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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.07.2000
Aktenzeichen: 18 Sa 4/00
Rechtsgebiete: BErzGG, BetrVG, ZPO, BGB, LohnFG, ArbGG


Vorschriften:

BErzGG § 18 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 75
BetrVG § 75 Abs. 1
BetrVG § 75 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 112
BetrVG § 112 a
BetrVG § 112 Abs. 1
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 64 Abs. 6
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 128 Abs. 2
ZPO § 523
BGB § 620
LohnFG § 1
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
18 Sa 4/00

Verkündet am 28. Juli 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 18. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Thewes, den ehrenamtlichen Richter Bauer und den ehrenamtlichen Richter Stein im schriftlichen Verfahren nach der Sachlage am 28.07.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart vom 20.10.1999 - 1 Ca 4197/99 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über die Höhe des der Klägerin aus einem bei der Beklagten bestehenden Sozialplan zustehenden Abfindungsanspruchs.

Die Klägerin ist am 16.12.1971 geboren und war seit Oktober 1989 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Textilindustrie, als Maschinenarbeiterin beschäftigt zu einem durchschnittlichen Gehalt von DM 3.000,--. Ab 07.05.1995 ging die Klägerin aufgrund der Geburt des 1. Kindes in Mutterschutz und nahm daran anschließend Erziehungsurlaub. Während des Erziehungsurlaubs wurde das 2. Kind geboren. Bis 05.08.2000 hat die Klägerin sich weiterhin im Erziehungsurlaub befunden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete unstreitig durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 12.07.1999 zum 31.08.1999, nachdem das Gewerbeaufsichtsamt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG der Kündigung zugestimmt hatte.

Mit Datum vom 31.03.1999 hatten die Beklagte und der im Werk Winnenden bestehende Betriebsrat einen Sozialplan geschlossen im Hinblick auf die zum 31.07.1999 durchgeführte Stillegung der Produktion im Werk Winnenden. Dieser Sozialplan sieht unter Ziffer 1 eine Abfindung für die durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung entlassenen Arbeitnehmer vor, berechnet nach einer bestimmten Formel, die bei Anwendung auf die Klägerin zu einem Abfindungsanspruch in Höhe von DM 6.318,-- geführt hätte. In Ziffer 4 des Sozialplans ist folgendes geregelt:

"Arbeitnehmerinnen, die sich am 31.03.1999 im Erziehungsurlaub befinden, welcher nach ihrem Antrag erst im Jahre 2000 oder später enden sollte und die nach Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes gekündigt werden oder mit denen Aufhebungsverträge abgeschlossen werden, sind in der Anlage D namentlich benannt und erhalten die dort festgelegten Pauschbeträge, die hiermit verbindlich vereinbart sind."

Die Klägerin gehört zu den in Anlage D namentlich benannten Arbeitnehmerinnen und hat danach eine Abfindung in Höhe von DM 3.600,-- zu beanspruchen, die unstreitig ausgezahlt worden ist. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin nunmehr noch die Zahlung der Differenz in Höhe von DM 2.718,--.

Die Klägerin hat erstinstanzlich einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geltend gemacht. Für Mitarbeiterinnen im Erziehungsurlaub bestünden nach dessen Beendigung dieselben Schwierigkeiten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wie für die unmittelbar durch die Betriebsstillegung von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter. Die ohnehin nur ausnahmsweise zulässige Kündigung im Erziehungsurlaub sei sehr oft das "Aus" in Bezug auf eine weitere Berufstätigkeit. In der unterschiedlichen Zahlung einer Entschädigung für Mitarbeiter/innen im Erziehungsurlaub liege darüber hinaus eine Verletzung von Artikel 119 EG-Vertrag. Es handele sich um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Die Klägerin hat beim Arbeitsgericht zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den ihr nach dem Sozialplan unstreitig zustehenden Betrag von DM 3.600,-- hinaus eine weitere So_zialplanabfindung in Höhe von DM 2.718,-- zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im wesentlichen vorgetragen, dass ein sachlicher Grund bestehe, an aktive Mitarbeiter höhere Abfindungen zu bezahlen als an Erziehungsurlauber/innen. Der Bedarf an Überbrückungshilfe zur erforderlichen Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt entstehe bei einem aktiven Mitarbeiter mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.07.1999, während für die Klägerin, die derzeit Erziehungsgeld erhalte, finanzielle Nachteile aus dem Verlust ihres Arbeitsplatzes erst mit dem 08.08.2000 eintreten könnten.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.10.1999 die Klage abgewiesen. Die im Sozialplan vorgenommene Differenzierung zwischen Erziehungsurlaubern, deren Erziehungsurlaub erst ab 01.01.2000 endet, und aktiven Mitarbeitern sei wirksam. Entscheidend sei, dass die So_zialplanabfindung eine Überbrückungsfunktion habe und die Betriebspartner bei typisierender Betrachtungsweise den Bedarf an Überbrückungshilfe für die aktiv Beschäftigten höher als den für Erziehungsurlauber hätten bewerten dürfen. Denn die aktiven Mitarbeiter würden mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ihr Einkommen verlieren, während diese Situation bei den in der Anlage D genannten Erziehungsurlaubern frühestens im Jahr 2000 eintreten werde. Der Sozialplan verstoße auch nicht gegen Artikel 119 EG-Vertrag. Zwar stelle die Abfindung Entgelt im Sinne von Artikel 119 Abs. 2 EG-Vertrag dar. Die unterschiedliche Überbrückungsbedürftigkeit stelle jedoch einen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden objektiven Faktor dar, der nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 20.12.1999 zugestellte Urteil Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt am 17.01.2000 und hat diese innerhalb bis 17.03.2000 verlängerter Begründungsfrist am 16.03.2000 ausgeführt.

Die Klägerin vertritt nach wie vor die Ansicht, dass Ziffer 4 des Sozialplans einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 75 BetrVG und eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag darstelle. Eine Unterscheidung nach der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub wirke sich überwiegend zu Lasten von Frauen aus. Der Auffassung, die Überbrückungshilfe sei ein objektiver Faktor, der eine Ungleichbehandlung nach § 75 BetrVG bzw. eine mittelbare Diskriminierung nach Artikel 119 EG-Vertrag rechtfertige, könne nicht gefolgt werden. Der Wiedereinstieg eines Erziehungsurlaubers sei wegen der längeren Aussetzung des Arbeitsverhältnisses mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Oftmals bedeute die Kündigung im Erziehungsurlaub unter den heutigen Arbeitsmarktverhältnissen eine Beendigung einer weiteren Beschäftigung. Es bestehe demnach nicht der geringste sachliche Grund, einen Erziehungsurlauber schlechter zu stellen als einen Arbeitnehmer, der sofort in die Arbeitslosigkeit entlassen wird. Abgesehen davon genüge es nicht, wenn für eine Unterscheidung ein objektiver Faktor vorliege. Es müsse zudem anzuerkennen sein, dass das gewählte Mittel einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens diene und für die Erreichung dieses Zieles geeignet und erforderlich sei. Die Unterscheidung im Sozialplan zwischen aktiven Mitarbeitern und Erziehungsurlaubern diene dem Bedürfnis des Unternehmens hier nicht. Die Überbrückungshilfe sei bei den aktiv Beschäftigten auch nicht höher zu bewerten als bei Erziehungsurlaubern, auch wenn der aktive Mitarbeiter bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist sein Einkommen verliere, während diese Situation bei den Erziehungsurlaubern nach Beendigung des Erziehungsurlaubs eintrete. Der besondere Schutz des Erziehungsurlaubers würde geradezu leer laufen, wenn man ihm eine wesentlich geringere Abfindung als dem aktiven Mitarbeiter zusprechen würde.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart (1 Ca 4179/99) vom 20.10.1999 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine weitere Sozialplanabfindung in Höhe von DM 2.718,-- zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte meint zum einen, dass Sozialplanabfindungen nicht als "Entgelt" im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag zu qualifizieren seien. Zum anderen liege weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung vor. Unter Ausserachtlassung von 3 Aushilfskräften seien von den verbleibenden 35 zu entlassenden Mitarbeitern (gleichgültig ob Vollzeit oder Teilzeit) 3 männlich (davon einer 55 Jahre alt und schwerbehindert), der Rest - also 32 - weiblich. Die nachteiligen Wirkungen der Maßnahmen hätten daher das weibliche Geschlecht nicht wesentlich öfter getroffen als das männliche, sondern fast ausschließlich das weibliche. Eine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts sei somit bereits hier zu verneinen.

Der Grund, weshalb den aktiven Mitarbeitern mehr Abfindung bei im übrigen gleichen sozialen Daten zugebilligt worden sei wie den passiven Mitarbeitern, liege einfach darin begründet, dass zum einen nur begrenzte Mittel für einen Sozialplan zur Verfügung gestanden und zum anderen die Betriebspartner nach dem Maß der Überbrückungsbedürftigkeit differenziert hätten. Das Mittel der Differenzierung habe daher einem Bedürfnis des Unternehmens entsprochen, ein Sozialplanvolumen nicht unvertretbar werden zu lassen.

Die in der Betriebsvereinbarung vorgenommene Differenzierung nach aktiven Mitarbeiter/innen und Erziehungsurlauber/innen verstoße auch nicht gegen § 75 BetrVG. Im Hinblick auf die allein maßgebliche Überbrückungsfunktion der Sozialplanabfindung könnten die Be_triebspartner nach dem Maß der Überbrückungsbedürftigkeit differenzieren. Vorliegend hätten die Betriebspartner bei typisierender Betrachtungsweise den Bedarf an Überbrückungshilfe für die aktiven Beschäftigten höher bewertet als den für die Erziehungsurlauberinnen, da die aktiven Mitarbeiter mit Ablauf der Kündigungsfrist ihr zuletzt bezogenes Einkommen verlieren und nur noch ein deutlich niedrigeres Arbeitslosengeld erhalten würden, sofern sie nicht ein adäquates Anschlussarbeitsverhältnis finden würden, wovon im Regelfall nicht ausgegangen werden könne. Demgegenüber trete die Situation bei den Erziehungsurlauberinnen erst mit Ablauf des geplanten Erziehungsurlaubes ein, bei der Klägerin mithin erst am 05.08.2000, somit über 1 Jahr später als bei vergleichbaren aktiven Beschäftigten. Für die Dauer des Erziehungsurlaubs fließe der Klägerin ohnehin kein Arbeitseinkommen zu und entstehe damit auch kein Überbrückungsbedarf.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Prozessvortrages der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Die Kammer hat Zustimmung beider Parteien gemäß § 64 Abs. 6, § 523, § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren entschieden.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

III.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin keine weitere Sozialplanabfindung in Höhe von DM 2.718,-- zusteht. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung.

Die Klägerin hat gemäß Ziffer 4 des Sozialplans vom 31.03.1999 (i.V.m. Anlage D) nur Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von DM 3.600,-- und nicht gemäß Ziffer 1 des Sozialplans auf eine Abfindung nach Maßgabe der dort festgelegten Formel in Höhe von DM 6.318,--. Die im Sozialplan getroffene Sonderregelung für Erziehungsurlauberinnen verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist daher wirksam

1. Die Regelung in Ziffer 4 des Sozialplanes verstößt nicht gegen § 75 BetrVG.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sind die Betriebspartner bei der Vereinbarung eines Sozialplanes frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in welchem Umfange ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Sie können bei ihrer Regelung von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen und nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden. Die Betriebspartner sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen und sind daher auch berechtigt, Arbeitnehmer von Leistungen des Sozialplanes auszunehmen. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG haben die Betriebspartner bei ihrer Regelung die betroffenen Arbeitnehmer jedoch nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln, dabei müssen sie insbesondere den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten (BAG v. 31.07.1996, AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.). Dieser verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für sie keine sachlichen und billigenswerten Gründe gibt, die unterschiedliche Behandlung sich vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist (BAG v. 13.11.1996, AP Nr. 4 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag, Ziffer II.2.b. der Gründe). Demgegenüber ist eine Differenzierung aufgrund bestehender tatsächlicher und für die jeweilige Regelung erheblicher Gesichtspunkte zulässig (BAG v. 31.07.1996, a.a.O.; BAG v. 26.06.1990, AP Nr. 56 zu § 112 BetrVG 1972).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass für die im Sozialplan vom 31.03.1999 vorgenommene Differenzierung ein sachlicher Grund bestanden hat. Es ist weder willkürlich noch unbillig, Arbeitnehmer/innen, die sich am 31.03.1999 im (nicht vor Ablauf des Jahres 1999 endenden) Erziehungsurlaub befunden haben, eine geringere Abfindung als den aktiven Mitarbeitern zukommen zu lassen.Es kann nicht angezweifelt werden, dass auch die Klägerin ganz erhebliche Nachteile durch die betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat. So verweist die Klägerin berechtigterweise auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Erziehungsurlaubers, dessen Wiedereintritt in das Erwerbsleben bei Beendigung des Erziehungsurlaubes wegen der längeren Aussetzung der Arbeitstätigkeit ohnehin mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Dennoch ist die Kürzung der Sozialplanabfindung für Erziehungsurlauber/innen nicht unwirksam. Denn die Prüfung einer unterschiedlichen Behandlung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen hat sich am Zweck der Sozialplanleistungen zu orientieren (BAG v. 13.11.1996, a.a.O.).Der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung liegt im vorliegenden Fall in der Überbrückungsfunktion der Abfindung. Sozialplanregelungen dienen nach § 112 Abs. 1 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den betroffenen Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung - künftig - entstehen. Sie haben eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion; es sollen die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses auftretenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie Arbeitslosigkeit, Umschulungsbedarf, geringere Vergütung am neuen Arbeitsplatz ausgeglichen werden (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 19. Aufl., §§ 112, 112a, Randnr. 80, m.w.N.). Der Sozialplan ist keine Entschädigung für den Arbeitsplatz an sich oder eine zusätzliche Belohnung der in der Vergangenheit für den Betrieb geleisteten Dienste (BAG v. 13.11.1996, a.a.O.; BAG v. 09.11.1994, AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, §§ 112, 112a BetrVG, Randnr. 81, m.w.N.).Im Hinblick auf die also allein maßgebliche Überbrückungsfunktion können die Betriebspartner nach dem Maß der Überbrückungsbedürftigkeit differenzieren. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat bei Abschluss eines Sozialplanes den Bedarf an Überbrückungshilfe für die aktiven Beschäftigten höher bewertet haben als für die Erziehungsurlauber. Denn die aktiven Mitarbeiter verlieren mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ihr zuletzt bezogenes Einkommen, und erhalten nur noch ein deutlich niedrigeres Arbeitslosengeld, wenn sie nicht sofort ein adäquates Anschlussarbeitsverhältnis finden, wovon im Regelfall nicht ausgegangen werden kann. Demgegenüber tritt diese Situation bei den Erziehungsurlaubern erst mit Ablauf des in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs ein. Denn für die Dauer des Erziehungsurlaubs fließt ihnen ohnehin kein Arbeitseinkommen zu und entsteht damit auch kein Überbrückungsbedarf. Finanzielle Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes können erst mit Ablauf des in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubes eintreten (LAG Baden-Württemberg v. 03.12.1997, 20 Sa 40/97).Wenn die Klägerin nunmehr geltend machen will, dass eine im Erziehungsurlaub befindliche Mitarbeiterin derselben Überbrückungshilfe bedarf wie die übrigen gekündigten Mitarbeiter, so muss gesehen werden, dass bei einem vereinbarten Sozialplan Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmen, welche Nachteile und wie die Nachteile ausgeglichen oder gemindert werden sollen; die wirtschaftlichen Nachteile dürfen aufgrund einer pauschalisierenden Betrachtung ermittelt werden (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, §§ 112, 112a BetrVG, Randnr. 98). Im vorliegenden Fall haben die Betriebspartner von dieser Regelungsfreiheit nach billigem Ermessen Gebrauch gemacht. So sind gemäß Ziffer 4 des Sozialplans nicht etwa schematisch alle Erziehungsurlauber/innen von der Kürzung der Sozialplanabfindung betroffen, sondern nur diejenigen, deren Erziehungsurlaub "nach ihrem Antrag erst im Jahre 2000 oder später enden sollte". Mit dieser Einschränkung haben die Betriebspartner ersichtlich dem Charakter der Abfindung als Überbrückungshilfe Rechnung getragen: Diejenigen Erziehungsurlauber/innen, die bis Jahresende 1999 aus ihrem Erziehungsurlaub in den Betrieb zurückgekehrt wären, werden hinsichtlich ihrer materiellen Betroffenheit den aktiven Arbeitnehmern gleichgestellt; ihnen wäre ohne die Betriebsänderung noch im Jahr 1999 wieder Arbeitseinkommen zugeflossen. Für Mitarbeiter/innen, deren Erziehungsurlaub bis in das Jahr 2000 hineinreicht, wird diese Gleichstellung nicht vorgenommen, da sich der Bedarf an Ausgleich finanzieller Nachteile bei ihnen erst beträchtliche Zeit nach Verlust des Arbeitsplatzes aktualisiert; sie wären im Jahr 1999 ohnehin ohne Arbeitseinkünfte gewesen.

Damit gewinnt das Datum 31.12.1999 zwar die Bedeutung eines Stichtages, da es für die Höhe des Abfindungsanspruchs darauf ankommt, ob der antragsgemäße Erziehungsurlaub vor oder nach dem Jahreswechsel 1999/2000 ausläuft. Stichtage in Sozialplänen sind aber üblich und grundsätzlich zulässig (BAG v. 30.11.1994, AP Nr. 89 zu § 112 BetrVG 1972). Bei der Festlegung von Stichtagen kommt den Betriebspartnern (bzw. der Einigungsstelle) ein weiter Ermessensspielraum zu. Zwar bringt jede Stichtagsregelung unvermeidbar gewisse Härten mit sich, diese müssen jedoch hingenommen werden, wenn die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist (BAG v. 19.04.1983, AP Nr. 128 zu Artikel 3 GG). Dies ist hier im Hinblick auf die unterschiedliche Betroffenheit von der dem Sozialplan zugrundeliegenden Betriebsänderung der Fall.

Nach alledem kann in der im Sozialplan vorgenommenen Differenzierung zwischen aktiven Mitarbeitern und "Arbeitnehmerinnen, die sich am 31.03.1999 im Erziehungsurlaub befinden, welcher nach ihrem Antrag erst im Jahre 2000 oder später enden sollte", kein Verstoß gegen die Vorgaben des § 75 Abs. 1 BetrVG gesehen werden.

2. Ebensowenig verstößt die Regelung in Ziffer 4. des Sozialplans gegen Artikel 119 des Vertrages zur Gründung der europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag).

a) Artikel 119 EG-Vertrag stellt ein echtes (Gemeinschafts-)Grundrecht dar, auf das sich Unionsbürger auch privaten Dritten gegenüber berufen können (BAG v. 23.02.1994, AP Nr. 51 zu Artikel 119 EG-Vertrag; Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Artikel 119 EGV, Randnr. 1, m.w.N.). Die Norm begründet ein subjektives Recht der Arbeitnehmer, bei gleicher Arbeit ohne Rücksicht auf das Geschlecht gleich entlohnt zu werden (BAG v. 05.03.1997, NZA 1997, 1242, 1243; Erfurter Kommentar - Schlachter, a.a.O.).

b) Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass es sich bei der Sozialplanabfindung um "Entgelt" im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag handelt. Laut Artikel 119 Abs. 2 EG-Vertrag umfasst der Entgeltbegriff alle Arten von Vergütungen, die ein Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses einem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar gewährt. Davon sind alle mit Rücksicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis erbrachten Leistungen erfasst, ob sie auf vertraglicher Grundlage, aufgrund von Rechtsvorschriften oder freiwillig gewährt werden, solange nur der geldwerte Vorteil überhaupt auf den arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien beruht (Erfurter Kommentar - Schlachter, Artikel 119 EGV, Randnr. 3, m.w.N.). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit Urteil vom 17.05.1990 (C 262/88, AP Nr. 20 zu Artikel 119 EWG-Vertrag) eine vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer bei dessen Entlassung wegen Arbeitsmangel gewährte Entschädigung, mit Urteil vom 27.06.1990 (C 33/89, AP Nr. 21 zu Artikel 119 EWG-Vertrag) ein beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gewährten Übergangsgeld und mit Urteil vom 09.02.1999 (C 167/97, EuGHE I 1999, 623 = AR-Blattei, ES 800.2, Nr. 9) eine durch Gerichtsentscheidung gewährte Entschädigung wegen Verletzung des Anspruchs auf Schutz vor sozial ungerechtfertigter Entlassung als "Entgelt" im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag anerkannt. Auch das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 28.10.1992 (AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972) eine Sozialplanabfindung auf eine Verletzung des Artikel 119 EG-Vertrag hin überprüft.

c) Selbst wenn man dem folgend auch im vorliegenden Fall die im Sozialplan vom 31.03.1999 geregelte Abfindung unter den Entgeltbegriff des Artikel 119 EG-Vertrag fallen lässt, ist aber eine Verletzung des Entgeltgleichheitsgrundsatzes nicht feststellbar.Artikel 119 EG-Vertrag verbietet nicht nur solche Diskriminierungen, die sich unmittelbar aus der ausdrücklich nach dem Geschlecht differenzierenden jeweiligen Regelung ergeben, sondern auch solche Regelungen, die zwar geschlechtsneutral formuliert und deshalb auf Frauen und Männer gleichermaßen anzuwenden sind, tatsächlich jedoch aus Gründen, die auf dem Geschlecht oder der Geschlechterrolle beruhen, wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig treffen (BAG v. 28.10.1992, AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 09.10.1991, AP Nr. 95 zu § 1 LohnFG). Insoweit macht die Klägerin unter Vorlage von Statistiken des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geltend, dass die Regelung in Ziffer 4 des Sozialplanes zu einer mittelbaren Frauendiskriminierung führe, da es in der großen Mehrzahl Frauen sind, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen. Dies mag zutreffen. Eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bedeutet aber dann keine Verletzung des Artikel 119 Abs. 1 EG-Vertrag, wenn hierfür objektiv rechtfertigende Gründe bestehen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (BAG v. 28.10.1992, a.a.O.; EuGH v. 13.05.1986, AP Nr. 10 zu Artikel 119 EWG-Vertrag). Solche Gründe sind vorliegend gegeben. Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung als Überbrückungshilfe rechtfertigen die Ungleichbehandlung zwischen Erziehungsurlaubern im Sinne von Ziffer 4 des Sozialplanes und den aktiven Arbeitnehmern.

Darüber hinaus ist für eine Differenzierung im Rahmen des Artikel 119 EG-Vertrag erforderlich, dass sie zur Verwirklichung eines mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbaren, unternehmerischen Bedürfnisses dient und für dieses Ziel in geeigneter, erforderlicher sowie verhältnismäßiger Weise eingesetzt wird (BAG v. 05.03.1997, AP Nr. 123 zu § 37 BetrVG 1972 = NZA 1997, 1242; BAG v. 23.01.1990, AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung = NZA 1990, 778; EuGH v. 13.05.1986, AP Nr. 10 zu Artikel 119 EWG-Vertrag). Bei Kollektivnormen besteht der Rechtfertigungsgrund in einem objektiven, sozialpolitischen Konzept, zu dessen Verwirklichung die Verwendung des benachteiligenden Merkmals geeignet und erforderlich ist (Erfurter Kommentar - Schlachter, Artikel 119 EGV, Randnr. 19, m.w.N.). Gegenstand eines Sozialplans ist der Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Die Betriebspartner haben vorliegend nach der Schwere der möglichen Nachteile und deren Vermeidbarkeit differenziert und haben bei einem begrenzten Sozialplanvolumen auf das Maß der Überbrückungsbedürftigkeit abgestellt, um möglichst allen von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe zu ermöglichen. Damit ist auch den strengeren Anforderungen, welche das aus Artikel 119 EG-Vertrag folgende Gleichberechtigungsgebot an die Zulässigkeit einer Differenzierung stellt, Rechnung getragen.

3. Aus diesen Gründen steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine höhere Abfindung als diejenige, die sich aus Ziffer 4 des Sozialplanes in Verbindung mit dessen Anlage D ergibt, zu. Dass etwa die in der genannten Anlage festgesetzten Pauschalbeträge als solche im Verhältnis untereinander gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würden, ist von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Hierauf hat bereits das erstinstanzliche Gericht in seinen Entscheidungsgründen hingewiesen, und die Klägerin ist mit ihrer Berufung darauf auch nicht zurückgekommen.

IV.

Da die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

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