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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 21 Sa 19/04
Rechtsgebiete: AV, BGB, ZPO, 35. Vergütungs-TV


Vorschriften:

AV § 5
AV § 5 Abs. 1
AV § 5 Abs. 2
AV § 5 Abs. 2 S. 1
AV § 5 Abs. 2 S. 2
AV § 5 Abs. 2 S. 3
AV § 5 Abs. 2 S. 4
AV § 5 Abs. 3 S. 2
AV § 9 Abs. 1
AV § 14
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 611
ZPO § 286 Abs. 1
ZPO § 288
ZPO § 291
35. Vergütungs-TV § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 21 Sa 19/04

verkündet am 03.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht, den ehrenamtlichen Richter Dr. Danner und den ehrenamtlichen Richter Rupcic auf die mündliche Verhandlung vom 04.11.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 28.01.2004 - 2 Ca 516/03 - abgeändert und klarstellend neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 327,36 brutto nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 07.08.2003 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin € 218,24 brutto nebst 5 %- Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.01.2004 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 24/100, die Beklagte 76/100 zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, ab 01.01.2003 die Tariflohnerhöhung des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (fortan: BAT) vom 31.01.2003 an die Klägerin weiterzugeben.

Die Beklagte ist ein überregionaler Träger von Altenpflegeeinrichtungen. Die am 04.03.1956 geborene, verheiratete Klägerin, deren Ehemann nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, ist seit 15.02.1997 als Krankenschwester im D. S. F. in U. beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Formulararbeitsvertrag vom 12.03.1997 (ArbG-Akte Blatt 5 bis 8) zugrunde. Er lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 5 Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung:

Vergütungsgruppe/-Stufe KR II/3 = DM 2.157,71 Ortszuschlag = DM 1.540,53 Allgemeine Zulage = DM 155,84 DM 3.854,08

Bei der Verrichtung von Überstunden, für Arbeiten an Sonntagen, Wochenfeiertagen und für Nachtarbeit vereinbaren die Parteien Zuschläge. Hinsichtlich deren Höhe orientieren sich die Parteien an den Beträgen des BAT. Die Vergütungsbestandteile sind abschließend aufgeführt. Die Zahlung der Freiwilligen Zulage (AAT) erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Auch bei wiederholter Gewährung entsteht kein Anspruch."

In § 14 des Arbeitsvertrages ist folgendes geregelt:

"§ 14 Für die Arbeitsbedingungen im übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der D. S. gGmbH in R.-P. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, in Kraft seit 1. Juli 1990, längstens jedoch bis zum Zustandekommen eines Tarifvertrages für das jeweilige Tarifgebiet oder die jeweilige Einrichtung."

Der in § 14 des Arbeitsvertrags in Bezug genommene Tarifvertrag zwischen der D. S. gGmbH in R.-P. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, in Kraft seit 01.07.1990, enthält in seinen §§ 2 und 5 folgende Regelungen:

"§ 2 Anwendung des BAT

Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer nach § 1 finden zur Regelung ihrer Arbeitsbedingungen grundsätzlich die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Angestellte bei Bund und Ländern (BAT) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung.

§ 5 Sonstige Tarifverträge

Die nachfolgend aufgeführten Tarifverträge zum BAT

1. Vergütungstarifvertrag

2. Tarifvertrag über allgemeine Zulagen

3. Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen

4. Tarifvertrag Urlaubsgeld

5. Tarifvertrag über eine Zuwendung

6. Tarifvertrag Rationalisierungsschutz

finden in der jeweils gültigen Fassung Anwendung."

Im Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT (im folgenden: 35. Vergütungs-TV) sind unter anderem folgende Regelu ngen enthalten (ArbG-Akte Blatt 29-32):

"§ 2

Der Vergütungstarifvertrag Nr. 34 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 30. Juni 2000 gilt für die Angestellten der Vergütungsgruppen

a) X bis IVa und Kr. I bis Kr. XI für die Monate November und Dezember 2002,

b) ...

§ 3

Einmalzahlungen

(1) Die Angestellten, die im Monat Februar 2003 Anspruch auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis haben, das am 2. Januar 2003 bereits bestanden hat, erhalten im Monat März 2003 eine Einmalzahlung. Die Einmalzahlung beträgt 7,5 % der Vergütung (§ 28 BAT) einschließlich der allgemeinen Zulage, höchstens jedoch 185 €. Bei der Bemessung der Einmalzahlung ist die Vergütung des Monats Dezember 2002 zu Grunde zu legen. Hat der Angestellte im Monat Dezember 2002 keinen Anspruch oder nur für Teile des Monats Anspruch auf Vergütung gehabt, ist die Vergütung zu Grunde zu legen, die er erhalten hätte, wenn er für den gesamten Monat Dezember 2002 Anspruch auf Vergütung gehabt hätte.

(2) ...

§ 4

Grundvergütungen, Gesamtvergütungen

(1) ...

(3) Die Grundvergütungen für die Angestellten der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. XIII (§ 26 Abs. 3 BAT) sind festgelegt für die Zeit

a) vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 für die Angestellten der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. XI bzw. vom 1. April bis 31. Dezember 2003 für die Angestellten der Vergütungsgruppen Kr. XII und Kr. XIII in der Anlage 3a,

b) ...

§ 5

Ortszuschlag

(1) Die Beträge des Ortszuschlags (§ 26 Abs. 3 BAT) sind festgelegt für die Zeit

a) vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis IVa und Kr. I bis Kr. XI bzw. vom 1. April bis 31. Dezember 2003 für die Angestellten der Vergütungsgruppen III bis I und Kr. XII und Kr. XIII in der Anlage 5a,

b) ..."

Durch den 35. Vergütungs-TV vom 31.01.2003 wurden die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die Allgemeine Zulage unter anderem für die Vergütungsgruppen KR I bis IX ab 01.01.2003 um 2,4 % erhöht. Zusätzlich sollten diejenigen Angestellten, die im Monat Februar 2003 Ansprüche auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis hatten, welches am 02.01.2003 bereits bestanden hatte, im Monat März 2003 eine Einmalzahlung in Höhe von 7,5 % der Vergütung (Grundvergütung, Ortszuschlag, § 26 Abs. 1 BAT, einschließlich der Allgemeinen Zulage), höchstens jedoch € 185,00 erhalten. Bei der Bemessung der Einmalzahlung sollte die Vergütung des Monats Dezember 2002 zugrunde gelegt werden.

Die Anlagen 3 a und 5 a zum 35. Vergütungs-TV enthalten die Tabelle der Grundvergütungen bzw. die Ortszuschlagstabelle (ArbG-Akte Blatt 37 und 38), auf die verwiesen wird.

Nachdem die Klägerin zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses in Vergütungsgruppe KR II Stufe 3 eingruppiert war, wurde sie nach Ablauf der Probezeit ab August 1997 in KR IV und ab Juni 2001 in KR V eingruppiert. Auch hinsichtlich der Vergütungsstufe trat im Laufe des Arbeitsverhältnisses eine Verbesserung für die Klägerin ein: Bis April 2001 wurde sie nach Stufe 3, danach nach Stufe 4 vergütet. Bis Ende 2002 wurden Tariflohnerhöhungen im Bereich des BAT stets an die Klägerin weitergegeben. Auch tarifliche Einmalzahlungen wurden im Laufe des Arbeitsverhältnisses gewährt, und zwar mit den Entgeltabrechnungen 4/99 und 8/00 (vergleiche ArbG-Akte Blatt 69 und 72). Neben der Grundvergütung erhielt die Klägerin einen Ortszuschlag. Dieser betrug zu Beginn des Arbeitsverhältnisses 1.540,53 DM (Arbeitsvertrag, ArbG-Akte Blatt 5), im Jahr 2001 1.558,28 DM (Abrechnung 5/01, ArbG- Akte Blatt 67), im Jahr 2002 810,59 € (Abrechnung 12/02, ArbG-Akte Blatt 66) und ab 2003 nur noch 637,19 € (Abrechnung Juli 2003, ArbG-Akte Blatt 91). Die Abrechnung 12/02, die einen Ortszuschlag in Höhe von 810,59 € ausweist, enthält die Bemerkung "Berechnung erfolgte nach Klasse 2 und Stufe 3".

Mit Schreiben vom 11.06.2003 (ArbG-Akte Blatt 39/40) machte die Klägerin über ihre Gewerkschaft unter Hinweis auf die Tarifabschlüsse im Januar 2003 die dort vorgesehene Einmalzahlung (€ 170,51 brutto), sowie die Tariflohnerhöhungen rückwirkend ab Januar 2003 (6 x 54,52 € = € 327,36 brutto) - erfolglos - geltend. Deshalb ließ sie am 31.07.2003 Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Ulm einreichen, die der Beklagten am 06.08.2003 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 15.12.2003, zugestellt am 19.12.2003, machte sie auch die Vergütungsdifferenzen für die Folgemonate Juli bis Oktober 2003 geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Vergütungsfrage sei in § 5 des Arbeitsvertrages (im Folgenden kurz: AV) nicht abschließend geregelt. Vielmehr finde auf das Arbeitsverhältnis über die Verweisung in § 14 AV sowie die Regelungen des Tarifvertrages zwischen der D. S. GmbH in R.-P. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, die Vergütungsregelung nach dem BAT Anwendung. Die Beklagte sei auch tarifgebunden, da der bestehende Firmentarifvertrag auf den BAT verweise.

Bei der Berechnung des Ortszuschlages seien bis 2002 drei Kinder und ab 2003 nur noch ein Kind berücksichtigt worden. Sie sei in der Vergangenheit nicht übertariflich bezahlt worden. Nach der Tariferhöhung ab 2003 habe sie in Vergütungsgruppe KR V Stufe 4 unter Berücksichtigung nur noch eines Kindes Anspruch auf eine Grundvergütung von € 1.570,21, Ortszuschlag in Höhe von € 652,80 und eine allgemeine Zulage in Höhe von € 105,33. Bislang sei allen Mitarbeitern Bewährungsaufstieg entsprechend den Regelungen des BAT gewährt worden. Soweit dies vereinzelt vergessen worden sei, sei der Bewährungsaufstieg nach Geltendmachung sofort nachgeholt worden. Sie sei im Übrigen approbierte Ärztin und daher als examinierte Krankenschwester einzugruppieren.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 150,51 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Klageerhebung zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 327,36 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Klageerhebung zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, weitere € 218,24 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2004 zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, § 14 AV verweise hinsichtlich der Frage der Vergütung nicht auf den Tarifvertrag zwischen der D. S. gGmbH in R.-P. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, der wiederum auf den BAT verweise. In § 14 AV sei vielmehr nur vorgesehen, dass "für die Arbeitsbedingungen im Übrigen" die Bestimmungen des Tarifvertrages gelten sollen. Die Frage des Gehalts sei jedoch in § 5 AV ausdrücklich und abschließend geregelt. Diese Bestimmung enthalte keine dynamische Verweisung auf die jeweilige Vergütungshöhe nach dem BAT. Eine ausdrückliche Formulierung, dass die Bezahlung in Anlehnung an den BAT erfolge, fehle in § 5 AV. Eine Orientierung am BAT sei ausschließlich für die Höhe der Zuschläge für Überstunden sowie Sonn-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit vereinbart. Es sei auch ausdrücklich vereinbart, dass die Vergütungsbestandteile abschließend aufgeführt seien. Aus § 14 AV lasse sich im Übrigen entnehmen, dass andere, im Arbeitsvertrag gesondert geregelte Arbeitsbedingungen, nur dann auch dem Tarifrecht unterstellt sein sollen, wenn eine ausdrückliche Verweisung auch für diesen speziellen Punkt vorliege. Sie, die Beklagte, sei zwar in R.-P., nicht jedoch im hier maßgeblichen Tarifgebiet tarifgebunden.

Auch die bisherige Handhabung spreche dafür, dass der Arbeitsvertrag keine dynamische Verweisung auf die Vergütungsregelungen des BAT in ihrer jeweiligen Fassung enthalte. Zwar seien Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit weitergegeben worden, dies sei jedoch freiwillig erfolgt. Aufgrund der schlechteren wirtschaftlichen Lage habe sie sich entschlossen, die Tariflohnerhöhung im Bereich des BAT für das Jahr 2003 nicht weiterzugeben. Die Tatsache, dass sie selbst von einer freiwilligen Leistung ausgegangen sei, zeige sich auch daran, dass sie keine Änderungskündigungen ausgesprochen habe. Auch hinsichtlich des Stufenaufstiegs sei das Arbeitsverhältnis nicht entsprechend den Regelungen des BAT gelebt worden. Nach dem BAT erfolge ein Stufenaufstieg regelmäßig alle zwei Jahre. Die Klägerin sei jedoch gerade nicht regelmäßig alle zwei Jahre um eine Stufe aufgerückt. Auch bei anderen Arbeitnehmern sei ein Stufenaufstieg nicht regelmäßig alle zwei Jahre erfolgt. Die verschiedenen Verbesserungen der Vergütungsgruppe der Klägerin seien auch nicht nach den Regeln des BAT erfolgt. So gebe es dort keine Regelung, die eine Höhergruppierung nach Ablauf der Probezeit vorsehe. Schließlich seien weder bei der Klägerin noch bei anderen Arbeitnehmern Höhergruppierungen wegen Bewährungsaufstiegs entsprechend den Regelungen des BAT erfolgt. Hätte sie sich, die Beklagte, an die jeweilige Höhe des BAT-Entgelts binden wollen, hätte es nahegelegen, einen BAT-Vertrag abzuschließen. Die Klägerin sei in der Vergangenheit hinsichtlich des Ortszuschlags im Übrigen übertariflich bezahlt worden. Bei Berücksichtigung nur eines Kindes hätte ihr sicherlich nur ein solcher von nicht mehr als 450,00 € zugestanden.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.02.2004 zugestellten Urteil vom 28.01.2004 (ArbG-Akte Blatt 121 bis 136), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei zwar insofern darin beizupflichten, dass sich die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin nicht aus der Verweisungskette des § 14 AV in Verbindung mit dem Tarifvertrag zwischen der D. S. gGmbH in R.-P. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, ableiten ließen. Die Klägerin habe gleichwohl Anspruch auf ein Entgelt entsprechend den jeweils geltenden Regelungen des BAT, denn § 5 AV enthalte eine zeitdynamische Verweisung auf die Entgeltregelungen des BAT in ihrer jeweiligen Fassung. Zwar werde im ersten Absatz des § 5 AV der BAT nicht ausdrücklich genannt, bei einer verständigen Würdigung des Erklärungsgehaltes erschließe sich jedoch auch dem "Durchschnittskunden", dass mit der Vergütungsgruppe/-Stufe KR II/3 die Regelungen des BAT in Bezug genommen würden. Zum einen sei eine Bezugnahme auf die Regelungen des BAT im Pflegebereich üblich; zum anderen sei die Kombination einer mit römischen Ziffern bezeichneten Vergütungsgruppe und einer mit arabischen Ziffern bezeichneten Vergütungsstufe typisch für den BAT. Schließlich werde im zweiten Absatz von § 5 AV der BAT ausdrücklich genannt. Eine an den vom Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen vom 16.01.2002 - 5 AZR 715/03 (NZA 2002, 632), vom 13.03.2002 - 5 AZR 755/00 (NZA 2002, 1232), vom 13.11.2002 - 4 AZR 64/02 und 4 AZR 351/01 (NZA-RR 2003, 329 beziehungsweise 330 ff.) und vom 28.05.1997 - 4 AZR 546/95 (DB 1997, 2229 ff .) entwickelten Grundsätzen orientierte Auslegung des § 5 AV ergebe, dass es sich bei der Bezugnahme auf die Regelungen des BAT um eine zeitdynamische Verweisung, also um eine Verweisung auf die jeweils nach BAT geltende Vergütungshöhe handele. Zwar folge aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages noch nicht, ob die Parteien bei objektiver Auslegung eine dynamische Verweisung auf das jeweilige Gehaltsniveau nach BAT hatten vereinbaren wollen oder nicht. Insbesondere spreche die Bezifferung des Grundgehalts sowie des Ortszuschlags und der allgemeinen Zulage noch nicht gegen eine dynamische Verweisung. Auch die Regelung in § 5 Abs. 2 AV lasse nicht erkennen, ob in § 5 Abs. 1 AV eine zeitdynamische oder eine statische Verweisung gewollt gewesen sei. Der Hinweis in § 5 Abs. 2 S. 3 AV, wonach die Vergütungsbestandteile "abschließend aufgeführt" seien, lasse ebenfalls keine zwingenden Schlüsse zu. Die Begleitumstände - insbesondere das tatsächliche Verhalten der Parteien - sprächen vorliegend jedoch entscheidend dafür, dass eine dynamische Verweisung gewollt sei. Dies folge insbesondere aus dem Umstand, dass bislang Tariflohnerhöhungen stets weitergegeben worden seien. Der Arbeitsvertrag enthalte keinen Vorbehalt dahingehend, dass die Weitergabe von Tariflohnerhöhungen freiwillig erfolgen solle; die Beklagte habe des weiteren nicht vorgetragen, sie habe in der Vergangenheit bei Tariflohnerhöhungen schriftlich darauf hingewiesen, dass die jeweilige Tariflohnerhöhung freiwillig weitergegeben werde und eine Rechtspflicht hierzu nicht bestehe. Wäre eine dynamische Verweisung nicht gewollt gewesen, so hätte ein solcher Vorbehalt nahegelegen, insbesondere vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 2 S. 4 AV. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass das Arbeitsverhältnis nicht hinsichtlich aller Entgeltfragen entsprechend dem BAT "gelebt" worden sei. Vorliegend gehe es nicht darum, ob die Klägerin oder ihre Kolleginnen richtig eingruppiert seien, sondern lediglich um die Frage, ob die Tariflohnerhöhung derjenigen Tariflohngruppe und -stufe, welcher die Klägerin tatsächlich zugeordnet worden sei, weiterzugeben sei. Zentrale Bedeutung habe die Frage, ob Tariflohnerhöhungen bislang weitergegeben worden seien, nicht dagegen ob beispielsweise der Ortszuschlag in der Vergangenheit korrekt berechnet und ausbezahlt worden sei oder die Klägerin und ihre Kolleginnen entsprechend den Regelungen des BAT richtig eingruppiert seien oder ihnen entsprechend den Regelungen des BAT Bewährungsaufstieg gewährt worden sei. Ebenso wenig spreche gegen das zeitdynamische Verständnis der Verweisung in § 5 AV, dass die Beklagte zunächst keine Änderungskündigung ausgesprochen habe, um das Entgelt abzusenken.

Schließlich stehe die Interessenlage der Parteien der getroffenen Auslegung nicht entgegen. Zwar sei die Beklagte in Baden-Württemberg nicht tarifgebunden, und richtig sei auch, dass ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber in der Regel den Vorteil genieße, in Zeiten schlechter wirtschaftlicher Entwicklung nicht mit dem steigenden Tarifniveau Schritt halten zu müssen. Dies zwinge jedoch nicht zum dem Schluss, dass die Parteien gerade keine Koppelung der Gehälter an den BAT hatten anstreben wollen. Denn die Ankoppelung des Gehaltsniveaus an den BAT beschere der Beklagten nicht nur finanzielle Lasten, sondern biete auch potentiellen Arbeitnehmern einen Anreiz, überhaupt einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten einzugehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte in Baden-Württemberg ebenso wie in Rheinland-Pfalz mit Wettbewerbern um Arbeitskräfte konkurriere, die ihren Arbeitnehmern Bezahlung nach dem jeweils aktuellen BAT-Niveau anböten.

Die Klägerin habe ferner Anspruch auf Zahlung der tariflichen Einmalzahlung aus § 3 des 35. Vergütungs-TV, da es sich insofern nicht um einen eigenen Vergütungsbestandteil handle, vielmehr einen "Unterbestandteil" der Grundvergütung, der als Kompensation dafür gewährt werde, dass der 34. Vergütungs-TV eigentlich bereits Ende Oktober 2002 ausgelaufen wäre, die Vergütungserhöhung durch den 35. Vergütungs-TV jedoch erst im Januar 2003 in Kraft getreten sei. Für dieses Verständnis spreche auch die Tatsache, dass tarifliche Einmalzahlungen in der Vergangenheit ebenfalls gewährt worden seien.

Die geltend gemachten Vergütungsansprüche seien auch der Höhe nach gerechtfertigt. Die Beklagte habe der Klägerin im Jahr 2003 lediglich eine monatliche Grundvergütung in Höhe von € 1.533,41 brutto statt € 1.570,21 (Vergütungsdifferenz € 36,80 brutto) gewährt, außerdem einen monatlichen Ortszuschlag von lediglich € 637,19 brutto statt 652,48 € (Vergütungsdifferenz 15,29 € brutto) sowie eine allgemeine Zulage in Höhe von € 102,86 brutto statt € 105,33 (Vergütungsdifferenz € 2,47 brutto). In der Addition habe die Klägerin deshalb Anspruch auf eine monatliche Vergütungsdifferenz von € 54,56 brutto. Für die Monate Januar bis Juni 2003 habe die Klägerin somit Anspruch auf Zahlung eines Betrages von € 327,36 brutto, für die Monate Juli bis Oktober auf Zahlung eines Betrages von € 218,24 brutto. Die Einmalzahlung belaufe sich auf 7,5 % der Vergütung für Dezember 2002 (€ 2.273,46 brutto), somit auf € 170,51 brutto. Die geltend gemachten Zinsansprüche beruhten auf §§ 286 Abs. 1, 288, 291 BGB.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer per Telefax-Schriftsatz am 04.03.2004 beim Landesarbeitsgericht eingelegten und mit Telefax-Schriftsatz vom 05.05.2004 (LAG-Akte Blatt 12 bis 17) innerhalb der bis dahin verlängerten Begründungsfrist ausgeführten Berufung. Sie rügt im Wesentlichen, das Arbeitsgericht habe den Arbeitsvertrag mit der Klägerin unzutreffend ausgelegt, insbesondere das Zusammenspiel zwischen den §§ 5, 14 sowie 9 Abs. 1 und somit die von ihr intendierte rechtsgeschäftliche Willensrichtung verkannt, aber auch die tatsächlichen Umstände fehlerhaft gewürdigt. Sowohl der Wortlaut der vertraglichen Regelung als auch die Gesamtschau aller Umstände zeigten, dass eine tarifdynamische Verweisung in § 5 AV weder vereinbart noch beabsichtigt worden sei. Schon der Hinweis des Arbeitsgerichts, im Pflegebereich sei eine Bezugnahme auf die Vergütungsregelung des BAT üblich, sei so nicht richtig. Dies könne nicht einmal mehr für den öffentlichen Bereich gesagt werden. Zwar sei in § 5 Abs. 2 auf den BAT Bezug genommen, eine tarifdynamische Verweisung des § 5 Abs. 1 AV lasse sich daraus aber nicht ableiten, wie schon § 14 AV zeige, wo "im Übrigen" auf die geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der D. S. gGmbH in R.-P. und der damals vertragschließenden ÖTV Bezug genommen werde. Gerade daraus erhelle, dass alle anderen im Vertragstext formulierten Arbeitsbedingungen gerade nicht dem Tarifrecht hatten unterstellt werden sollen. Ferner habe das Arbeitsgericht die Bedeutung ihrer fehlenden Tarifbindung für die Auslegung verkannt. Gerade ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber wolle sich grundsätzlich der Regelungsmacht der Verbände für die Zukunft nicht unterwerfen. Die fehlende Tarifbindung verdeutliche seinen Willen, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne weitere Prüfung entsprechend der Tarifentwicklung vornehmen zu wollen. Gerade die nicht vorhersehbare Dynamik der Lohnentwicklung und die hierdurch verursachten Personalkosten sprächen grundsätzlich gegen einen objektiv erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen zu einer dauerhaften Entgeltanhebung entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet. Wolle sich ein Arbeitgeber derart verpflichten, so läge nichts näher, als entweder dem Arbeitgeberverband beizutreten oder im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, dass regelmäßige Tariflohnerhöhungen weitergegeben werden sollen. Dass sie, die Beklagte, im vorliegenden Fall, den Arbeitsvertrag völlig anders gestaltet habe, lasse objektiv ihren Willen erkennen, Tariflohnerhöhungen nicht automatisch weiterzugeben. Deshalb gingen auch die Vermutungen des Arbeitsgerichts zu ihrer Motivation und Interessenlage fehl, eine zeitdynamische Verweisung gewollt zu haben, um im Wettbewerb konkurrenzfähig zu sein. Es habe auch bei der Einschätzung der Arbeitsmarktsituation im Bereich der Pflegehilfskräfte geirrt und außer Acht gelassen, dass auf dem Kranken- und Pflegemarkt die Schere zwischen Finanzierbarkeit und Refinanzierung auseinander klafften, so dass man zunehmend von den Vergütungsregelungen des BAT abrücke.

Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass gerade die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine tarifdynamische Verweisung in § 5 Abs. 1 AV sprächen. Zwar seien in den vergangenen Jahren die Gehälter entsprechend den jeweiligen Tariflohnerhöhungen angepasst worden, dies jedoch lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen. Im Jahr 2003 habe es generell im Kranken- und Pflegebereich erhebliche finanzielle Einbrüche gegeben, so dass die Weite rgewährung der Tariflohnerhöhungen nicht mehr möglich gewesen sei. Tatsächlich sei der BAT in weiten Bereichen nicht auf das vorliegende Arbeitsverhältnis angewendet worden, insbesondere was Höhergruppierungen, Bewährungsaufstiege, Stufenerhöhungen usw. angehe. Auch die Vergütung selbst sei frei vereinbart, die Eingruppierungsmerkmale des BAT nicht angewendet worden.

Demgemäß beantragt die Beklagte im zweiten Rechtszug:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 28.01.2004 - Az. 2 Ca 516/03 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt in erster Linie das arbeitsgerichtliche Urteil und nimmt auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Ergänzend führt sie aus, für die Richtigkeit der vom Arbeitsgericht getroffenen Auslegung spreche auch, dass die Beklagte die AZV-Regelung im neuen Tarifwerk des BAT übernommen habe und sämtlichen Mitarbeitern bis zum heutigen Tag die Altersstufen nach BAT-Bewährungsaufstieg gewähre. Bei den Einstellungen habe man den Beschäftigten zudem mitgeteilt, dass der BAT zur Anwendung komme und habe die Tariflohnerhöhungen des BAT stets und regelmäßig an sie weitergegeben. In den Verhandlungen mit dem Betriebsrat habe sich die Beklagte zudem im Wesentlichen an die Struktur des BAT dynamisch angelehnt und diese entsprechend umgesetzt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die ihrem Gegenstandswert nach statthafte Berufung der Beklagten (vgl. § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

II.

Sie ist auch zum Teil begründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung gemäß Urteilstenor Ziff. 1 (Einmalzahlung) wendet. Insoweit ist die zulässige Klage nach Auffassung des Berufungsgerichts unbegründet. Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten aber in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat sie zu Recht und mit überzeugender Begründung, welcher sich das Berufungsgericht voll und ganz anschließen kann, zur Zahlung von € 327,36 brutto (für die Monate Januar bis Juni 2003) sowie von € 218,24 brutto (für die Monate Juli bis Oktober 2003) nebst Verzugszinsen verurteilt. Denn mit dem Arbeitsgericht und der 9. Kammer des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.10.2004 - 9 Sa 35/04) ist davon auszugehen, dass § 5 Abs. 1 AV eine zeitdynamische Rechtsfolgenverweisung auf die Vergütungsregelungen des BAT enthält.

1. Eine normative Geltung des 35. Vergütungs-TV zum BAT für das Arbeitsverhältnis der Parteien scheidet schon deswegen aus, weil es an der beiderseitigen Tarifgebundenheit fehlt. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Der 35. Vergütungs-TV zum BAT vom 31.01.2003 findet auch nicht gemäß § 14 AV in Verbindung mit dem Tarifvertrag zwischen der D. S. gGmbH in R.-P. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV; nunmehr ver.di) Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, Anwendung. Dem steht nämlich bereits der Wortlaut des § 14 entgegen. Nach dessen Satz 1 verweist der Arbeitsvertrag nur "im Übrigen" auf den vorgenannten Tarifvertrag. § 5 AV enthält eine der Auffangbestimmung des § 14 vorgehende speziellere Regelung. Aber auch die systematische Auslegung des Arbeitsvertrages spricht für diesen Befund. In § 5 Abs. 1 AV sind die einzelnen Vergütungselemente namentlich bezeichnet. Die Vergütung ist damit abschließend geregelt (vgl. BAG AP Nr. 26 zu § 4 TVG, unter 2. b), bb) der Gründe). Eine andere Bewertung des Verhältnisses zwischen den §§ 5 und 14 AV würde zu einer Sinnentleerung des § 5 führen.

2. Die Klägerin hat jedoch einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Teilhabe an den Tarifgehaltserhöhungen nach dem 35. Vergütungs-TV zum BAT. Das ergibt die Auslegung des Formulararbeitsvertrages der Parteien. Die in § 5 Abs. 1 getroffene Abrede ist konstitutiv und schließt die Teilnahme an den Tarifgehaltserhöhungen ein.

a) Welche Rechtsqualität § 5 AV zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Es ist der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Lässt sich ein solcher übereinstimmender Wille nicht feststellen, so sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie dieser sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehört vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Partei nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage (vgl. beispielsweise BAG AP Nr. 50 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel unter II. 2. a) bb) der Gründe).

b) Hieran gemessen enthält § 5 AV eine zeitdynamische Verweisung auf die Entgeltregelungen des BAT in ihrer jeweiligen Fassung.

aa) Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 AV lässt offen, ob die Parteien bei objektiver Auslegung eine dynamische Verweisung auf das jeweilige Gehaltsniveau des BAT vereinbaren wollten. Der Umstand der Bezifferung des Grundgehalts, des Ortszuschlags und der allgemeinen Zulage spricht jedenfalls nicht gegen eine dynamische Verweisung. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG (AP Nr. 24 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag unter III. 1. b) cc) der Gründe) kann die Bezifferung auch lediglich eine Information für die Arbeitnehmer darstellen. Zwar sind die der jeweiligen Vergütungsgruppe zuzuordnenden Zahlen aus den Vergütungstabellen ablesbar. Sie stehen aber nicht überall zur Verfügung.

bb) Auch die Regelungssystematik des § 5 AV lässt nicht zweifelsfrei erkennen, ob in § 5 Abs. 1 eine zeitdynamische oder eine statische Verweisung gewollt ist. Wenn § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 AV ausdrücklich eine Orientierung an den Beträgen des BAT vorsieht, jedoch eine gesonderte Vereinbarung erfordert, ist dies für die in § 5 Abs. 1 AV aufgeführten Vergütungsbestandteile nicht notwendig. Auch § 5 Abs. 2 Satz 3 AV, wonach die Vergütungsbestandteile "abschließend aufgeführt" sind, lässt ein eindeutiges Ergebnis im vorgenannten Sinne nicht zu.

cc) Jedoch sprechen die Begleitumstände für den von der erkennenden Kammer gewonnenen Befund. Für ein Verständnis des § 5 Abs. 1 als zeitdynamische Verweisung spricht insbesondere der Umstand, dass bislang Tariflohnerhöhungen von der Beklagten unstreitig stets weitergegeben worden waren. Diese Verhaltensweise der Beklagten erfolgte nicht nur gegenüber der Klägerin, sondern generell - jedenfalls in ihrer Einrichtung in U.. Dieser Befund wird dadurch bestätigt, dass die Beklagte in den jeweiligen Verdienstabrechnungen in deren Kopfzeile die Vergütungsgruppe einschließlich ihrer Stufe nach BAT durchgängig fortgeschrieben hat.

Ferner spricht für diese Rechtsauffassung, dass die Beklagte im Arbeitsvertrag keinen Vorbehalt dahingehend formuliert hat, dass die Weitergabe von Tarifgehaltserhöhungen freiwillig erfolge. Die jedenfalls in der Einrichtung in Ulm jeweils weitergegebenen Tarifgehaltserhöhungen wurden auch nicht mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen. Ein solcher Vorbehalt hätte jedoch nahegelegen, wenn eine dynamische Verweisung nicht gewollt gewesen wäre. Die Beklagte hat auch nichts dafür vorgetragen, dass sie vor der jeweiligen Weitergabe der Tarifgehaltserhöhungen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorab durchgeführt hätte. Diesen Erwägungen entspricht es auch, dass die Beklagte lediglich die Zahlung der sogenannten freiwilligen Zulage unter einem Widerrufsvorbehalt vereinbart hat. Dem widerspricht es nicht, dass das Arbeitsverhältnis nicht im ganzen den Entgeltregelungen des BAT unterworfen wurde. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass Gruppen- und Stufenaufstiege nicht nach den Regeln des BAT erfolgt seien, steht dieser Gesichtspunkt der Rechtsansicht der erkennenden Kammer nicht entgegen. Denn vorliegend geht es nicht um die Frage, welcher Vergütungsgruppe bzw. welcher Vergütungsstufe die Klägerin angehört, sondern ausschließlich um die Frage, ob die Tarifgehaltserhöhungen derjenigen Vergütungsgruppe/-stufe, der die Klägerin zugeordnet ist, weiterzugeben sind. Gleichfalls ist es kein gegen diesen Befund sprechender Gesichtspunkt, ob die Klägerin entsprechend dem Regelungswerk des BAT richtig eingruppiert ist. Es ist nicht widersprüchlich, wenn die Parteien eines Arbeitsvertrages auf der einen Seite eine bestimmte Tarifgruppe ohne Rücksicht auf die tatsächliche Wertigkeit der Tätigkeit vereinbaren, auf der anderen Seite die Bezahlung aber zeitdynamisch nach dieser Gruppe erfolgen soll (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.2002 - 4 AZR 351/01, a.a.O.). Gegen ein dynamisches Verständnis der Verweisung spricht auch nicht der Umstand, dass die Beklagte vorliegend keine Änderungskündigung ausgesprochen hat (vgl. BAG, a.a.O. unter III. 1. b) ee) der Gründe). Im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung der Beklagten ist es nur konsequent, eine Änderungskündigung nicht auszusprechen.

dd) Auch die Interessenlage der Parteien spricht für eine Auslegung des § 5 Abs. 1 AV als zeitdynamische Verweisung. Zwar ist zutreffend, dass die Beklagte mangels Tarifgebundenheit in Bezug auf die von ihr zu erbringenden Entgeltleistungen in wirtschaftlichen Schieflagen flexibel reagieren kann, weil sie nicht an ein Tarifregime gebunden ist. Andererseits will die Beklagte offensichtlich sowohl im Interesse einer innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit als auch im Hinblick auf die von einem durchaus branchentypischen Tarifregime ausgehende Anreizwirkung für die Rekrutierung und Bindung der Arbeitnehmer von den Regelungen des BAT profitieren. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass die Beklagte in § 5 Abs. 1 AV die Vergütungsgruppe/-stufe des Tarifregimes BAT jeweils arbeitsvertraglich vereinbart hat. Diese Auslegung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BAG, wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf eine anderweitige normative Regelung - hier auf die benannte Vergütungsgruppe des BAT - in der Regel dynamisch zu verstehen sind, und zwar auch dann, wenn - wie hier - nur ein Teil des Tarifvertrags in Bezug genommen worden ist (vgl. BAG a.a.O. unter III. 1. b) dd) der Gründe).

c) Die Höhe der geltend gemachten Forderungen ist von der Klägerin schlüssig dargetan und von der Beklagten nicht konkret bestritten worden.

d) Die Zinsansprüche der Klägerin folgen aus den §§ 286 Abs. 1, 288, 291 ZPO. Die Fälligkeit der Hauptansprüche folgt aus § 5 Abs. 3 Satz 2 AV, wonach die monatliche Vergütung spätestens zum Ablauf des letzten eines Monats zu leisten ist.

3. Dagegen hat die Klägerin - entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts - keinen Anspruch auf Zahlung der tarifvertraglichen Einmalzahlung gemäß § 3 des 35. Vergütungs-TV. Denn die zeitdynamische Rechtsfolgenverweisung in § 5 Abs. 1 AV betrifft nur die dort aufgeführten Vergütungsbestandteile Vergütungsgruppe, Ortszuschlag und allgemeine Zulage. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Anhebung der Gesamtvergütung der Klägerin entsprechend dem jeweiligen Tariflohnniveau nach den Vergütungs-Tarifverträgen zum BAT ergibt sich daraus jedoch nicht.

Bei der streitbefangenen tarifvertraglichen Einmalzahlung handelt es sich auch nicht um einen "Unterbestandteil" der Grundvergütung der Vergütungsgruppe, welcher die Klägerin zuletzt zugeordnet war. Zum einen besagt § 5 Abs. 2 Satz 2 AV, dass die von der Beklagten geschuldeten Vergütungsbestandteile abschließend in § 5 AV aufgeführt seien, zum anderen ergibt sich aus der Systematik und der verwendeten Begrifflichkeit des 35. Vergütungs-TV eindeutig, dass die dort vorgesehene Einmalzahlung neben den Grund- und Gesamtvergütungen und dem Ortszuschlag und nicht als Teil derselben geleistet werden sollte, auch wenn die Einmalzahlung wirtschaftlich eine Kompensation für die zeitlich später einsetzende Vergütungserhöhung gedacht war.

Dass die Beklagte der Klägerin in der Vergangenheit die tarifvertraglichen Einmalzahlungen zweimal gewährt hatte, zwingt zu keiner anderen Bewertung. Dass die Beklagte der Klägerin etwas gewährte, wozu sie arbeitsvertraglich nicht verpflichtet war, vermag das an Wortlaut und Regelungszweck orientierte Auslegungsergebnis nicht zu konterkarieren. Eine 1:1-Umsetzung der Tariflohnerhöhungen hatten die Parteien ganz eindeutig nicht vereinbaren wollen. Ein Anspruch auf die tarifvertragliche Einmalzahlung könnte die Klägerin deshalb allenfalls aus dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung ableiten, doch vermag die lediglich zweimalige vorbehaltlose Leistungsgewährung im Jahr 1999 und 2000 noch keinen solchen Anspruch zu begründen.

Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf die ihr vom Arbeitsgericht zugesprochene Einmalzahlung in Höhe von 170,51 € brutto nebst Verzugszinsen.

Nach allem war das arbeitsgerichtliche Urteil - wie aus dem Entscheidungstenor ersichtlich - abzuändern und die Klage teilweise ab-, die Berufung der Beklagten im Übrigen zurückzuweisen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach sind die Kosten des Rechtsstreits u.a. verhältnismäßig zu teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterlegen ist. Entsprechend ihren Unterliegens- bzw. Obsiegensanteilen am Gesamtstreitvolumen waren der Klägerin 24/100, der Beklagten 76/100 an den Gesamtkosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz aufzubürden.

2. Gegen dieses Urteil wird für beide Parteien die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, nachdem die Auslegung der Vergütungsvereinbarung in § 5 des (Formular-)Arbeitsvertrages in einer Vielzahl anderer mit der Beklagten eingegangener Arbeitsverhältnisse im Streit ist, länderübergreifend mehr als 50 Verfahren bei den Gerichten für Arbeitssachen anhängig sind und von beiden Parteien eine verbindliche Klärung gefordert wird. Die Kammer hat dem Rechtsstreit deshalb grundsätzliche Bedeutung beigemessen.

Ende der Entscheidung

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