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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.07.2005
Aktenzeichen: 22 Sa 91/04
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
BGB §§ 305 ff. n. F.
BGB § 306
BGB § 306 Abs. 1
BGB § 306 Abs. 2
BGB § 307
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB § 308 Nr. 4
BGB § 310 Abs. 4 S. 2
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 22 Sa 91/04

Verkündet am 26.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 22. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Zeiser, den ehrenamtlichen Richter Lavan und den ehrenamtlichen Richter Sante auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen - vom 26.05.04 - Az.: 9 Ca 680/03 abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Ausbildungskosten.

Der Beklagte, gelernter Maschinenbautechniker war bei der Klägerin vom 15.04.2000 bis 30.06.2003 beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 11.04.2000 zu Grunde. Ziel des Arbeitsverhältnisses war der Einsatz des Klägers als amtlich anerkannter Sachverständiger. Hierzu bedurfte es einer Ausbildung, welche der Beklagte in den Jahren 2001 und 2002 durchführte. Nachdem der Beklagte die Prüfung im Jahr 2002 zunächst nicht bestanden hat, schloß er die Ausbildung mit einer Wiederholungsprüfung am 06.08.2002 erfolgreich ab. Mit Ablegung der Prüfung wurde er amtlich anerkannter Sachverständiger mit Teilbefugnissen für den Kfz-Verkehr.

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält bezüglich der von der Klägerin übernommenen Ausbildungskosten nachfolgende Rückzahlungsregelung (Bl. 15 d. A.).

Ziff. 10.3 2. Absatz:

Wird das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Ausbildung aus Gründen, die der Mitarbeiter zu vertreten hat, beendet, sind die gesamten bisher entstandenen Ausbildungskosten zurückzuzahlen.

Ziff.10.4 Die voraussichtlichen Ausbildungskosten werden ca. DM 15.000,00 betragen. Sie gelten für die Dauer von 2 Jahren ab dem Ausbildungsende als Vorschuss. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf dieser Zeit beendet, verpflichtet sich der Mitarbeiter den Betrag der nach abgeschlossener Ausbildung genau ermittelt und dem Mitarbeiter gesondert mitgeteilt wird, anteilig an die T GmbH zu zahlen. Dabei wird für jeden Monat 1/24 verrechnet.

Mit Schreiben vom 30.05.2003 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2003 (Bl. 16 d. A.). Der Beklagte begründet die Kündigung mit erheblichen Vertragsverletzungen der Klägerin.

Mit Schreiben vom 02.07.2003 (Bl. 23 d. A.) machte die Klägerin Rückerstattung der Ausbildungskosten geltend. Die Klägerin machte 13/24 der von ihr mit insgesamt € 15.741,12 errechneten Ausbildungskosten, somit rechnerisch € 8.526,44 geltend. In der Kostenberechnung sind auch Reisekosten und Spesen für die notwendige Wiederholungsprüfung in Höhe von € 951,82 enthalten.

Die Klägerin hat ihren Rückzahlungsanspruch auf die arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel gestützt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, € 8.526,44 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Der Beklagte hat vorgetragen er sei durch die arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel über den tatsächlichen Umfang eines Rückzahlungsanspruches getäuscht worden, da dort die voraussichtlichen Ausbildungskosten mit ca. DM 15.000,00 bezeichnet worden seien. Der nunmehr mitgeteilte Betrag der Ausbildungskosten hat sich auf das Doppelte belaufen. Im Übrigen sei die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung durch die Klägerin veranlasst worden. Sie habe den Beklagten angewiesen, gesetzwidrige Handlungen vorzunehmen. Darüber hinaus sei er von der Klägerin gemobbt worden, was sich z. B. an einer Kürzung der Leistungszulage ohne Grund zeige.

Die Klägerin hat die vom Beklagten gegen sie erhobenen Vorwürfe bestritten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird der Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteiles in Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 26.05.2004 den Beklagten verurteilt an die Klägerin € 4.155,24 nebst Zinsen zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Rückzahlungsklausel der Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages sei wirksam, da der Beklagte durch die von der Klägerin finanzierte Ausbildung am Arbeitsmarkt verwertbare Qualifikationen erworben habe und auch die zweijährige Bindungsdauer nicht zu beanstanden sei. Die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung sei nicht von der Klägerin veranlasst worden. Selbst wenn der Klägerin Vertragsverletzungen vorzuwerfen seien, hätte der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Allerdings sei der Betrag der Rückzahlung von dem im Vertrag genannten Basisbetrag 15.000 DM aus zu berechnen. Der Beklagte habe zum Zeitpunkt des Kündigungsanspruchs darauf vertrauen dürfen, dass lediglich ein Betrag in dieser Größenordnung, zeitanteilig gekürzt, zur Rückzahlung anfällt. Die Kosten einer Wiederholungsprüfung seien hierbei nicht erhöhend zuzuschlagen.

Wegen der weiteren Urteilsgründe werden die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung in Bezug genommen.

Gegen das dem Beklagten am 07.06.2004 zugestellte Urteil richtet sich die vom Beklagten mit am 05.07.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz eingelegte Berufung, die nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 31.08.2004 mit am 30.08.2004 eingegangenem Schriftsatz begründet wurde.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 07.06.2004 zugestellte Urteil mit am 30.09.2004 eingegangenem Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese sogleich begründet.

Der Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe den Tatsachenvortrag über die Veranlassungen der Kündigung des Beklagten durch die Klägerin nicht hinreichend gewürdigt. Der Beklagte sei aufgrund seiner Arbeitsplatzsituation schwer erkrankt und ihm sei ärztlicherseits dringend geraten worden, das Arbeitsverhältnis kurzfristig zu lösen. Bei dieser Sachlage habe es des Anspruchs einer vorherigen Abmahnung nicht bedurft. Im Einzelnen sei der Beklagte angewiesen worden, Eintragungen "blind" vorzunehmen, auf technische Rückfragen beim Vorgesetzten sei von diesem nicht geantwortet worden. Im Zusammenhang mit seiner korrekten Berufsausübung sei er als "Herr Gesetzesreiter" tituliert worden. Die Klägerin habe eine Kürzung der Leistungszulage vorgenommen, obwohl die von ihm bearbeiteten Stückzahlen aufgrund von Maßnahmen der Klägerin zurückgegangen seien. Auf die Situation habe der Beklagte im Frühjahr 2003 in Anwesenheit des Betriebsrates hingewiesen. Hierbei habe sich gezeigt, dass die Arbeitgeberin nicht einmal die Bereitschaft zeigte, sich der Probleme des Beklagten am Arbeitsplatz anzunehmen. Dies habe zu einer nachhaltigen Störung der Gesundheit des Beklagten geführt, so dass ihm von seinem behandelnden Arzt dringend angeraten worden sei, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Der Beklagte beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen, Az:. 9 Ca 680/03 vom 26.05.2004 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und stellt im Rahmen der Anschlussberufung den Antrag,

Der Kläger/Berufungsbeklagte wird unter Abänderung des am 28.05.2004 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen (Az.: 9 Ca 680/03) verurteilt, an die Klägerin € 5.028,93 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 02.12.2003 zu bezahlen.

Die Klägerin trägt vor, die Klägerin habe sich gegenüber dem Beklagten keinerlei Arbeitsvertragsverletzungen schuldig gemacht. Der insoweitige Tatsachenvortrag des Beklagten sei unrichtig. Eine Äußerung des behandelnden Arztes über das Erfordernis einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht maßgeblich, da der behandelnde Arzt keinerlei Einblick in das Arbeitsverhältnis des Beklagten gehabt habe. Ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem behandelnden Arzt, welches diesem Einblicke in das Arbeitsverhältnis hätte geben können, habe nicht stattgefunden. Im Wege der Anschlussberufung macht die Klägerin geltend, bei Unterstellung der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichtes, der Rückzahlungsbetrag sei auf den im Vertrag genannten Betrag von DM 15.000,00 begrenzt, so müsse diesem Betrag zugerechnet werden die durch die Wiederholungsprüfung angefallenen Kosten, da dem Beklagten klar hätte sein müssen, dass im Falle der Erforderlichkeit einer Wiederholungsprüfung zusätzliche weitere Kosten entstehen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird die Berufungsbegründung vom 27.08.2004, sowie die Berufungserwiderung, gleichzeitig Begründung der Anschlussberufung, vom 29.09.2004 in Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 28.04.2005 hat das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass möglicherweise eine Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel gemäß § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten in Betracht kommt. Hierauf haben die Parteien mit Schriftsatz vom 30.05.2005 (Beklagter) sowie mit Schriftsatz vom 13.06.2005 (Klägerin) Stellung genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte Berufung des Beklagten war begründet. Dagegen war die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die im Arbeitsvertrag der Parteien unter Ziff. 10.4 geregelte Rückzahlungsklausel ist nach § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten unwirksam. Die Gewinnung einer Rückzahlungsklausel zulässigen Inhaltes ist weder durch geltungserhaltende Reduktion noch durch ergänzende Vertragsauslegung möglich.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Vertrag vom 11.04.2000 ist zwar vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform abgeschlossen, gem. Art. 229, § 5 Satz 2 EGBGB ist das reformierte Schuldrecht jedoch ab 01.01.2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Nachdem die Kündigung des Beklagten am 30.05.2003 zum 30.06.2003 erklärt wurde, ist die Rückzahlungsklausel der Parteien im Lichte der §§ 305 ff. BGB n. F. zu überprüfen.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Partei vor Abschluss eines Vertrags stellt. Dass vorliegend der von der Klägerin verwandte Vertragstext des Arbeitsvertrages vorformulierte Vertragsbedingungen sind, ist nicht streitig.

2.1 Bestimmungen in vorformulierten Verträgen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Die Vereinbarung eines Rückzahlungsvorbehaltes bei vorzeitigem Ausscheiden für vom Arbeitgeber getragene Fortbildungskosten ist grundsätzlich zulässig. Allerdings hat die Rechtsprechung Voraussetzung und Grenzen einer solchen Rückzahlungsklausel bestimmt.

2.1.1

Mit der den Arbeitnehmer treffenden Verpflichtung, bei Ausscheiden aus dem Unternehmen nach vorheriger auf Kosten des Arbeitgebers durchgeführter Ausbildung, diese Kosten ganz oder teilweise zurückzahlen zu müssen, wird in die grundgesetzlich durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers eingegriffen. Dieses Grundrecht schützt das Interesse des Arbeitnehmers, einen gewählten Arbeitsplatz beizubehalten, ihn zu wechseln oder ganz aufzugeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Eingriff in das Recht der Berufsfreiheit durch Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel nur zulässig, wenn die vereinbarte Rückzahlungspflicht aus der Sicht eines verständigen Betrachters einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Dies ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles in einer Güter - und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu ermitteln (BAG v. 05.12.2002, 6 AZR 539/01, AP Nr. 32 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe). Zulässig sind solche Rückzahlungsklauseln insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer eine wirtschaftlich den Marktwert seiner Arbeitskraft erhöhende Ausbildung zugeflossen ist.

Die Dauer der zulässigen Bindung des Arbeitnehmers bestimmt sich im Wesentlichen nach den vom Arbeitgeber erbrachten Aufwendungen (BAG v. 05.12.1993, AP Nr. 17 zu § 211 BGB, Ausbildungsbeihilfe).

Die Zulässigkeit einer Zahlungsklausel ist hierbei zu bestimmen nach dem Verhältnis zum Zeitpunkt ihres Abschlusses.

2.1.2

Das Interesse des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, geht dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können (BAG v. 24.06.2004, NZA 2004, 1035). Kündigt der Arbeitgeber hingegen innerhalb der Bindungsfrist, liegt es an ihm, dass seine Bildungsinvestition ins Leere geht. In diesem Fall entfällt die sachliche Grundlage für eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers. Eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers in einem solchen Fall wäre kein angemessener Interessenausgleich. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Etwas Anderes gilt nur dort, wo der Arbeitnehmer selbst durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Arbeitgebers vor Ablauf der Bindungsfrist veranlasst hat (BAG v. 24.06.2004, a.a.O.).

2.2 Nach diesen Grundsätzen ist die im Arbeitsvertrag der Parteien unter Ziff. 10.4 vereinbarte Rückzahlungsklausel unwirksam.

2.2.1

Diese Rückzahlungsklausel verpflichtet den Beklagten zur Rückzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsfrist von 2 Jahren ab Ausbildungsende beendet wird, unabhängig davon, wer das Ausbildungsverhältnis beendet und unabhängig davon aus welchen Gründen das Arbeitsverhältnis beendet wird.

Nach dem Wortlaut dieser Rückzahlungsklausel würde somit eine Rückzahlungspflicht des Klägers auch bei betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers entstehen. Eine solche Rückzahlungsklausel stellt keinen angemessenen Interessenausgleich dar, sie entspricht nicht einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers.

2.2.2

Eine einschränkende Auslegung dieser Rückzahlungsklausel gemäß § 133, 157 BGB dahin, dass nur eine Arbeitnehmerkündigung eine Rückzahlungspflicht auslösen soll, ist nicht möglich.

Für eine solche Auslegung gibt es im Vertrag der Parteien keine Anhaltspunkte. In Ziff. 10.3 des Arbeitsvertrages letzter Absatz wird für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Ausbildung sehr wohl abgestellt auf Gründe, die der Mitarbeiter zu vertreten hat. Daraus ergibt sich, dass Ziff. 10.4 von den Parteien, nachdem sie im Unterschied zum Vorabsatz diese Einschränkung des Arbeitsvertrages nicht angebracht haben, durchaus so gewollt war, dass jedwede Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rückzahlungspflicht auslösen soll.

2.3 Das Bundesarbeitsgericht hat vor Geltung der Schuldrechtsreform bereits solche Rückzahlungsklauseln als unwirksam angesehen, da sie einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht stand hielten. Allerdings hat das BAG im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB die zu weit formulierte Vertragsklausel im konkreten Einzelfall reduziert auf einen Inhalt, der nach den konkreten Umständen des Einzelfalles angemessen und billigenswert erscheint. Es hat hierbei ausgeführt, das Vertrauen des Arbeitnehmers, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht entgehen zu können, sei nicht schutzwürdig, wenn er durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Arbeitgebers vor Ablauf der Bindungsfrist veranlasst habe. In diesem Fall liege der Grund für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Sphäre des Arbeitnehmers (BAG v. 24.06.2004 a.a.O.).

3. Die Unwirksamkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Rückzahlungsklausel ergibt sich nunmehr bei Geltung des reformierten Schuldrechtes aus § 307 Abs. 1 BGB n. F., da sie den Beklagten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

3.1 Die Rechtsfolge einer Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB ergibt sich aus § 306 Abs. 2 BGB. Nach dieser Bestimmung richtet sich der Inhalt des Vertrages, soweit eine Bestimmung nicht Vertragsbestandteil geworden ist oder unwirksam ist, nach den gesetzlichen Vorschriften.

3.1.1

Aus dieser gesetzlichen Regelung wird allgemein ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion einer unwirksamen Klausel entnommen ( BGH NJW 1982, 2309). Dem gegenüber wird teilweise im Bereich des Arbeitsrechtes die Auffassung vertreten das Gebot geltungserhaltender Reduktion sei als Besonderheit des Arbeitsrechtes im Sinne § 310 IV 2 BGB anzusehen, weshalb überschießende Klauseln auf das angemessene Maß zurückzuführen sind (Thusing, NZA 2002, 591).

Das in § 305 BGB übernommene AGB-Recht ist gekennzeichnet auch von einem Präventionsgedanken. Der Verwender einer unangemessen belastenden Klausel müsse künftig dazu angehalten werden, nur noch angemessene Klauseln vorzugeben ( BGH, NJW 1982, 2309, BAG v. 04.03.2004, AP Nr. 3 zu § 309 BGB unter B III 2 c der Gründe). Dieser Präventionsgedanke würde konterkariert, würde bei Vereinbarung unangemessener Klausel der Verwender davon ausgehen können, dass im Wege geltungserhaltender Reduktion die Klausel auf den gerade noch zulässigen Inhalt reduziert wird. Damit ist auch im Bereich des Arbeitsrechtes von einem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion durch § 306 Abs. 2 BGB auszugehen.

3.1.2

Eine nach § 306 Abs. 2 BGB anzuwendende gesetzliche Regelung für den Fall der Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel über Aus- und Fortbildungskosten besteht nicht.

Allerdings kommt die Anwendung der Grundsätze ergänzender Vertragsauslegung in Betracht, wenn wegen der durch § 306 Abs. 1 BGB angeordneter Fortgeltung des Restvertrages die Unwirksamkeit einer Klausel zu einem Wertungswiderspruch mit dem Anliegen der AGB-Kontrolle führt, weil der Wegfall einer solchen Klausel bei Fehlen einer die Lücke schließenden gesetzlichen Regelung den Verwender unangemessen benachteiligt und umgekehrt seinen Vertragspartner in einem Maße begünstigt, das durch dessen schutzwürdiges Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt ist (Schmidt, Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten der beruflichen Bildung NZA 2004, 1009).

3.1.3

Eine solche ergänzende Vertragsauslegung, welche von Methode und Ergebnis nichts Anderes darstellt als eine geltungserhaltende Reduzierung, kann jedoch nur in besonderen Situation zugelassen werden.

Die ergänzende Vertragsauslegung ist ein zur Schließung einer Gerechtigkeitslücke geeignetes Instrument. Eine solche Gerechtigkeitslücke liegt dann vor, wenn der Verwender vorformulierter Verträge den Vertrag formuliert hat im Vertrauen auf eine bestehende Rechtslage. Es wäre vom Ergebnis her unerträglich, würde eine vor Geltung der §§ 305 ff BGB n. F. wirksame vertragliche Regelung aufgrund Gesetzesänderung ersatzlos entfallen und damit eine Vertragsparteien über deren schutzwürdige Vertragsinteressen hinaus begünstigt. Einen solchen Fall hat z. B. das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - entschieden, in welchem der Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag einen Widerrufsvorbehalt mit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirksamen Inhalt aufgenommen hatte. Diese Widerrufsregelung ist mit Geltung des Schuldrechtsreformgesetzes auf diesen Arbeitsvertrag gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam geworden. Hier war es angemessen im Wege ergänzender Vertragsauslegung entsprechend dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien die Vertragsklausel nachzubessern.

Die ergänzende Vertragsauslegung erweist sich bei Altverträgen als geeignetes Mittel, dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung zu tragen.

Dagegen sollte die ergänzende Vertragsauslegung nicht wider Sinn und Zweck der AGB-Vorschriften als generelles Mittel angesehen werden, unwirksame Vertragsklausel auf wirksame Inhalte zu reduzieren.

Ein Verwender, der eine überschießende, somit unwirksame Vertragsklausel in seine Formularverträge aufnimmt, hat die Rechtsfolge des § 306 BGB zu tragen. Falls ersetzendes Gesetzesrecht nicht zur Verfügung steht, rechtfertigt dies nicht in jedem Fall, einen Ersatz im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu finden (vgl. BAG v. 04.93.2004 a.a.O.)

Wer unwirksame Regelungen formularmäßig vereinbart, hat die Rechtsfolge zu tragen, dass aus diesen Regelungen Ansprüche nicht hergeleitet werden können.

Damit ist es vorliegend nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der Klägerin verwehrt, eine Wirksamkeit der nach § 307 BGB unwirksamen Rückzahlungsklausel durch im Wege ergänzender Vertragsauslegung gewonnenen zulässigen Klauselinhalt zu beanspruchen. Vertrauensschutz der Beklagten darauf, dass vor Geltung der Schuldrechtsreform die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bei unwirksamen Rückzahlungsklauseln die Klausel nach Inhaltskontrolle nach § 242 BGB mit zulässigem Inhalt angewandt hat, besteht nicht. Der Verwender unwirksamer benachteiligender Klauseln verdient keinen Vertrauensschutz, dass die Rechtsprechung solche Klauseln mit zulässigem, reduzierten Inhalt gelten lässt. Er war in der Lage, seine Klauseln mit zulässigem Inhalt auszustatten. Dies unterscheidet vorliegenden Fall von dem Vertrauensschutz auslösenden Fall, dass eine Vertragsklausel erst durch Gesetzesänderung unwirksam geworden ist.

Bei dieser Sachlage ist die im Formular- Arbeitsvertrag der Parteien vereinbarte Rückzahlungsklausel über Ausbildungskosten unwirksam.

4. Eine weitere Unwirksamkeit könnte sich aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot ergeben. In Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages ist als voraussichtlicher Rückzahlungsbetrag ein Betrag von DM 15.000,00 genannt. Die nunmehr von der Beklagten zur Rückzahlung geltend gemachten Ausbildungskosten - ungekürzt - betragen den doppelten Betrag. Dass unvorhersehbare Umstände solche gravierende erhöhende Ausbildungskosten verursacht haben, ist nicht ersichtlich. Allein die Tatsache der Wiederholungsprüfung hat nur einen geringen Teil der Mehrkosten ausgemacht.

Sinn und Zweck des § 307 Abs. 1 Satz 2 ist, die Vertragsparteien von vornherein die Bedeutung und Tragweite vertraglicher Regelungen erkennen zu lassen.

Die vom Arbeitsgericht gewählte Methode, den Kläger nur auf die Höhe des in Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages genannten Betrages haften zu lassen, stellt wiederum eine an sich unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar.

Auch insoweit liegt eine Unwirksamkeit der Vertragsklausel der Parteien wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot nahe.

Somit ist die Rückzahlungsklausel der Parteien gemäß Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages unwirksam.

Die Beklagte kann hieraus Rückzahlungsansprüche nicht ableiten.

Einer Überprüfung der Frage, ob die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung durch die Klägerin zu vertreten ist, bedurfte es somit nicht.

Es war deshalb unter Abweisung der Anschlussberufung der Beklagten die Berufung des Klägers begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Der Anwendungsbereich des § 307 BGB, insbesondere die Frage der Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung bei unwirksamer Rückzahlungsklausel ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Hierzu hat sich das Bundesarbeitsgericht bisher nicht geäußert. Aus diesem Grund war gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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