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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 3 Ta 131/01
Rechtsgebiete: TzBfG, ArbGG, GKG, ZPO


Vorschriften:

TzBfG § 8
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2, Alt. 2
GKG § 1 Abs. 4
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 12 Abs. 2 Satz 1
GKG § 17 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 3
ZPO § 9
ZPO § 894
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ta 131/01

Beschluss vom 20. Dezember 2001

in dem Wertfestsetzungsverfahren

pp.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 29.10.2001 - 6 Ca 330/01 - teilweise abgeändert und der Streitwert zum Zwecke der Kostenberechnung festgesetzt

1. für den Zeitraum bis einschließlich 09.08.2001 auf DM 28.000,00,

2. im Übrigen auf DM 35.000,00.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

(1) Im Ausgangsverfahren hat die als vollbeschäftigte Reiseverkehrskauffrau bei der Beklagten angestellt gewesene Klägerin zunächst auf die Feststellung angetragen, sie sei ab 23.06.01 als Teilzeitkraft mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden, verteilt auf zwei Tage, zu beschäftigen. Sodann hat sie mit Schriftsatz vom 06.07.01 hilfsweise die Anträge angekündigt,

"1. die Beklagte zu verurteilen, der Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

2. Für den Fall der Zustimmung der Arbeitszeitverkürzung diese auf 16 Stunden pro Woche, verteilt auf 2 Tage pro Woche festzulegen."

Mit Schriftsatz vom 09.08.01 hat sie das Klagbegehren in den Antrag gefasst:

"Die Beklagte wird verurteilt, der Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin auf 16 Stunden/Woche, verteilt auf 2 Arbeitstage pro Woche, zuzustimmen."

Sie hat ihr Rechtsschutzziel damit begründet, sie müsse sich persönlich um ihre am 23.06.98 geborene Tochter kümmern.

Die Sache hat sich durch Klagerücknnahme erledigt, nachdem sich die Parteien im einstweiligen Verfügungsverfahren Arbeitsgericht Ulm 6 Ga 7/01 am 17.08.01 vergleichsweise geeinigt hatten.

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert gemäß § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG auf das 36-fache der monatlichen Differenz zwischen dem Gehalt und der zu erwartenden Teilzeitvergütung, mithin auf 108.000,00 DM festgesetzt.

Dagegen wendet sich die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 1. Der Beteiligte zu Nr. 2 hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, die weiteren Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

(2) Die Beschwerde hat in dem aus dem Entscheidungsausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg.

A Die Beschwerde ist zulässig.

1. Sie ist im engeren Sinn an sich statthaft. Ein bestimmter Beschwerdeantrag ist nicht gestellt. Das schadet nichts, wenn sich aus der Beschwerdebegründung ein Abänderungsverlangen ergibt, das die Grenze des § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG übersteigt. Das war vorliegend deshalb zweifelhaft, weil die Beschwerde zwar darlegt, es würden unterschiedliche Rechtsansichten zur Frage vertreten, wie ein solcher Leistungsantrag zu bewerten sei, jedoch nicht aufzeigt, warum das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis aus der Sicht der Beschwerdeführerin unrichtig erscheine. Angesichts ihres materiellen Rechtsschutzzieles ist in gegenwärtigem Zusammenhang von der der Beschwerdeführerin im Ergebnis günstigsten der referierten Ansichten auszugehen. Damit wird man auch dem in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertretenen Auslegungsgrundsatz gerecht, wonach die Partei im Zweifel nach Art und Inhalt die Prozesshandlung vornimmt, die nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem wohlverstandenen Interesse entspricht. Hiernach erstrebt die Beteiligte zu Nr. 1 als Streitwert den sich aus § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG für eine Änderungskündigung ergebenden Betrag, höchstens also den des Vierteljahresbezugs mit DM 13.905,00. Auf dieser Grundlage ergibt sich bei einer Gebühr eine Differenz von rd. 2.064,00 DM. Dieser Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von DM 100,00.

2. Der Beteiligte zu Nr. 2 hegt Zweifel zur Beschwer der Beschwerdeführerin, denn deren Rechtsschutzversicherung habe die Deckungszusage erteilt in Kenntnis des Antrags, den Streitwert wie vom Arbeitsgericht festgesetzt zu bemessen. Das trägt nicht. Die Beschwer als Rechtsschutzvoraussetzung für dieses Beschwerdeverfahren ergibt sich aus dem Vergleich zwischen angefochtener Entscheidung und der erstrebten Abänderung. Anhaltspunkte für die Annahme, es handle sich um einen lediglich zum Schein eingelegten Rechtsbehelf, sind, zumal angesichts der im Raum stehenden Kostenlast, nicht ersichtlich.

3. Eine Begründungspflicht im Sinne einer Sachentscheidungsvoraussetzung besteht nicht.

B Die Beschwerde ist überwiegend begründet.

I

1. Den Gegenstand der Bewertung bildet der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens (§ 11 Abs. 2 Satz 1 GKG). Vorliegend hat die Erörterung mit dem zuletzt noch rechtshängig gewesenen Antrag zu beginnen, zumal das Arbeitsgericht allein denselben einer Bewertung zugeführt hat. Er ist als einheitliches Begehren in dem Sinne zu verstehen, dass die Unbegründetheit nur eines seiner Elemente zur vollständigen Klagabweisung führt. Allerdings war zu erwägen, der Antrag umfasse in Wahrheit zwei prozessuale Begehren. Nämlich zum einen die Verkürzung der Arbeitszeit und zum andern die Verteilung einer so verringerten persönlichen Wochenarbeitszeit auf die Wochenarbeitstage. Das stünde in Übereinstimmung mit § 8 TzBfG, der näher zwischen der Verringerung der Arbeitszeit einerseits und der Aufteilung eines so zurückgeführten zeitlichen Umfangs der Arbeitspflicht differenziert. Besteht ein Anspruch auf Herabsetzung der Arbeitszeit nicht, erübrigt sich eine - gerichtliche - Auseinandersetzung über die Frage, an welchen Wochentagen eine verkürzte Arbeitszeit abzuleisten wäre. Verfahrensrechtlich steht dafür die Figur von Haupt- und uneigentlichem Hilfsantrag zur Verfügung. Die Entscheidung darüber trifft der Kläger, denn er bestimmt, was den Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung bildet. Ihm steht es frei, sein materielles Rechtsschutzbegehren im vorgenannten Sinne aufzuspalten oder es als Einheit zur Entscheidung zu stellen derart, dass jedes Element integraler Bestandteil des Ganzen ist. Das ist - wenn wie hier eine ausdrückliche Erklärung fehlt - auf der Grundlage der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Auslegungskriterien anzunehmen, wenn sich aus der Klagebegründung ergibt, die Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit mache Sinn allein, wenn (gerade) die von der Klagpartei erstrebte Verteilung der Arbeitszeit ausgeurteilt werde. So liegt es hier. Dafür spricht die äußere Fassung des Antrags, denn das Hilfsbegehren im Schriftsatz vom 06.07.01 hatte noch getrennt in einen auf Verkürzung der Arbeitszeit gerichteten (Nr. 1) und einen auf die Festlegung der verkürzten Arbeitszeit gerichteten (Nr. 2) Hilfsantrag (ABl. 21) gelautet. Außerdem muss die Klagebegründung dahin verstanden werden, die erstrebte Verteilung der Arbeitszeit sei Voraussetzung für ein (sinnvolles) Verbleiben in diesem Arbeitsverhältnis.

2. Der Maßstab für die Bewertung bestimmt sich zunächst danach, ob es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine vermögensrechtliche Streitigkeit gehandelt hat oder nicht. Denn lag eine solche nicht vor, ist der Wert nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG zu bestimmen. Eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit war in Erwägung zu ziehen, denn die Klägerin verfolgt mit der Klage das Ziel, die Voraussetzung zu schaffen, um ihre dreijährige Tochter persönlich im gebotenen Umfang versorgen und betreuen zu können; besteht der erhobene Anspruch nicht, muss die Klägerin, so ist ihr Vortrag zu verstehen, um ihre Elternpflichten erfüllen zu können, das Arbeitsverhältnis beenden. In diesem Sinne wird mithin ein nicht vermögensrechtliches - ideelles - Interesse verfolgt. Entscheidend ist demgegenüber jedoch, dass die Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis, einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis, in Verbindung mit § 8 TzBfG einen Anspruch auf inhaltliche Änderung dieses Rechtsverhältnisses herleitet, um es sich als solches zu erhalten.

3. Die Bewertung hat deshalb gemäß § 12 Abs. 1 GKG nach § 3 ZPO zu geschehen.

a) Die Vorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG scheidet bereits nach ihrem Wortlaut umstandslos aus. Eine Änderungskündigung steht "gerade" nicht im Streit. Die Klägerin bedient sich nicht des Mittels der Kündigung, um durch die hierwegen drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses Druck auf die Beklagte auszuüben, das damit verknüpfte Angebot zur Vertragsänderung anzunehmen. Sie macht einen gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung (begrenzter Kontrahierungszwang) geltend.

b) Gleichfalls ist - entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts und des Beteiligten zu Nr. 2 - nicht nach § 12 Abs. 7 Satz 2, Alt. 2, ArbGG zu verfahren. Dem steht gleichfalls schon der Wortlaut der Bestimmung entgegen. Der Rechtsstreit betrifft nicht eine wiederkehrende, sondern eine einmalige Leistung, nämlich die Abgabe der zur Herbeiführung des erstrebten Änderungsvertrages seitens der Beklagten erforderlichen Willenserklärung, vollstreckungsrechtlich der Vorschrift des § 894 ZPO zugeordnet. Für eine sogenannte teleologische Extension oder eine (Gesetzes-)Analogie ist kein Raum. Die Regelung stellt eine Sondervorschrift in doppeltem Sinne dar. Zunächst handelt es sich um eine solche im Sinn von § 1 Abs. 4 GKG. Sachlich steht sie im Verhältnis zu § 9 ZPO in der bis 28.02.1993 maßgebenden Fassung (12,5 oder 25-fache des 1-jährigen Bezugs; vgl. Art. 1 Ziff. 2 RpflEntlG v. 11.01.93, BGBl. I S. 50). Soweit das Raum für eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung lässt, fehlt es an einer - auch wertungsmäßigen - Gleichartigkeit oder doch Vergleichbarkeit. Die Vorschrift betrifft wie - hier von Interesse - § 17 Abs. 3 GKG den Streit über ein Stammrecht, das eine dauernd gleichartige wiederkehrende Leistung gibt. Daran mangelt es vorliegend schon im Ansatz. Gegenstand ist der Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung, der nach § 3 ZPO zu bewerten ist, und auf den vom Standpunkt des Beteiligten zu Nr. 2 aus zurückzugreifen wäre, wenn von einer Normlücke gesprochen werden könnte.

4. Maßgebend ist sonach das Interesse der Klägerin des Ausgangsverfahrens an der von ihr erstrebten Entscheidung. Da es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist dieses Interesse unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Freilich ist anerkannt, dass auch nicht vermögensrechtliche, das Interesse (mit-) bestimmende ideelle Faktoren Berücksichtigung finden können. Das ist im Streitfall geboten. Denn das in diesem Sinne ideelle Interesse an der persönlichen Betreuung der kleinen Tochter ist die für das Abänderungsverlangen bestimmende (Grund-)Tatsache. Hiervon ausgehend gilt: Der Sachantrag enthält keine zeitliche, etwa an der Einschulung der Tochter ausgerichtete Begrenzung; der Vertragsinhalt wird entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses selbst für unbestimmte Zeit geändert. Dem angeführten persönlichen Interesse kommt, was sich begründungslos erschließt, sehr erhebliches Gewicht zu. In wirtschaftlicher Hinsicht werden die Folgen für die Klägerin deutlich, wenn man sich den Fall der Erfolglosigkeit der Klage vor Augen hält. Ihr bliebe nach ihrem Vorbringen keine andere Möglichkeit als das Arbeitsverhältnis raschmöglichst aufzugeben. Die Chance, dass sie angesichts der kindbedingt eingeschränkten Verwendbarkeit in ihrem Beruf eine andere angemessene Teilzeit-Tätigkeit in der Region Oberschwaben/Bodensee findet, muss als sehr gering eingeschätzt werden. Bedenkt man noch die Ungewissheit der künftigen Entwicklung der für die Klägerin insoweit maßgebenden Lebensverhältnisse, so erscheint der Betrag von 35.000,00 DM angemessen. Der erstinstanzliche Hinweis der Beteiligten zu Nr. 3, der Wert dieser Klage dürfe den einer Kündigungsschutzklage nicht übersteigen, entbehrt der Erheblichkeit. Der Wert der sogenannten Kündigungsschutzklage ist vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf soziale Gesichtspunkte normativ sehr begrenzt worden. Er hat in Abweichung von § 3 ZPO das freie Ermessen in zweifacher Hinsicht eingeschränkt. Wertmesser ist allein die Vergütung des Arbeitnehmers, und das Gewicht des so bestimmten Interesses entspricht höchstens dem Betrag des für ein Vierteljahr zu leistenden Arbeitsentgelts. Diese ausdrückliche Sonderprivilegierung kann nicht mit der Argumentationsfigur des Wertungswiderspruchs überspielt werden.

II

Der Feststellungsantrag ist entsprechend dem Vorgesagten unter Berücksichtigung des hinter dem Leistungsurteil zurückbleibenden Maßes an Rechtsschutz mit 28.000,00 DM zu bewerten. III Der Hilfsantrag bleibt außer Ansatz (§ 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GKG). Eine Wertzusammenrechnung hatte ohnedies auszuscheiden (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG). Diese Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren; Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG). Sie unterliegt keinem Rechtsmittel (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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