Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.03.2002
Aktenzeichen: 18 Sa 9/02
Rechtsgebiete: BBiG, ArbGG, ZPO, MTV, BGB, KSchG


Vorschriften:

BBiG § 4 Abs. 3
BBiG § 6
BBiG § 6 Abs. 1
BBiG § 6 Nr. 2
BBiG § 10 Abs. 1
BBiG § 16 Abs. 1 S. 1
BBiG § 16 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 72 a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 263
ZPO § 264 a. F.
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 a. F.
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 a. F.
ZPO § 523
MTV § 2 Nr. 2
MTV § 10 Nr. 8 a
MTV § 23 d
BGB §§ 249 ff.
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 281
BGB § 282
BGB § 325
BGB § 612
KSchG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
18 Sa 9/02

verkündet am 01. März 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 18. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Pfeiffer, den ehrenamtlichen Richter Flemming und den ehrenamtlichen Richter Vollmar auf die mündliche Verhandlung vom 01.03.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 07.09.2001 - 4 Ca 150/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 01.09.2000 bis 09.04.2001 statt erhaltener Berufsausbildungsvergütung Anspruch auf Zahlung des einer angelernten Kraft zustehenden Entgelts hat.

Der am 09.03.1982 geborene Kläger, ausgebildeter Bäcker, vereinbarte unter dem 05.08.2000 mit der Beklagten, einem Unternehmen der Systemgastronomie, einen Berufsausbildungsvertrag zum Fachmann für Systemgastronomie für die Ausbildungsdauer vom 01.09.2000 bis zum 31.08.2003. Der Ausbildungsvertrag wurde am 27.12.2000 unter Nr. 467 428 von der Industrie- und Handelskammer Ulm in das von ihr geführte Verzeichnis eingetragen. Des Weiteren unterzeichnete der Kläger unter dem 05.08.2000 als Anlage zum Berufsausbildungsvertrag den Ausbildungsplan, der die sachliche und zeitliche Gliederung der Berufsausbildung beinhaltet. Im Ausbildungsplan ist als verantwortlicher Ausbilder Herr B. benannt. Mit Datum vom 27.12.2000 verkürzte die IHK Ulm auf Antrag des Klägers die Ausbildungszeit um 12 Monate mit Beendigungszeitpunkt 31.08.2002. Der Kläger erhielt den Ausbildungsvertrag nebst Ausbildungsplan erst am 03.03.2001 ausgehändigt. Zeitgleich erfuhr er von der Lehrzeitverkürzung. Die Beklagte bezahlte dem Kläger als Ausbildungsvergütung für September 2000 DM 1.120,00 brutto, für die Monate Oktober bis einschließlich Februar 2001 jeweils DM 1.150,00 brutto und für April 2001 DM 392,67 brutto. Außerdem weist die Abrechnung für April 2001 an Urlaubsabgeltung DM 434,56 brutto aus. Von den Nettobeträgen des Klägers für die Monate März und April 2001 zog die Beklagte DM 5,00 (März 2001) und DM 5,65 (April 2001) ab. Ab 29.03.2001 ist der Kläger nicht mehr zur Ausbildung erschienen. Durch Anwaltschreiben vom 09.04.2001 focht der Kläger das Berufsausbildungsverhältnis mit der Beklagten wegen arglistiger Täuschung an und erklärte vorsorglich die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung. Während der Dauer seiner Beschäftigung war der Kläger nicht in einer Berufsschule. Vor Beendigung der Beschäftigung wurde dem Kläger von Seiten der Beklagten mitgeteilt, dass er am Blockschulunterricht der Berufsschule in Calw teilnehmen solle.

Der Kläger hat im Wesentlichen behauptet und geltend gemacht,

ein Berufsausbildungsverhältnis habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Er sei in den Bereichen Küche, Putzen, Service und Verkauf wie jeder andere Mitarbeiter in verschiedenen Schichten eingesetzt worden. Täglich habe er 9 bis 10 Stunden gearbeitet. Eine Ausbildung habe nicht stattgefunden, die einzelnen im Ausbildungsplan aufgelisteten Positionen seien nicht erfüllt worden. Von daher stehe ihm ein Anspruch auf tarifliche Vergütung als angelerntes Küchen-, Grill-, Büfett-, Service-, Kassen-, Verkaufspersonal nach Abschnitt E des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg vom 07.02.2000 in Höhe von monatlich DM 2.497,00 brutto zu, weswegen er für den Zeitraum vom 01.09.2000 bis 09.04.2001 einen Betrag in Höhe von DM 18.331,33 brutto nebst Feiertagsausgleich für den 03.10., 25.12., 26.12.2000 und 06.01.2001 in Höhe von insgesamt DM 478,59 brutto zuzüglich anteilige Urlaubsabgeltung in Höhe von 7,21 Tagen à DM 113,50 brutto beanspruche. Von dem sich hieraus ergebenden Gesamtanspruch seien die ihm von der Beklagten geleisteten Bruttovergütungen für den Zeitraum von September 2000 bis Februar 2001 und der Nettoauszahlungsbetrag für April 2001 abzuziehen. Ob er auch von der Beklagten für März Vergütung erhalten habe, könne er nicht sagen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 12.077,56 brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen behauptet und geltend gemacht,

entgegen der Auffassung des Klägers könne nicht von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden. Grundlage der Beziehung der Parteien sei vielmehr ein formell ordnungsgemäß zu Stande gekommener Ausbildungsvertrag gewesen, der auch vertragsgemäß vollzogen worden sei. Der Kläger sei ordnungsgemäß ausgebildet worden. Ihre Ausbilder und Ausbildungsgehilfen hätten dem Kläger durch Vorzeigen, Anleitung und Kontrolle die erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse eines Fachmannes für Systemgastronomie vermittelt. Wegen der von der Beklagten behaupteten vermittelten Tätigkeiten wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts, S. 5 - 8, Bezug genommen. Der Kläger habe weder am 25.12.2000 noch am 06.01.2001 gearbeitet. Für den 03.10. und 26.12.2000 sei ihm Freizeitausgleich gewährt worden. Die ihm mit der Aprilabrechnung ausbezahlte Urlaubsabgeltung übersteige die dem Kläger zustehenden 7,21 Urlaubstage. Die beiden Abzüge seien wegen Kassendifferenzen an zwei Tagen im März vorgenommen worden. Im Übrigen finde kraft betrieblicher Übung der Bundesmanteltarifvertrag und Bundesentgelttarifvertrag Systemgastronomie Anwendung.

Durch das dem Kläger am 27.09.2001 zugestellte Urteil vom 07.09.2001 hat das Arbeitsgericht mit Ausnahme eines Nettobetrags in Höhe von DM 10,65 die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keine ausreichenden Gründe dafür dargelegt, dass eine tatsächliche Ausbildung nicht beabsichtigt gewesen sei bzw. nicht stattgefunden habe. Hiergegen richtet sich die am 25. Oktober 2001 eingelegte und mittels eines am 23.11.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung des Klägers.

Er trägt vor,

zu Unrecht sei das Arbeitsgericht von einem Ausbildungsverhältnis ausgegangen. Zwar habe das Arbeitsgericht richtig erkannt, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag nicht erfüllt habe. Jedoch sei das Arbeitsgericht fälschlicherweise zu dem Schluss gekommen, die von ihm in den ersten Monaten erbrachten Tätigkeiten stimmten zu einem großen Teil mit den im Ausbildungsplan zu vermittelnden Tätigkeiten überein. Der Ausbildungsvertrag nebst Ausbildungsplan seien nicht unverzüglich vor Beginn der Ausbildung ausgehändigt worden. Außerdem seien die Ausbildungspflichten gemäß § 6 BBiG nicht eingehalten worden. Eine persönliche Ausbildung habe nicht stattgefunden. Ihm sei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, wer für seine Ausbildung zuständig sei. Ein Berichtsheft sei ihm zu keiner Zeit zur Verfügung gestellt worden. Die Anwendung der Tarifverträge für die Systemgastronomie kraft betrieblicher Übung werde bestritten. Er beanspruche von der Beklagten weiterhin auf der Grundlage des Abschnitts E Nr. 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg vom 07.02.2000 sowie auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages für den Zeitraum vom 01.09.2000 bis 09.04.2001 für 7 1/3 Monate insgesamt DM 18.311,00 brutto nebst Feiertagsausgleich in Höhe von DM 478,59 brutto und Urlaubsabgeltung in Höhe von DM 818,34 brutto abzüglich von der Beklagten einschließlich der Bruttovergütung für den Monat März 2001 geleisteter DM 8.847,23 brutto. Hilfsweise stütze er seinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung der Ausbildungspflichten. Die Höhe des Schadens berechne sich anhand der Differenz der bezahlten Vergütung zu dem Gehalt, das er nach ordnungsgemäßer Ausbildung hätte erzielen können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 07.09.2001 abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer € 5.501,86 (DM 10.760,70) brutto zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG a. F., 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ZPO a. F.; vgl. Art. 3 Nr. 3, § 26 Nr. 5 EGZPO i. V. m. dem ZPO-RG vom 27.07.2001) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die dem Berufungsverfahren unterfallenden Begehren des Klägers abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des einer angelernten Kraft zustehenden Entgelts. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig.

a) Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, wonach die Berufung wegen der unzureichenden Antragstellung des Klägers und der ihrer Ansicht nach ungenügenden Auseinandersetzung in der Berufungsbegründung mit den erstinstanzlichen Urteilsgründen unzulässig sein soll. Gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO a. F. muss die Berufungsbegründung sowohl die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden, als auch die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten. Dazu bedarf es nach allgemeiner Ansicht nicht unbedingt bestimmt gefasster Anträge, wenn nur die innerhalb der Frist eingegangenen Schriftsätze ein bestimmtes Begehren eindeutig aufzeigen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 520 Rdnr. 17 m. w. N.).

b) Der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist vom Kläger angebrachte Berufungsantrag genügt diesen Anforderungen. Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Beklagten, wonach der ausdrücklich angebrachte Berufungsantrag des Klägers unzureichend formuliert ist. Indes ergibt sich aus der Berufungsbegründungsschrift zwanglos, dass der Kläger die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Entsprechendes gilt für die vom Kläger gegen die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe angebrachten Berufungsgründe. Die Urteilskritik des Klägers bezieht sich insbesondere auf die Rechtsanwendung durch das Erstgericht. Seiner Ansicht nach hätte das Arbeitsgericht Ulm auf der Grundlage der vom Arbeitsgericht selbst angenommenen Pflichtverletzungen der Beklagten nicht von einem Berufsausbildungsverhältnis, sondern von einem Arbeitsverhältnis ausgehen müssen.

2. Die im Wege der objektiven Klagenhäufung zur Entscheidung gestellten Klagebegehren sind insgesamt zulässig.

Eine den Grundsätzen der Klageänderung unterfallende nachträgliche objektive Klagenhäufung in der Berufungsinstanz ist nicht gegeben, §§ 523, 263, 264 ZPO a. F. (vgl. BGH NJW 2001, 2549). Zwar beruft sich der Kläger zur Rechtfertigung seiner Begehren erstmals in der Berufungsinstanz auf das Rechtsinstitut des Schadenersatzes. Indes ist nach dem insoweit zu Grunde zu legenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff von einem eigenständigen Streitgegenstand mit der Folge der Beurteilung als nachträgliche objektive Klagenhäufung nicht auszugehen. Zum einen unterbreitet der Kläger keinen neuen Lebenssachverhalt. Zum anderen hat er insoweit weder ausdrücklich noch stillschweigend einen getrennten Klageantrag gestellt. Erkennbar will der Kläger dadurch lediglich erreichen, dass die Kammer seine Begehren auch unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes als Sekundäranspruch würdigt.

3. Die in der Berufungsinstanz angefallenen Begehren des Klägers sind unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Differenz zwischen der bezogenen Ausbildungsvergütung und der Vergütung einer angelernten Kraft nach Abschnitt E Nr. 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg vom 07.02.2000 (fortan: LGTV) und entsprechenden Feiertagsausgleich nach § 9 Nr. 1 b des seit 01.01.1998 für allgemeinverbindlich erklärten (s. Bundesanzeiger 1998 Nr. 160) Manteltarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg (fortan: MTV) sowie entsprechende Urlaubsabgeltung nach § 10 Nr. 8 a MTV beanspruchen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht jeweils eine Anspruchsgrundlage verneint.

a) Ein vertraglicher Anspruch auf die entsprechenden Vergütungen einer angelernten Küchen-, Grill-, Büfett-, Service-, Kassen-, Verkaufskraft in den ersten zwei Jahren der Tätigkeit folgt nicht aus dem Berufsausbildungsvertrag der Parteien. Dieser gibt dem Kläger lediglich einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung entsprechend der in Abschnitt E des Vertrages vereinbarten Höhe (§ 10 Abs. 1 BBiG). Selbst wenn die Kammer zu Gunsten des Klägers im Anschluss an die Feststellungen des Arbeitsgerichts berufsrechtliche Mängel (keine unverzügliche Aushändigung der Vertragsniederschrift und des Ausbildungsplanes, § 4 Abs. 3 BBiG; keine ausdrückliche schriftliche Bekanntgabe des Ausbilders, § 3 Nr. 2 des Berufsausbildungsvertrages i. V. m. § 6 Nr. 2 BBiG etc.) unterstellt, wurde dadurch der Ausbildungsvertrag nicht etwa nichtig und in ein Arbeitsverhältnis umdeutbar, sondern nur fehlerhaft mit der Folge, dass der Berufsausbildungsvertrag jederzeit gelöst werden konnte (BAG, Urteil v. 05.03.1981 - 3 AZR 335/78 - nicht veröffentlicht; LAG Düsseldorf, DB 1954, 932; LAG Hamm, DB 1965, 1599).

b) Der Kläger kann seine Differenzvergütungen von der Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 612 BGB oder in entsprechender Anwendung verlangen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil v. 04.10.1972 - 4 AZR 475/71 - AP Nr. 2 zu § 24 BAT; Urteil v. 16.02.1978 - 3 AZR 723/76 - AP Nr. 31 zu § 612 BGB; Urteil v. 05.03.1981 - 3 AZR 335/78 - a. a. O.; Urteil v. 07.07.1993 - 5 AZR 488/92 - EzBBiB § 612 Nr. 18) hat ein Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von § 612 BGB Anspruch auf eine Vergütung, die seiner tatsächlichen Arbeitsleistung entspricht, wenn er auf Veranlassung des Arbeitgebers oder mit seiner Billigung faktisch höherwertige Dienste verrichtet, als dies dem Rahmen seines Arbeitsvertrages entspricht.

Dies gilt entsprechend für ein Berufsausbildungsverhältnis. Vorliegend kann der Kläger nicht über die erwähnten Anspruchsgrundlagen zu dem von ihm angestrebten Ziel gelangen, weil er die dafür zu verlangenden tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorgetragen hat. Voraussetzung wäre nämlich jeweils, dass der Kläger die in Bezug genommene Angelerntentätigkeit des Küchenpersonals etc. in den ersten zwei Jahren der Tätigkeit im Einzelnen dargelegt hätte. Das ist jedoch nicht geschehen. Hätte der Kläger die einzelnen Tätigkeiten und den zeitlichen Umfang der in Bezug genommenen Beschäftigtengruppe in tatsächlicher Hinsicht mitgeteilt und hätte er des Weiteren die von ihm verrichteten Tätigkeiten im Zeitraum vom 01.09.2000 bis einschließlich 09.04.2001 dargelegt, so wäre die Kammer und erstinstanzlich das Arbeitsgericht in der Lage gewesen, durch wertenden Vergleich die zur Entscheidung gestellten Begehren des Klägers zu beurteilen. Im Übrigen entsprechen in Übereinstimmung mit den Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichts die vom Kläger dargelegten Tätigkeiten z. B. in der Küche (Braten, Frittieren, Zubereiten von Speisen) durchaus den Tätigkeiten, die einen Hauptteil des ersten Ausbildungsjahres umfassen, für die nach der Liste unter Nr. 8 des Ausbildungsplans allein 12 Wochen vorgesehen sind.

c) Auch unter dem Gesichtspunkt des faktischen Arbeitsverhältnisses ergibt sich nichts anderes. Ein faktisches Arbeitsverhältnis kann nur angenommen werden in Fällen, in denen kein wirksames vertragliches Rechtsverhältnis besteht. Da der Kläger aber auf Grund eines wirksam begründeten und erst später durch Anfechtung oder Kündigung beendeten Berufsausbildungsverhältnisses tätig wurde, kommt die Annahme eines faktischen Arbeitsverhältnisses als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.

d) Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) besteht nicht, weil der Kläger nicht ohne Rechtsgrund, sondern auf Grund eines Berufsausbildungsvertrags tätig geworden ist.

e) Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz seine Begehren nunmehr auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadenersatzes verlangt, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden.

aa) Ansprüche nach § 16 Abs. 1 S. 1 BBiG kommen bereits deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger mögliche Ansprüche nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat (§ 16 Abs. 2 BBiG). Diese Regelung wurde in das Gesetz aufgenommen, um eine raschere Abwicklung eines vorzeitig beendeten Ausbildungsverhältnisses (hier: 09.04.2001) zu erreichen. Die Einhaltung der Frist muss von den Gerichten für Arbeitssachen von Amts wegen beachtet werden (Leinemann/Taubert, 1. Aufl., Berufsbildungsgesetz, § 16 Rdnr. 34) und greift auch dann, wenn der Auszubildende sich darauf beruft, die Frist sei ihm nicht bekannt gewesen. Da das Gesetz keine § 5 KSchG entsprechende Regelung enthält, kann der Anspruchsteller sich nach Fristablauf nicht auf unverschuldete Versäumnis berufen (Leinemann/Taubert, a. a. O., § 16 Rz. 34 m. w. N.). Im Übrigen betrifft § 16 Abs. 1 S. 1 BBiG den so genannten Auflösungsschaden wegen der vorzeitigen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Der Kläger verlangt indessen Erfüllung wegen unterlassener Zahlung.

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung (seit 01.01.2002 §§ 280 Abs. 1, 281, 282, 325 BGB; vorliegend jedoch Altfall) ergibt sich nichts anderes. Zu Gunsten des Klägers unterstellte Pflichtverletzungen nach § 6 Abs. 1 BBiG begründen nämlich keinen Erfüllungsanspruch des Klägers. Rechtsfolge eines schuldhaften und pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten wäre es nämlich, den Kläger gemäß §§ 249 ff. BGB so zu stellen, wie er stünde, hätte die Beklagte ihn ordnungsgemäß ausgebildet. Hätte er beispielsweise infolge der mangelhaften Ausbildung die Abschlussprüfung nicht bestanden, so hätte er wegen des erst späteren Eintritts in das Arbeitsleben einen finanziellen Schaden (vgl. Leinemann/Taubert, a. a. O., § 6 Rz. 64). Im Übrigen wären Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Ausbildungsverhältnis 6 Monate nach seiner Beendigung (09.04.2001) und Aushändigung der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung (liegt vor) gemäß § 23 d MTV verwirkt. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet der für allgemeinverbindlich erklärte MTV für das Hotel- und Gaststättengewerbe Baden-Württemberg Anwendung. Die Beklagte als Unternehmen der Systemgastronomie unterfällt dem fachlichen Geltungsbereich, § 2 Nr. 2 MTV. Die Anwendung des spezielleren Bundesmanteltarifvertrages für die Systemgastronomie hat die Beklagte nicht dargelegt. Allein die Rechtsbehauptung der Geltung kraft betrieblicher Übung genügt dafür nicht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück