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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 22 Sa 6/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 519 Abs. 3
ZPO § 522
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg Kn. Villingen-Schwenningen vom 07.12.2006 , Az.: 13 Ca 385/06 wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung sowie über eine fristlose Kündigung vom 22.09.2006.

Mit Urteil vom 07.12.2006 hat das Arbeitsgericht Freiburg, Kn. Villingen-Schwenningen den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Urteil wurde dem Beklagten zugestellt am 14.12.2006.

Mit Schriftsatz vom 10.01.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 12.01.2007 legte der Beklagtenvertreter Berufung wie folgt ein:

Berufung

In der Rechtssache S. ./. Dr. med. R.

lege ich für den Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 07.12.2006 zugestellt am 14.12.2006

Berufung

ein.

In der Begründung wird ausgeführt:

Mit dem angegriffenen Urteil habe das Arbeitsgericht die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 22.09.2006 als nicht ausreichend begründet und somit als unwirksam angesehen. Im weiteren Verlauf der Begründung ist ausgeführt:

"Die Klägerin hatte genaue Anweisungen, wo sie am Tag ihres Fernbleibens in der Praxis des Beklagten an Arbeiten zu erledigen hatte."

Der Berufungsschrift war eine Abschrift des angegriffenen Urteils nicht beigefügt.

Mit Verfügung vom 16.01.2007 wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels bestehen, da mangels Angabe des Aktenzeichens die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend identifizierbar sei.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 19.01.2007 legt der Beklagte das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - vom 07.12.2006, Az.: 13 Ca 385/06 als Kopie vor.

Mit Schriftsatz vom 25.01.2007 stellt der Beklagte vorsorglich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt der Beklagtenvertreter vor:

Am 10.01.07 sei in seiner Kanzlei viel Betrieb gewesen, zum Anderen habe er am Nachmittag einen Sitzungstermin des R. Gemeinderates wahrzunehmen gehabt, der wegen der beginnenden Haushaltsberatungen 2007 viel Zeit in Anspruch genommen habe. Die Tagespost habe er deshalb in großer Eile und mehrfach unterbrochen durch ankommende Telefonate unterzeichnen müssen, deshalb sei ihm die Unvollständigkeit der Angaben zu den Parteien und bei der Parteirolle nicht aufgefallen".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Schriftsatzes wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 25.01.2007 (Bl. 8 d. Akten).

II.

Die statthafte, fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht formgerecht eingelegt, somit unzulässig.

Nach § 519 Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift enthalten:

1. Die Bezeichnung des Urteiles gegen das die Berufung gerichtet wird.

2. Die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

Hierbei ist das angegriffene Urteil so zu bezeichnen, dass dieses Urteil für das Berufungsgericht identifizierbar ist.

Das Gesetz bestimmt in § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht im Einzelnen, auf welche Weise das angefochtene Urteil bezeichnet werden muss. Da die Berufungsschrift als bestimmter Schriftsatz form- und fristgebunden einen Verfahrensabschnitt einleitet und die Einlegung der Berufung den Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung aufschiebt, dürfen im Interesse der Rechtsklarheit an die Urteilsbezeichnung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Es ist deshalb anerkannt, dass eine vollständige Bezeichnung die Angaben der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erfordert. Allerdings führt nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird (BGH, Beschl. v. 24.04.2003, NJW 2003, 1950, BGH v. 04.05.2006, FamRZ 2006, 1117).

Anerkannt ist weiter, dass an sich unzureichende Angaben unschädlich sein können, wenn sich vor Ablauf der Berufungsfrist im Zusammenhang mit den Prozessakten für das Berufungsgericht zweifelsfrei ergibt, welches Urteil von wem angegriffen wird. Die prozessualen Formvorschriften sollen dem Rechtsmittelgericht eine rasche und unkomplizierte Anforderung der erstinstanzlichen Akten ermöglichen und damit den Geschäftsgang erleichtern und ihm zu einer eindeutigen Identifizierung des angefochtenen Urteils und Klärung des Rechtsmittelführers verhelfen (BGH v. 06.12.2006, NSW ZPO, § 519).

Nach diesem Maßstab ist vorliegende Berufung unzulässig.

Dass vorliegend weder die Parteien mit Anschrift noch nach erstinstanzlicher Parteirolle genannt sind, ist unschädlich. Aus dem Inhalt der Berufungsbegründung kann entnommen werden, dass erstinstanzlich Herr Dr. R. Beklagter war, nachdem er der kündigungsaussprechende Arzt war.

Dagegen ist die erstinstanzliche Entscheidung für das Gericht vor Ablauf der Berufungsfrist nicht identifizierbar gewesen.

Das angefochtene Urteil wird zwar mit Verkündungsdatum und Zustelldatum genannt, es wird jedoch bezeichnet als ein Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg.

Das Arbeitsgericht Freiburg hat drei Gerichtsorte. Gerichtsort ist das Stammgericht in Freiburg sowie die Außenkammern in Villingen-Schwenningen sowie die weiteren Außenkammern in Offenburg.

Eine Zuordnung der angefochtenen Entscheidung zu einem dieser drei Gerichtsorte hätte nur bei Mitteilung des Aktenzeichens erfolgen können, da über die Kammerbezeichnung im Urteil sich ergibt, an welchem Gerichtsort das angefochtene Urteil ergangen ist. Eine Zuordnung wäre auch möglich gewesen, wenn die Adresse des Beklagten bezeichnet worden wäre, da dann über den Gerichtsstand des Beklagten eine Zuordnung zu einem der drei Gerichtsorte hätte erfolgen können. Aber auch diese Adresse ist in der Berufungsschrift nicht mitgeteilt, so dass diese Möglichkeit der Identifizierung des angefochtenen Urteils ausgeschlossen war.

Bei dieser Sachlage bestand für das Berufungsgericht keine Möglichkeit sich durch Beiziehung der erstinstanzlichen Akten Gewissheit über die angegriffene Entscheidung zu verschaffen, da völlig unklar war, wo die Akten anzufordern waren, ob bei dem Hauptgericht in Freiburg oder den Außenkammern in Villingen-Schwenningen oder Offenburg. Eine Kopie der angegriffenen Entscheidung war entgegen der Sollbestimmung des § 519 Abs. 3 ZPO der Berufung nicht beigefügt.

Damit ist die eingelegte Berufung unzulässig.

Der vom Beklagten gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet. Die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gem. § 233 ZPO eine unverschuldete Fristversäumnis voraus. Eine solche kann nach Sachlage jedoch nicht angenommen werden. Nach § 85 Abs. 2 ist ein Verschulden des Prozessvertreters der Partei als eigenes Verschulden zuzurechnen. Dass Herr Rechtsanwalt P. die Berufungsschrift in Ersichtlichkeit der Unvollständigkeit der Angaben unterzeichnet hat, ist als Verschulden anzusehen. Hierbei ist unbeachtlich, dass Herr P. am fraglichen Tag unter erheblichem Zeitdruck durch die Geschäftstätigkeit in seiner Kanzlei und wahrzunehmende sonstige Termine stand. Im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch leichtes Verschulden schädlich. Ein solches Verschulden ist anzunehmen, wenn ein Anwalt eine Berufungsschrift unterzeichnet, obwohl diese Berufungsschrift den gesetzlichen Mindestanforderungen nicht genügt.

Damit ist das eingelegte Rechtsmittel unzulässig.

Der gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zurückzuweisen, da die Fristversäumung auf Verschulden des Beklagtenvertreters beruht, welches dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Es war deshalb gemäß § 522 ZPO die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Anlass die Rechtsbeschweerde zuzulassen bestand nicht.

Ende der Entscheidung

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