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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 3 Sa 29/00
Rechtsgebiete: BeamtVG, 2. HStruktG, BGB, BBesG, LBesG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BeamtVG § 49 Abs. 4
BeamtVG § 55
BeamtVG § 55 Abs. 1
BeamtVG § 109 Abs. 2
2. HStruktG § 1 Nr. 7
2. HStruktG § 2 Abs. 1
2. HStruktG § 2 Abs. 1 Satz 1
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 8
BGB § 197
BGB § 198
BGB § 201
BGB § 242
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 366
BGB § 396
BGB § 611
BGB § 1922
BBesG § 3 Abs. 5
LBesG § 1 Abs. 1
ZPO § 92
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100
ZPO § 222
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 322 Abs. 2
ZPO § 850 e Nr. 1
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 29/00

verkündet am 29. November 2000

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg -3. Kammer- durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Bopst und den ehrenamtlichen Richter Störk auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2000 für Recht erkannt:

Tenor:

I.

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.07.2000 - 15 Ca 7533/98 - abgeändert, soweit es die Beklagte zur Zahlung eines DM 1.092,18 brutto übersteigenden Betrags verurteilt hat:

Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.

2) Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

II

1) Auf die Berufung der Klägerinnen wird das vorgenannte Urteil zur Nachlassklage (Entscheidungsausspruch zu Nr. 1) dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerinnen - gesamthänderisch - 4% Zinsen seit 01.02.1996 aus DM 1.092,19 brutto zu bezahlen.

2) Die weitergehende Berufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.

III

1) Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das vorbezeichnete Urteil zur Zahlungsklage dieser Klägerin teilweise abgeändert wie folgt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1)

DM brutto 10.115,98 zu bezahlen nebst 4% Zinsen aus folgenden (Teil-)Beträgen:

DM 500,00 seit 01.03.1996 DM 500,00 seit 01.04.1996 DM 500,00 seit 01.05.1996 DM 300,00 seit 01.06.1996 DM 5.978,67 seit 01.07.1996

sowie aus - abermals - je weiteren

DM 300,00 seit 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.1996, 01.01. und 01.02.1997,

und aus nochmals weiteren

DM 237,31 seit 01.03.1997.

2) Die weitergehende Berufung der Klägerin zu 1) wird zurückgewiesen.

IV

Die Beklagte trägt 11/353 der Gerichtskosten. Die Klägerinnen zu 1) und 2) tragen - samtschuldnerisch - 238/353 der Gerichtskosten, und die Klägerin zu 1) trägt weitere 104/353 der Gerichtskosten. Die Klägerin zu 2) trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst. Sie und die Klägerin zu 1) tragen als Gesamtschuldner 238/353, die Klägerin zu 1) trägt weitere 104/353 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Klägerin zu 1) trägt 342/353 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die Beklagte trägt 11/353 ihrer eigenen und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1).

V

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen der am 11.09.98 eingereichten Klage im Kern über die Berechtigung der Beklagten, die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung soweit sie nicht auf freiwilligen Beiträgen beruht - seit 01.01.90 im Umfang von 60 % - auf die Versorgungsbezüge anzurechnen.

Die Klägerin zu 2) die Tochter, die Klägerin zu 1) die Witwe des am 29.01.96 verstorbenen H. L., sind je zur Hälfte dessen gesetzliche Erben. Der Erblasser, ein Diplomvolkswirt, war seit 02.05.51 bei der Beklagten, zuletzt als Geschäftsführer, angestellt. Die Arbeitsvertragsparteien hatten einen Versorgungsvertrag geschlossen, der - letztmalig - unter dem 01.04.1977 geändert wurde. Hiernach stehen dem Angestellten zu "Versorgungsrechte nach Maßgabe der Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes ... in der jeweils gültigen Fassung mit folgender Maßgabe: "... Als ruhegehaltsfähige Dienstbezüge gilt das zuletzt bezogene Bruttogehalt (ohne Zulagen). Die Anrechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt nach den Bestimmungen des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes".

Der Erblasser trat zum 01.11.78 in den Ruhestand. Über seine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterrichtete er die Beklagte (zunächst) nicht. Ihr Schreiben vom 01.08.80 (VA Bl. 264) blieb unbeantwortet. Unter dem 06.10.1980 wurde er (nochmals) um Mitteilung gebeten, "ob Sie außer Ihrer KB-Rente andere Rentenbezüge haben" (VA Bl. 265). Der Erblasser antwortete mit Schreiben vom 07.10.80 (VA Bl. 266),

"Eine nach § 55 des Beamtengesetzes auf mein Ruhegehalt anzurechnende Rente gemäß meines Versorgungsvertrages vom 20.06.74 und seiner Änderung vom 1. Apr. 77 erhalte ich nicht."

Anfang des Jahres 1986 stellte die Beklagte "zu unserer Überraschung fest", der Kläger habe "schon rückwirkend zum 01.07.1983" Rente bezogen. Der Erblasser wurde auf die Anrechnungspflicht nach § 55 BeamtVG hingewiesen. Es sei von einem ihm überzahlten Betrag "in der Größenordnung von ca. 20.000,00 DM" auszugehen. Die Beklagte kündigte an, ab 01.02.86 werde man von den Versorgungsbezügen DM 2.000,00 monatlich "einbehalten". Späterhin erlangte die Beklagte Kenntnis von dem vollständigen Sachverhalt. Sie hat daraufhin seit 01.11.87 nur noch die "gekürzten" Rentenbezüge geleistet und wegen der ihrer Ansicht nach geschehenen Überzahlungen "Einbehalte" von insgesamt rd. 106.615,00 DM vorgenommen.

Nach dem Tode des Erblassers hat sie die Witwenversorgung entsprechend ausgemittelt (Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - auf freiwilligen Beiträgen beruhendem Anteil = 89,82% hiervon 60% = Anrechnungsbetrag).

Mit der Klage beanspruchen die Kläger als Erbinnen einmal die Zahlung des (Gesamt-)Betrages, der dem Erblasser zufolge der ihrer Ansicht nach zu Unrecht erfolgten Kürzung zu wenig gezahlten Versorgungsbezüge; weiter beanspruchen sie die (Gesamt-)Summe der zur Tilgung des - ihrer Auffassung nach vermeintlichen - Rückzahlungsanspruchs einbehaltenen Beträge.

Die Klägerin zu 1) beansprucht außerdem im Wege der Zahlungs- und der Feststellungsklage die "ungekürzte" Witwenversorgung, einschließlich der zur Tilgung der behaupteten Überzahlungen daran abgehaltenen Beträge.

Die Klägerinnen haben beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen einen Betrag in Höhe von 239.019,15 DM zu bezahlen nebst 8% Zinsen nach näherer Staffel wie in VA Bl. 2/4.

Die Klägerin zu 1) hat ferner beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Ziffer 1 einen Betrag in Höhe von 44.798,23 DM zu bezahlen nebst 8% Zinsen nach näherer Staffel gem. Bl. 4/5 d. VA.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, auf den Zahlfall der Klägerin zu Ziffer 1 künftig keine Ruhensregelung gem. § 55 BeamtVG anzuwenden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihren Standpunkt aufrecht erhalten, geltend gemacht, das Klagebegehren sei (insgesamt) verwirkt und hat hinsichtlich der bis zum 31.12.1995 fälligen Klageansprüche die Einrede der Verjährung erhoben. Die Beklagte hat die Ansprüche der Höhe nach bestritten (vgl. i. E. Schrifts. v. 19.11.98 S. 8/10; VA Bl. 243/245).

Das Arbeitsgericht hat der Klage, mit der Nachlassansprüche verfolgt werden, teilweise entsprochen. Die Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei gerechtfertigt, doch habe die Beklagte die Härteausgleichsregelung nach Art. 2 § 2 Abs. 1 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes zu berücksichtigen gehabt. Deshalb sei die Verrechnung in Höhe von rd. 106.000,00 DM zu Unrecht erfolgt und sie um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert. Der sich daraus ergebende Anspruch der Klägerinnen sei nicht verjährt.

Die von der Klägerin zu 1) verfolgte Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen, da die Härteausgleichsregelung ausgelaufen sei.

Die Parteien haben je im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt.

Die Klägerinnen halten an ihren Klagezielen fest. Sie meinen, das Arbeitsgericht habe die Versorgungsvereinbarung zu Unrecht dem Beamtenrecht unterstellt. Außerdem greife die Verjährungseinrede nicht ein, weil die Klageansprüche der vierjährigen Verjährung unterlägen. Zudem verstoße diese Einrede gegen Treu und Glauben.

Die Klägerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Anträgen der Klageschrift zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut der getroffenen Vereinbarung sei die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Maßgabe von § 55 BeamtVG anzurechnen. Überdies greife die zweijährige Verjährungsfrist und die Annahme, die darauf gestützte Einrede verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, entbehre schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen der tatsächlichen Grundlage.

Mit der eigenen Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Für die Anwendung der Härteausgleichsregelung sei angesichts der vertraglichen Versorgungsabrede kein Raum und die Erwägungen des Arbeitsgerichts zum Recht der ungerechtfertigten Bereicherung trügen den erhobenen Anspruch nicht, weshalb auch die regelmäßige Verjährungsfrist nicht eingreife.

Die Beklagte beantragt,

Das angefochtene Urteil wird abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Rüge der Beklagten, die Klägerinnen hätten keinen Berufungsantrag angebracht, ist nicht begründet. Im Berufungsschriftsatz ist angeführt, mit der Berufung verfolge man die in der Klageschrift gestellten Anträge (vgl. VA Bl. 2/5) weiter. Überdies ergibt sich aus der Berufungsbegründung umstandslos, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen erstrebt werden (§ 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), was genügend ist. Die Berufung der Beklagten ist gleichfalls zulässig, insbesondere durch am 28.09.2000 eingekommenes formgerechtes Telefax rechtzeitig ordnungsgemäß eingelegt. Die Berufung der Klägerinnen zu 1) und 2) bleibt im Wesentlichen erfolglos. Die Berufung der Klägerin zu 1) ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Berufung der Beklagten hat im Wesentlichen Erfolg.

(1) Nachlassklage

I Sie ist sachbescheidungsfähig.

1. Da die beiden Miterben gemeinschaftlich, und zwar - wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt - zur gesamten Hand (§ 2239 BGB), klagen, bedarf es keiner Erwägung zu der Frage, ob das (wegen der Rechtskraftwirkung) einen Fall der sogenannten notwendigen Streitgenossenschaft darstellt.

2. Es ist auch zweifelsfrei, was den Gegenstand dieser Klage bildet, die (in Wahrheit) eine bestimmte Vielzahl gattungsgleicher Gesamt-Teil-Klagen erfasst. Die Klägerinnen stellen für jeden Monat des klagegegenständlichen Zeitraums den nach ihrer Ansicht gegebenen Versorgungsanspruch des Erblassers in vollem Umfang zur Entscheidung. Sie lassen sich auf den hiernach auszuurteilenden Betrag die geleisteten Zahlungen lediglich "anrechnen". Daran ändert die Begründung des Arbeitsgerichts, das die nach seiner Ansicht unwirksame Aufrechnung dem Kondiktionsrecht unterstellt, nichts.

Dagegen ist auch hilfsweise nicht Streitgegenstand eine entsprechende Vielheit von Klagen gerichtet auf die Zahlung von Ausgleichsansprüchen im Sinn von Art. 2 § 2 Abs. 1 Satz 1, 2, 2. Haushaltsstrukturgesetz in der bis 31.12.1983 geltenden Fassung.

3. Der Klageanspruch ist, wie sich begründungslos erschließt, nicht prozessual verwirkt.

II Die Klage ist im Wesentlichen unbegründet.

1. Anspruchsgrundlage ist § 611 BGB in Verbindung mit dem Versorgungsvertrag vom 20.06.74 (VA Bl. 49/50), in Verbindung mit dem Änderungsvertrag vom 01.04.1977 (VA Bl. 51), in Verbindung mit § 1922 BGB.

Der Streit der Parteien beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf die Frage, ob sich der Erblasser seine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - soweit nicht auf freiwilligen Beiträgen beruhend - anrechnen lassen musste. Dazu bestimmt der nach § 133, 157 BGB auszulegende Änderungsvertrag:

"Die Anrechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt nach den Bestimmungen des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes".

Bei dieser Vertragsbestimmung handelt es sich um eine sogenannte dynamische Verweisung. Das mag dem Wortlaut der Vorschrift selbst nicht zwingend zu entnehmen sein, ergibt sich jedoch aus dem weiteren Zusammenhang, nämlich der "Präambel". Nach dieser werden dem Erblasser "Versorgungsrechte nach Maßgabe der Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes vom 24. August 1976 in der jeweils gültigen Fassung" gewährt.

Im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung, das ist der 01.04.77, bestimmte § 55 Abs. 1 BeamtVG - § 109 Abs. 2 soll außer Betracht bleiben - die Begrenzung der Versorgungsbezüge durch die "Anrechnung" von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung für solche aus einem Beamtenverhältnis, das nach dem 31.12.1965 begründet wurde. Das betraf den Erblasser nicht, denn bei sinngemäßer Anwendung der beamtenrechtlichen Regeln war sein Rechtsverhältnis im Jahr 1951 begründet worden. Selbst wenn man auf den Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung einer Versorgungszusage - beamtenrechtsähnlichen Inhalts - im Dienstvertrag vom 01.04.63 abzustellen hätte, blieb das Ergebnis unberührt. Andererseits behauptet die Beklagte nicht, es sei - außerhalb der Vertragsurkunde und entgegen ihrem Wortlaut - verabredet worden, die Privilegierung durch § 55 BeamtVG solle für das Vertragsverhältnis der Parteien keine Geltung haben.

Die das Rechtsverhältnis des Erblassers begünstigende zeitliche Begrenzung entfiel jedoch durch Art. 2 § 1 Nr. 7 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.81 mit Wirkung zum 01.01.1982. Was die Klägerinnen dagegen einwenden, trägt nicht. Ob und gegebenenfalls was im Zusammenhang dieser Änderung der gesetzlichen Rechtslage bei der Beklagten intern erwogen wurde, ist für die Auslegung des Versorgungsvertrages mit dem Erblasser unbehelflich. Das Schreiben des Versorgungsverbandes vom 14.11.95 (VA Bl. 54) gibt dessen, also die Rechtsauffassung eines Dritten wieder. Diese geht dahin, "Der eindeutige und klare Wortlaut" lasse für eine Auslegung (im Sinne des Standpunkts des Klägers) keinen Raum. Die auf der Veränderung der objektiven Rechtslage beruhende Änderung des vertraglichen Versorgungsanspruchs des Erblassers tangiert den Vertragszweck nicht und kann auch mit Rücksicht auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht als unbeachtlich angesehen werden.

Dies, zumal § 2 Abs. 1 Satz 2 der genannten Vorschrift einen Ausgleichsanspruch begründet, wobei der Ausgleich - hier von Interesse - zum Stichtag 31.12.81 zu berechnen ist.

Die Stellung der hiervon Betroffenen wurde in der Folge verbessert: (Art. 35 Abs. 1 Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.83, BGBl. I S. 1532 mit Wirkung ab 01.01.84: Mindestbelassungsbetrag von 20 v. H. der Versorgungsbezüge; Art. V Nr. 1 Siebentes Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18.07.85, BGBl. I S. 513 ab 01.01.86: Minderung des zu berücksichtigenden Rentenbetrags um 20 v. H..

§ 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 30.11.89, BGBl. I S. 2044 ab 01.01.90: Anrechnungsfreibetrag und Mindestbelassungsbetrag erhöht auf je 40%).

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestimmt die Vorschrift des § 2 Abs. 1, 2. Haushaltsstrukturgesetz die vertragliche Rechtslage im Verhältnis zwischen ihr und dem Erblasser, was ebenso für die vorangeführten weiteren Veränderungen gilt. Denn zufolge der dynamischen Verweisung stellt sich die vertragliche Rechtslage stets so dar, als stehe der Erblasser zu der Beklagten in einem Beamtenverhältnis. Darauf, dass die Sachregelung den Ausgleichsanspruch betreffend, nicht in § 55 BeamtVG (selbst), sondern aus regelungstechnischen Gründen in einer Übergangsvorschrift enthalten ist, kommt nichts an. Die Anwendung der geänderten Bestimmung des § 55 BeamtVG zieht nach der für die Parteien maßgebenden Rechtslage auch die Anwendung der Übergangsvorschrift nach sich. In der Folge hat der Gesetzgeber jeweils ausdrücklich bestimmt, die Vorschrift des § 55 BeamtVG sei nach Maßgabe der jeweiligen Änderung anzuwenden.

Das bedeutet:

Ab 01.01.82 ruhte der Versorgungsanspruch des Erblassers in Höhe des auf Pflichtbeiträgen beruhenden Anteils der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ihm stand - gegebenenfalls - ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs zu. Ab 01.01.84 hatte er - gegebenenfalls - Anspruch auf einen Mindestbelassungsbetrag in Höhe von 20 v. H..

Ab. 01.01.86 wurde der anzurechnende Anteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf 80% reduziert, und ab 01.01.1990 wurden Mindestbelassungs- und Rentenfreibetrag auf je 40% erhöht.

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das die Klage gerechtfertigt hätte, muss für den Zeitraum bis 31.12.95 nicht erörtert werden.

2. Allerdings ist der etwaige Klageanspruch in diesem zeitlichen Umfang nicht verwirkt. Von Verwirkung ist in solchem Zusammenhang auszugehen, wenn sich der Schuldner als Folge eines auch in zeitlicher Hinsicht rechtlich relevanten Verhaltens des Gläubigers berechtigt darauf eingestellt hat, dieser werde mit dem fraglichen Anspruch nicht mehr hervortreten und es dem Schuldner deshalb unzumutbar ist, den Anspruch zu erfüllen. Zum einen sagt die Beklagte nicht, in welcher Form sie sich entsprechend eingestellt hat, zum anderen legt sie nicht dar, warum ihr die Leistung (deshalb) unzumutbar sei.

3. Die Einrede der Verjährung ist jedoch begründet.

a) Der zeitlich jüngste (Teil-)Anspruch, das ist der für den Monat Dezember 95, war am 01.12.95 fällig (§ 49 Abs. 4 BeamtVG i. V. m. § 3 Abs. 5 BBesG [§ 1 Abs. 1 LBesG]). Die Verjährungsfrist beträgt zwei Jahre (§ 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB; BAG, ständige Rechtsprechung seit 1955; Staudinger-Peters [1995] § 196 Rdnr. 49; v. Feldmann, in: Münchner Kommentar zum BGB, 3. Aufl. § 196 Rdnr. 29). Die Annahme der Berufung, der Versorgungsanspruch des Erblassers unterfalle der Vorschrift des § 197 BGB, ist unzutreffend. Diese Vorschrift meint mit Ruhegehältern solche aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl. § 197 Rdnr. 8; Staudinger-Peters, a. a. O. § 197 Rdnr. 40). Die Verjährung begann sonach (gem. §§ 198, 201 BGB) spätestens mit dem 31.12.1995 und war deshalb mit dem Ende des 31.12.1997 eingetreten.

b) Dem sich daraus ergebenden Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 ZPO) kann nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Wirkung versagt werden.

Bereits der Ausgangspunkt der Klägerinnen trägt nicht, denn verjähren können nur bestehende Ansprüche. Der Erblasser befand sich nie im Unklaren über den Standpunkt der Beklagten. Angesichts der im Tatbestand getroffenen Feststellungen zur Aufklärung über seinen Rentenbezug ist davon auszugehen, dass er bestrebt war, denselben vor der Beklagten zu verbergen (u. a.: Auskunft, er erhalte - wie objektiv unzutreffend - keine nach § 55 BeamtVG anrechenbare Rente, wonach nicht gefragt worden war). Die Beklagte hat ihn mit Schreiben vom 12.02.86 (VA Bl. 267) auf die Anrechnungslage hingewiesen. Sie hat ihrer dortigen Erklärung folgend monatlich DM 2.000,00 zur Tilgung des ihrer Ansicht nach gegebenen Rückzahlungsanspruchs "einbehalten". Mit Schreiben vom 21.10.87 (VA Bl. 55) an den damaligen Bevollmächtigten des Erblassers zeigt sie auf, in der Zeit vom 01.11.78 bis 31.10.87 liege eine Überzahlung von (rd.) 106.000,00 DM vor; abzüglich einbehaltener Beträge (in der Zeit vom 01.02.86 bis 31.07.87) von zusammen 36.000,00 DM belaufe sich der Rückforderungsanspruch auf (rd) DM 70.600,00. Sie kündigt - u. a. - an, monatlich weiterhin DM 2.000,00 einzubehalten. So wurde dann auch verfahren. Der, zudem vertretene Erblasser, ein lebens- und geschäftserfahrener Diplomvolkswirt, war zu keinem Zeitpunkt gehindert, seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Vor allem hat es die Beklagte auch ansatzweise nicht unternommen, ihn von solchen Schritten abzuhalten.

4. Für den Monat Januar 1996 stand dem Erblasser an sich ein Ruhegeld von 8.576,24 DM brutto zu. Abzüglich 60% der auf Pflichtbeiträgen beruhenden Rente von 1.476,38 DM, mithin rd. 885,83 DM, verbleibt ein Ruhegeld von DM 7.690,51 brutto. Abzüglich geleisteter DM brutto 7.098,33 verbleibt ein Anspruch von DM brutto 592,18.

Außerdem hat die Beklagte (VA Bl. 200) DM 500,00 am Bruttobetrag als Teilleistung auf ihren Rückzahlungsanspruch in Abzug gebracht. Diese Aufrechnung ist unzulässig (vgl. nachfolgend (2) II Nr. 2 b), und mithin unwirksam.

Den Klägerinnen waren daher 1.092,18 DM brutto zuzusprechen.

5. Aus diesem Betrag schuldet die Beklagte seit 01.02.96 Verzugszinsen (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB) in Höhe von 4% (§ 288 Abs. 1 Satz 1 a. F. BGB). Die Voraussetzungen für einen höheren Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB sind nicht dargelegt. Der Zinsanspruch war von Anfang an eine Nachlassforderung. Deshalb war bei der hier gegebenen Sachlage vorzutragen, wie die Erbengemeinschaft (, nicht allein die Klägerin zu 1),) insoweit verfahren wäre (Berufungsbegründung Schrifts. S. 6, ABl. 51 i. V. m. der Klageschrift S. 24, VA Bl. 24). Ob man den (Klein-)Betrag mit einem Zinssatz von 8 v. H. hätte anlegen können, kann offen bleiben. Die Klägerinnen sagen nicht, welche Anlageform solcher Qualität gewählt worden wäre.

(2) Zahlungsklage der Klägerin zu 1):

I Sie ist im Lichte der Ausführungen zu oben (1) Nr. I 2, 3 sachbescheidungsfähig.

II Sie ist nur zum geringen Teil begründet.

1. Die Beklagte verfährt der Klägerin zu 1) gegenüber nach Maßgabe der zu oben (1) erörterten versorgungsrechtlichen Rechtslage. Sie geht von einer Witwenversorgung von 60% des Versorgungsanspruchs des Erblassers aus. Hiervon bringt sie in Abzug 60% der auf Pflichtbeiträgen beruhenden Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. etwa Abrechnung VA Bl. 258). Mehr kann sie nicht beanspruchen.

2. a) Nach dem Vortrag der Beklagten hat sie zur Tilgung der die Erben treffenden - ihrer Ansicht nach bestehenden - Nachlassverbindlichkeit nicht 12.415,98 DM, sondern 10.115,98 DM "einbehalten". Anderes kann der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden. Die Aufstellung der Klägerin enthält in der Tat den gerügten Rechenfehler (12.415,98 statt 12.115,98) und aus der zu VA Bl. 115 vorgelegten Abrechnung für Mai 97 lässt sich der bestrittene Einbehalt von DM 2.000,00 nicht entnehmen.

b) Die Aufrechnung ist jedoch verfahrensrechtlich und materiellrechtlich unzulässig. Zum einen ist unklar, auf welchen der mehreren Ansprüche - ganz oder teilweise - der prozessuale Einwand gestützt wird (§ 322 Abs. 2 ZPO), wie auch unklar ist, mit welchen der mehreren Ansprüche - ganz oder teilweise - gegen diese Forderung aufgerechnet wurde, wobei vorliegend die erforderliche Klarheit nicht über § 396 BGB vermittels der Bestimmung des § 366 BGB gewonnen werden kann. Schließlich kann gegen einen Bruttoanspruch nicht wirksam aufgerechnet werden (vgl. nur § 850e Nr. 1 ZPO).

3. Aus den einzelnen Teilbeträgen kann die Klägerin zu 1) jeweils ab dem 01. des auf die Fälligkeit folgenden Kalendermonats 4% Verzugszinsen gemäß der in den Entscheidungsausspruch aufgenommenen Staffel beanspruchen.

(3) Feststellungsklage der Klägerin zu (1):

I Sie stand zur Entscheidung.

Die Klägerin zu 1) hat das Verhältnis dieser zur Zahlungsklage nicht ausdrücklich bestimmt. Bei der Auslegung dieser Prozesshandlung sind alle für die Adressaten, das sind das Gericht und die Beklagte, erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen und ist im Zweifel davon auszugehen, die Partei wolle die Prozesshandlung vornehmen, die nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem wohlverstandenen Interesse entspricht (BGH v. 17.05.2000 - VIII ZR 210/99).

Es ließe sich erwägen, werde die Zahlungsklage (teilweise) mit der Begründung abgewiesen, der erhobene Anspruch bestehe nicht, bedürfe die Klägerin zu 1) keiner begründungsgleichen Entscheidung zur Feststellungsklage. Andererseits lassen sich ihrem Vorbringen keine hinreichenden Umstände für die Annahme entnehmen, bei der Feststellungsklage handle es sich um einen sogenannten uneigentlichen Hilfsantrag. Zudem ist das Arbeitsgericht von einer objektiven Klagenhäufung ausgegangen, und die Klägerin zu 1) hat diese Beurteilung nicht beanstandet. Dem ist zu entnehmen, mit dieser Handhabung sei ihr wirklicher Wille zutreffend erfasst.

II Die Klage ist zulässig.

1. Sie betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, wenn sie, wie möglich und geboten, im Wege der Auslegung als auf die Feststellung gerichtet verstanden wird, die Beklagte sei nicht berechtigt, 60% der auf Pflichtbeiträgen beruhenden Witwenrente der Klägerin zu 1) aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf ihren Witwenversorgungsanspruch anzurechnen.

2. Auch die weiteren Prozessvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, zumal der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Wahl zwischen der Feststellungs- und der Klage auf künftige Leistung (hier nach § 259 ZPO) hat.

III Die Klage ist nicht begründet, denn die Klägerin zu 1) muss die Anrechnung der gesetzlichen Rente im vorbezeichneten Umfang hinnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1, 100 ZPO.

Ende der Entscheidung

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