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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 21 Sa 109/00
Rechtsgebiete: MTV, BeschFG, ArbGG, ZPO, TVG, TzBfG


Vorschriften:

MTV § 5
MTV § 5 Abs. 1 Satz 2
MTV § 6 Ziffer 1
MTV § 6 Ziffer 1 Satz 1
MTV § 7
MTV § 7 Satz 1
MTV § 8 Ziffer 1
MTV § 14 B Ziffer 2
MTV § 19
MTV § 19 A Ziffer 3
MTV § 19 A Ziffer 1 lit. a
MTV § 19 B
MTV § 19 B Ziffer 1
MTV § 19 B Ziffer 1 Satz 1
MTV § 19 B Ziffer 2
BeschFG § 2 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. a
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
TVG § 4
TVG § 1
TzBfG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
21 Sa 109/00

verkündet am 26. April 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer -durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht, den ehrenamtlichen Richter Göttler und den ehrenamtlichen Richter Maier auf die mündliche Verhandlung vom 26.04.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.10.2000 - Aktenzeichen 1 Ca 4615/00 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Sonderzahlung unter Berücksichtigung der von der Klägerin geleisteten Mehrarbeitsstunden.

Die am 15.05.1957 geborene, verheiratete Klägerin war zunächst ab Oktober 1997 als Aus-hilfe bei dem Beklagten beschäftigt. Aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 17.01.1998 wird sie seit dem 19.01.1998 als Verkäuferin/Kassiererin in der Verkaufsstelle D. be-schäftigt. Nach dem Inhalt des Vertrages beläuft sich die Arbeitszeit auf 20 Stunden in der Woche. Das Tarifgehalt errechnet sich aus der Gehaltsgruppe II 6. Tätigkeitsjahr. Es belief sich ab August 1999 auf monatlich DM 1 839,50.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt nach § 6 des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages Einzelhandel Baden-Württemberg in der Fassung vom 11.10.1996 (zukünftig MTV) 37,5 Stunden. Die Klägerin leistete in den Monaten Januar bis November 1999 Mehrstunden, die jeweils im Folgemonat abgerechnet wurden. Die Gesamtsumme der abgerechneten Mehrstunden belief sich im Jahr 1999 im Zeitraum Januar bis November auf 71 Stunden. Im Monat November 1999 wurden 10,5 Mehrstunden abgerechnet, die die Klägerin im vorangegangenen Monat Oktober ge-leistet hatte. Im November 1999 leistete die Klägerin 0,5 Mehrstunden. Mit ihrer Monats-abrechnung für den Monat November 1999 erhielt die Klägerin eine tarifliche Sonder-zuwendung in Höhe von DM 1 149,70 brutto, entsprechend 62,5 % aus DM 1 839,50.

Nach § 19 A Ziffer 1 lit. a MTV beträgt das Urlaubsgeld für Erwachsene 50 %, ab 01.01.1996 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufs-jahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung, bezogen auf das derzeitige Tarifschema. Die tarifliche Sonderzuwendung nach § 19 B Ziffer 1 MTV beträgt ab dem 01.01.1997 62,5 % des individuell dem/der Anspruchsberechtigten zu-stehenden monatlichen Tarifentgeltes. Nach § 19 B Ziffer 2 ist der Stichtag für die Be-messung des Prozentsatzes der Sonderzuwendung jeweils der 30. November des Kalender-jahres bzw. der Monat des Austrittes.

Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 16.02.2000 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von DM 138,86 brutto, weil das Weihnachtsgeld nicht ordnungsgemäß berechnet worden sei. Sie verwies dabei auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.05.1998 - Aktenzeichen 9 Sa 97/98. Nach dem Sachverhalt dieses Urteils schuldete die dortige Klägerin arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit zwischen 32 und 37 Stunden. In den Gründen dieses Urteils ist ausgeführt worden, bei divergierender Arbeitszeit sei das monat-liche Entgelt vom November des jeweiligen Kalenderjahres entscheidend.

Die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreites hat zur Begründung des erhobenen Anspruches geltend gemacht, bei Teilzeitbeschäftigten gebe es Schwankungen bezüglich der tatsächlichen Wochenarbeitszeit. Somit sei als Berechnungsgrundlage für das Weihnachts-geld die tatsächliche Arbeitszeit am Stichtag, nämlich im Abrechnungsmonat November zugrundezulegen. Dies bedeute, daß die im Durchschnitt der Monate Januar bis Novem-ber 1999 geleisteten Überstunden (6,5) einzubeziehen seien. Das ihr individuell zustehende monatliche Tarifentgelt umfasse das Entgelt für geleistete Überstunden, da es sich dabei auch um Tarifentgelt handle.

Die Klägerin hat dann lediglich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin restliche tarifliche Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) in Höhe von DM 85,96 brutto sowie 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat einen Anspruch verneint und Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 04.10.2000, welches am 20.11.2000 zugestellt worden ist, abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Nach den tariflichen Bestimmungen belaufe sich das individuelle monatliche Tarifentgelt der Klägerin im Sinne des § 19 B MTV auf den Betrag von DM 1 839,50. Zwar sei eine Überstundenvergütung ein individuelles Entgelt; gegen die Berücksichtigung der Überstundenvergütung beim individuellen monatlichen Tarifentgelt im Sinne des § 19 B Ziffer 1 MTV spreche jedoch der Wortlaut des § 7 MTV. Nach dieser Vorschrift liege der Berechnung des tariflichen Monatsentgeltes eine wöchentliche Arbeitszeit gemäß § 6 Ziffer 1 MTV zugrunde. Es liege auch kein Verstoß gegen § 5 MTV und § 2 Absatz 1 BeschFG vor, da keine unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitkräften erfolge. Bei beiden Gruppen würden Überstunden nicht berücksichtigt.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20.12.2000 eingereichten Berufung, die sie mit dem weiteren am 19.01.2001 zum Landesarbeitsgericht gelangten Schriftsatz ausgeführt hat. Die Klägerin macht geltend, für die Berechnung der Jahressonderzahlung sei die tarifliche Vergütung für den Monat November als individuelles Tarifentgelt maßgebend. Zunächst hat sie vortragen lassen, daß sie im gesamten Jahr 1999 - so auch im November - monat-liche Mehrstunden geleistet habe, im November 10,5 Stunden. Nunmehr räumt sie ein, im November 1999 lediglich 0,5 Mehrstunden geleistet zu haben. Als Teilzeitbeschäftigte habe sie Anspruch auf eine entsprechend ihrer jeweiligen monatlichen Stundenzahl anteilig zu berechnende Vergütung gemäß § 5 MTV. Die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden seien entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keine Überstunden, denn nach § 8 Ziffer 1 MTV würden als Überstunden nur die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden gelten. Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bestimme § 5 MTV, daß solchen Arbeitnehmern sämtliche Ansprüche aus dem Tarifvertrag nach Maßgabe des tatsächlichen Umfanges der Beschäftigung zustünden. Wenn der Auffassung des Arbeitsgerichts zu folgen sei, wäre dem Mißbrauch durch schriftliche Arbeits-verträge mit einer Mindeststundenzahl Tür und Tor geöffnet. Ihr stehe ein Anspruch auf die tarifliche Sonderzuwendung entweder unter Berücksichtigung der am 30.11. abgerechneten oder der im November tatsächlich oder in den Monaten Januar bis November monatlich durchschnittlich geleisteten Mehrstunden zu.

Die Klägerin beantragt nunmehr unter Klagerücknahme im übrigen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.10.2000 - Aktenzeichen 1 Ca 4615/00 - abzuändern und den Beklagten/Berufungsbeklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 59,81 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 06.06.2000 zu bezahlen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er macht geltend, bei der Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung sei auf das individuell arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt abzustellen. Stunden, die über die vertragliche vereinbarte Zeit hinaus geleistet würden, seien nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus enthalte § 19 B Ziffer 1 MTV anders als § 19 A Ziffer 3 MTV keine Regelung dahingehend, daß bei Teilzeitbeschäftigten auf die tatsächliche Arbeitszeit abzustellen sei.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Absatz 2 lit. a ArbGG in der Fassung des Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetzes vom 30.03.2000 statthaft, da sie vom Arbeitsgericht zugelassen worden ist. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden, so daß es gemäß §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO zulässig ist. Es hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Bei der Ermittlung der Höhe der tariflichen Sonderzuwendung nach § 19 B MTV sind weder die im Auszahlungsmonat November abgerechneten noch die in diesem Monat tatsächlich geleisteten Mehrstunden zu berücksichtigen. Vielmehr errechnet sich die Höhe der tariflichen Sonderzuwendung von 62,5 % nach der Höhe des individuell dem Anspruchsberechtigten zustehenden monatlichen Tarifentgeltes. Dies ist diejenige Vergütung, die der Arbeitnehmer nach den Gehaltssätzen des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütung und Sozialzulagen beanspruchen kann. Da der Berechnung des tariflichen Monatsentgeltes eine wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden zugrundeliegt, bemißt sich bei Teilzeitbeschäftigten das tarifliche Monatsentgelt nach der Relation zwischen der tariflichen und der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Weder die von Vollzeitbeschäftigten geleisteten Überstunden noch die von Teilzeitbeschäftigten erbrachten Mehrarbeitsstunden finden bei der Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung Berücksichtigung.

II.

Die Klägerin kann, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, keine höhere als die vom Beklagten geleistete tarifliche Sonderzuwendung beanspruchen. Da die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich schuldet, beläuft sich das ihr individuell zustehende monatliche Tarifentgelt auf DM 1 839,50 brutto, wie es ausweislich der Lohn-/Gehaltsabrechnungen ab August 1999 abgerechnet worden ist.

1. In § 19 MTV, der kraft Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, ist unter der Überschrift "Tarifliche Sonderzahlungen" bestimmt, daß Arbeitnehmer/-innen, einschließlich Auszubildender, Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) zusammensetzt, haben.

a) Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt nach § 19 A Ziffer 1 lit. a MTV für Erwachsene ab 01.01.1996 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung, bezogen auf das derzeitige Tarifschema. Somit erhalten die in Betrieben, Zweigniederlassungen und Filialen des Einzelhandels und des Versandhandels in Baden-Württemberg beschäftigten erwachsenen Arbeitnehmer unabhängig davon, welcher Beschäftigungsgruppe sie zugehören und nach welchen Tätigkeits- oder Berufsjahren sie bezahlt werden, ein zusätzliches Urlaubsgeld in derselben Höhe. Die individuell geschuldete Tätigkeit und die Anzahl der zurückgelegten Tätigkeits- oder Berufsjahre bleiben unberücksichtigt. Nur die Dauer der Arbeitszeit hat Einfluß auf die Höhe des geschuldeten zusätzlichen Urlaubsgeldes. Teilzeitbeschäftigte erhalten nach § 19 A Ziffer 3 MTV das zusätzliche Urlaubsgeld im Verhältnis der tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit.

b) Demgegenüber beträgt der zweite Teilbetrag der tariflichen Sonderzahlungen - die tarifliche Sonderzuwendung - nach § 19 B Ziffer 1 Satz 1 MTV ab 01.01.1997 62,5 % des "individuell dem/der Anspruchsberechtigten zustehenden monatlichen Tarifentgeltes". Da der Berechnung des tariflichen Monatsentgeltes nach § 7 Satz 1 MTV eine wöchentliche Arbeitzeit von 37,5 Stunden gemäß § 6 Ziffer 1 Satz 1 MTV zugrundeliegt, ist das der Klägerin individuell zustehende monatliche Tarifentgelt das Entgelt, das sie anteilig im Hinblick auf die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden beanspruchen kann.

2. Soweit sich die Klägerin in der Klageschrift, in welcher sie noch zutreffend ausgeführt hat, sie könne als tarifliche Sonderzuwendung 62,5 % des individuell ihr zustehenden monatlichen Tarifentgeltes, welches (bei Vollzeitbeschäftigung) DM 3 449,00 brutto be-trage, beanspruchen, auf eine Entscheidung der 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.05.1998 berufen hat, hat sie zum einen verkannt, daß die in jenem Verfahren zu berücksichtigende Tarifvorschrift einen anderen Wortlaut als § 19 B MTV aufweist, und zum anderen unbeachtet gelassen, daß mit jener Klägerin arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit zwischen 32 und 37 Wochenstunden vereinbart war. Die Klägerin jenes Verfahrens wurde als Teilzeitbeschäftigte mit einer (vertraglich vereinbarten) variablen Arbeitszeit beschäftigt, während vorliegend mit der Klägerin arbeitsvertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart worden ist. Die Klägerin dieses Verfahrens hat zwar über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit in den von ihr herangezogenen Monaten Januar bis November 1999 in unterschiedlichem Um-fang, nämlich von 0,5 bis 16,5 Stunden, über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus gearbeitet und die Stunden im darauffolgenden Monat mit dem entsprechenden Stundensatz vergütet erhalten, vertraglich war jedoch keine variable Arbeitszeit ver-einbart worden. Die Klägerin war auch nicht nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages zur Erbringung von Mehrarbeit verpflichtet. Da die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz sich zu einer ganz anderen Frage geäußert hat, kann sie auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden.

3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß unter Berücksichtigung sowohl des Wort-lautes des § 19 B Ziffer 1 MTV als auch der weiteren Tarifbestimmungen unter "individuelles monatliches Tarifentgelt" dasjenige zu verstehen ist, welches die Klägerin unter Berücksichtigung der von ihr ausgeübten Tätigkeit als Verkäuferin/Kassiererin, ihrer Tätigkeitsjahre und der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit beanspruchen kann.

a) Die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages folgt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungs-geschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung er-gänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung BAG, Urteil vom 08.09.1999 - 4 AZR 661/98, BAGE 92, 259 = AP Nr. 33 zu § 4 TVG Nachwirkung; zuletzt Urteil vom 30.08.2000 - 4 AZR 560/99, AP Nr. 172 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).

b) Wenn in § 19 B Ziffer 1 Satz 1 MTV bestimmt ist, die tarifliche Sonderzuwendung betrage einen bestimmten Prozentsatz "des individuell dem/der Anspruchsberechtigten zustehenden monatlichen Tarifentgelts", wird damit zunächst ("individuell") auf das dem konkreten Arbeitnehmer zustehende Entgelt Bezug genommen. Dadurch unterscheidet sich § 19 B Ziffer 1 Satz 1 MTV von § 19 A Ziffer 1 lit. a MTV, denn dort wird generell auf einen näher bestimmten tariflichen Entgeltanspruch verwiesen. Der Begriff des monatlichen Tarifentgeltes findet in § 7 Satz 1 MTV Verwendung. Danach liegt der Berechnung des tariflichen Monatsentgeltes die wöchentliche tarifliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden zugrunde. Das dem/der Anspruchsberechtigten zustehende monatliche Tarifentgelt ist somit dasjenige,, welches dem einzelnen Arbeitnehmer aufgrund der von ihm/ihr ausgeübten Tätig-keit, dem Tätigkeits-/Berufsjahr und der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zusteht. Wenn es auch in § 5 Absatz 1 Satz 2 MTV lautet, Teilzeitbeschäftigten stünden sämtliche Ansprüche aus dem Tarifvertrag nach Maßgabe des tatsäch-lichen Umfanges ihrer Beschäftigung zu, so folgt daraus nicht, daß hinsichtlich eines jeden Anspruches eine auf das Kalenderjahr, einen Monat oder einen anderen Bezugszeitraum abstellende Betrachtung bezüglich des tatsächlichen oder des durchschnittlichen Umfanges der Beschäftigung vorzunehmen und zugrundezulegen wäre.

Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien für einzelne Ansprüche unterschiedliche Regelungen geschaffen. Dies gilt zum einen für den schon erwähnten Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld und trifft zum anderen auf den Entgeltanspruch bei Arbeitsverhinderung zu. Unter § 14 B Ziffer 2 MTV ist hinsichtlich des Entgeltfortzahlungsanspruches im Krankheitsfall ausdrücklich bestimmt, daß zusätzliche Einkünfte, die bei der Berechnung des Entgeltes berücksichtigt werden müssen (zum Beispiel Überstundenvergütung), aus dem Durchschnitt der letzten drei vollen Monate vor Krankheitsbeginn zu errechnen sind. Damit haben die Tarifvertrags-parteien für den Fall der Entgeltfortzahlung einen Bezugszeitraum festgelegt, der für die Ermittlung der unter Berücksichtigung der Bezüge und der zusätzlichen Ein-künfte maßgeblich sein soll. Eine solche Regelung findet sich im Tarifvertrag bezüglich der tariflichen Sonderzuwendung nicht. Dementsprechend kämen denkbarerweise drei Varianten in Betracht. So hat die Klägerin zunächst geltend gemacht, die tarifliche Sonderzuwendung sei unter Einbeziehung ihrer im November 1999 geleisteten 10,5 Überstunden (gemeint offensichtlich Mehrarbeitsstunden, denn insoweit rügt die Klägerin gegenüber dem Arbeitsgericht zutreffend, als Über-stunden würden nur solche gelten, die über die regelmäßige Arbeitszeit von 37,5 Stunden in der Woche hinaus geleistet würden) zu berechnen. Die Klägerin hat jedoch im November 1999 tatsächlich nicht 10,5 Stunden, sondern nur 0,5 Stunden über die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet. Im November 1999 wurden die im Oktober 1999 geleisteten Mehrarbeitsstunden abgerechnet und vergütet. Später hat sie dann geltend gemacht, sie habe von Januar bis November durchschnittlich nicht weniger als 6,5 Stunden (zuletzt 4,5) über das vertragliche Maß hinaus geleistet. Dies ist ebenfalls nur bedingt zutreffend, denn unter Berücksichtigung der Lohnabrechnungen für die Monate Februar bis November 1999, in denen die im Vormonat geleisteten Mehrarbeitsstunden aufgeführt sind, und der im November 1999 geleisteten 0,5 Mehrarbeitsstunden, beläuft sich die Gesamtzahl der in dem von ihr gewählten Bezugszeitraum geleisteten Mehrarbeitsstunden auf 63,5 Stunden und somit im Durchschnitt auf 5,77 Stunden. Der Tarifwortlaut gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die in einem bestimmten Monat geleisteten oder abgerechneten Mehrarbeits- oder Überstunden oder ein Jahresmittel der über das vertraglich festgelegte Maß der Arbeitsstunden hinaus tatsächlich geleisteten Stunden Berücksichtigung bei der Ermittlung der Höhe der tariflichen Sonderzuwendung finden sollen.

c) Fehl geht auch die Auffassung der Klägerin, da nach § 19 B Ziffer 2 MTV Stich-tag für die Bemessung des Prozentsatzes der Sonderzuwendung jeweils der 30. November des Kalenderjahres bzw. der Monat des Austrittes des Arbeit-nehmers sei, sei somit für die Berechnung der Jahressonderzahlung die tarifliche Vergütung für den Monat November als individuelles Tarifentgelt maßgebend. Die Jahreszuwendung berechne sich nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden im Monat November.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass durch den Wortlaut des § 19 B Ziffer 2 MTV nicht das zum Ausdruck gebracht worden ist, was die Tarifvertragsparteien tatsächlich gewollt haben. Da der Prozentsatz der tariflichen Sonderzuwendung seit dem 01.01.1997 mit 62,5 % festgelegt ist, kann von den Tarifvertragsparteien nur gemeint sein, daß sich die Höhe des dem/der Anspruchsberechtigten individuell zustehenden monatlichen Tarifentgeltes danach bestimmt, welches in Monatsbeträgen festgelegte Tarifentgelt dem jeweiligen Arbeitnehmer am Stichtag 30. November zusteht. Somit werden dadurch sowohl im Laufe des Kalenderjahres bis zum 30. November eintretende Tariferhöhungen als auch durch Umgruppierung eintretende Veränderungen berücksichtigt. Auch unter der Annahme, bei der Vergütung der Mehrarbeitsstunden handle es sich um Tarifentgelt, weil für die Berechnung einzelner Arbeitsstunden das tarifliche Monatsentgelt nach § 7 MTV bestimmend ist, handelt es sich bei dem im November 1999 zur Auszahlung gelangten Betrag nicht um das individuell zustehende monatliche Tarifentgelt.

d) Soweit die Klägerin meint, es wäre, wenn die Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten richtig wäre, dem Mißbrauch durch schriftliche Arbeitsverträge mit einer Mindeststundenzahl, tatsächlich einer jedoch regelmäßig individuell darüber hinausgehenden Anforderung von Teilzeitbeschäftigten durch den Arbeitgeber Tür und Tor geöffnet, kann dem nicht gefolgt werden. Vorliegend haben die Parteien keine "Mindeststundenzahl" vereinbart. Die Klägerin schuldet nach dem Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden. Einseitig kann der Beklagte diese vertragliche Verpflichtung nicht erweitern. Die Klägerin muß vielmehr jeweils damit einverstanden sein, über das vertraglich festgelegte Maß hinaus Arbeitsstunden zu leisten und dadurch ihren Verdienst zu erhöhen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sie über einen längeren Zeitraum gleichmäßig über das vertragliche Maß hinaus gearbeitet hätte und der Beklagte eine Erhöhung der vertraglichen Stundenzahl nur deswegen abgelehnt hätte, um eine Erhöhung der tariflichen Sonderzuwendung zu vermeiden. Der Klägerin steht es frei, ihren Wunsch nach einer Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nach § 9 TzBfG gegenüber dem Beklagten zu äußern.

4. Soweit das Arbeitsgericht noch ausgeführt hat, es liege auch kein Verstoß gegen § 5 MTV, § 2 Absatz 1 BeschFG 1996 (nunmehr § 4 Absatz 1 Satz 1 TzBfG) vor, weil eine unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitkräften nicht erfolge, hat die Klägerin dagegen nichts erinnert.

III.

1. Da das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg haben konnte, trifft sie gemäß § 64 Ab-satz 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Absatz 1 ZPO die Kostenlast.

2. Die Kammer hat dem Fall im Hinblick auf die Breitenwirkung der zu entscheidenden Rechtsfrage, aber auch im Hinblick auf die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.05.1998 - 9 Sa 97/98 - und des Landesarbeitsgerichts München vom 08.07.1998 - 8 Sa 769/96 - und die dort behandelte ähnlich gelagerte Rechtsproblematik grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Deshalb ist gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht für die Klägerin veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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