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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 31.03.2009
Aktenzeichen: 22 Sa 3/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

Eingruppierung Oberärzte nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006
Ein -Teilbereich- im Sinne der Protokollerklärung zu Buchst. c) von § 16 TV-Ärzte/VKA erfordert die organisatorische Untergliederung einer Gesamteinheit durch eine zugewiesene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung, mit deren Hilfe sich ein Teilbereich von einem anderen Teilbereich derselben Abteilung unterscheiden lässt.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg- Kammern Villingen-Schwenningen vom 09.01.2008 - 9 Ca 324/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Aufgaben und die Eingruppierung des Klägers auf der Grundlage des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA).

Der am 00.00.1900 geborene verheiratete Kläger ist seit 00.00.1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Facharzt für Radiologie (seit 00.00.1994 mit Zusatzfach Nuklearmedizin) beschäftigt.

Die seit Beginn der 00er Jahre aus ehedem eigenständigen städtischen Häusern zusammengefügte Beklagte betreibt drei Kliniken an vier Standorten mit insgesamt rd. 2.700 Arbeitnehmern (in D. 650 Arbeitnehmer, in S. G. 150 Arbeitnehmer und in V.- S. zusammen 1.900 Arbeitnehmer). Seit dem 00.00.2005 sind die jeweiligen radiologischen Abteilungen unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. F. zum "Institut für Radiologie und Nuklearmedizin" mit den Standorten V., S. und D. zusammengefasst.

Auf das Arbeitsverhältnis findet seit 01.08.2006 kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006 Anwendung.

Dieser Tarifvertrag sieht zur Eingruppierung vor:

"§ 15 Allgemeine Eingruppierungsregelungen

(1) Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

(2) Die Ärztin/Der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden, sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.

Protokollerklärungen zu § 15 Abs. 2:

1. .Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. Erstellung eines EKG). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

2. Eine Anforderung im Sinne des Satzes 2 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.

(3) Die Entgeltgruppe der Ärztin/des Arztes ist im Arbeitsvertrag anzugeben.

§ 16 Eingruppierung

Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:

a) Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.

b) Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollerklärung zu Buchst. b:

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, die/ der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c) Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu Buchst. c):

Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

d) Entgeltgruppe IV:

Leitende Oberärztin/ leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/ des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Protokollerklärung zu Buchst. d):

Leitende Oberärztin/ leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, die / der die leitende Ärztin / den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/ seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärztin/ von einem Arzt erfüllt werden."

Im "Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte /VKA und zur Regelung es Übergangsrechts" (TÜV-Ärzte/VKA) haben die Tarifvertragsparteien in der Niederschrifterklärung zu § 6 Abs. 2 hinsichtlich der Bezeichnung

"Oberärztin/Oberarzt" folgendes ausgeführt:

"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden."

Der Kläger war ursprünglich in der röntgenologischen Abteilung des Klinikums in V. tätig und dort mit Schreiben vom 00.00.1986 zum Oberarzt und ständigen Vertreter des leitenden Arztes bestellt. Die Bestellung war vergütungsneutral (BAT Ib FGr. 1), da die für BAT Ia FGr. 2 erforderliche Anzahl unterstellter Ärzte nicht erreicht wurde. Im Zuge der Weiterbildung/Nuklearmedizin wurde der Kläger ab 00.00.1992 zunächst befristet, dann auf Dauer an das damals noch selbständige Institut für Radiologie der S. Klinik versetzt (wegen des Inhalts der Versetzungsschreiben wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen). Im Sommer 2002 erkrankte der Kläger schwer und hat erst am 00.00.2005 seinen Dienst, nunmehr in der Radiologie in V., wieder aufgenommen. Der Kläger ist seitdem zu 100% als schwerbehinderter Mensch anerkannt und wurde aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung vom 29.11.2006 nicht mehr zu Rufbereitschaft und Überstunden herangezogen.

Anlass der Klage war ein Schreiben der Beklagten vom 25.08.2005 mit folgendem Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Dr. K.,

im Zuge der zwischenzeitlich abgeschlossenen Wiedereingliederungsmaßnahme und der erfolgten Wiederaufnahme Ihrer Berufstätigkeit ab 00.00.2005 wurden mit Ihnen auch die verbleibenden gesundheitlichen Einschränkungen besprochen, welche die Ausübung Ihrer ärztlichen Tätigkeit am Institut für Radiologie und Nuklearmedizin künftig verändern werden.

Vor diesem Hintergrund werden Sie mit Wirkung ab 00.08.2005 von der am 00.00.1986 an Sie übertragenen Oberarztfunktion entbunden. In diesem Zusammenhang werden Sie künftig auch nicht mehr zum Oberarztrufbereitschaftsdienst eingeteilt.

Ihre derzeitige Eingruppierung in Vergütungsgruppe Ia BAT bleibt unverändert.

Mit freundlichen Grüßen

Sch.

Geschäftsführer"

Der Kläger widersprach der Entbindung und machte mit der am 00.00.2005 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage darüber hinaus geltend, die Beklagte habe das bis zur Erkrankung im Jahre 2002 gezahlte monatliche Poolgeld für die Behandlung von Privatpatienten in Höhe von EUR 300,00 sowie ein Fixum in Höhe von früher 1.500,00 DM (danach EUR 766,94) weiterzuzahlen. Der Kläger hat vorgetragen, er sei ab 00.00.1986 als Oberarzt und ständiger Vertreter des leitenden Arztes, zunächst des Chefarztes Dr. S. in V., sodann des Chefarztes Dr. D. in S. eingesetzt gewesen. Er habe nicht nur den Titel geführt, sondern die Funktion als Nachfolger auf der Stelle der 1. Oberärztin Dr. F. auch ausgeübt. Der Kläger sei der einzige Oberarzt gewesen, der den Chefarzt im Bereich der Nuklearmedizin habe vertreten können, weil die weitere vertretungsberechtigte Oberärztin, Frau Dr. B., in S. eine entsprechende Ausbildung nicht gehabt habe. Mangels wirksamer Abberufung sei er in die Entgeltgruppe IV von § 16 TV-Ärzte VKA einzugruppieren. Die Beklagte habe dem Kläger zu Unrecht in Entgeltgruppe II Stufe 4 eingereiht, weshalb sie neben Poolgeld und Fixum den Differenzbetrag zwischen dem alten und dem neuen Grundbezug ab 01.08.2006 nachzuzahlen habe.

Der Kläger beantragte erstinstanzlich :

1. Es wird festgestellt, dass die Entbindung des Klägers von der Oberarztfunktion durch die Beklagte mit Schreiben vom 00.00.2005 unwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 00.00.2005 als Oberarzt und ständigen Vertreter des leitenden Arztes zu beschäftigten.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.08.2006 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 35.973,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB

- aus jeweils EUR 766,94 seit 01.09.2005, 01.10.2005, 01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006,

- 01.02.2006, 01.03.2006, 01.04.2006, 01.05.2006, 01.06.2006, 01.07.2006

- und aus jeweils EUR 1.966,94 brutto seit 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006,

- 01.11.2006,01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007,

- 01.06.2007, 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte Klagabweisung und machte geltend, der Kläger habe durch seine Versetzung im Jahre 1992 die damalige Stelle des 1. Oberarztes und ständigen Vertreters des leitenden Arztes verloren und fortan nur noch als normaler Oberarzt gearbeitet. In S. seien Frau Dr. F., nach deren Ausscheiden Ende 1992 kommissarisch (wegen des absehbaren Chefarztwechsels) Frau Dr. B. als ständige Vertreter von Dr. D. bestellt gewesen. Der ab 00.00.1996 neu berufene Chefarzt Prof. Dr. F. habe sich im Zuge der Berufungsverhandlungen aus fachlichen Gründen die Einstellung von Herrn Dr. St.(ab 00001997) als leitenden Oberarzt und Stellvertreter ausbedungen. Dieser leite als Nachfolger von Herrn Dr. S. mittlerweile die Radiologie in V. und sei gleichzeitig als ständiger Chefarztvertreter am Gesamtinstitut bestellt.

Wie zuvor in S. sei der Kläger nach seiner Rückkehr nach V. als nachgeordneter Oberarzt beschäftigt worden. Der Kläger sei zudem weder gesundheitlich noch fachlich in der Lage, die Aufgaben des ständigen Vertreters des Chefarztes wahrzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Titularoberarzt zugestanden. Allerdings sei die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger als ständigen Vertreter des leitenden Arztes zu beschäftigen oder einzugruppieren, da er diese Funktion durch einvernehmliche Vertragsänderung zum 15.10.1992 wieder verloren habe. Dabei stützte sich das Arbeitsgericht auf die Aussage der Zeugen Dr. S., D. und Prof. Dr. F. sowie auf Institutsschriftwechsel. Wegen weiterer Einzelheiten insbes. zum Poolgeld und Fixum wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils nebst der enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 07.04.2008 zugestellte Urteil am 07.05.2008 teilweise Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung am 09.07.2008 begründet.

Der Kläger verfolgt im Berufungsrechtszug die Beschäftigung als leitender Oberarzt mit entsprechender Eingruppierung in Entgeltgruppe IV des § 16 TV-Ärzte/VKA weiter; hilfsweise begehrt er Eingruppierung und entsprechende Nachzahlung aus Entgeltgruppe III des § 16 TV-Ärzte/VKA. Es habe 1992 keine Arbeitsvertragsänderung gegeben. Das Arbeitsgericht würdige den Hintergrund der Versetzung nicht zutreffend. Der Kläger sei lediglich zur Zusatzfachgebietsausbildung im Bereich Nuklearmedizin versetzt worden. Der Verwaltungsleiter der Beklagten habe in einem Schreiben vom 02.02.1993 ausdrücklich festgehalten, dass der Kläger seit bald 10 Jahre leitender Oberarzt der radiologischen Abteilung in V. gewesen sei und nicht degradiert werden könne. Demzufolge hätten die Parteien entsprechende Vertragsänderungen auch nicht durchgeführt. Organisations- oder anderweitige Personalentscheidungen berührten das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht. Dem entspreche, dass der ehemalige Chefarzt Dr. D. entgegen seiner Zeugenaussage in einer Mitteilung der Beklagten an das Gewerbeaufsichtsamt - Strahlenschutz - vom 30.06.1994 den Kläger als Oberarzt und Stellvertreter des Chefarztes bezeichnet habe. Dass es der Zeuge mit der Wahrheit nicht genau genommen habe, sehe man auch daran, dass er dem Kläger die Zusatzfachqualifikation im Bereich Nuklearmedizin abgesprochen habe. Der Kläger sei bis 2002 der einzige Nuklearmediziner in der radiologischen Abteilung in S. gewesen und habe in dieser Funktion beanstandungsfrei als 1. Oberarzt gearbeitet. Erst nach Wiedergenesung habe es Probleme gegeben, wobei insbesondere Prof. Dr. F. Wiedereingliederungsversuche verhindert habe. Da der Kläger jedoch tatsächlich die ständige Vertretung des leitenden Arztes über Jahre hinweg ausgeübt habe, sei er als leitender Oberarzt im Sinne der einschlägigen Tarifbestimmung anzusehen. Dem Kläger sei die Funktion eines ersten Oberarztes ausdrücklich übertragen worden und der Tarifvertrag sehe die Möglichkeit der Mehrfachvertretung vor, weshalb der Kläger wie Herr Dr. S. in Entgeltgruppe IV des Tarifvertrages einzugruppieren sei.

Selbst wenn davon ausgegangen werden müsse, dass der Kläger die Voraussetzungen der Entgeltgruppe IV nicht erfülle, seien jedoch die Voraussetzungen der Entgeltgruppe III zweifellos gegeben. Dem Kläger sei die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden. Der Kläger sei mit 20 % seiner Arbeitszeit als Nuklearmediziner und im 3-Mann-Oberarztteam der V. Radiologie im Aufgabenschwerpunkt radiologische Diagnostik medizinisch verantwortlich tätig. Im Einzelnen:

 Durchleuchtungsarbeitsplatz: Osophenges
MDP
Sellink (Dünndarm)
Colou + Defäkurgraphie
Thorax-DL
Adomen-DL
MCU
Phlebographie
Port-Kontrolle (DAS)
Gallengangsdarstellung (T-Draining)
Konventionelles Röntgen: Schädel/Thorax
Abomen/Extremitäten
Mammographien: Mammographie
Galaktographie
NUK: alle gängigen Untersuchungen
CT: alle gängigen Untersuchungen in VS und DS.

Der Kläger beantragt im Berufungsrechtszug :

Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern V. vom 09.01.2008, Az.: 9 Ca 324/06 zugestellt am 07.04.2008, wird insoweit aufgehoben, als die Klage gemäß Urteilstenor Ziff. 2 im Übrigen abgewiesen wurde, und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, den Kläger/Berufungskläger über den 01.08.2005 als ständigen Vertreter des Leitenden Arztes zu beschäftigen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte/Berufungsbeklagte verpflichtet ist, dem Kläger/Berufungskläger ab 01.08.2006 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe IV des TV Ärzte/VKA zu bezahlen.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte/Berufungsbeklagte verpflichtet ist, dem Kläger/Berufungskläger ab 01.08.2006 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu bezahlen.

3. Die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger/Berufungskläger 27.537,16 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils EUR 1.966,94 brutto seit 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007, 01.07.2007, 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie gibt an, der Kläger habe bei seiner Versetzung nach Sch. gewusst, dass dort nur eine normale Oberarztstelle zur Verfügung stand und dies billigend in Kauf genommen. Die Tätigkeit als Oberarzt sei mit Herrn Dr. D. besprochen und der Kläger in Sch. nie als ständiger Vertreter des Chefarztes bestellt worden. Die Vertretung von Dr. D. sei formell Frau Dr. B. übertragen gewesen. Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass er die Strahlenschutzanweisung für die nuklearmedizinische Abteilung als Stellvertreter unterschrieben habe, sei dies ein Einzelfall. Daraus könne keine allgemeine Bestellung abgeleitet werden. Der Kläger übersehe auch, dass am 01.05.2005 eine vollständige Neuorganisation des Instituts für Radiologie und Nuklear-Medizin vorgenommen worden und bei seiner Rückkehr Herrn Dr. S. die Funktion des ständigen Chefarztvertreters längst übertragen gewesen sei.

Der Kläger sei auch nicht in die Entgeltgruppe III für Oberärzte einzugruppieren, da ihm die Beklagte keine selbständigen Teil- und Funktionsbereiche übertragen habe.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze(vom 08.07.08, 23.07.08, 15.09.08, 16.09.08, 23.09.08) nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 4, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger als ständigen Vertreter des leitenden Arztes zu beschäftigen und der Kläger ist weder in Entgeltgruppe IV noch in Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA einzugruppieren.

1. Die Klageanträge sind zulässig.

a) Der Beschäftigungsantrag ist hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach darf keine Ungewissheit über die Identität des Rechtsverhältnisses und über den Umfang des begehrten Anspruches bestehen. Der Kläger muss die Leistung genau bezeichnen, bzw. das Urteil den vollstreckbaren Anspruch inhaltlich so bestimmt ausweisen, dass der Titel aus sich heraus verständlich ist und für jeden Dritten erkennen lässt, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann (nach LAG Hamm, 09.01.2008 - 3 Sa 1266/07, juris Rn. 87 ff. m. N.). Dieser Anforderung genügt der Antrag auf Beschäftigung als ständiger Vertreter des leitenden Arztes. Mit dem Begriff leitender Arzt ist für Fachkreise nachvollziehbar der Chefarzt des Instituts für Radiologie und Nuklearmedizin der Beklagten gemeint, so dass für den kundigen Dritten nachvollziehbar ist, dass der Kläger in der Funktion eines ständigen Vertreters von Prof. Dr. F. beschäftigt werden möchte.

b) Die Feststellungsanträge sind gemäß § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, 46 Abs. 1, Satz 2 ArbGG zulässig, da die Feststellung geeignet ist, Unklarheiten zwischen den Parteien über die mit der Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppen der TV-Ärzte/VKA verbundenen Vergütungspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger auch für die Zukunft zu beseitigen und weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um den selben Fragenkomplex auszuschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Eingruppierungsfeststellungsklagen nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern grundsätzlich auch im Bereich der Privatwirtschaft zulässig (vgl. BAG 14.11.2007 - 4 AZR 945/06, NZA-RR 2008, 309). Das Feststellungsinteresse wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein in der Vergangenheit liegender Vergütungszeitraum erfasst ist (vgl. BAG, 20.10.1993, 4 AZR 47/93, NZA 1994, 514).

c) Der Ergänzung des Antrages um den Hilfsantrag steht § 533 ZPO nicht entgegen. Diese Vorschrift legt besondere Zulassungsvoraussetzungen u. a. für Klageänderungen in der Berufungsinstanz fest. Sie ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vorliegt und daher nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine Antragsänderung nicht als Klageänderung anzusehen ist. Diese gesetzliche Definition des Begriffs der Klageänderung gilt auch in der Berufungsinstanz. § 264 Nr. 2 ZPO bestimmt, dass keine Klageänderung u. a. dann vorliegt, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. So liegt der Fall hier. Der Kläger begehrt aufgrund desselben Tatsachenkomplexes lediglich eine andere Rechtsfolge und er erweitert seinen Antrag entsprechend (BAG 28.10.2008, 3 AZR 903/07, FA 2009, 127-128 ) .

2. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger aufgrund der Übertragung vom 29.09.1986 als leitenden Oberarzt und ständigen Vertreter des Chefarztes zu beschäftigen.

a) Grundsätzlich kann eine förmlich mitgeteilte Organisationsentscheidung, die den arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbereich ändert, wie jede empfangsbedürftige Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden (BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 962/03,BAGE 111, 260). Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen. Abzustellen ist darauf, was bei objektiver Betrachtung der Empfänger den Erklärungen entnehmen durfte (BAG 12.09.2006, 9 AZR 686/05,NZA 2007, 253-255 ) . Die Auslegungsbedürftigkeit scheitert dabei nicht schon an dem klaren und eindeutigen Wortlaut, mit dem der Kläger vorliegend die Bestellung zum Oberarzt und ständigen Vertreter des leitenden Arztes am radiologischen Institut in V. geltend macht. Vielmehr gilt grundsätzlich auch bei klarem und eindeutigem Wortlaut, dass die Auslegung auf die Gesamtumstände abzustellen hat (BAG 12.09.2006, aaO ; BGH 19.12.2001 - XIIZR 281/99, NJW 2002, 1260).

b) Die Funktionsübertragung vom 29.09.1986 war, soweit sie die Bestellung zum ständigen Vertreter des leitenden Arztes in V. bestimmt, nach dem Empfängerhorizont und den Gesamtumständen auf das städtische Klinikum V. begrenzt. Die Übertragung bezog sich schon nach dem Wortlaut auf eine Organisationsentscheidung des leitenden Arztes in V. und der Kläger wechselte in eine andere Klinik mit neuer Organisationsstruktur. Damit war der Bezugsrahmen der alten Mitteilung entfallen, wobei offen bleiben kann, ob die Funktion mit dem Wechsel nach Sch. weiterbildungsbedingt ruhen sollte oder erlosch (näher c). Auch wenn der Kläger in S. die frei gewordene Stelle von Frau Dr. F. besetzte und den damaligen Chefarzt tatsächlich gleichberechtigt mit Frau Dr. B. vertrat, kann daraus nicht auf die Fortgeltung der formellen Chefarztvertretungsregelung des V. Klinikums geschlossen werden. Vielmehr kann dem Kläger nicht entgangen sein, dass die Frage des Chefstellvertreters in S. nach dem Ausscheiden von Frau Dr. F. mit der Doppellösung B./K. letztlich offen blieb und erst vom neuen Chefarzt endgültig festgelegt werden würde. Das folgt aus der Aussage von Herrn Dr. D., der den Kläger nicht als seinen formell bestellten ständigen Vertreter wahrnahm, woran auch die einmalige Vertretungstätigkeit im Zusammenhang mit der Strahlenschutzverordnung nichts ändert. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Handhabung hilft dem Kläger schließlich auch das Entbindungsschreiben vom 25.08.2005 nicht weiter. Die Verwaltung wollte dem Kläger nach dem Wortlaut die Oberarztfunktion entziehen und mit der Bezugnahme auf das Schreiben vom 29.09.1986 jeden Zweifel ausschließen, dass die alte Übertragung mit der Rückkehr nach V. wieder aufleben könnte.

c) Die Funktionsübertragung vom 20.09.1986 lebte nach (zugunsten des Klägers unterstelltem) 20-jährigem Ruhen bei der Rückkehr nach V. nicht in Gestalt eines entsprechenden Beschäftigungsanspruches wieder auf. Die Chefarztvertretung am neu gebildeten Institut war mit der Einstellung der Herren Prof. Dr. F. und Dr. S. kraft unternehmerischer Organisationshoheit anderweitig geregelt und ein Anspruch auf Umgestaltung der Arbeitsorganisation folgt nach der Wertung des § 6 Abs. 2 TVÜ/TV-Ärzte/VKA weder aus dem alten Übertragungsschreiben selbst, noch in dessen Folge etwa aus § 81 Abs 4 S 1 Nr 4 SBG 9.

3. Der Kläger erfüllte ab 01.08.2006 nicht die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe IV des § 16 TV-Ärzte/VKA.

In V. wird der Kläger nicht als ständiger Vertreter des Chefarztes Prof. Dr. F. beschäftigt. Er vertritt Prof. Dr. F. nicht als leitender Oberarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben. Die Tarifparteien gehen nach der Protokollnotiz zu Buchst. d) davon aus, dass diese Funktion in einer Klinik nur von einer Person erfüllt werden kann und diese Person ist in der Radiologie des V. Klinikums Dr. S.

4. Der Kläger ist ab 01.08.2006 auch nicht in die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA einzugruppieren, denn er hat während der streitgegenständlichen Zeit nicht mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge im Sinne des § 15 Abs. 2, Satz 2 TV-Ärzte/VKA ausgeführt, die die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe III erfüllen.

a) Der Begriff des Teil- und Funktionsbereiches ist umstritten (zum Meinungsstand Knörr, Eingruppierung der Oberärzte nach dem TV-Ärzte/VKA und TV-Ärzte, ZTR 2009, S. 50, 51 m.w.N.). Der Teilbereich ist nicht identisch mit dem Funktionsbereich, wie sich aus der Verwendung der koordinierenden Konjunktion "oder" ergibt (Nw. bei Knörr, ZTR 2009, S. 50, 52, Fn. 17). Während der Begriff "selbständiger Funktionsbereich" bereits bei Fallgruppe 4 der Vergütungsgruppen Ia und Ib BAT (Protokollerklärung Nr. 3) im Sinne von "wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes" konkretisiert war, ist der Begriff des Teilbereiches noch ohne feste Konturen. Nach Auffassung der erkennenden Kammer erfordert der Teilbereich die organisatorische Untergliederung einer Gesamteinheit durch eine zugewiesene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung (so auch LAG Sachsen, Urteil vom 04.06.2008, 9 Sa 658/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2009, 9 Sa 66/08), mit deren Hilfe sich ein Teilbereich von einem anderen Teilbereich derselben Abteilung unterscheiden lässt. Das deckt sich mit der sprachlichen Bedeutung des Begriffs (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl.,: Bereich, der den Teil eines Ganzen umfasst; der Begriff des "Bereiches" ist im allgemeinen Sprachverständnis keineswegs nur funktional, sondern ebenso auch rein räumlich ausgerichtet; siehe Wahrig, ebd.). Eine medizinisch-fachliche oder funktionale Abgrenzung ist nicht erforderlich, so dass auch mehrere Teilbereiche dieselbe medizinische Aufgabenstellung verfolgen können. Das ergibt sich daraus, dass für das Vorliegen eines Teilbereiches das Adjektiv "medizinisch" gerade nicht verwendet wird, sondern nur für die nähere Beschreibung der übertragenen Verantwortung.

b) Darüber hinaus muss es sich um einen selbstständigen Teilbereich handeln. Selbstständig ist ein Teilbereich, wenn er innerhalb der Abteilung organisatorisch abgrenzbar ist. Wie diese Abgrenzbarkeit konkret ausgeformt ist, lässt der Tarifvertrag offen. Zwar reicht dazu nicht alleine eine räumliche und personelle Ausstattung, sondern es muss eine gewisse Unabhängigkeit von vergleichbaren Teilbereichen vorliegen. Diese Unabhängigkeit kann erzeugt werden durch eine eigene Funktionalität, aber auch durch eine eigene Leitungsfunktion in Bezug auf die Aufgaben des Teilbereiches. Typischerweise ist die Station eines Krankenhauses selbstständiger Teilbereich in diesem Sinne.

c) Vorliegend trägt der Kläger nach diesen Grundsätzen nicht die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- und Funktionsbereich der Klinik oder des Instituts. Er arbeitet in einem Team von drei gleichberechtigten Oberärzten im Fachgebiet Radiologie und ist nach interner Aufgabenverteilung lediglich schwerpunktmäßig für die radiologische Diagnostik zuständig. Selbst wenn ihm diese ausschließlich zugewiesen wäre, läge mangels räumlicher und organisatorischer Abgrenzbarkeit kein Teilbereich im Rechtssinne vor. Entsprechendes gilt für die exklusiv wahrgenommenen Aufgaben (selbständiger Funktionsbereich) in der Nuklearmedizin, die den Kläger zudem nicht über 50% seiner Arbeitszeit beanspruchen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Im Hinblick auf zahlreiche andere landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Eingruppierung von Oberärzten, die in der Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig sind, war auch hier die Revision für den Kläger zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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