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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 07.08.2009
Aktenzeichen: 3 SHa 2/09
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 3
ArbGG § 82 Abs. 1 S. 2
Besteht in einem Unternehmen mit zahlreichen Verkaufsstellen ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG über die Bildung von Betriebsratsbezirken, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 82 Abs. 1 S. 2 ArbGG nicht nach den gebildeten Betriebsratsbezirken. Vielmehr kommt es für die örtliche Zuständigkeit auf den Sitz der Betriebsleitung an. Verfügt die Betriebsleitung lediglich über ein mobiles Büro, so ist für die örtliche Zuständigkeit maßgebend, in welchem Gerichtsbezirk die Betriebsleitung ihre Leitungsmacht ausübt.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 3 SHa 2/09

Beschluss vom 07.08.2009

In dem Verfahren betreffend die Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts für das Beschlussverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter ohne mündliche Verhandlung am 07.08.2009

beschlossen:

Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Freiburg bestimmt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Ausgangsverfahren über einen Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten Ziff. 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Arbeitsgerichts Freiburg, das für das Ausgangsverfahren örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen.

Die Beteiligte Ziff. 1 (im folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen mit Sitz in Ehingen, das bundesweit in knapp 10.000 Verkaufsstellen Drogeriewaren vertreibt. Zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen sind im Unternehmen Betriebsratsbezirke gebildet. Der Beteiligte Ziff. 2 ist der im Bezirk Alpirsbach gebildete Betriebsrat. Im Bezirk Alpirsbach befinden sich derzeit 28 Verkaufsstellen. Davon liegen 19 Verkaufsstellen im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Freiburg und 9 Verkaufsstellen im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Pforzheim.

Die Arbeitgeberin verfügt derzeit über folgende Organisationsstruktur: Die Verkaufsstellen werden von Bezirksleitungen betreut. In Baden-Württemberg gibt es derzeit 49 Bezirksleitungen. Die Bezirksleitungen verfügen nicht über einen Sitz dergestalt, dass ihnen im jeweiligen Bezirk ein eigenes Büro zur Verfügung steht. Vielmehr sind die Bezirksleitungen mobil in ihrem Zuständigkeitsbereich mit einem PKW unterwegs. Der Großteil der Büroarbeiten wird von den Bezirksleitungen entweder in einer Verkaufsstelle oder zu Hause erledigt. Die Bezirksleitungen sind Vorgesetzte der Verkaufsstellenmitarbeiter/innen. Sie sind befugt, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Sie sind verantwortlich für die personelle Besetzung der Verkaufsstellen und reichen beim Betriebsrat die Dienstpläne ein. Sie sind ferner zuständig für die Beteiligung des Betriebsrats bei Mehrarbeit und bei Versetzungen.

Den Bezirksleitungen sind Verkaufsleitungen übergeordnet. Hierbei sind einer Verkaufsleitung zwischen 12 und 16 Betriebsleitungen zugeteilt. Derzeit sind fünf Verkaufsleitungen ganz oder teilweise für das Gebiet Baden-Württemberg zuständig. Es handelt sich hierbei um die Verkaufsregionen Villingen-Schwenningen (Bodenseebereich, Vertriebsbüro in Ehingen, zuvor in Villingen-Schwenningen und sodann in Leonberg), Leonberg (Großraum Stuttgart, Vertriebsbüro in Ehingen), Karlsruhe (Bereich Baden, Vertriebsbüro in Pohlheim, Nähe Gießen), Neuenstadt (Heidelberg/Heilbronn/Ansbach, Vertriebsbüro in Ehingen) und München (östliche Teile Baden-Württembergs, Vertriebsbüro in Ehingen). Das Vertriebsbüro wird von den Verkaufsleitungen höchstens 1x wöchentlich, im Schnitt alle zwei Wochen aufgesucht. Ansonsten sind die Verkaufsleitungen mobil unterwegs. Die Verkaufsleitungen betreuen die jeweilige Verkaufsregion und stehen den ihnen unterstellten Bezirksleitungen beratend zur Seite.

Zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen schloss die Arbeitgeberin mit der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen am 07.04.1995 einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG ab. Hiernach werden die Verkaufsstellen Regionen zugeordnet, die sich aus einer dem Tarifvertrag beiliegenden Karte ergeben. Die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen wählen jeweils einen Betriebsrat. Die Betriebsratsregionen stimmen örtlich mit dem Zuständigkeitsbereich der Bezirksleitungen nicht immer überein. Es gibt eine Vielzahl von Betriebsratsbezirken, die über mehr als eine oder gar drei Bezirksleitungen verfügen. Im Allgemeinen befinden sich die Betriebsratsregionen in einem Arbeitsgerichtsbezirk. Es gibt jedoch mehrere Fälle, in denen die Betriebsratsregion in zwei Arbeitsgerichtsbezirken liegt.

Neben dem Tarifvertrag vom 07.04.1995 schloss die Arbeitgeberin mit der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen einen Tarifvertrag zur Ergänzung des genannten Zuordnungstarifvertrags. Nach Ziff. 2.1 des Ergänzungstarifvertrags bestimmt der Betriebsrat seinen Sitz an einer Verkaufsstelle des Bezirks unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten. Vorrang haben die Verkaufsstellen am Sitz des Betriebsratsvorsitzenden oder Stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden.

Mit einem am 01.12.2008 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Schriftsatz beantragte die Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung zweier Arbeitnehmerinnen zu ersetzen. Die Einstellungen sollten in den Verkaufsstelle O. und P. (beide gelegen im Arbeitsgerichtsbezirk Freiburg) erfolgen. Mit Verfügung vom 03.12.2008 gab der Vorsitzende Gelegenheit, zur Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stuttgart vorzutragen. Hierauf verwies die Arbeitgeberin darauf, dass die örtliche Zuständigkeit von den Arbeitsgerichten Stuttgart und Freiburg unterschiedlich gesehen werde. Aufgrund der Verlegung des Verkaufsbüros von Villingen-Schwenningen nach Leonberg (mittlerweile Ehingen) gehe das Arbeitsgericht Freiburg von der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stuttgart aus. Der Betriebsrat beantragte, das Verfahren an das Arbeitsgericht Freiburg, Kammern Offenburg, zu verweisen. Der Sitz des Betriebsrats befinde sich in H., das im Arbeitsgerichtsbezirk Freiburg liege.

Nach erfolgloser Güteverhandlung am 19.01.2009 erklärte sich das Arbeitsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 29.04.2009 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Freiburg. Es nahm hierbei auf einen Beschluss der 11. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 26.03.2009 Bezug. Hierin führte das Arbeitsgericht Stuttgart aus, der überwiegende Teil des Betriebes liege im Arbeitsgerichtsbezirk Freiburg.

Mit Beschluss vom 12.05.2009 erklärte sich das Arbeitsgericht Freiburg, Kammern Offenburg, ebenfalls für örtlich unzuständig. Es legte die Sache zur Entscheidung dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vor. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht Freiburg unter Verweis auf mehrere andere Verweisungsbeschlüsse des Gerichts aus, maßgeblich für die Zuständigkeitsbestimmung sei der Sitz des Betriebs. Bestehe ein Betrieb aus mehreren Betriebsteilen oder Filialen, richte sich die örtliche Zuständigkeit danach, wo die betriebliche Leitungsmacht angesiedelt sei. Im vorliegenden Fall werde die Leitungsmacht vorrangig von dem Verkaufsleiter ausgeübt. Dieser treffe gerichtsbekannt die letzten Entscheidungen. Nicht abgestellt werden könne auf die "bürolose" Bezirksleiterin und auf den Sitz des Betriebsrats. Ferner sei nicht entscheidend, dass sich der Betriebsratsbezirk Alpirsbach schwerpunktmäßig im Arbeitsgerichtsbezirk Freiburg befinde.

Die Beteiligten haben im Bestimmungsverfahren die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, nach ihrer Auffassung sei das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Gerichtsbezirk sich der Betriebsratsbezirk befinde. Durch den Zuordnungstarifvertrag sei festgelegt, wo der Betrieb liege. Falle der Betriebsratsbezirk in mehr als einen Arbeitsgerichtsbezirk, so stehe dem Antragsteller ein Wahlrecht des Gerichtsstands zu. Der Betriebsrat hat vorgetragen, zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit könne nicht an das Büro des Verkaufsleiters angeknüpft werden. Die Leitungsmacht in sozialen und personellen Angelegenheiten würden von den Betriebsleitungen in den Verkaufsstellen direkt ausgeübt. Auch nach Auffassung des Betriebsrats sei daher das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Gerichtsbezirk der Betriebsratsbezirk liege.

II.

Örtlich zuständig ist für das vorliegende Beschlussverfahren das Arbeitsgericht Freiburg. Der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.04.2009 war für das Arbeitsgericht Freiburg bindend.

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind erfüllt, weil sich die Arbeitsgerichte Stuttgart und Freiburg rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts zweier Arbeitsgerichte findet § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch im Beschlussverfahren Anwendung. Denn auch im Beschlussverfahren ist die Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts im Konfliktfall unerlässlich (LAG Baden-Württemberg 24.09.2008 - 3 SHa 2/08).

2. Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, § 48 Abs. 1 ArbGG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Auch ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss, der nicht hätte ergehen dürfen, ist grundsätzlich einer weiteren Überprüfung entzogen. Nur bei krassen Rechtsverletzungen kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ausnahmsweise in Betracht. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Verweisungsbeschluss jeder Rechtsgrundlage entbehrt und somit objektiv willkürlich ist oder wenn er auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruht (zuletzt BAG 28.02.2006 - 5 AS 19/05 - AP ArbGG 1979, § 2 Nr. 88; BAG 09.02.2006 - 5 AS 1/06 - AP ZPO § 36 Nr. 61 m.w.N.; LAG München 28.10.2008 - 1 SHa 27/08 - NZA-RR 2009, 218).

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts hat gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu erfolgen, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist. Erforderlich ist, dass es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen gekommen ist und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Zuständig für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts ist im vorliegenden Fall das Landesarbeitsgericht.

3. Nach genannten Maßstäben ist im Streitfall das Arbeitsgericht Freiburg als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat den Rechtsstreit mit bindender Wirkung an das Arbeitsgericht Freiburg verwiesen. Das Arbeitsgericht Freiburg ist das nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG örtlich zuständige Arbeitsgericht.

a) Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist in § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG abschließend zwingend dahingehend geregelt, dass das Arbeitsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Betrieb liegt. Beide Beteiligten legen diese Regelung im vorliegenden Fall dahingehend aus, aufgrund der Bestimmungen des Zuordnungstarifvertrags vom 07.04.1995 sei der Betrieb im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes mit dem jeweiligen Betriebsratsbezirk gleichzusetzen. Mit dieser Begründung kann jedoch die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Freiburg nicht angenommen werden.

Die Regelung des § 3 BetrVG erlaubt in ihrem Absatz 1 Nr. 1 Buchst. b) die Zusammenfassung von Betrieben, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Eine entsprechende Vereinbarung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung hat nach § 3 Abs. 5 BetrVG die Rechtsfolge, dass die gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes gelten. Die gesetzliche Fiktion ist ausdrücklich auf das Betriebsverfassungsgesetz begrenzt. In der Entwurfsbegründung (Bundestagsdrucksache 14/5741 S. 35) werden in diesem Zusammenhang die Auswirkungen auf die Zahl der Betriebsratsmitglieder, die Größe der Ausschüsse und die Zahl der Freistellungen genannt. In anderen arbeitsrechtlichen Bereichen bleibt hingegen der allgemeine Betriebsbegriff maßgebend (Fitting, BetrVG, 24. Auflage, § 3 Rn 76; DKK/Trümner, BetrVG, 10. Aufl. § 3 Rn 146; GK-Kraft/Franzen, BetrVG, 8. Aufl. § 3 Rn 68). Für den Betriebsbegriff des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt die gesetzliche Fiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG daher nicht. Hieraus folgt, dass die festgelegten Betriebsratsbezirke nicht kraft gesetzlicher Fiktion als "Betriebe" betrachtet werden können. Die Konsequenz ist ferner, dass der Sitz des Betriebsratsvorsitzenden (geregelt im Ergänzungstarifvertrag vom 07.04.1995) zur Bestimmung des Betriebs nicht ausschlaggebend sein kann.

b) Der Begriff des Betriebs nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestimmt sich nach materiellem Betriebsverfassungsrecht (BAG 19.06.1986 - 6 ABR 66/84 - AP ArbGG 1979 § 82 Nr. 1; Schwab/Weth, ArbGG, 2. Auflage, § 82 Rn 7). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (zuletzt BAG 07.05.2008 - 7 ABR 15/07 - NZA 2009, 328 mit zahlreichen Nachweisen). Die einheitliche Leitung muss sich hierbei auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Trifft dies zu, so liegt ein eigenständiger Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG vor (vgl. nur BAG 17.01.2007 - 7 ABR 63/05 - AP BetrVG 1972, § 4 Nr. 18; BAG 21.07.2004 - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 Nr. 15.

aa) Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten wird die Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten jedenfalls ganz überwiegend von den Bezirksleitungen ausgeübt. Die Bezirksleitungen betreuen die ihnen zugeordneten Verkaufsstellen. Sie sind Vorgesetzte der Verkaufsstellenmitarbeiter. Was ihre Zuständigkeit in personellen und sozialen Angelegenheiten angeht, so sind sie befugt, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Sie sind insofern auch der zuständige Ansprechpartner des Betriebsrats. Ferner sind sie zuständig in allen Fragen der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) und der Anordnung von Überstunden (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Die Bezirksleitungen sind des weiteren zuständig für Versetzungen und die Beteiligung des Betriebsrats hierbei nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Schließlich sind die Bezirksleitungen diejenige Stelle, bei denen die Betriebsratsmitglieder die Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG anzuzeigen haben.

bb) Aus der dargestellten Zuständigkeitsregelung folgt, dass den Verkaufsleitungen - entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts - jedenfalls nicht primär die Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten übertragen ist. Die Verkaufsleitungen betreuen zwar die jeweilige Verkaufsregion und stehen den ihnen unterstellten Bezirksleitungen beratend zur Seite. In erster Linie sind jedoch - wie beide Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben - die Bezirksleitungen zuständig. Mit den Bezirksleitungen wird daher auch die gesamte Korrespondenz in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten geführt.

cc) Betrieb im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist nach der von der Arbeitgeberin eingerichteten Organisationsstruktur der Bezirk der jeweiligen Betriebsleitungen. Dem steht nicht entgegen, dass die Bezirksleitungen in ihrem Bezirk nicht über einen festen Sitz verfügen. Zwar wird im allgemeinen der Betrieb dort liegen, wo die Verwaltung des Betriebs ihre Tätigkeit entfaltet, somit wo die Betriebsleitung ihren Sitz hat (Schwab/Weth, a.a.O., § 82 Rn 7; Germelmann/Matthes ArbGG, 6. Auflage, § 82 Rn 8; ebenso wohl auch GK-ArbGG/Dörner, § 82 Rn 13 b und c). Diese Annahme geht aber von der Existenz traditioneller Betriebsstrukturen aus. Die modernen Kommunikationsmittel haben indessen dazu geführt, dass es zur Verwaltung eines Betriebes keines örtlich festgelegten Verwaltungssitzes mehr bedarf. Alle wesentlichen Büroarbeiten können heutzutage in einem mobilen "Office" vorgenommen werden. An dieser technischen Entwicklung können die Gerichte für Arbeitssachen nicht vorbeigehen. Wenn somit die betriebliche Leitungsmacht mobil in einem bestimmten Bezirk ausgeübt wird, dann ist nicht auf den mehr oder weniger zufälligen "(Wohn)Sitz" der Person abzustellen, die die Leitungsmacht innehat. Maßgeblich ist dann vielmehr, in welchem räumlichen Bezirk die Leitungsmacht wahrgenommen wird. Eine andere Betrachtungsweise hätte widersinnige Folgen: Dort, wo die Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten ausgeübt würde, wäre mangels ausreichender räumlicher "Verfestigung" der Verwaltung der Betriebsbegriff nicht erfüllt. Hingegen wäre dort, wo keine maßgebliche Entscheidungen getroffen würden, der Sitz des Betriebs anzunehmen.

dd) Die hiesige Betrachtungsweise trägt hingegen auch den praktischen Erfordernissen Rechnung. § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG liegt die gesetzgeberische Zielsetzung zugrunde, dass dasjenige Arbeitsgericht örtlich zuständig sein soll, das eine räumliche Nähe zum Betrieb aufweist. Hierdurch sollen Aufwand und Kosten der Betriebsparteien möglichst gering gehalten werden. Zutreffend weist der Betriebsrat in diesem Zusammenhang auf den Aufwand hin, der entstünde, wenn die örtliche Zuständigkeit am Sitz der Verkaufsleitungen konzentriert würde. Wenn man einmal unterstellt, der Sitz der Verkaufsleitungen sei trotz deren ebenfalls weitgehend mobilen Tätigkeit im jeweiligen Vertriebsbüro anzusiedeln, wäre das Arbeitsgericht Ulm aufgrund der wohl zunehmenden Verlegung der "Sitze" der Verkaufsleitungen in die Unternehmenszentrale in Ehingen für nahezu alle betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit mit der Arbeitgeberin in Baden-Württemberg zuständig.

c) Für die örtliche Zuständigkeit ergibt sich hiernach Folgendes:

aa) Ist der Bezirk der jeweiligen Betriebsleitung mit dem Betriebsratsbezirk nach dem Zuordnungstarifvertrag vom 07.04.1995 identisch - was nach dem Vorbringen der Beteiligten jedenfalls in zahlreichen Fällen zutrifft, so fallen Betrieb im Sinne des § 82 Abs. 1 S. 2 ArbGG und Betriebsratsbezirk nach dem Zuordnungs-Tarifvertrag vom 07.04.1995 zusammen. Zuständig ist dasjenige Arbeitsgericht, in dessen Gerichtsbezirk Betrieb und Betriebsratsbezirk liegen.

bb) Sind für einem Betriebsratsbezirk mehrere Bezirksleitungen zuständig, so ist der Betriebsratsbezirk nach dem Vorbringen beider Beteiligten durch die Bildung von Unterbezirken (Zuordnung bestimmter Verkaufsstellen an die Bezirksleitungen) unterteilt. Eine überlappende oder gemeinsame Zuständigkeit ist ausgeschlossen. Die örtliche Zuständigkeit lässt sich hiernach danach abgrenzen, in welchem Arbeitsgerichtsbezirk der der jeweiligen Bezirksleitung zugewiesene Bezirk liegt.

cc) Überschneidet sich ein Bezirk der Betriebsleitung (ggf. identisch mit einem Betriebsratsbezirk) mit den Gerichtsbezirken von mehreren Arbeitsgerichten - was nach dem Vorbringen der Beteiligten in Einzelfällen vorkommt, so steht dem Antragsteller nach § 35 ZPO ein Wahlrecht zwischen den mehreren zuständigen Gerichten zu. Die zunächst naheliegende Erwägung, in diesen Fällen auf die örtliche Lage derjenigen Verkaufsstelle abzuheben, aus der das Verfahren herrührt, ist letztlich nicht tragfähig. Zu denken ist in diesem Zusammenhang vor allem daran, dass eine beteiligungspflichtige Maßnahme derselben Bezirksleitung zwei oder mehrere Verkaufsstellen betrifft, die in unterschiedliche Gerichtsbezirken angesiedelt sind. Bei dieser Fallgestaltung könnte die örtliche Zuständigkeit durch die Lage der Verkaufsstellen nicht bestimmt werden. Eine rechtssichere Lösung ist nur möglich, wenn nach dem Grundsatz zu aa) auf den Bezirk der Bezirksleitung abgestellt wird. Erstreckt sich dieser über mehrere Arbeitsgerichtsbezirke, so ist das in § 35 ZPO vorgesehene Wahlrecht das geeignete Instrument zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit.

d) Im Streitfall ist nach den vorgenannten Grundsätzen das Arbeitsgericht Freiburg (hier: Kammern Offenburg) örtlich zuständig. Der Ausgangsrechtsstreit bezieht sich auf die Verkaufsstellen O. und P. Beide Verkaufsstellen liegen im Bezirk der Bezirksleitung K.. Ob deren Bezirk mit dem Betriebsratsbezirk Alpirsbach räumlich übereinstimmt, ist zwar nicht vorgetragen, ist jedoch für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Das Arbeitsgericht Freiburg war nach den Ausführungen zu cc) jedenfalls eines der in Betracht kommenden Arbeitsgerichte. Da das verweisende Arbeitsgericht Stuttgart nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17 a Abs. 2 S. 2 GVG das Arbeitsgericht Freiburg ausgewählt hat, ist diese Auswahl für das Arbeitsgericht Freiburg bindend.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten.

Ende der Entscheidung

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