Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 21 TaBV 4/06
Rechtsgebiete: ArbGG, WO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 3
ArbGG § 87 Abs. 1
WO § 7 Abs. 2
WO § 10 Abs. 2
BetrVG § 19
BetrVG § 19 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1) bis 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.04.2006 - 6 BVGa 12/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird entsprechend § 69 Abs. 2 u. 3 ArbGG abgesehen, da gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts keine weiteren Rechtsmittel gegeben sind.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1-3 ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft, da das Arbeitsgericht seine Entscheidung aufgrund mündlicher Anhörung getroffen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann in ein laufendes Betriebsratswahlverfahren durch einstweilige Verfügung eingegriffen werden, wenn es sich um einen wesentlichen Wahlfehler handelt und dieser Mangel das Wahlergebnis verfälschen kann. Durch einstweilige Verfügung sind berichtigende Eingriffe in das Wahlverfahren zulässig (Fitting/Engel/Schmid/Strebinger/Linsenmaier Betriebsverfassungsgesetz 22. Auflage, Rn. 40 zu § 18 BetrVG, LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2002 - 20 TaBV 1/02, LAG Baden-Württemberg v. 06.03.2006 - 13 TaBV 4/06).

Weil derartige Entscheidungen vielfach nicht unerhebliche Eingriffe in das Wahlverfahren darstellen, sind strenge Anforderungen an die materielle Begründetheit des Anordnungsanspruchs zu stellen. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, ob die Gefahr einer nachträglich begründeten Wahlanfechtung geringer ist, wenn der berichtigende Eingriff erfolgt, als im umgekehrten Fall (Fittung ... Rn. 41 zu § 18 BetrVG). Von diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

Eine Prüfung ob der Wahlvorschlag mit dem Kennwort "Unsere Liste" zu der Betriebsratswahl am 26.04.2006 im Betrieb der Beteiligten Ziffer 7 noch zuzulassen war, weil keine unverzügliche Rüge des Wahlvorschlags durch den Beteiligten Ziffer 6 im Sinne von § 7 Abs. 2 WO erfolgt ist oder ob der Wahlvorschlag ordnungsgemäß eingereicht worden ist, hatte zu unterbleiben, da ein korrigierender Eingriff in ein laufendes Wahlverfahren nur dann ein zulässiges milderes Mittel gegenüber dem Abbruch oder der Aussetzung des Wahlverfahrens darstellt, wenn nach einer eine solche Berichtigung aussprechenden Gerichtsentscheidung noch die zwingenden Fristen des Wahlverfahrens gewahrt werden können, da die Verletzung der Mindestfristen einen Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften beinhaltet, der seinerseits eine Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG rechtfertigen kann (Fittung ... Rn. 4 zu § 3 WO).

Diese Sachlage würde vorliegend aber eintreten, da die zwingende Frist des § 10 Abs. 2 WO, wonach spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe die als gültig anerkannten Vorschlagslisten vom Wahlvorstand bekannt zu machen sind, bei einer stattgebenden Gerichtsentscheidung am 25.04.2006 vor der am 26.04.2006 stattfindenden Betriebsratswahl nicht mehr eingehalten werden könnten.

Insoweit erübrigt sich auch die Entscheidung der Frage, ob der zweite Halbsatz des Antrags 1, mit dem begehrt wird, die Teilnahme der Beteiligten Ziffer 1-3 als Wahlbewerber dieser Vorschlagsliste an der Betriebsratswahl sicherzustellen, mangels fehlender Vollstreckungsfähigkeit dieses Antrags zugesprochen werden könnte.

Aber auch der Hilfsantrag, mit dem verlangt wird, dem Wahlvorstand (Beteiligten Ziffer 6) die Durchführung der Betriebsratswahl am 26.04.2006 im Betrieb Ditzingen der Beteiligten Ziffer 7 zu untersagen, konnte keinen Erfolg haben.

Streitig ist in Literatur und Rechtsprechung insoweit, ob ein Antrag auf Abbruch der Wahl nur erfolgreich sein kann, wenn bereits zuverlässig feststellbar ist, dass die Wahl nichtig sein wird (so insbesondere LAG Baden-Württemberg v. 20.05.1998 - 8 Ta 9/98, LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2002 - 20 TaBV 1/02) oder ob es dafür ausreicht, dass die Weiterführung der Wahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung zur Folge hätte (Fittung ... Rn. 42 zu § 18 BetrVG m. w. N., insbesondere auch LAG Baden-Württemberg v. 16.09.1996 - 15 TaBV 10/96).

Die erkennende Kammer schließt sich insoweit der ersteren Rechtsmeinung an (LAG Baden-Württemberg v. 20.05.1998 u. LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2002), dass nämlich ein Abbruch oder die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl nicht bereits in den Fällen der ersichtlich drohenden Anfechtbarkeit, sondern vielmehr nur dann in Betracht kommt, wenn für das Gericht bereits zuverlässig feststellbar ist, dass die vorgesehene Wahl nichtig sein wird. Maßgeblich hierfür ist vor allem die Erwägung, dass der Antragsteller anderenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung mehr erreichen könnte als mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG hat nämlich keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft (BAG v. 13.03.1991 - 7 ABR 5/90). Anders als bei einer nichtigen Wahl, bei welcher die daraus hervorgegangene Arbeitnehmervertretung keinerlei betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse erwirbt, bleibt im Fall der Anfechtbarkeit der Wahl die gewählte Vertretung bis zur Rechtskraft einer die Wahl für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Würde man daher bereits im Fall der voraussichtlichen Anfechtbarkeit der bevorstehenden Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung einen Abbruch zulassen, so würde das vom Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Zustandekommen eines Betriebsrats von vorneherein verhindert und im Wege der einstweiligen Verfügung ein Zustand der Betriebsratlosigkeit aufrecht erhalten, der nach dem Betriebsverfassungsgesetz nur im Falle einer nichtigen Wahl einträte. Der Antragsteller würde damit im Wege der einstweiligen Verfügung mehr erhalten, als er mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung erreichen könnte. Dies erscheint mit dem Charakter der einstweiligen Verfügung nicht vereinbar.

Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die für den 26.04.2006 vorgesehene Betriebsratswahl nichtig sein wird, denn nach der Rechtsprechung des BAG (BAG v. 27.04.1976 - 1 AZR 48/75, BAG v. 28.11.1977 - 1 ABR 36/76) ist eine Betriebsratswahl nur dann nichtig, wenn bei der Durchführung des Wahlverfahrens gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, also gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und gegen die gesetzlichen Wahlvorschriften so grob verstoßen wird, dass von einem Wahlakt im Sinne des Gesetzes nicht mehr gesprochen werden kann.

Von einem derartig wesentlichen Verstoß gegen das Wahlverfahren könnte vorliegend auch dann nicht gesprochen werden, wenn die Vorschlagsliste "Unsere Liste" zuzulassen gewesen wäre bzw. die Zurückweisung der Liste als nicht unverzüglich im Sinne des § 7 Abs. 2 WO anzusehen gewesen wäre. Es würde sich hierbei um einen Mangel handeln, der unter Umständen eine Wahlanfechtung begründen könnte (zu den Begriffen der Unverzüglichkeit der Zurückweisung und der Ordnungsmäßigkeit eines Wahlvorschlages siehe BAG v. 25.05.2005 - 7 ABR 39/04).

Der Hilfsantrag bezüglich einer Untersagung der weiteren Durchführung der Betriebsratswahl war somit nicht begründet.

Nach allem hatte die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1-3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts keinen Erfolg.

In diesem Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben, §§ 2 Abs. 2 GKG, 2 a) Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück