Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 28.07.2006
Aktenzeichen: 3 Ta 125/06
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 39 Abs. 1
GKG § 48 Abs. 1
GKG § 61
GKG § 61 Satz 1
GKG § 63 Abs. 2
GKG § 63 Abs. 3
GKG § 68 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 22. Mai 2006 - 11 Ca 108/06 - abgeändert:

Der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert wird auf 5.648,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 63 Abs. 2 GKG.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens war neben einem Zahlungsantrag über 648,00 EUR ein auf die Änderung eines von der Beklagten des Ausgangsverfahrens erteilten qualifizierten Zeugnisses gerichteter Klageantrag. Das Zeugnis hatte unter anderem folgende Ausführungen enthalten:

An der Arbeitsmotivation und -Befähigung war kaum etwas auszusetzen. Herr (Name) arbeitete im allgemeinem zuverlässig und zügig. Sein Umgang mit Betriebsmitteln und Materialien war gut.

Seine Arbeitsergebnisse entsprachen der erforderlichen Qualität. Dies trifft auch für die Arbeitsmenge und das Arbeitstempo zu.

Herr (Name) entsprach im großen und ganzen unseren Erwartungen, so dass wir mit seiner Arbeit insgesamt zufrieden waren.

Die Zusammenarbeit mit Kollegen verlief reibungslos.

Vor Erteilung des Zeugnisses hatte der 32 Jahre alte Kläger das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte er bereits eine neue Arbeitsstelle angetreten.

Das Verfahren hat durch Prozessvergleich geendet.

Die Beteiligten zu 1 haben danach beantragt, den Streitwert auf 3.648,00 EUR festzusetzen, ausgehend davon, dass der Wert des Zeugnisanspruchs in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von 3.000,00 EUR festzusetzen sei.

Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss den Streitwert für das Verfahren auf insgesamt 2.148,00 EUR (1.500,00 EUR für das Zeugnis) festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, wegen deren Begründung auf die Beschwerdeschrift vom 07.06.2006 (Bl. 34 f. der Akte) Bezug genommen wird.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG genannten Wert übersteigt. Beteiligt werden am Beschwerdeverfahren nur noch der Kläger und seine Beschwerde führenden Prozessbevollmächtigten, da der Rechtsstreit durch einen alle Streitgegenstände erfassenden Prozessvergleich beendet worden und der Arbeitgeber nicht durch anwaltliche Bevollmächtigte vertreten worden ist. Deshalb ist unter keinem Bezugspunkt anzunehmen, dass er von dem vorliegenden Verfahren in irgendeiner Form tangiert wäre. Auf die Beteiligung des Arbeitgebers kann demnach verzichtet werden. Hiergegen hat er sich auch nicht gewandt.

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt.

Die Auffassung des Arbeitsgerichts bezüglich des Antrags auf Erteilung eines Zeugnisses kann nicht geteilt werden. Die Bewertung mit lediglich 1.500,00 EUR wird der wirtschaftlichen Bedeutung eines Anspruchs auf Abänderung des erteilten Zeugnisses für einen 32jährigen Arbeitnehmer, auch wenn er selbst gekündigt und zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits eine neue Arbeitsstelle angetreten hat, nicht gerecht.

Maßgeblich ist nach § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der begehrten Leistung. Allerdings kann entgegen der von den Beschwerdeführern offenbar vertretenen Auffassung nicht unbesehen von einer Monatsvergütung ausgegangen werden. Der von ihnen genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden, da sie von unrichtigen Voraussetzungen (Ausstrahlung der Wirkung des § 42 Abs. 4 GKG auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und pauschale Bewertung ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Wert der erstrebten Entscheidung und die Parteirolle) ausgeht und zu Ergebnissen führt, die nicht für angemessen zu erachten sind.

Entscheidend für die Höhe des nach freiem Ermessen festzusetzenden Streitwerts ist das wahre wirtschaftliche Interesse des Angreifers an dem mit dem Verfahren erstrebten Rechtszustand. Dabei gibt regelmäßig die noch vom Ausgang des Rechtsstreits unbeeinflusste Angabe in der Klage- oder Antragsschrift ein wertvolles Indiz für dieses maßgebende Interesse (vgl. etwa KG Berlin, Beschluss vom 06. April 1999 - 5 W 12/99 - NJW-RR 2000, 285 f.). Allerdings kommt es auf das objektive Interesse und nicht auf einen Phantomwert an. Bei einem Anspruch auf Änderung eines Zeugnisses ist wesentlich die Ausgangsposition, die sich der Arbeitnehmer für seine Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern hofft. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG). Der Kläger muss insoweit auf den Rechtszustand abstellen, den er mit der Klage herbeiführen möchte. Angaben in der Klageschrift nach § 61 GKG fehlen allerdings. Die Angaben der Beschwerdeführer nach Abschluss des Rechtsstreits beruhen auf einer diesseits für falsch gehaltenen, nämlich pauschal auf die Monatsvergütung bezogenen Bewertung. Weitere Angaben des Klägers selbst zum Wert liegen ebenfalls nicht vor. Deshalb ist auf seine aus dem Akteninhalt ersichtlichen Interessen und darauf abzustellen, welche wirtschaftliche Bedeutung ein Zeugnis unter den zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG) herrschenden individuellen Bedingungen im Normalfall hat.

Für die Bewerbungen auf dem Arbeitsmarkt bedarf der Arbeitnehmer in der Regel eines Zeugnisses, wobei dessen Vorlage für einzelne Tätigkeitsgruppen und Berufszweige von unterschiedlicher Bedeutung sein mag. Jedenfalls trägt die Vorlage eines Zeugnisses in der Regel dazu bei, die Bewerbung zu fördern und wenigstens ein Einstellungsgespräch zu erreichen. Das wirtschaftliche Interesse an diesem Anspruch wird demnach davon geprägt, alsbald nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wieder Arbeitseinkünfte zu erzielen. Auch wenn der noch am Anfang seiner beruflichen Laufbahn stehende Kläger bereits wieder eine neue Arbeitsstelle angetreten hatte, ist das Zeugnis des bisherigen Arbeitgebers in der Regel auch in solchen Fällen von großer Wichtigkeit. Nicht nur, dass der Kläger nicht weiß, wann der neue Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wieder beendet, er wird durch ein schlechtes Zeugnis auch selbst von einer anderweitigen Bewerbung abgehalten oder bei ihr behindert, weil ihm zuzugestehen ist, dass er ein Zeugnis des Inhalts, wie es die Beklagte des Ausgangsverfahrens verfasst hat, bei einer Bewerbung erst gar nicht vorzulegen braucht. Auch wenn das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nur ein Jahr bestanden hat, sind seine Befürchtungen nicht von der Hand zu weisen, für weitere Bewerbungen in der Zukunft könne sich dieses Zeugnis als nachteilig erweisen. Bei der Bewertung dieses Anspruchs ist auch nicht zu vernachlässigen, dass der Kläger mit einem solchen Zeugnis, das er geändert haben möchte, in einem verfassungsrechtlich geschützten Bereich (Art. 12 GG) beeinträchtigt wird.

Der Kläger ist also für seinen weiteren beruflichen Lebensweg, sollte das erteilte Zeugnis Bestand haben, nicht unerheblich belastet. Das Interesse an einer Beseitigung dieser Beeinträchtigung kann unter den genannten Verhältnissen nicht als gering eingeschätzt werden, sondern berührt die wirtschaftlichen und existenziellen Grundlagen des Klägers. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es nicht sachgerecht, den Wert eines solchen Zeugnisses lediglich mit dem Betrag von 1.500,00 EUR zu bemessen.

Da das Arbeitsgericht in diesem Punkt sein lediglich auf das Bestehen eines neuen Arbeitsverhältnisses bezogenes Ermessen nicht zutreffend im Sinne des § 3 ZPO betätigt hat (die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss sind nichts sagend), ist die fallgerechte Bewertung hier nachzuholen. Die eminente wirtschaftliche Bedeutung, die dem Zeugnis bei Berücksichtigung der aus dem Akteninhalt ersichtlichen Umstände zukommt (Alter des Klägers, der damit noch viele Berufungsjahre vor sich hat, und ungünstiger Inhalt des erteilten Zeugnisses), wird nach diesseitiger Auffassung erst mit einem Betrag von 5.000,00 EUR angemessen wiedergegeben. Anderweitige Vorstellungen der Beteiligten, insbesondere des Klägers, schon im Rahmen des § 61 Satz 1 GKG, liegen ja nicht vor. Andererseits ist die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes auch der Höhe nach unabhängig von einem Antrag der Beteiligten festzusetzen, wie aus § 63 Abs. 3 GKG herzuleiten ist. Mit diesem Wert ist der Wert der Zahlungsklage nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.

3. Danach ist der angegriffene Beschluss abzuändern. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück