgericht zutreffend von der Zulässigkeit des Antrags auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ausgegangen. Die Arbeitgeberin hat wegen des Vorfalls am 16. Januar 2003 (Tankvorgang) sowie des Verhaltens des Beteiligten Ziffer 3 im Verlaufe des weiteren Verfahrens (Darstellung des Sachverhalts im Personalgespräch) mit dem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben vom 21. Januar 2003 diesen um die Erteilung der beantragten Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung ersucht. Der Betriebsrat hat schriftlich "einstimmig nach § 103 BetrVG widersprochen". Die Stellungnahme des Betriebsrats ist der Arbeitgeberin am 23. Januar 2003 zugegangen. Beim Arbeitsgericht ist der Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens mit dem Ziel, die verweigerte Zustimmung zu ersetzen, am 24. Januar 2003 eingegangen. Damit ist der Antrag der Arbeitgeberin unter Berichtigung der im Rahmen des § 103 BetrVG entsprechend anzuwendenden Frist des § 626 Abs. 2 BGB fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen (vgl. BAG, Beschluss v. 18. August 1977 - 2 ARB 19/77, BAGE 29, 270 = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972).

2. Bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Mandatsträger ist zum einen, wovon das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist, zunächst zu prüfen, ob ein kündigungsrechtlich erheblicher Sachverhalt vorliegt. Der geltend gemachte Kündigungssachverhalt muss nach der Rechtsprechung (vgl. KR-Fischermeier, 6. Aufl., § 626 BGB Rz. 235) "an sich" geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Ist ein solcher kündigungsrechtlich erheblicher Sachverhalt zu bejahen, schließt sich die Prüfung an, ob dem Kündigungswilligen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

3. Der von der Arbeitgeberin geltend gemachte und vom Arbeitsgericht festgestellte Kündigungssachverhalt, der weder vom Betriebsrat noch von dem Beteiligten Ziffer 3 bestritten worden ist, ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen (vgl. BAG, Urteil v. 12. August 1999 - 2 AZR 923/98, AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung m. w. N.). Der Beteiligte Ziffer 3 hat sein privates Kraftfahrzeug bei der dem Betrieb der Arbeitgeberin räumlich angegliederten Tankstelle betankt und eine sog. Betriebsstoff-Anweisung als Gegenleistung ausgehändigt. Betriebsstoff-Anweisungen sind im internen Gebrauch der Arbeitgeberin Anweisungen an die Kasse, zu Lasten bestimmter Kostenstellen bei der Tankstelle getankte Kraftstoffmengen mit dem dafür zu bezahlenden Entgelt zu belasten. Nach den Darlegungen der Arbeitgeberin wusste der Beklagte Ziffer 3, dass er damit die Tankfüllung für sein privates Fahrzeug nicht bezahlen durfte. Soweit sich der Beteiligte Ziffer 3 im ersten Rechtszug dahin eingelassen hat, er habe mit der Verwendung der Betriebsstoff-Anweisung den privaten Benzinverbrauch sowohl betriebsintern als auch bei der Tankstelle dokumentiert, kann dem schon deswegen nicht gefolgt werden, weil er zwar einen Benzinverbrauch dokumentiert hat, jedoch aus der Betriebsstoff-Anweisung gerade nicht hervorgeht, dass dies zum privaten Gebrauch erfolgt ist. Damit könnte der Beteiligte Ziffer 3 allenfalls dann gehört werden, wenn er die Zeile "Pol. Kennzeichen" mit dem seines Privatwagens ausgefüllt hätte. Auch ist auf der Anweisung nicht das Datum des Tages angegeben, an welchem der Betankungsvorgang erfolgt ist. Vielmehr trägt die Anweisung das Datum des "13.1.03". Damit war eine Zuordnung zur Person des Beteiligten Ziffer 3 ausgeschlossen, zumindest aber erheblich erschwert.

b) Der Beteiligte Ziffer 3 hat jedoch nicht nur rechtswidrig und vorsätzlich ein Vermögensdelikt zum Nachteil der Arbeitgeberin begangen, er hat darüber hinaus - wie die Arbeitgeberin es formuliert - den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden instrumentalisiert. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Beteiligte Ziffer 3 seinen Abteilungsleiter um die Bestätigung gebeten, dieser sei schon am Abend des 16. Januar 2003 telefonisch von ihm, dem Beteiligten Ziffer 3, auf seine Notsituation und seine Absicht zum Ausgleich des Benzinverbrauchs aufmerksam gemacht worden, obwohl dies objektiv nicht zutraf. Der Beteiligte Ziffer 3 hat jedoch nicht nur zu seinem Schutz diese Darstellung erfunden, er hat auch seinen Vorgesetzten zur Bestätigung der unwahren Darstellung aufgefordert und den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zumindest in dem Glauben der Wahrheit der erfundenen Darstellung gelassen, als dieser dem Personalgespräch am 17. Januar 2003 beiwohnte. Zwar muss sich nach allgemein anerkannten Grundsätzen ein Beschuldigter nicht selbst belasten. Vorliegend hat der Beteiligte Ziffer 3 jedoch nicht nur einen objektiv unzutreffenden Sachverhalt geschildert, was die Beschwerdekammer dem Beteiligten Ziffer 3 nicht anlastet, er hat auch Dritte eingeschaltet, um dem frei erfundenen Sachverhalt zumindest zunächst den Anschein der Plausibilität zu verleihen.

Soweit der Betriebsrat meint, der Beteiligte Ziffer 3 habe sich in der konkreten Situation so verhalten, wie sich der weitaus überwiegende Teil der Arbeitnehmer in einer entsprechenden Situation verhalten würde, kann dem nicht gefolgt werden. Der Betriebsrat verkennt, dass sich der Beteiligte Ziffer 3 nicht nur eine Geschichte ausgedacht hat. Er lässt den entscheidenden Vorwurf unbeachtet, dass sich der Beteiligte Ziffer 3 sowohl seines Vorgesetzten versichert als auch des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden bedient hat, um sein Verhalten in ein besseres Licht zu rücken. Den Beteiligten Ziffer 3 entlastet es nicht, dass sein Abteilungsleiter das an ihn gerichtete Ansinnen, ein Telefonat am Abend des 16. Januar 2003 zu bestätigen, nicht sogleich zurückgewiesen hat. Der Beteiligte Ziffer 3 kann nur an seinen Abteilungsleiter herangetreten sein, weil er sich erhoffte, dieser werde ihm zur Seite stehen.

4. Soweit das Arbeitsgericht angenommen hat, im Ergebnis könne der Antrag der Arbeitgeberin auf der Grundlage der vorzunehmenden Zumutbarkeitsprüfung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen keinen Erfolg haben, vermag dem die Beschwerdekammer nicht zu folgen. Zum einen hat das Arbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung das Verhalten des Klägers in der Form der Einschaltung seines Vorgesetzten und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden nicht ausreichend berücksichtigt. Zum anderen hat es die Anforderungen dadurch überspannt, weil es angenommen hat, der Beteiligte Ziffer 3 bekleide keine mit besonderem Vertrauen verbundene Führungsposition.

a) Hinsichtlich des Merkmals in § 626 Abs. 1 BGB, wonach dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BAG, Beschluss v. 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98, BAGE 91, 30 = AP Nr. 42 zu § 15 KSchG) im Falle der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds darauf ab, ob dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Bei einem vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglied hätte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis unter Wahrung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende kündigen können. Der Beteiligte Ziffer 3, der im April 1958 geboren worden ist, ist im September 1973 in die Dienste der Arbeitgeberin getreten. Die Länge der Kündigungsfrist hängt grundsätzlich von der Beschäftigungsdauer ab. Jedoch werden nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer zur Ermittlung der zutreffenden Kündigungsfrist nicht mitgerechnet. Wenn auch der Beteiligte Ziffer 3 zum Zeitpunkt des maßgeblichen Vorfalls auf eine Beschäftigungsdauer von 29 Jahren und etwas mehr als vier Monate zurückblicken konnte, so werden doch nur die Beschäftigungsjahre nach der Vollendung des 25. Lebensjahres im April 1983 zur Ermittlung der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist berücksichtigt. Im Falle der Kündigung eines vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglieds im Januar 2003 wäre eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten gewesen. Eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf des Monats Juli 2003 wäre der Arbeitgeberin unzumutbar gewesen.

b) Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht insbesondere auf die fast dreißigjährige Beschäftigungsdauer des Beteiligten Ziffer 3 abgestellt. Zu seinen Gunsten ist auch zu berücksichtigen, dass während seiner Betriebszugehörigkeit, wie unbestritten geltend gemacht worden ist, nie Anlass für Beanstandungen sowohl im Leistungs- als auch im Verhaltensbereich gegeben waren.

Zweifelhaft ist allerdings, ob zu Gunsten des Beteiligten Ziffer 3 angeführt werden kann, der der Arbeitgeberin drohende Schaden in Höhe von 16,29 € sei relativ geringfügig. Der Annahme der Geringfügigkeit liegt eine Wertung zu Grunde, bei der sich das Arbeitsgericht offensichtlich nur an der Höhe orientiert hat. Dem Umfang des dem Arbeitgeber zugefügten Schadens kann vor allem im Hinblick auf die Stellung des Arbeitnehmers, die Art des entwendeten Gutes und die besonderen Verhältnisse des Betriebes unterschiedliches Gewicht für die Beurteilung der Zumutbarkeit zukommen. In diesem Zusammenhang hat das Arbeitsgericht unzutreffend darauf abgestellt, der Beteiligte Ziffer 3 sei nicht etwa in einer mit besonderem Vertrauen verbundenen Führungsposition tätig gewesen. Auch ohne eine solche dem Beteiligten Ziffer 3 ohne Zweifel nicht übertragene Führungsposition brachte es seine Stellung als Wagenreiniger/-vorbereiter mit sich, dass er über Betriebsstoff-Anweisungen und deren Einsatz verfügen konnte. Die Arbeitgeberin musste darauf vertrauen können, dass er diese nur bestimmungsgemäß einsetzte.

Wenn auch nur in einem begrenzten Bereich konnte der Beteiligte Ziffer 3 somit über das Vermögen der Arbeitgeberin verfügen. Die Verwendung von Betriebsstoff-Anweisungen sollte die Unzulänglichkeiten gerade abstellen, die bei dem früher angewandten Verfahren der Entnahme von Treibstoff aus im Betrieb der Arbeitgeberin zur Verfügung stehenden Fässern aufgetreten waren, wobei eine Kontrolle gerade nicht möglich war.

Daneben hat das Arbeitsgericht nach Auffassung der Beschwerdekammer das Verhalten des Klägers durch die Einschaltung seines Vorgesetzten und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden nicht ausreichend im Rahmen der Interessenabwägung gewürdigt. Es stellt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, wenn ein Arbeitnehmer, der eine schwerwiegende Pflichtverletzung sich hat zu Schulden kommen lassen, seinen Vorgesetzten einzuspannen versucht, um sein Handeln in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Mit der von seinem Abteilungsleiter begehrten Bestätigung wollte der Beteiligte Ziffer 3 erreichen, sich, sobald die Arbeitgeberin von seinem Handeln Kenntnis erlangte, darauf berufen zu können, er habe seinen Vorgesetzten bereits zuvor unterrichtet. Entsprechend hat der Beteiligte Ziffer 3 auch gehandelt, denn nach seiner Einlassung hat er in dem Gespräch mit dem Personalleiter und einem Vorstandsmitglied "von sich aus noch erklärt, dass er ja auch am Vorabend seinen Vorgesetzten über dieses Tauschgeschäft informiert habe".

Das Verhalten des Beteiligten Ziffer 3 erscheint nicht etwa deswegen in einem günstigeren Licht, dass er bei dem Personalgespräch spontan geäußert haben will, er wisse, dass er einen Fehler gemacht, er sich für sein Fehlverhalten und sich auf Empfehlung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden für seine erfundene Geschichte entschuldigt haben will und nach seinem Vorbringen zumindest in dem Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer einen Ausgleich dadurch vorgenommen haben will, dass er fünf Liter Kraftstoff von zu Hause mitgebracht und 10 Liter gekauft haben will, die er in einen Kraftstoffbehälter der Arbeitgeberin eingefüllt haben will. Der Betriebsrat hat in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2003 dazu ausgeführt, am nächsten Morgen "beabsichtigte" der Kollege, sein Handeln vom Vortag zu korrigieren, indem er den Kauf der vorher benötigten Spritmenge intern ausgleicht. Der Beteiligte Ziffer 3 hat demgegenüber vortragen lassen, er habe von Anfang an beabsichtigt, das "ausgeliehene Benzin" tags darauf auszugleichen.

Ebenso wenig entlastet den Beteiligten Ziffer 3 eine angebliche Zwangslage. Dazu hat er vortragen lassen, er sei am 16. Januar 2003 gegen 15:30 Uhr von seiner Tochter angerufen worden, die mitgeteilt habe, sie stehe in der Kälte vor dem Hause, weil sie den Schlüssel vergessen habe. Er habe sich deshalb sogleich zu seinem Auto begeben. Dort sei ihm aufgefallen, dass der Autotank praktisch leer gewesen sei. Er habe mit dem vorhandenen Benzin die Fahrt von nach nicht mehr zurücklegen können. Auch habe er seinen Geldbeutel zu Hause vergessen gehabt. Die Kammer erachtet es als vorgeschobene Schutzbehauptung, dass dem Beteiligten Ziffer 3 erst in dem Moment, als er zu seinem Fahrzeug gekommen ist, aufgefallen sein soll, der Autotank sei praktisch leer gewesen. Als Wagenvorbereiter ist der Beteiligte Ziffer 3 mit Kraftfahrzeugen vertraut und als Berufspendler an seinen Arbeitsplatz kann er den nächstfälligen Tankvorgang vorausschauen. Auch ohne den Anruf seiner Tochter hätte er sich, seine Einlassung unterstellt, um das Auffüllen seines Fahrzeugs bemühen müssen. Naheliegend wäre es dabei gewesen, sich entweder bei einem Kollegen Geld auszuleihen oder sich die Tankfüllung kreditieren zu lassen. Statt dessen hat er eine nicht weiter ausgefüllte Betriebsstoff-Anweisung eingesetzt.

Angesichts der langen Kündigungsfrist war es der Arbeitgeberin nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen. Von ihr konnte auch nicht erwartet werden, den Beteiligten Ziffer 3 in dieser Zeit dahin zu überwachen, dass er eine Betriebsstoff-Anweisung nur bestimmungsgemäß einsetzt. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit ist vom Beteiligten Ziffer 3 nicht aufgezeigt worden.

Im Ergebnis überwiegt somit das Interesse der Arbeitgeberin an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Beteiligten Ziffer 3 an dessen Fortsetzung.

5. Der im ersten Rechtszug von dem Beteiligten Ziffer 3 vertretenen Ansicht, für die Sanktionierung seines Fehlverhaltens habe eine Abmahnung gereicht, kann nicht gefolgt werden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG, Beschluss v. 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98, BAGE 91, 30 = AP Nr. 42 zu § 15 KSchG) ist bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich, wenn es um eine schwere Pflichtverletzung geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Mit der Verwendung der unvollständig ausgefüllten Betriebsstoff-Anweisung zum Betanken seines privaten Kraftwagens hat der Beteiligte Ziffer 3 leichtsinnig sein Arbeitsverhältnis aufs Spiel gesetzt. Darauf, dass dem Beteiligten Ziffer 3, wie der Betriebsrat in seiner Stellungnahme zum Zustimmungsantrag ausgeführt hat, ein einfacherer Weg zur Bereicherung offen stand, kommt es nicht an. Gleichviel, ob sich der Beteiligte Ziffer 3 auch aus einem im Betrieb der Arbeitgeberin vorhandenen Benzinvorrat hätte bedienen können, jedoch den Weg gewählt hat, sich über die außerhalb der Werkstatt liegende Tankstelle Benzin anzueignen, liegt eine schwere Vertragspflichtverletzung vor. Die Arbeitgeberin hat, weil bei dem früher angewandten Verfahren, bei welchem Fässer mit Benzin zum Auftanken zur Verfügung gestanden hatten, eine Kontrolle nicht möglich gewesen ist, auf das Betanken an der Tankstelle umgestellt. Das unerlaubte Betanken des privaten Kraftfahrzeugs aus im Betrieb vorhandenen Vorräten unterscheidet sich in seinem Unwertgehalt nicht von der unzulässigen Verwendung einer Betriebsstoff-Anweisung. Ein möglicherweise graduell einfacherer Weg, sich zu bereichern, hat entgegen der Auffassung des Betriebsrats keine Auswirkungen auf die Schwere der Pflichtverletzung.

6. Schließlich kann sich der Beteiligte Ziffer 3 nicht auf andere Fälle berufen, die sich zum einen im Betrieb und zum anderen in einem Tochterunternehmen der Arbeitgeberin zugetragen haben sollen. Hinsichtlich des letztgenannten Falles hat das Tochterunternehmen nach dem Vorbringen des Beteiligten Ziffer 3 erfolglos die Zustimmung des Vertretungsorgans gerichtlich zu erstreiten versucht. Sie hat damit keinen anderen Maßstab angelegt, denn sie hat auch in jenem Falle ein Beschlussverfahren mit dem Ziel eingeleitet, die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats ersetzen zu lassen, womit sie nicht erfolgreich war. Hinsichtlich des Vorfalls im Betrieb der Arbeitgeberin ähneln sich die Fälle nur insoweit, als dort ein Arbeitnehmer eine ganze Tankfüllung Benzin entwendet haben und deswegen nur abgemahnt worden sein soll. Ob dieser Arbeitnehmer auch - wie der Beteiligte Ziffer 3 - auf seinen Vorgesetzten eingewirkt hat und sich eines Betriebsratsmitglieds bedient hat, um den Arbeitgeber von der Wahrheit einer unzutreffenden Geschichte zu überzeugen, wird nicht ausgeführt. Jedenfalls sind Anhaltspunkte für eine Selbstbindung der Arbeitgeberin nicht ersichtlich. Ohne eine solche kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, die vorliegend nach Auffassung der Beschwerdekammer der Art und so gewichtig sind, dass die beantragte Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung von Rechts wegen zu erfolgen hat.

II.

1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da gerichtliche Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden (§ 2 Abs. 5 ArbGG).

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht selbständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92 a ArbGG) anzufechten, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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