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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 02.07.2002
Aktenzeichen: 20 Ta 13/02
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 78 Satz 2
ZPO § 81
ZPO § 87 Abs. 1
ZPO §§ 114 ff.
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124
ZPO § 124 Nr. 4
ZPO § 127
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 176
ZPO § 178
ZPO § 187
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 20 Ta 13/02

Stuttgart, 02. Juli 2002

Beschluss

Im Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 20. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche am 02. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 13.05.2002 - 6 Ca 574/00 aufgehoben.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen, da der Beschluss des Beschwerdegerichts einem weiteren Rechtsmittel nicht unterfällt.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Aufhebung der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe erfolgte zu Unrecht, weil das zugrundeliegende Verfahren nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Deshalb war der angegriffene Beschluß mit dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben.

1. Der Kläger war im Ausgangsverfahren durch seinen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt Kurt Rösch, Karlstr. 28, 72488 Sigmaringen, vertreten. Dessen Prozeßvollmacht war nicht auf das unmittelbare Hauptsacheverfahren beschränkt. Sie ermächtigte deshalb gemäß § 81 ZPO "... zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen ...". Dazu zählt auch das für das Hauptsacheverfahren bewilligte Prozeßkostenhilfeverfahren (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 81 Randnr. 8). So haben es auch der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter verstanden, weil der Kläger selbst im Prozeßkostenhilfeverfahren keine Erklärungen gegenüber dem Gericht abgegeben hat, sondern sich von seinem Prozeßbevollmächtigten ausnahmslos vertreten ließ.

2. Die erteilte Prozessvollmacht ist in der Zwischenzeit nicht erloschen, weil ein das Erlöschen der Prozessvollmacht bewirkender Tatbestand, vgl. etwa § 87 Abs. 1 ZPO, nicht vorliegt.

3. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist mit der Gewährung der Prozesskostenhilfe nicht beendet, weshalb die Prozessvollmacht insoweit auch nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens betreffend die Hauptsache fortwirkt (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.12.1993 - 6 Ta 49/93 -; Beschluss vom 29.03.1999 - 20 Ta 33/98 -; Beschluss vom 07.06.2002 - 20 Ta 8/02 -). Die gegenteilige Auffassung (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 28.07.1988 - 14 Ta 202/88 - JurBüro 1988, 1717; OLG München, Beschluss v. 18.08.1992 - 12 Wf 932/92 - FamRZ 1993, 580; Huhnstock, Abänderung und Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung, 1995, Randnr. 6; Zöller-Philippi a.a.O. § 120 Randnr. 28) überzeugt nicht. Sie hält das Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO ohne nähere Begründung als nicht mehr zum selben Verfahren im Sinne der §§ 176, 178 ZPO gehörend, weil die Abwicklung der Prozesskostenhilfe nur noch reine Verwaltungssache sei. Dabei wird übersehen, dass das Gesetz nicht zwischen einem Verfahren bis zur Entscheidung des Prozesskostenhilfeantrags und einer Abwicklung für den Fall einer Bewilligung trennt. Vielmehr bilden sowohl die Bewilligung selbst als auch die fortwährende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers, die sich aus deren Veränderung ergebende Neufestsetzung der zu leistenden Ratenzahlungen (§ 120 Abs. 4 ZPO) und die Aufhebung der Bewilligung (§ 124 ZPO) den Gegenstand eines einheitlichen Prozesskostenhilfeverfahrens (vgl. Zöller-Philippi a.a.O. § 120 Randnr. 27 m.w.N.). Dies lässt sich einerseits aus der gesetzlichen Systematik der §§ 114 ff. ZPO ableiten, die den Verfahrensabschnitt der Bewilligung nicht als ein eigenständiges Verfahren von dem "Nachverfahren" gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO abtrennt.

Das wird zudem klargestellt durch die Beschwerderegelung in § 127 ZPO, die lediglich ein "Verfahren über die Prozesskostenhilfe" kennt und damit keine Unterscheidungen in verschiedene selbständige Verfahren zuläßt (LAG Baden-Württemberg jeweils a.a.O.).

4. Angesichts des Fortwirkens der Prozessvollmacht und der Einheitlichkeit des Prozesskostenhilfeverfahrens war das Arbeitsgericht auch bei der Anfrage nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO gehalten, die Vorschrift des § 176 ZPO zu beachten und die Anfrage nicht unmittelbar an den Kläger, sondern an seinen Verfahrensbevollmächtigten zu richten, weil die Prozessvollmacht dem Gericht bekannt war. Dies gilt in allen Verfahrensarten der ZPO (vgl. Zöller-Stöber a.a.O. § 176 Randnr. 2), mithin auch im vorliegenden Verfahren, und zwar sowohl für die förmliche Zustellung (vgl. Zöller-Stöber a.a.O. § 176 Randnr. 14) als auch für die formlose Mitteilung (vgl. Zöller-Stöber a.a.O. § 176 Randnr. 15).

Das Arbeitsgericht hat die zwingende Vorschrift des § 176 ZPO unbeachtet gelassen, indem die Zustellungen, die der mit der sofortigen Beschwerde angefochtenen Entscheidung vorausgingen, nicht an den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers erfolgten. Die Zustellungen an den Kläger selbst heilen diesen Mangel nicht im Sinne des § 187 ZPO, weil die Vorschrift des § 176 ZPO dem Gericht die Pflicht auferlegt, Zustellungen ausschließlich an den Verfahrensbevollmächtigen zu richten, soweit dem Gericht eine Prozessvollmacht vorliegt (BGHZ 61, 308 [310]). Da der Zustellungsmangel auch nicht durch Zugang der maßgeblichen Schriftstücke an den Verfahrenbevollmächtigten des Klägers geheilt ist, sind sämtliche an den Kläger unmittelbar bewirkten Zustellungen wirkungslos (BGH NJW 1984, 926 m.w.N.). Das bedeutet, dass das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ohne vorherige Beteiligung des Klägers, also im Sinne des § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO verfahrenswidrig und im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungswidrig, aufgehoben hat.

Deshalb war der angegriffene Beschluss mit dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben.

III.

Bei der weiteren Durchführung des Verfahrens wird der Prozessbevollmächtigte des Kläges im Einzelnen darzulegen und zu belegen haben, weshalb der Aufhebungsgrund gemäß § 124 Nr. 4 ZPO nicht vorliegen soll.

IV.

Das Beschwerdeverfahren ergeht gerichtskostenfrei. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

V.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 78 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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