Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 22 Sa 28/04
Rechtsgebiete: 5. TVEZ, BMT-G


Vorschriften:

5. TVEZ § 2 Abs. 1
5. TVEZ § 2 Abs. 3
5. TVEZ § 5
5. TVEZ § 5 Abs. 1
5. TVEZ § 5 Abs. 2
5. TVEZ § 5 Abs. 3
5. TVEZ § 5 Abs. 4
5. TVEZ § 5 Abs. 5
5. TVEZ §§ 7 - 21
5. TVEZ § 14 Pos. 516
5. TVEZ § 22 des 5.
5. TVEZ § 22 IV. Ziff. 2
BMT-G § 23
BMT-G § 23 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Kammern Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 22 Sa 28/04

Verkündet am 10.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 22. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Zeiser, den ehrenamtlichen Richter Haferkamp und die ehrenamtliche Richterin Weber auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach, Kammern Radolfzell vom 24.11.2003, Az.: 3 Ca 498/03 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen Verkehrsgefahrenzuschlag gemäß 4. Abschnitt § 22 Gruppe IV Ziff. 2 des 5. Tarifvertrages über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen Arbeiter (5. TVEZ) neben dem Erschwerniszuschlag § 14 Pos. 516 des 5. Tarifvertrages über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen an Arbeiter (05. TVEZ) zu bezahlen nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab jeweiliger Fälligkeit.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits

3. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Frage, ob der Klägerin ein Verkehrsgefahrenzuschlag gemäß dem vierten Abschnitt § 22 IV. Ziff. 2 des 5. Tarifvertrages über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen Arbeiter (5. TVEZ) neben dem Erschwerniszuschlag des § 14 Pos. 516 des 5. TVEZ zusteht oder aber ob die beiden Zuschläge gegeneinander aufgerechnet werden und lediglich der höhere der Klägerin zusteht.

Die Klägerin ist bei der beklagten Stadt als Straßenreinigerin tätig.

Beide Parteien sind kraft Organisationszugehörigkeit an die Tarifverträge der Gemeindearbeiter nebst ergänzenden Tarifverträgen gebunden.

Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass die Beklagte in früheren Jahren beide Zuschläge nebeneinander gezahlt hat. Nach einer Beanstandung durch die Gemeindeprüfungsanstalt stellte die Beklagte die Zahlung des Verkehrsgefahrenzuschlages als des niedrigeren Zuschlags ein.

Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass der 5. TVEZ vom 25. Oktober 1965 in seinem Wortlaut nach wie vor unverändert gilt, lediglich die den einzelnen Erschwernissen zugewiesenen Geldbeträge sich zwischenzeitlich erhöht haben.

§ 2 Abs. 1 des 5. TVEZ lautet wie folgt:

Grundsätzliches

Die Tätigkeiten, für die Erschwerniszuschläge gezahlt werden, sind im dritten Abschnitt aufgeführt. Außerdem werden an die im vierten Abschnitt genannten Arbeitergruppen Erschwerniszuschläge in Form von Verkehrsgefahrenzuschlägen gezahlt. Die Kataloge in diesen Abschnitten sind erschöpfend. Darüber hinaus dürfen keine Erschwerniszuschläge gezahlt werden; die besonderen örtlichen Verhältnisse sind im dritten und vierten Abschnitt berücksichtigt.

§ 5 des 5. TVEZ lautet wie folgt:

Zusammenfassung aller vorkommenden Erschwerniszuschlägen in einem Zuschlag

(1) Die Erschwerniszuschläge sind im Erschwerniszuschlagsplan im einzelnen nicht als Schmutz- oder Gefahrenzuschläge oder als sonstige Erschwerniszuschläge bezeichnet. (2) Beim Zusammentreffen mehrerer Erschwerniszuschläge wird nur ein Zuschlag, und zwar der höchste, gezahlt.

(3) Ein in den Positionen 112, 113, 121, 137, 145, 251, 253, 254, 255, 256, 257, 261, 262, 413, 417, 532, 533, 571, 717 und 718 aufgeführter reiner Gefahrenzuschlag wird jedoch neben einem sonstigen Zuschlag gezahlt. (4) Beim Zusammentreffen mehrerer dieser reinen Gefahrenzuschläge wird nur der höchste Zuschlag gezahlt. (5) Die in den Positionen 222, 516, 575, 576 und 577 aufgeführten Tagespauschalen und die im vierten Abschnitt aufgeführten Verkehrsgefahrenzuschlägee werden neben einem sonstigen Zuschlag gezahlt.

Der dritte Abschnitt des 5. TVEZ erhält den Erschwerniszuschlagsplan. In den §§ 7 - 21 sind Erschwerniszuschläge für verschiedene Arbeitnehmergruppen in unterschiedlichen Verwaltungen und Betrieben geregelt. § 14 regelt Erschwerniszuschläge in Straßenreinigungsbetrieben.

Nach § 14 Pos. 516 wird für Straßenreiniger ein Tagesbetrag in Höhe von 59 % des Tabellenlohnes als Erschwerniszuschlag bezahlt, wobei der Tabellenlohn definiert ist in § 2 Abs. 3 des 5. TVEZ.

Der vierte Abschnitt ist überschrieben mit "Zusätzliche Bestimmungen über die Zahlung eines besonderen Gefahrenzuschlags für Arbeiter, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch den Straßenverkehr besonders gefährdet sind."

§ 22 des 5. TVEZ lautet:

Verkehrsgefahrenzuschlag

Die nachstehend aufgeführten Arbeiter, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch den Straßenverkehr besonders gefährdet sind, erhalten für Arbeiten auf, über und von der Fahrbahn aus einen Verkehrsgefahrenzuschlag, sofern die Fahrbahn nicht dauernd oder während der Dauer der Arbeiten für den Fahrverkehr gesperrt ist.

Der Verkehrsgefahrenzuschlag beträgt für:

Gruppe I....................

Gruppe II...................

Gruppe III .................

Gruppe IV.................

1. .............

2. Straßenreiniger

Die Höhe des hier geregelten Verkehrsgefahrenzuschlags beträgt 25 % des Tabellenlohnes.

Die Überschrift des § 22 erhält einen Sternchen-Vermerk, wonach mit dieser Regelung die Forderung der ÖTV auf Abschluss einer zusätzlichen Unfallversicherung gegenstandslos geworden ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, insbesondere der von ihnen vorgenommenen Auslegung der tariflichen Bestimmung sowie der gestellten Anträge, werden die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze sowie der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils in Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.11.2003 die Klage abgewiesen. In Auslegung des Tarifvertrages ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass, wenn Tagespauschalen und Verkehrsgefahrenzuschlag zusammentreffen, nur ein Zuschlag, nämlich der höchste, gezahlt wird. Sollte neben Tagespauschalen auch ein Verkehrsgefährdungszuschlag gezahlt werden, so hätte dies ausdrücklich tariflich geregelt werden müssen. Wegen der weiteren Urteilsgründe wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 20.02.2004 zugestellte Urteil legte diese mit Schriftsatz vom 08.03.2004, eingegangen beim Landesarbeitsgericht in Stuttgart am 09.03.2004 sowie beim Landesarbeitsgericht - Kammern Freiburg - am 10.03.2004, durch ihren jetzigen Prozessvertreter Berufung ein.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2004, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, legte die Klägerin, vertreten durch ihre erstinstanzlichen Prozessvertreter ebenfalls Berufung ein. Zur Klarstellung aufgefordert, legten die erstinstanzlichen Rechtsvertreter, die Vertretung der Klägerin nieder.

Begründet wurde die Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 21.05.2004 mit am 21.05.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Regelung des § 5 Abs. 1 des 5. TVEZ beziehe das Kumulierungsverbot lediglich auf die nach dem dritten Abschnitt des Tarifvertrages bezahlten Zulagen. Durch § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ werde klargestellt, dass abweichend von § 5 Abs. 2 des 5. TVEZ die dort bezeichneten Positionen neben einem sonstigen Zuschlag bezahlt werden. § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ stelle klar, dass die Tagespauschalen auch neben den im vierten Abschnitt aufgeführten Verkehrsgefahrenzuschlägen und einem sonstigen Zuschlag bezahlt würde.

Die Klägerin beantragt:

Unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Lörrach vom 24.11.2003 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein Verkehrsgefahrenzuschlag gem. § 22 Abs. IV Ziff. 2 des 5. Tarifvertrages über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen an Arbeiter (5. TVEZ) neben dem Erschwerniszuschlag § 14 Position 516 des 5. Tarifvertrages über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen an Arbeiter (5. TVEZ) zu bezahlen nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab jeweiliger Fälligkeit.

Hilfsweise wird beantragt:

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Euro 361,60 zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus Euro 44,80 ab dem 31.07.2002, aus Euro 33,60 ab dem 31.08.2002, aus Euro 20,80 ab dem 30.09.2002, aus Euro 24,00 ab dem 31.10.2002, aus Euro 30,40 ab dem 30.11.2002, aus Euro 28,80 ab dem 31.12.2002, aus Euro 12,80 ab dem 31.01.2003, aus Euro 33,60 ab dem 28.02.2003, aus Euro 33,60 ab dem 31.03.2003, aus Euro 35,20 ab dem 30.04.2003, aus Euro 27,80 ab dem 31.05.2003, aus Euro 36,80 ab dem 30.06.2003 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Aus § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ ergebe sich, dass zwar die dort enumerativ aufgeführten Tagespauschalen sowie die Verkehrsgefahrenzuschläge mit sonstigen Zuschlägen zusammentreffen könnten ohne vom Doppelzahlungsverbot des § 5 Abs. 2 des 5. TVEZ erfasst zu werden, dass sie jedoch nicht nebeneinander zur Auszahlung gelangen könnten. Diese Regelung sei auch sinnhaft, da von den in § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ geregelten Pauschalen lediglich bei Straßenreinigern ein Zusammentreffen mit Verkehrsgefährdungszuschlägen möglich sei. Für diese sei jedoch bereits in § 14 Pos. 516 die Verkehrsgefahr berücksichtigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien werden die Berufungsbegründung vom 18.05.2004, die Berufungserwiderung vom 17.06.2004 sowie der weitere Schriftsatz der Klägerin vom 26.07.2004 in Bezug genommen.

Zu Protokoll des Termins am 24.11.2003 hat die Beklagte erklärt, bei rechtskräftiger Entscheidung über den Feststellungsantrag würde sie die geschuldete Leistung erbringen, einer Zahlungsklage bedürfe es nicht (Blatt 39 der Vorakten).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden. Die auch im übrigen zulässige Berufung ist begründet.

1. Der von der Klägerin in der Hauptsache gestellte Feststellungsantrag begegnet Zulässigkeitsbedenk en nicht. Nachdem die Beklagte ausdrücklich erklärt hat, sich einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unterwerfen und die geschuldete Leistung zu erbringen, ohne dass es einer Zahlungsklage bedürfe, kommt diesem Feststellungsantrag Rechtschutzbedürfnis zu.

2. Die Zulässigkeit der Berufung wird nicht dadurch berührt, dass die Klägerin zweifach Berufung eingelegt hat, einerseits durch ihren jetzigen Prozessvertreter, nachfolgend durch ihre erstinstanzlichen Prozessvertreter, beides gewerkschaftliche Vertreter. Beide Erklärungen stellen zwar selbstständige Einlegungsakte dar, bilden aber ein mehrfach eingelegtes einheitliches Rechtsmittel, über welches einheitlich zu entscheiden ist (Schwab-Weth, ArbGG §§ 64 Rd. 129, 66 Rd. 51).

3. Die Berufung ist begründet, da die Auslegung der Bestimmung des TVEZ ergibt, dass bei einem Zusammentreffen der im § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ genannten Tagespauschalen mit den ebenfalls dort genannten Verkehrsgefährdungszuschlägen beide Zahlungen kumulativ zu leisten sind.

Nach § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ werden die in den dort aufgezählten Positionen aufgeführten Tagespauschalen und die im vierten Abschnitt aufgeführten Verkehrsgefahrenzuschläge neben einem sonstigen Zuschlag bezahlt. Entscheidungserheblich ist deshalb die Frage, ob "sonstiger Zuschlag" im Sinne dieser Bestimmung nur die außerhalb des § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ geregelten Zuschläge sein können, oder ob auch die in § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ selbst aufgeführten Tagespauschalen und Gefahrenzuschläge als "sonstige Zuschläge" nebeneinander stehen können.

Letzteres ergibt eine Auslegung dieser tariflichen Bestimmung.

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne an Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarif-Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden könne.

Sofern im Einzelfall dennoch Zweifel bestünden, könne zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien, wie die Tarifgeschichte, die praktische tarifliche Übung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden (BAG vom 24.11.2004 unter II, 2 a) der Gründe n. v., BAG vom 20.04.1994, AP Nr. 11 zu §§ 22, 23 BAT-Zulage unter II 1 der Gründe).

3.2 Eine Auslegung der tariflichen Normen des TVEZ unter Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt, dass sowohl nach Wortlaut der Tarifvorschrift wie auch nach tariflichem Zusammenhang die in § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ geregelten Tagespauschalen und Verkehrsgefahrenzuschläge nebeneinander zu zahlen sind.

3.2.1

Die Grundregelung für Erschwerniszuschläge befindet sich in § 23 BMT-G II, wonach für außergewöhnliche Arbeiten je nach dem Grad der Erschwernis ein Lohnzuschlag gezahlt wird, wenn die Arbeit:

a) den Körper und die eigene Arbeitskleidung des Arbeiters außergewöhnlich beschmutzt,

b) besonders gefährlich, ekelerregend oder gesundheitsschädlich ist,

c) die Körperkräfte außerordentlich beansprucht oder

d) unter besonders erschwerenden Umständen aufgeführt werden muss.

Nach § 23 Abs. 3 BMT-G werden die zuschlagspflichtigen Arbeiten und die Höhe der Zuschläge bezirklich vereinbart. In der Folge dieser Regelung ist der TVEZ abgeschlossen.

§ 2 Abs. 1 TVEZ regelt zunächst, dass die Tätigkeiten, für die Erschwerniszuschläge gezahlt werden im dritten Abschnitt aufgeführt sind, wobei nach dem vierten Abschnitt zusätzliche Erschwerniszuschläge in Form von Verkehrsgefahrenzuschlägen gezahlt werden.

Die Handhabung in Fällen, in denen mehrere Zuschlagstatbestände verwirklicht sind, ergibt sich aus § 5 TVEZ. Hierfür enthält § 5 Abs. 2 TVEZ die Grundregel, dass bei Zusammentreffen mehrerer Erschwerniszuschläge nur ein Zuschlag, und zwar der höchste, gezahlt wird. Eine Ausnahme hiervon sieht § 5 Abs. 3 des 5. TVEZ vor, wonach die dort geregelten reinen Gefahrenzuschläge, welche jedoch nicht für Verkehrsgefahren, sondern für sonstige Gefahren der Arbeit gezahlt werden, neben einem sonstigen Zuschlag gezahlt werden, insoweit also das Kumulierungsverbot des Abs. 2 aufgehoben ist. Korrigierend hierzu regelt allerdings § 5 Abs. 4 TVEZ, dass der Erschwernisgrund der Gefahr nur einmal abgegolten werden soll, deshalb bei Zusammentreffen mehrerer dieser reinen Gefahrenzuschläge nur der höchste Zuschlag gezahlt wird. In diese Systematik ist einzuordnen nunmehr § 5 Abs. 5 TVEZ der in den dort im einzelnen aufgeführten Positionen, welche zur Zahlung von Tagespauschalen führen, zum einen Arbeiten benennt, welche besonders ekelerregend und psychisch belastend sind und daneben die im vierten Abschnitt aufgeführten Verkehrsgefahrenzuschläge stellt.

Für diese in § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ geregelten Pauschalen und Verkehrsgefahrenzuschläge wird das Kumulierungsverbot des § 5 Abs. 2 des 5. TVEZ ebenfalls aufgehoben. Streitig zwischen den Parteien ist Frage, ob diese Aufhebung des Kumulierungsverbotes nur für solche Zuschläge gilt, welche in § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ nicht genannt sind, ob - positiv ausgedrückt - die in § 5 Abs. 5 TVEZ genannten Positionen nebeneinander zu zahlen sind.

3.2.2

Der Wortlaut der Bestimmung des § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ ergibt insoweit kein eindeutiges Ergebnis. Die tarifliche Formulierung, dass die in § 5 Abs. 5 TVEZ genannten Tagespauschalen und Zuschläge "neben einem sonstigen Zuschlag" gezahlt werden, kann bedeuten, dass der "sonstige Zuschlag" ein solcher außerhalb der Zuschläge des § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ sein muss, der Wortlaut der Bestimmung deckt aber auch die Interpretation ab, "sonstiger Zuschlag" im Sinne dieser Bestimmung sei jeder andere Zuschlag außerhalb des Bezugszuschlags, somit auch ein solcher der in § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ selbst geregelten Tagespauschalen und Zuschläge. Die Richtigkeit des letzteren Auslegungsergebnisses ergibt sich aus Sinn und Zweck der Tarifnorm sowie aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung.

Die erste Ausnahme vom Kumulierungsverbot enthält § 5 Abs. 3 TVEZ. Die dort im einzelnen genannten Positionen enthalten sämtliche reine Gefahrenzuschläge, jedoch ohne Verkehrsgefahrenzuschläge, welche im vierten Abschnitt erschöpfend geregelt sind. § 5 Abs. 3 TVEZ sieht vor, dass diese dort aufgeführten reinen Gefahrenzuschläge "neben einem sonstigen Zuschlag" gezahlt werden. Insoweit wird also eine mit § 5 Abs. 5 des 5. TVEZ identische Formulierung gewählt. Wenn aber nunmehr § 5 Abs. 4 des 5. TVEZ regelt, dass beim Zusammentreffen mehrerer dieser reinen Gefahrenzuschläge nur der höchste Zuschlag gezahlt wird, so stellen die Tarifvertragsparteien damit unmißverständlich klar, dass ein "sonstiger Zuschlag" im Sinne des § 5 Abs. 3 TVEZ neben dem in § 5 Abs. 3 des 5. TVEZ genannten Bezugszuschlag auch ein weiterer in § 5 Abs. 3 TVEZ genannter Zuschlag sein kann. In § 5 Abs. 3 TVEZ sind nämlich sämtliche im dritten Abschnitt geregelten reinen Gefahrenzuschläge aufgenommen. Könnten die in § 5 Abs. 3 TVEZ geregelten Zuschläge selbst nicht nebeneinander stehen, also nicht "sonstige Zuschläge" sein, so hätte es der Regel des § 5 Abs. 4 TVEZ nicht bedurft. Vielmehr ergibt sich aus § 5 Abs. 4 TVEZ, dass die in § 5 Abs. 3 TVEZ geregelten reinen Gefahrenzuschläge nebeneinander stehen können ("mehrerer dieser reinen Gefahrenzuschläge"). Für diesen Fall wird entgegen der Regelung des § 5 Abs. 3 TVEZ wieder ein Kumulierungsverbot begründet.

Wenn aber die Tarifvertragsparteien in § 5 Abs. 3 TVEZ als "sonstigen Zuschlag" auch einen in § 5 Abs. 3 TVEZ selbst geregelten Zuschlag ansehen, so gibt es keinen Gesichtspunkt, der dagegen sprechen könnte, auch in § 5 Abs. 5 TVEZ als "sonstigen Zuschlag" auch einen der in dieser Bestimmung selbst genannten Zuschläge (Tagespauschalen Verkehrsgefahrenzuschläge) neben dem Bezugszuschlag zuzulassen.

3.2.3

Für diese Auslegung der Tarifnorm sprechen weitere Gründe.

Aus § 5 Abs. 3 TVEZ folgt, dass reine Gefahrenzuschläge, Zuschläge also, die wegen besonderer Gefährlichkeit der Arbeit gezahlt werden, neben Zuschlägen für sonstige Erschwernisse gezahlt werden sollen. Daraus lässt sich der Wille der Tarifvertragsparteien erkennen, eine Gefährdung von Leben und Gesundheit in Ausübung der übertragenen Arbeit gegen sonstige Erschwernisse nicht aufzurechnen, wobei allerdings nach § 5 Abs. 4 des 5. TVEZ die Gefährdungssituation nur einmal honoriert werden soll.

Würde also entsprechend der Ansicht der Beklagten der in der Position 516 der Klägerin gezahlte Zuschlag (Tagespauschale) bereits die besondere Gefährdung einer Straßenreinigerin durch den Straßenverkehr zumindest mit abgelten, so könnte in Anwendung des Gedanken des § 5 Abs. 4 TVEZ das Auslegungsergebnis der Beklagten bestätigen.

Wiederum aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass Pos. 516 nicht die Gefährdung im Straßenverkehr honoriert, sondern lediglich im Hinblick auf die ekelerregende Tätigkeit einer Straßenreinigerin (Beseitigung von Schmutz und Abfällen aller Art in der Öffentlichkeit, z. B. Hundekot, Erbrochenes u. a.) gezahlt wird. Insoweit stehen die Positionen 513 bis 516 im inneren Zusammenhang, nachdem für diese Tätigkeiten eine Tagespauschale vorgesehen ist. Sämtliche dieser Tätigkeiten Positionen 513 bis 516 spielen sich im Straßenverkehr ab. Nach Pos. 515 erhält eine Tagespauschale der Kraftfahrer auf offenen Fahrzeugen die Kehricht oder Müll abführen. Den Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt ist der Kraftfahrer auf geschlossenen Fahrzeugen in gleicher Weise, für den Kraftfahrer auf offenen Fahrzeugen kommt lediglich die besondere Geruchsbelästigung sowie die Einsichtigkeit des von ihm transportierten Gutes von außen hinzu. Dass in diesen Ziffern die Verkehrsgefahren nicht abgegolten werden, ergibt sich aber eindeutig aus Pos. 513, wonach eine Tagespauschale für Entleeren von Abfallbehältern auf öffentlichen Straßen und Plätzen gezahlt wird, es sei denn, dass ein Entnehmen von Teilen des Inhaltes mit der Hand nicht notwendig ist. Nicht die Verkehrsgefahr ist somit Motiv der Zahlung dieses Zuschlags, sondern der ekelerregende Vorgang des Entnehmens von Teilen des Inhaltes vom Abfallbehälter mit der Hand. Aus den Positionen 513 bis 516 ergibt sich, dass lediglich der Inhalt der Tätigkeit, nicht die durch den Straßenverkehr hervorgerufene Verkehrsgefährdung, Motiv der Zahlung einer Tagespauschale ist.

Nachdem sämtliche in § 5 Abs. 5 TVEZ genannten Positionen solche sind, die ein Erschwernis aus dem Gesichtspunkt ekelerregender Tätigkeit enthalten, entspricht es Sinn und Zweck dieser tariflichen Bestimmung, die Verkehrsgefahrenzuschläge aus dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 3 TVEZ, dass Gefahrenzuschläge auf sonstige Erschwernisse nicht angerechnet werden, zusätzlich zur Auszahlung zu bringen.

Gegen dieses Auslegungsergebnis spricht nicht der von der Beklagten zu Recht angesprochene Umstand, dass nur im Falle eines Straßenreinigers der Fall eintreten kann, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Tagespauschale entsprechend den im einzelnen aufgeführten Positionen neben denen eines Verkehrsgefahrenzuschlages erfüllt sein kann.

Hätten die Tarifvertragsparteien auch für § 5 Abs. 5 TVEZ ein Kumulierungsverbot innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Pauschalen und Zuschläge begründen wollen, so hätten sie dies durch eine den § 5 Abs. 4 des 5. TVEZ entsprechende Regelung getan. Eine solche Regelung sieht § 5 TVEZ jedoch nicht vor.

Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass nach Sinn und Zweck sowie dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung in § 5 Abs. 5 TVEZ geregelten Tagespauschalen und Verkehrsgefahrenzuschläge nebeneinander stehen und kumuliert zur Auszahlung gelangen.

Die Berufung ist somit begründet, die erstinstanzliche Entscheidung war entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Dem Rechtsstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Zwischen den Parteien unstreitig ist vorliegendes Verfahren ein Musterverfahren nach dessen Ausgang die Städte und Gemeinden Baden-Württembergs Maßnahmen ergreifen werden. Deshalb ist die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück