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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.10.2004
Aktenzeichen: 16 Sa 82/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes - Kammern Mannheim - Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 82/04

Verkündet am 29.10.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 16. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht J., den ehrenamtlichen Richter G. und den ehrenamtlichen Richter S. auf die mündliche Verhandlung vom 29.10.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 31.03.2004 - Az. : 10 Ca 322/03 - abgeändert:

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit einer am 15.05.2003 erhobenen Klage wehrt sich der seit 01.11.1996 bei der Beklagten als Verkäufer in der Filiale H. zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.187,-- € beschäftigte 28-jährige Kläger gegen eine ordentliche aus betriebsbedingten Gründen zum 31.05.2003 ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vom 22.04.2003.

Die bundesweit mit mehr als 90 Filialen Elektroartikel, insbesondere aus dem Bereich Unterhaltungselektronik vertreibende Beklagte schloss zum Zwecke der Sanierung wegen andauernder Verluste seit 2001 mit dem für die Regionen Süd und Südwest zuständigen Betriebsrat am 13.02.2003 eine Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie beinhaltende Vereinbarung. Unter Hinweis auf die in den Vorbemerkungen der Vereinbarung niedergelegten betriebswirtschaftlichen Daten sah der Interessenausgleich eine Betriebsänderung vor, wonach alle in einer Anlage aufgeführten Filialen, - die Filiale H. bis Jahresende 2003 -, später bis Mai 2003 zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet werden sollten. Angelieferte Ware sollte direkt auf Paletten im Markt angeboten werden, Kundenberatung nur noch im möglichen Zeitrahmen und eingeschränkt stattfinden bei reduziertem Warenangebot. Im Durchschnitt sollten in einer Filiale noch ein Marktleiter und neun für alle anfallenden Arbeiten zuständige Mitarbeiter beschäftigt werden. Die bisherigen Mitarbeiter, mit Ausnahme des Marktleiters und der Auszubildenden, sollten gekündigt werden; in der Filiale des Klägers sollten 12 keine Beendigungskündigung, sondern gemäß der in der Vereinbarung vom 13.02.2003 niedergelegten Auswahlrichtlinie eine Änderungskündigung erhalten. In der konkreten Durchführung wurde vereinbart, dass alle Mitarbeiter unter Beachtung der jeweiligen Kündigungsfristen zum Abschluss des Umbaus gekündigt werden und bei der Besetzung auf den neuen Arbeitsplätzen berücksichtigt werden sollten mit Vorrang der Änderungskündigungen gemäß der Richtlinie. Diese sah auch, mit Ausnahme der Marktleiter, für alle bisher tätigen die Vergleichbarkeit ungeachtet der bisherigen Arbeit vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die nach dem vorgetragenen Konzept der Umwandlung in eine reine Abverkaufsstelle behauptete Personalreduzierung sei im Einzelfall nicht geeignet, schon aus diesem Grunde die Notwendigkeit der weiteren Beschäftigung des Klägers zu verneinen. Die Beklagte habe auch das nach ihrer unternehmerischen Entscheidung entfallende Beschäftigungsbedürfnis des Klägers nicht nachvollziehbar dargelegt; es könne auch nach dem neuen Konzept auf die Arbeitskraft des Klägers nicht verzichtet werden. Auf die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts sei verwiesen.

Gegen das am 01.07.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.07.2004 Berufung eingelegt und diese am 27.08.2004 begründet. Die unternehmerische Entscheidung, neben vielen anderen die Filiale H. in eine Abverkaufsstelle umzugestalten, habe alle bisherigen Arbeitsplätze für Abteilungsleiter, Fachberater, Lageristen und Kassierer entfallen lassen. Mit dem Umbau seien für einen Filialleiter und 12 Mitarbeiter neue Arbeitsplätze geschaffen worden, die es zuvor nicht gegeben habe. Die Beklagte habe keine Entscheidung zum Personalabbau getroffen, sondern sich für eine Betriebsänderung entschieden, die zum Verlust aller Arbeitsplätze geführt habe. Die Anzahl neuer Arbeitsplätze zur Realisierung ihres Konzepts des Discountbetriebs müsse ihr überlassen sein. Die notwendige Mitarbeiterzahl sei anhand einer auf betriebswirtschaftlicher Basis ermittelten Prognoseentscheidung getroffen, mit dem Betriebsrat beraten und von diesem akzeptiert. Dieses neue, reine Discountprinzip habe seinen Niederschlag in der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung über Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie gefunden mit der Folge von Änderungs- bzw. Beendigungskündigungen. Der Arbeitsplatz des Klägers als Fachberater sei aus vorgenannten Gründen ersatzlos entfallen.

Entgegen der Folgerung des Arbeitsgerichts sei dem Kläger ein Arbeitsplatz unter Berücksichtigung der vorgesehenen Änderungen angeboten worden, falls ein solcher zur Verfügung stehen sollte, was er vorbehaltlos abgelehnt habe. Die Beklagte habe daher eine Beendigungskündigung aussprechen dürfen.

Dem Arbeitsgericht sei auch nicht darin zu folgen, dass die Beklagte die exakte Anzahl künftiger Arbeitsplätze unter dem Gesichtspunkt überobligatorischer Belastung der Mitarbeiter nicht vorgetragen habe. Das künftige System bedinge durch Vereinfachung von Warensortiment und dessen Präsentation die notwendigen Entlastungen.

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört. Das Protokoll über den Zeitpunkt der Umgestaltung der Filiale zum 09.05.2003 habe der Betriebsratsvorsitzende unmittelbar nach dem 24.02.2003, die schriftliche Anhörung habe der Betriebsrat am 10.04.2003 erhalten.

Demgemäß hat die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Ihm sei zu keinem Zeitpunkt ein vollständiges Angebot als Verkäufer unterbreitet worden, mit dem er ausdrücklich einverstanden gewesen wäre, sodass alle weiteren Überlegungen der Beklagten zum Zeitpunkt eventueller und bedingter Angebote dahinstehen könnten. Die von der Beklagten behaupteten Vereinfachungen der Arbeitsabläufe seien nicht eingetreten; das Scheitern des Konzepts der Beklagten sei durch die am 10.06.2004 beschlossene Schließung der Filiale bestätigt. Auch der Berufungsvortrag der Beklagten lasse jeden Vortrag vermissen, wie sich die Organisationsentscheidung der Beklagten auf die Beratung, Eingangskontrolle und Einräumtätigkeit der Mitarbeiter ausgewirkt habe. Es fehle jeder Hinweis auf die Auswirkungen bezüglich seines Arbeitsplatzes. Die Verlagerung der Arbeit auf den Marktleiter erlaube keinen Hinweis, wie dieser im Vergleich zum bisherigen Zustand ohne überobligationsmäßige Tätigkeit den Kläger ersetzen könne, ohne auf die weiteren vier Abteilungsleiter abzustellen. Die Einlassung der Beklagten, der Marktleiter könne wegen erheblichen Wegfalls bisheriger Aufgaben die Abteilungsleiter ersetzen, sei unrealistisch und im übrigen unsubstantiiert. Die Kündigung des Klägers scheitere weiterhin daran, dass nach dem Vortrag der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung der tatsächliche Umfang künftig notwendiger Beschäftigung nicht festgestanden habe.

Der Betriebsrat seit nicht konkret auf den Kläger bezogen angehört worden. Der Interessensausgleich sei nicht ordnungsgemäß mit dem Betriebsrat beraten und keinerlei Überlegungszeit eingeräumt worden. Die in der Vereinbarung mit dem Betriebsrat dargestellte soziale Auswahl sei grob fehlerhaft gewesen. Es fehle die notwendige Erstreckung auf die räumlich naheliegenden Filialen H., E., St., M., V. etc. Ebenso sei die Sozialauswahl fehlerhaft, da die Auswahlrichtlinie die zwingend zu beachtenden Kriterien zugunsten allein des Lebensalters vernachlässigt habe und nach Tätigkeit und Arbeitsvertrag nicht vergleichbare Mitarbeiter irrigerweise einbezogen und miteinander verglichen worden seien.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 26.08.2004 (As. 18 - 28) und die Berufungserwiderung vom 04.10.2004 (As. 45 - 50) verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift (As. 57 f.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts ist statthaft, denn die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 22.04.2003 aus betriebsbedingten Gründen erklärten ordentlichen Kündigung zum 31.05.2003 (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 Lit. c ArbGG). Die Berufung ist fristgerecht eingelegt und rechtzeitig vor Ablauf der Begründungsfrist ausgeführt worden, sodass sie nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässig ist.

II.

1. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das die Parteien verbindende Arbeitsverhältnis ist durch die ordentliche aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochene Kündigung der Beklagten zum 31.05.2003 beendet worden. Die aus betriebsbedingten Gründen von der Beklagten am 22.04.2003 ausgesprochene Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt, da sie durch dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist.

a) Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 134/02 = AP Nr. 260 zu § 613 a BGB), dass eine unternehmerische Entscheidung getroffen ist, nach der sich wegen innerbetrieblicher Gründe (Rationalisierung, Einschränkung oder Stilllegung der Produktion) oder außerbetrieblichen Umständen (Auftragsmangel, Umsatzrückgang) die Arbeitsmenge für die Beschäftigten verringert hat oder gänzlich in Wegfall geraten ist und eine oder mehrere Kündigungen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden können. Dabei muß die Umsetzung und Realisierung der unternehmerischen Entscheidung im Zeitpunkt des Zugangs der personellen Maßnahmen greifbare Formen angenommen haben. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber neben Zeitpunkt und Inhalt konkret darzulegen, welche organisatorischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände auf den vollständigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit der gekündigten Arbeitnehmer auswirken.

b)aa) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen ist die streitgegenständliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Die Beklagte hat eine gestaltende unternehmerische Entscheidung dahin getroffen, die bisherige Verkaufspraxis in ihren bundesweit verteilten Filialen grundsätzlich umzugestalten. Anstelle der bisherigen auf Beratung und Service beruhenden Verkaufstätigkeit ist u. a. die Filiale, in der der Kläger tätig gewesen ist, in eine reine Abverkaufsstelle umgewandelt worden. Diese grundlegende strukturelle Veränderung hat die Beklagte als Betriebsänderung mit dem zuständigen Betriebsrat im Rahmen des am 13.02.2003 verabschiedeten Interessenausgleichs vereinbart. In dieser Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat (As. 15 - 20 der arbeitsgerichtlichen Akte) unter B: Interessenausgleich in § 1: Betriebsänderung, sind unter Ziff. 1. und 2. Art und Inhalt der künftigen Verkaufstätigkeit u. a. für die Filiale in H. ab 09.05.2003 exakt beschrieben. Dort ist auch die zwingende Vorgabe des künftigen Personalbedarfs festgelegt, die nach der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung nicht an den bisherigen Notwendigkeiten der Beratung orientiert ist. Die Zahl der Mitarbeiter ist von der Beklagten nach einer unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Kriterien erstellten Prognose mit dem Betriebsrat beraten und festgelegt worden. Dabei sind nach der Darstellung der Beklagten die veränderten Vorgaben berücksichtigt und der Betriebsrat hat dieser Maßnahme zugestimmt. Desweiteren ist festgelegt, dass die Tätigkeiten der Arbeitnehmer im Hinblick auf die veränderten Aufgabenstellungen vor und nach der Betriebsänderung so unterschiedlich sind, dass sich Versetzungen im Rahmen des Direktionsrechts der Beklagten verboten haben. Es war deshalb allen Mitarbeitern zu kündigen. Die an der unternehmerischen Entscheidung der veränderten Firmenkonzeption orientierte und zwangsläufige Personalveränderung mit neuen Arbeitsplätzen, die mit den bisherigen nicht vergleichbar sind, ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgt. Diese mit dem Betriebsrat vereinbarte Veränderung aufgrund der getroffenen unternehmerischen Entscheidung ist weder willkürlich noch von vornherein wegen der behaupteten Unmöglichkeit ihrer Durchführung sachwidrig. Die Entscheidung ist an betriebswirtschaftlichen Überlegungen orientiert, vom Betriebsrat mitgetragen und in sich schlüssig und unterliegt daher als nicht sachwidrig keiner weitergehenden gerichtlichen Überprüfung.

bb) Der Einwand des Klägers, die Kündigung scheitere an der mangelnden Information des Betriebsrates, bzw. der nicht gesetzmäßigen Herbeiführung des Interessensausgleichs vom 13.02.2003, ist nicht zutreffend. Nach den eindeutigen Bekundungen des Zeugen H., der als Vorsitzender des zuständigen Betriebsratsgremiums an den Verhandlungen an entscheidender Stelle mitgewirkt hat, hatte der Betriebsrat nach den eindeutigen Bekundungen der Geschäftsführung der Beklagten die notwendige Zeit zur Beratung und Beschlußfassung unter rechtskundiger Unterstützung und hat dem Konzept der Beklagten schließlich zugestimmt. Die Tatsache der kurzfristigen Befassung- und Beschlußfassung über ein allein die Arbeitnehmer ohne erkennbare Gegenleistungen belastendes Konzept führt trotz dieser Vorgehensweise nach dem von dem Zeugen geschilderten Ablauf allein nicht zur Rechtsunwirksamkeit des Interessenausgleiches.

2. a) Die Einwendungen des Klägers, das von der Beklagten getroffene Personalkonzept sei als reine Personalreduzierung Gegenstand der unternehmerischen Entscheidung, ist durch die von der Beklagten vorgelegte Vereinbarung mit dem Betriebsrat widerlegt. Die Beklagte hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht etwa nur Personalreduzierungen vorgenommen hat um ihr Ziel zu erreichen, sondern dass die Kündigungen der Mitarbeiter wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze im Rahmen der durch die unternehmerische Entscheidung bedingten Umstrukturierung in gravierendem Ausmaß und Inhalt notwendig geworden sind. Die weggefallenen Arbeitsplätze sind daher nicht die unternehmerische Entscheidung sondern deren Folge.

b) Der Kläger kann dieser unternehmerischen Entscheidung eine mangelnde Plausibilität und Realisierungschance nicht erfolgreich entgegenhalten. Der letztendlich von der Beklagten mit dieser Maßnahme erhoffte Erfolg ist nicht Gegenstand arbeitsgerichtlicher Überprüfung.

c) Der Kläger kann auch nicht mit Aussicht auf Erfolg einwenden, sein Arbeitsplatz sei im Hinblick auf die zeitgleich mit seiner Kündigung geschalteten Stellenausschreibungen noch vorhanden. Nach dem von der Beklagten in Absprache mit dem Betriebsrat verfolgten Konzept der nach den jeweiligen Umbauterminen zeitlich differenziert notwendigen (Änderungs-) Kündigungen bei weiterlaufendem Geschäftsbetrieb musste Vorsorge dafür getroffen werden, dass zu den maßgeblichen Zeitpunkten eine genügende Mitarbeiterzahl vorhanden ist, da die Reaktionen der Gekündigten von der Beklagten nicht vorhergesehen werden konnten. Aus dieser nach der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten zwangsläufigen Situation kann nicht die Folgerung eines anderweitig freien Arbeitsplatzes für den Kläger gezogen werden. Dies hätte die Beklagte der Möglichkeit beraubt, das gewählte Konzept während des weiterlaufenden Geschäftsbetriebs zu realisieren, da bei zeitlich vorgezogenen Kündigungen der nach dem Interessenausgleich für eine Änderungskündigung vorgesehenen Mitarbeiter diese Kündigungen mangels genügender Sozialauswahl unwirksam gewesen wären. Im Sinne der Grundsätze betriebsbedingter Kündigungen konnte sich der Kläger daher nicht mit Aussicht auf Erfolg auf von der Beklagten vorgehaltene freie Arbeitsplätze berufen, da deren Existenz zum maßgeblichen Zeitpunkt gerade nicht feststand, sondern von dem denkbaren und möglichen, für die Beklagte aber nicht vorhersehbaren Verhalten der von einer Änderungskündigung betroffenen Mitarbeiter abhängig war.

3. a) Diese von der Beklagten mit dem Betriebsrat verabredete Unternehmerentscheidung hat die notwendigen greifbaren Formen angenommen. Dies folgt u. a. aus der in der Anlage zur Vereinbarung geregelten zeitlichen Abfolge der auch räumlich notwendigen Umstrukturierungen und der durch die maßgebliche Entscheidung notwendigen Kündigungen. Die Umsetzung des von der Beklagten vereinbarten und durchgeführten Konzepts hat die Beschäftigung des Klägers überflüssig gemacht. Es gibt danach keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Unter Berücksichtigung und Annahme des von der Beklagten vorgetragenen Konzepts war zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist bzw. per 31.05.2003 eine Beschäftigung des Klägers in der bisherigen Art entfallen. Die Konzeption des reinen Abverkaufs ist von der Beklagten inzwischen unstreitig umgesetzt.

b) Die streitgegenständliche ordentliche Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers geführt hat, war im vorliegenden Falle auch notwendig. Ein milderes Mittel stand nicht zur Verfügung. Die Beklagte hat zurecht daraufhingewiesen, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine anderen freien Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Die Auffassung des Klägers, dass die Kündigung wegen der Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung zu geänderten Bedingungen zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung diese als nicht gerechtfertigt erscheinen lasse, ist unzutreffend. Die Beklagte hat die Änderungskündigung derjenigen Mitarbeiter, die im Hinblick auf die getroffene Personalauswahlrichtlinie schutzwürdiger waren als zum Beispiel der Kläger, zum gleichen Zeitpunkt gekündigt. In diesem Zeitpunkt war nicht vorhersehbar, ob und wenn ja welcher Arbeitsplatz dem Kläger zu welchen Bedingungen angeboten werden konnte. Ein Angebot im Wege des Direktionsrechts zu den neugeschaffenen Arbeitskonditionen bei der Beklagten war nicht möglich.

4. a) Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat zwar zunächst die Kündigung im wesentlichen auf die unrichtige soziale Auswahl der Beklagten gestützt. Er hat jedoch keine anderen weniger schutzwürdigen Mitarbeiter der Beklagten benannt, die anstelle des Klägers hätten gekündigt werden müssen. Der Hinweis auf die Kollegin S. geht fehl. Diese ist zwei Jahre älter als der Kläger und zwei Jahre länger beschäftigt, so dass die soziale Auswahl ungeachtet der Einlassung des Klägers zu dem maßgeblichen Alter nicht ermessensfehlerhaft war.

b) Die Behauptung des Klägers, die Sozialauswahl der Beklagten sei deshalb unrichtig, da sie nicht auf alle vergleichbaren Mitarbeiter in den Filialen erstreckt worden sei, für die der Betriebsrat zuständig sei, ist unzutreffend. Die jeweilige Filiale ist die Grenze für die betriebsbezogene Sozialauswahl. Dem Betriebscharakter der Filiale entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht erkennbar, insbesondere nicht der Umstand, dass der Betriebsrat für mehrere Filialen gebildet ist. Derartige Vertretungsstrukturen bei Filialisten sind gemäß § 3 BetrVG sanktioniert.

c) § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG fordert zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung die ausreichende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer. Sind die für die Sozialauswahl maßgeblichen Kriterien in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt, so folgt aus § 1 Abs. 4 KSchG, dass die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Dies ist anzunehmen, wenn die Gewichtung der sozialen Kriterien Betriebszugehörigkeit, Alter und Unterhaltspflichten jedes ausgewogene Verhältnis vermissen lassen (vgl. BAG, Urteil vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98 = DB 2000, 1838 f). Dabei unterfallen lediglich die Bewertung der Auswahlgesichtspunkte, nicht aber der Kreis der zu vergleichenden Arbeitnehmer der eingeschränkten Kontrollmöglichkeit.

aa) Die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl genügt den vorstehenden Kriterien. Soweit der Kläger reklamiert, dass mit Ausnahme der Marktleiter alle Mitarbeiter ungeachtet ihrer bisher eingenommenen Tätigkeit, Vergütung und Stellung in der Filiale in die Sozialauswahl der Auswahlrichtlinie aufgenommen worden seien, bestehen im Rahmen der notwendigen Überprüfung keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Sozialauswahl. Die Auswahlrichtlinie begegnet demgegenüber keinen Bedenken hinsichtlich des restlichen Regelungsinhaltes. Im Ergebnis kann die Frage dahinstehen, da nach dem nicht zu beanstandenden und der Auswahlrichtlinie zugrundeliegenden Punkteschema der Kläger nicht als schutzbedürftig angesehen worden ist.

bb) Dieses Punkteschema ist vom Inhalt und Ergebnis her nicht beanstanden. Es folgt den bereits vom Bundesarbeitsgericht beurteilten und akzeptierten Kriterien. Dazu gehört auch die Differenzierung nach Lebensalter, da in der Auswahlrichtlinie die Fortschreibung einer ausgewogenen Altersstruktur als berechtigter betrieblicher Belang anzusehen gewesen ist. Diesem Gedanken kommt vor allem bei einer Vielzahl von Kündigungen Bedeutung zu. Zur Vermeidung erheblicher Verschiebungen in der Altersstruktur ist der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Überalterung berechtigt, Fallgruppen und auch in einer Betriebsvereinbarung die Bildung von mehreren Altersgruppen vorzunehmen, die nach den sonstigen Kriterien der Sozialauswahl unter sich einzeln zu betrachten und zu bewerten sind. Im vorliegenden Falle begegnen die fünf gebildeten Altersgruppen keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.11.2000 - 2 AZR 533/99 = DB 2001, 1042 f). Die maßgeblichen abstrakten Festlegungen sind in der mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlrichtlinie getroffen (C § 2 Abs. 4 - 6 der Vereinbarung vom 23.02.2003).

Der Kläger ist im vorliegenden Rechtsstreit unterlegen und hat daher gemäß § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

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