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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.08.2001
Aktenzeichen: 3 Sa 22/01
Rechtsgebiete: DÜG, AVR, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

DÜG § 1
AVR § 45
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 22/01

verkündet am 15. August 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Bopst und den ehrenamtlichen Richter Störk auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung d. Kläg. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 21.03.2001 - 5 Ca 608/00 - wird zurückgewiesen.

2. D. Kläg. trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

D. Kläg. beansprucht mit der am 29.12.2000 eingereichten Klage von der beklagten Landeskirche die "Übernahme" des Arbeitnehmer-Anteils bei der Renten- und der Arbeitslosenversicherung.

D. Kläg. stand als Beamter auf Lebenszeit ("Sonderschullehrer") im Dienste des Landes Baden-Württemberg. Seit 01.10.1973 war er als Lehrkraft an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in R. tätig, wozu er unter Wegfall der Bezüge von seinem Dienstherrn beurlaubt worden war. Das lehnte dieser über den 04.09.1983 hinaus ab, worauf d. Kläg. und der seinerzeitige Träger der vorgenannten Fachhochschule (ein eingetragener Verein) unter der Voraussetzung seines alsdann geschehenen Ausscheidens aus dem Landesdienst den aus VA-Bl. 8/9 ersichtlichen Dienstvertrag geschlossen haben.

D. Kläg. erhält danach:

"unter entsprechender Anwendung des Bundesbesoldungsgesetzes eine monatliche Vergütung derzeit in Höhe der Dienstbezüge der Besoldungsgruppe C 2 ..." und "ab Übernahme in das Angestelltenverhältnis zusätzliche Altersversorgung entsprechend der Satzung der Zusatzversorgungskasse des Württembergischen Kommunalen Versorgungsverbandes."

Der Arbeitgeber hielt den auf den Arbeitnehmer entfallenden Anteil am Beitrag zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung an den d. Kläg. auszukehrenden Bezügen ab (vgl. beispielhaft Gehaltsmitteilung für August 2000, VA-Bl. 10).

Seit etwa Anfang 1993 hatten sich (zunächst) Kollegen d. Kläg. bei dem Arbeitgeber vergeblich um eine "Übernahme" dieser Beträge bemüht. Die Evangelische Landeskirche als wesentlicher finanzieller Träger lehnte das ab, und zwar auch im Rahmen der mit der Mitarbeitervertretung der Fachhochschule geführten Verhandlungen über die Vereinbarung aus Anlass des zum 01.09.1999 erfolgten Eintritts in die Stellung des Trägers der Schule und deren Verlegung nach Ludwigsburg.

D. Kläg. hat die Ansicht vertreten, der erhobene Anspruch ergebe sich aus dem entsprechend auszulegenden Anstellungsvertrag.

D. Kläg. hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 38.829,00 nebst Zinsen p.a. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der erhobene Anspruch bestehe nicht. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Ausschlussfrist nach § 45 AVR sei nicht gewahrt; sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Zur Höhe des Anspruchs hat sie sich mit Nichtwissen im Sinne des Bestreitens erklärt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, denn dem Anstellungsvertrag könne eine den Klaganspruch rechtfertigende Abrede nicht entnommen werden.

Mit der Berufung verfolgt d. Kläg. den abgewiesenen Anspruch weiter und rügt fehlerhafte Vertragsauslegung.

D. Kläg. beantragt,

Das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen, Az. 5 Ca 608/00 vom 21.03.01 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 38.829,00 nebst Zinsen per annum in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit weiteren Erwägungen auch die Begründung des angefochtenen Urteils.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere in der verlängerten Frist rechtzeitig und auch hinreichend ausgeführt. Sie hat keinen Erfolg. Der erhobene Anspruch besteht nicht; deshalb hat das Arbeitsgericht die Klage mit Recht abgewiesen.

I.

Die Klage ist sachbescheidungsfähig.

1. In Bezug auf die beklagte Partei ergibt das aus ihrer Stellung als juristischer Person des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1, 2 Württembergisches Gesetz über die Kirchen vom 03.03.1924, RegBl. S. 93 - Körperschaft des öffentlichen Rechts -), die vermittels des normativ bestimmten Organs (= Oberkirchenrat) rechtlich handlungsfähig ist.

2. Aus Seite 3 der Klageschrift (VA-Bl. 3) ergibt sich zweifelsfrei, was nach Zeit und Inhalt ihren Gegenstand bildet (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Allerdings liegt die Erwägung nahe, bei der von d. Kläg. beanspruchten Leistung handle es sich um (zusätzliche) Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit (Lohn im Sinne von § 19 Abs. 1 EStG), die der Einkommensteuer in Form der Lohnsteuer zu unterwerfen sind. Das Klagbegehren ist jedoch nicht dahin zu verstehen, die Beklagte solle zu insoweit "abzugsfreier" Auszahlung verurteilt werden. In vorliegendem Verfahren wird ausschließlich über die bürgerlich-rechtliche Frage entschieden, ob die Beklagte im Verhältnis der Parteien zueinander verpflichtet ist (auch) die streitgegenständlichen "Arbeitnehmer-Anteile" zu tragen. Eine dem Klagbegehren entsprechende Entscheidung besagt also nichts über die etwaige Befugnis der Beklagten, auf die ausgeurteilten Beträge entfallende Steuer an denselben abzuhalten.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Eine normative oder gesamt-vertragliche Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht. Der Anstellungsvertrag der Parteien enthält gleichfalls keine die durch öffentlich-rechtliches Gesetzesrecht bestimmte objektive Rechtslage zu Gunsten d. Kläg. abändernde Regelung.

1. Eine ausdrückliche Vereinbarung solchen Inhalts enthält die Vertragsurkunde nicht, und d. Kläg. behauptet auch nicht, solches sei außerhalb derselben - einvernehmlich - so besprochen worden. Nach dem Klagvortrag ist vielmehr davon auszugehen, dieser Punkt sei im Rahmen der Vertragsverhandlung, des "Übernahmegespräches" nicht berührt worden. Aus der Sicht des Rechtsvorgängers der Beklagten bestand angesichts der insoweit zweifelsfreien und strukturell geläufigen sozialrechtlichen Rechtslage dazu kein Anlass. D. Kläg., der sich dafür entschieden hatte, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden, hätte vom im Verfahren eingenommenen Standpunkt aus zwar einen solchen gehabt, indessen ist nicht behauptet, dieser Punkt sei angesprochen und die "Übernahme" der hier strittigen "Arbeitnehmer-Anteile" verlangt worden.

2. Nach dem Vertrag erhält d. Kläg. "unter entsprechender Anwendung des Bundesbesoldungsgesetzes eine monatliche Vergütung derzeit in Höhe der Dienstbezüge der BesGr. C 2 ... ." Er wird also nicht wie oder gleich einem Beamten besoldet (§ 83 BBG) oder in Hinsicht darauf so gestellt, als sei er beamteter der Fachhochschullehrer o.ä., sondern die Vergütung (§ 611 Abs. 1 BBG) bemisst sich nach dieser gesetzlichen Regelung.

Der sich hiernach für d. Kläg. ergebende Bezug wird mangels anderweitiger Parteiabrede in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nach Maßgabe der objektiven Rechtslage behandelt.

Die Begleitbestimmungen, nämlich die Anmeldung bei der ZVK und die (teilweise) Inbezugnahme von beihilferechtlichen Bestimmungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, streiten ebenfalls gegen den Standpunkt d. Kläg.. Sie "passen" nicht zu einem beamtengleichen Status, verdeutlichen vielmehr den Unterschied zu solcher Stellung. Sie führen das Vertragsverhältnis strukturell in die Nähe des eines Angestellten im sogenannten öffentlichen Dienst.

Die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses spricht gleichfalls nicht für die von d. Kläg. erstrebte - bildhaft - "Zwitter-Stellung" und für den seinerzeitigen Vertragspartner bestand weder Grund noch Anlass, einer solch eigenartigen Regelung zuzustimmen. Eine derartige Abweichung von den Regelstrukturen wäre mit aller Sicherheit ausdrücklich schriftlich festgehalten worden.

Das Verhalten der Parteien in Vollzug ihres Anstellungsvertrages widerspricht gleichfalls dem von d. Kläg. erstrebten Verständnis. Man hat nicht nach (wenigstens einer) der ersten Gehaltsabrechnung(en) die Abzüge beanstandet, die fehlende "Erstattung" moniert, sondern zunächst andere haben sich etwa ein Jahrzehnt später darum bemüht, seitens des ursprünglichen Trägers und dann der (späteren) Beklagten die Übernahme der Beträge zu erreichen. Das spricht mit Gewicht für die beiderseitige Rechtsüberzeugung, bislang fehle es an einer solchen Abrede. Das ist - wie ausgeführt - zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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