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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 53/02
Rechtsgebiete: TV-SZ, MTV, ArbGG, TVG


Vorschriften:

TV-SZ § 2
TV-SZ § 2 Ziffer 2.1
TV-SZ § 2.1
TV-SZ § 2.6
TV-SZ § 2.6, 1. Abs.
TV-SZ § 2.6, 2. Abs.
TV-SZ § 3.1.
TV-SZ § 3.2
MTV § 18.1.2
ArbGG § 64 Abs. 2 b)
TVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 17 Sa 53/02

verkündet am 12.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 17. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Auweter, den ehrenamtlichen Richter Elschner und den ehrenamtlichen Richter Gustke auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 17.09.2002 - Az.: 11 Ca 4460/02 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf die Sonderzahlung gemäß § 2 des Tarifvertrages über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18. Dezember 1996 (TV-SZ).

Der kraft betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag regelt auszugsweise:

§ 2 Sonderzahlungen

Anspruchvoraussetzungen

2.1. Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehört haben, haben je nach Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen.

Ausgenommen sind die Beschäftigten, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben.

...

Ruhen des Arbeitsverhältnis

2.6 Anspruchsberechtigte Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine Leistung; ruht das Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

Anspruchsberechtigte Beschäftigte, die wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichens der Altersgrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden, erhalten die volle Leistung.

§ 3 Zeitpunkt

Auszahlungszeitpunkt

3.1. Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.

3.2 Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2 Ziffer 2.1 der 1. Dezember.

Die am 01.07.1941 geborene, verheiratete Klägerin war seit 08.10.1973 als Arbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Rückwirkend ab 01.02.2001 erhält die seit 26.10.2000 durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit Schreiben vom 10. Mai 2001 kündigte die Klägerin deshalb das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Die Beklagte bestätigte diese Kündigung mit Schreiben vom 14.05.2001.

Mit Schreiben vom 02.02.2002 machte die Klägerin die betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 1.016,40 € geltend, deren Zahlung die Beklagte mit Schreiben vom 05.02.2002 ablehnte. Am 26.04.2002 ging die vorliegende Klage bei Gericht ein.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 10.05.2001 die betriebliche Sonderzahlung zustehe, weil § 2.6, 2 Absatz des TV-SZ eine Sonderregelung für das Ausscheiden wegen Erwerbsunfähigkeit enthalte. Die Klägerin hat deshalb beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Sonderzahlung für das Jahr 2001 in Höhe von 1.016,40 € brutto nebst Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag, die 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegen, seit 16.02.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und dies zum einen damit begründet, dass auch im Rahmen des § 2.6, 2. Absatz des TV-SZ die Anspruchsberechtigung gemäß § 2.1 gegeben sein müsse. Am 01.12.2001 habe die Klägerin jedoch nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden. Zum anderen sei der Anspruch gemäß § 18.1.2 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18. Dezember 1996 in der Fassung vom 19. September 2000 verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Sachverhalts im Einzelnen und hinsichtlich der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 17.09.2002 Bezug genommen.

Gegen diese der Klägerin am 04.10.2002 zugestellte Entscheidung richtet sich deren am 15.10.2002 eingelegte und mit bei Gericht am 02.12.2002 eingegangenem Schriftsatz vom 29.11.2002 ausgeführte Berufung.

Die Klägerin, die die Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen durch das Arbeitsgericht rügt, beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage stattzugeben (Abs. 12 der Berufungsakte).

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der zutreffenden Begründung abgewiesen.

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags orientiert sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an der gesetzlichen Auslegung. Danach ist maßgebend zunächst der von den Tarifvertragsparteien verwendete Sprachgebrauch. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Bei Zweifeln darüber hinaus können weitere Auslegungskriterien wie Tarifgeschichte oder Tarifübung herangezogen werden (EK-Schaub, 3. Auflage 2003, § 1 TVG Rn. 14 ff.).

2. Unter Anwendung dieser Auslegungskriterien steht der Klägerin nach § 2.6, 2. Absatz des TV-SZ kein Zahlungsanspruch zu.

a) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift erhalten nur "Anspruchsberechtigte Beschäftigte", die wegen Erwerbs - oder Berufsunfähigkeit "aus dem Beruf ausscheiden" die volle Leistung. Anspruchsberechtigt sind gemäß § 2.1 des TV-SZ aber nur diejenigen Beschäftigten, die jeweils am Auszahlungstag - hier dem 01.12.2001 - zu dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber "in einem Arbeitsverhältnis" stehen.

Diese Voraussetzung liegt aufgrund der mit sofortiger Wirkung ausgesprochenen Kündigung der Klägerin vom 10.05.2001 unstreitig nicht vor. Hätten die Tarifvertragsparteien aus den in § 2.6., 2. Absatz TV-SZ genannten Gründen den aus dem Beruf ausscheidenden Beschäftigten in jedem Fall die Sonderzahlung erhalten wollen, hätte auf den Zusatz "Anspruchsberechtigte" verzichtet werden müssen. Dass die Tarifvertragsparteien diesem Zusatz keinerlei Bedeutung beigemessen hätten, kann nicht angenommen werden.

b) Auch aus der Systematik des Tarifvertrages ergibt sich nichts anderes. § 2.6 enthält danach nämlich eine Ausnahmeregelung zu § 2.1 des TV-SZ. Denn § 2.6, 1. Absatz regelt, unter welchen Voraussetzungen an sich anspruchsberechtigte Beschäftigte keine oder nur eine anteilige Leistung beanspruchen können. Hiervon macht § 2.6, 2. Absatz jedenfalls insoweit eine Unterausnahme, als man bei den dort aufgeführten Tatbeständen von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses ausgehen könnte. Dies ergibt sich zum einen aus der für beide Absätze geltenden Randnote "Ruhen des Arbeitsverhältnisses", als auch aus der Gegenüberstellung von keiner/anteiliger Leistung im ersten Absatz zu der vollen Leistung im zweiten Absatz. Tatsächlich bedurfte es auch der klarstellenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass es bei einer tariflichen Regelung des vorliegenden Inhalts für den Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung allein auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt und dass ohne ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung der Parteien die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt (BAG, Urteil vom 11.10.1995 - 10 AZR 985/94, AP Nr. 133 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie, NZA 1996, 542).

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin beschränkt sich der Kreis der Anspruchsberechtigten bei dieser Auslegung nicht auf nur diejenigen Arbeitnehmer, die nach dem 01.12. bis zum 31.12. eines Kalenderjahres ausscheiden. Denn zum einen kann der Auszahlungszeitpunkt gemäß § 3.1. des TV-SZ durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. § 3.2 des TV-SZ enthält insoweit nur eine Auffangregelung für den Fall, dass ein Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist. Zum anderen führen die in § 2.6. genannten Tatbestände mit Ausnahme der Kündigung zwecks in Anspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 2.6, 2. Absatz TV-SZ setzt deshalb auch nicht das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, sondern "aus dem Beruf" voraus. Soweit das LAG Frankfurt in einem obiter diktum den Sinn und Zweck einer § 2.6, 2. Absatz TV-SZ entsprechenden Regelung im Verzicht auf das in Ziffer 1 geregelte Erfordernis des Bestehens des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungsstichtag sieht, kann dem deshalb nicht gefolgt werden.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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