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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: 2 Sa 56/00
Rechtsgebiete: UA, ZPO, ArbGG, BUrlG, SchwbG, MTV


Vorschriften:

UA § 2.3
UA § 2.3 1. Alt.
UA § 2.3 2. Alt.
UA § 2.3 Abs. 2 Satz 1 2. Alt.
UA § 3.4
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 543
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 72 a
BUrlG § 1
BUrlG § 3
BUrlG § 7
BUrlG § 7 Abs. 4
BUrlG § 13 Abs. 1 Satz 1
SchwbG § 47
MTV § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
2 Sa 56/00

verkündet am 04. April 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 2. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hensinger, den ehrenamtlichen Richter Hartmann und den ehrenamtlichen Richter Wössner auf die mündliche Verhandlung vom 04.04.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.10.2000 - Az.: 30 Ca 5187/00 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen, da das Urteil des Berufungsgerichts der Revision nicht unterfällt.

Entscheidungsgründe:

A. Berufung der Beklagten

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden. Im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung nicht veranlasst.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Abgeltung seines Urlaubs für das Jahr 1999 zu.

1. Nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, kann der Kläger keinen Urlaubsabgeltungsanspruch aus § 2.3 des Urlaubsabkommens für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden in der Fassung vom 18.12.1996 (im Folgenden: UA) herleiten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 2.3 UA identisch ist mit § 2.3 der Vorgänger-Urlaubsabkommen vom 22.12.1987 und 23.01.1979.

a) Gemäß § 2.3 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. UA (im Folgenden § 2.3 1. Alt. UA) ist eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses zulässig. Dieser tariflichen Regelung kommt kein eigenständiger Inhalt zu (BAG 03.05.1994 - 9 AZR 522/92 - AP Nr. 64 zu § 7 BUrlG Abgeltung, Gründe I. 1 b). Sie entspricht inhaltlich § 7 Abs. 4 BUrlG. Zwar normiert § 2.3 1. Alt. UA eine Abgeltung des Urlaubs ausdrücklich nur bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien nicht nur bei einer Kündigung, sondern bei jeder Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (insbesondere beim Aufhebungsvertrag) eine Urlaubsabgeltung vorsehen wollten (so im Ergebnis auch BAG 03.05.1994, a.a.O., wo das Arbeitsverhältnis auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs einvernehmlich beendet worden ist). Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine Urlaubsabgeltung bei einvernehmlichen Beendigungsformen des Arbeitsverhältnisses nicht regeln wollten. Zum anderen wäre die Einengung der Urlaubsabgeltung auf Kündigungen unwirksam, weil in Tarifverträgen von der Abgeltungsvorschrift des § 7 Abs. 4 BUrlG für den gesetzlichen Urlaub nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Da der Abgeltungsanspruch ein Surrogat des Urlaubsanspruchs nach §§ 1 und 3 BUrlG ist, unterliegt er dem gleichen Schutz vor tariflichen Abweichungen wie dieser und ist deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG unabdingbar (vgl. auch Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 13 Rz. 88). § 2.3 1. Alt. UA gibt also - deklaratorisch - die gesetzliche Lage des § 7 Abs. 4 BUrlG wider. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Vorschrift entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch jedoch nicht als Abfindungsanspruch, sondern als Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Er ist daher - abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Freistellungsanspruch. Der Abgeltungsanspruch erlischt demnach spätestens mit dem Ende des Übertragungszeitraums, wenn ein Freistellungsanspruch wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erfüllt werden können (ständige Rechtsprechung des BAG seit 1983, z.B. BAG 05.12.1995 - 9 AZR 871/94 - AP Nr. 70 zu § 7 BUrlG Abgeltung m.w.N.; Dersch/Neumann, BUrlG, 8. Aufl., § 7 Rz. 110 m.w.N.).

b) § 2.3 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. UA (im Folgenden: § 2.3 2. Alt. UA) sieht eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs "bei längerer Krankheit" vor. Diese eigenständige Tarifbestimmung ist rechtlich unbedenklich, da durch Tarifvertrag zu Gunsten der Arbeitnehmer von § 7 Abs. 4 BUrlG ohne Weiteres abgewichen werden kann (vgl. Leinemann/Linck a.a.O., § 13 Rz. 86 m.w.N.). Aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift folgt, dass § 2.3 2. Alt. UA nur für das fortbestehende Arbeitsverhältnis eine Urlaubsabgeltungsregelung trifft (BAG 31.05.1990 - 8 AZR 264/89 - n.v., BAG 03.05.1994 - 9 AZR 522/92 - a.a.O., BAG 11.08.1988 - 8 AZR 301/86 - n.v. zur inhaltlich gleichen Vorschrift des § 2.3 Urlaubsabkommen Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern). § 2.3 1. Alt. UA regelt die Urlaubsabgeltung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Deshalb führt eine systematische Auslegung von § 2.3 2. Alt. UA dazu, dass dieser Abgeltungstatbestand das fortbestehende Arbeitsverhältnis betrifft. Jedenfalls hat in dieser Tarifbestimmung nicht hinreichend deutlich der vom Kläger behauptete Wille der Tarifvertragsparteien Ausdruck gefunden, dem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer solle ein tariflicher Abgeltungsanspruch abweichend von der gesetzlichen Regelung auch dann eingeräumt werden, wenn der abzugeltende Urlaub wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht hätte gewährt werden können.

2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze steht für die erkennende Kammer fest, dass dem Kläger gemäß § 2.3 UA keine Abgeltung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 1999 zusteht.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger im Jahre 1999 bis zu seinem Ausscheiden bei der Beklagten am 30.11.1999 durchgehend arbeitsunfähig gewesen ist und auch bis zum Ende des Übertragungszeitraums (31.03.2000) die Arbeitsfähigkeit nicht wieder erlangt hat. Nach der dargestellten Rechtsprechung ergibt sich bei diesem Sachverhalt kein Abgeltungsanspruch. Die Voraussetzungen des § 2.3 1. Alt. UA liegen nicht vor. Zwar ist der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.1999 unabhängig von der Arbeitsfähigkeit des Klägers entstanden. Da der Kläger jedoch bis zum 31.03.2000 nicht wieder arbeitsfähig geworden ist, ist der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllbar geworden. Die Voraussetzungen des § 2.3 2. Alt. UA sind nicht gegeben, weil das Arbeitsverhältnis am 30.11.1999 beendet worden ist und nicht über das Jahr 1999 hinaus fortbestanden hat.

Auch der Anspruch des schwerbehinderten Klägers auf Abgeltung des Zusatzurlaubs gemäß § 3.4 UA in Verbindung mit § 47 SchwbG ist nicht gegeben, weil dieser Urlaubsanspruch zu dem Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz und den tarifvertraglichen Bestimmungen akzessorisch ist.

Da vorliegend für den begehrten Abgeltungsanspruch keine Anspruchsgrundlage gegeben ist, kommt es auch nicht mehr auf die Frage an, ob der Kläger den Abgeltungsanspruch gemäß § 18 MTV fristgerecht geltend gemacht hat.

Die Klage war deshalb abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil insoweit abzuändern.

B. Anschlussberufung des Klägers

Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist nicht begründet, weil dem Kläger nach den vorstehenden Ausführungen kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht.

Die Anschlussberufung war deshalb insoweit zurückzuweisen.

C. Nebenentscheidungen:

1. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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