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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 20 Sa 1/01
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, TVG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 72a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 145
BGB § 157
BGB §§ 315 ff.
BGB § 611
BGB § 612a
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
20 Sa 1/01

verkündet am 20. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 20. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Augenschein, den ehrenamtlichen Richter Camerer und den ehrenamtlichen Richter Oser auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 04.08.2000 - 6 Ca 61/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, da das Urteil des Berufungsgerichts der Revision nicht unterfällt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage auf die erhöhte Vergütung für die Monate Mai bis Oktober 1999 und Dezember 1999 bis April 2000 zu Recht entsprochen. Der Kläger kann von der Beklagten die begehrten Leistungen unter dem Gesichtspunkt des § 611 BGB i.V. mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz verlangen. Das Berufungsgericht schließt sich den Gründen des angefochtenen Urteils vollinhaltlich an und sieht insoweit gem. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V. mit § 543 Abs. 1 ZPO von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die von der Berufung hiergegen vorgebrachten neuen Aspekte veranlassen nur folgende abschließende Bemerkungen:

I.

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die durch die Beklagte hervorgerufene Ungleichbehandlung im Betrieb durch Gewährung der Vergütungserhöhung nur gegenüber der Gruppe von Arbeitnehmern, die nach dem Verbandsaustritt der Beklagten neue Arbeitsverträge abgeschlossen haben und die Verweigerung einer solchen gegenüber der auf Aufrechterhaltung ihrer bestehenden Arbeitsverträge beharrenden Gruppe der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer, zu der auch der Kläger gehört, hätte allenfalls dann sachlich gerechtfertigt sein können, wenn die Beklagte aufgrund der Änderungsverträge gegenüber der ersten Gruppe zu einer solchen Erhöhung verpflichtet gewesen wäre. Diese insoweit zutreffenden Erwägungen sind jedenfalls auch geeignet, die Entscheidung zu tragen.

1. Dabei kann dann dahingestellt bleiben, ob nicht bereits die letztlich durch die Beklagte herbeigeführte Gruppenbildung rechtlich zu beanstanden wäre - mit der Konsequenz, dass der Anknüpfungspunkt für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung wegfiele und der klägerische Anspruch mangels sonstiger sachlicher Unterscheidungskriterien begründet wäre. Hierfür spricht, dass die Beklagte auch nach ihrem Verbandsaustritt per 31.12.1997 im Verhältnis zu der Gruppe der gewerkschaftlich organisierten Mitglieder mit unverändert fortbestehenden Arbeitsverträgen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG unmittelbar und zwingend an den nach wie vor gültigen, weil nicht durch eine andere Vereinbarung abgelösten Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte im Schlosser-, Schmiede-, Maschinenbauer-(Mühlenbauer-), Werkzeugmacher- und Dreherhandwerk in Baden-Württemberg vom 17.04.1997 (künftig: MTV) gebunden ist. Die Tarifbindung für die Arbeitnehmer folgt aus § 3 Abs. 1 TVG, diejenige für die Beklagte aus § 3 Abs. 3 TVG (allgemeine Auffassung, vgl. BAG, Urteil vom 04.08.1993 - AP Nr. 15 zu § 3 TVG; Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 3 Rn. 50 m.w.N.). Die Beklagte könnte mit diesen Arbeitnehmern wirksam keine zu deren Ungunsten vom MTV abweichende Regelungen (wie offenbar in den Neuverträgen vorgesehen) treffen, weshalb eine Ablehnung eines solchen Änderungsangebots als in diesem Falle sogar einzig rechtlich zulässiges Verhalten dieser Arbeitnehmer keine Benachteiligung bei einer Vergütungserhöhung zum Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten rechtfertigte. Diese ausgeschlossenen Mitarbeiter könnten die den anderen gewährte Vergütungserhöhung vielmehr gem. § 612a BGB ebenfalls verlangen (Palandt-Putzo, BGB, 60. Aufl., § 612a BGB Rn. 2).

2. Soweit die Beklagte zweitinstanzlich versucht hat, eine ungeachtet der obigen Ausführungen unter 1. bestehende Rechtsverpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern mit Neuverträgen darzustellen, ist ihr Vorbringen unschlüssig, denn eine solche Verpflichtung wäre nicht wirksam zustande gekommen.

a) Die vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten, vor Abschluss der Änderungsverträge sei - außer gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden und gegenüber dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden - gegenüber sämtlichen Mitarbeitern angeboten worden, zum Dank und als Anreiz ggfs. unter anderem einen Anspruch auf Lohnerhöhung zu gewähren, stellte kein von den Arbeitnehmern annahmefähiges Angebot im Sinne des § 145 BGB dar. Denn es wäre nicht ausreichend bestimmt.

aa) Das Angebot ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die Teil des zweiseitigen Rechtsgeschäfts "Vertrag" werden soll. Gegenstand und Inhalt des Vertrags müssen im Angebot so bestimmt oder bestimmbar (§§ 133, 157, 315 ff. BGB) angegeben werden, dass die Annahme durch ein einfaches "Ja" erfolgen kann (Allgemeine Auffassung, vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 145 BGB Rn. 1 m.w.N.).

bb) Daran fehlt es hier. Einer etwa nur pauschal in Aussicht gestellten künftigen Vergütungserhöhung ließe sich weder Inhalt noch Umfang der Rechtsbindung der Beklagten entnehmen. Es wäre nicht einmal ansatzweise ermittelbar, in welchen Zeitabständen (jährlich oder nur alle 2, 3 usw. Jahre ?) und/oder in welcher Höhe ein etwaiger Anspruch auf Vergütungserhöhung bestehen soll. Nachdem die Beklagte aus dem für den fachlichen Geltungsbereich zuständigen Arbeitgeberverband ausgetreten ist und damit unmissverständlich eine Abkehr von den zwischen diesem Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften künftig abzuschließenden Tarifverträgen bekundet hat, kann zu ihren Gunsten auch nicht von einer Konkretisierung des streitigen Angebots durch Anlehnung oder gar Übernahme solcher Tarifabschlüsse gedacht werden.

b) Die fehlende inhaltliche Bestimmheit des behaupteten Angebots der Beklagten auf künftige Vergütungserhöhung kann auch nicht als ein solches auf Zubilligung nur eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts auf Arbeitgeberseite im Sinne des § 315 BGB verstanden werden. Dabei kann dahinstehen, ob ein solches hier - im Gegensatz zu den sonstigen im Arbeitsrecht vorkommenden, lediglich rahmen- ausfüllenden Leistungsbestimmungsrechten - aufgrund Fehlens nahezu jeglicher Begrenzung überhaupt praktikabel wäre, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für die Ausübung des Bestimmungsrechts fehlt (vgl. dazu Palandt-Heinrichs a.a.O., § 315 BGB, Rn. 1). Denn die fehlende schriftliche Fixierung spräche jedenfalls gegen jeglichen Rechtsbindungswillen der Beklagten. Nachdem die Änderungsverträge allesamt schriftlich abgeschlossen wurden und darin zahlreiche Einzelheiten minuziös geregelt sind, ein Anspruch auf Vergütungserhöhung jedoch nicht einmal andeutungsweise zu finden ist, aber § 22 Nr. 1 des Textes der Änderungsverträge bestimmt, dass Nebenabreden - um eine solche handelte es sich hier - zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürfen, müsste davon ausgegangen werden, dass die Beklagte keinen rechtsverbindlichen Verpflichtungswillen zur Gewährung eines Vergütungserhöhungsanspruchs gehabt hätte, weshalb der tatsächlichen Richtigkeit des bestrittenen Beklagtenvortrags mangels Schlüssigkeit nicht weiter nachgegangen zu werden brauchte.

Die Berufung erwies sich damit als unbegründet.

II.

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen, war die Zulassung der Revision nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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