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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: 3 Ta 162/04
Rechtsgebiete: GKG, ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

GKG § 1 Abs. 4 a.F.
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 19 Abs. 1 Satz 2 a.F.
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3 a.F.
GKG § 19 Abs. 4 a.F.
GKG § 25 Abs. 2 a.F.
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1 n.F.
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1 a.F.
ZPO § 3
ZPO § 5
ZPO § 256 Abs. 1
KSchG § 4
BGB § 615
Höchstgrenze für den Gebührenstreitwert nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG n.F. und § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F. - Keine Addition mehrerer Werte bei Streitigkeit über das Bestehen des gesamten Rechtsverhältnisses und Klage auf eine Teilleistung aus diesem.
3 Ta 162/04

Beschluss vom 23. September 2004

Im Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 23. September 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. August 2004 - 3 Ca 5061/04 - wird, soweit ihr das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Ausgangsverfahren (Beteiligte zu 2) richtet sich gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts im Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts nach § 25 Abs. 2 GKG a.F. Das Ausgangsverfahren hat durch Prozessvergleich geendet. Im Streit steht die Bewertung der von den Beteiligten zu 1 namens des Beteiligten zu 2 erhobenen Klagen gegen zwei von der Beteiligten zu 3 ausgesprochene ordentliche Kündigungen, wovon die erste zum 30. September 2004, die weitere, durch später erfolgte Klageerweiterung ebenfalls angegriffene, Kündigung zum 30. November 2004 ausgesprochen waren. Der erste Antrag war verbunden mit einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO. Außerdem hat der Kläger noch seine weitere Beschäftigung als Schreiner mit der Klage verlangt.

Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss den Gebührenwert für die Feststellungsklage(n) auf insgesamt 8.861,00 EUR festgesetzt. Dieser Betrag entspricht dem Einkommen des Beteiligten zu 2 bei der Beteiligten zu 3 während des Bestands des Arbeitsverhältnisses in einem Vierteljahr. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, dass für die zunächst erhobene Klage drei Monatsbezüge und für die Klageerweiterung weitere zwei Monatsbezüge festgesetzt würden. Ferner wird noch ein Vergleichsmehrwert geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde abgeholfen, soweit es die Frage eines zusätzlichen Vergleichsmehrwerts betrifft, und die darüber hinausgehende Beschwerde hierher vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht gerechtfertigt.

Zu bewerten ist jeder mit der Klage geltend gemachte Antrag im Ausgangsverfahren. Der Gebührenwert ist nach Abschluss des Verfahrens gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. vom Prozessgericht festzusetzen. Dabei gilt hinsichtlich der Feststellungsklagen Folgendes:

Es ist jeder Antrag zu bewerten. Es geht zunächst um einen Antrag nach § 4 KSchG und nach § 256 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des Letzteren ist aber anzunehmen, dass er eventual bedingt war in Bezug auf den Antrag nach § 4 KSchG. Trotzdem ist er hier nach § 19 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 GKG a.F. zu bewerten, da er jeweils vom Vergleich erfasst wurde. Auch hinsichtlich der gegen die Kündigung zum 30. November 2004 erhobenen Klage liegt eine Eventualbedingung vor, weil über diesen Antrag nur für den Fall des Erfolgs der gegen die vorangegangene Kündigung erhobenen Klagen zu erkennen gewesen wäre. Eine andere Auslegung wäre sinnlos.

Der erste Antrag nach § 4 KSchG ist vom Arbeitsgericht zu Recht unter Ausschöpfung des Rahmens des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F. bewertet worden. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Obsiegen mit der Feststellungsklage geht über den Zeitraum eines Vierteljahrs hinaus. Der Wert ist auf das Einkommen für ein Vierteljahr festzusetzen. Diese Bewertung gilt für sämtliche Klageanträge nach § 4 KSchG und § 256 Abs. 1 ZPO. Jeder von ihnen repräsentiert diesen Wert. Eine Addition dieser mehreren Werte scheidet aber aus. Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem angesprochenen Hilfsverhältnis der Anträge untereinander. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F. ist der jeweils höchste Wert maßgebend. Da die Werte hier gleich hoch sind, verbleibt es bei einem von diesen.

Darüber hinaus folgt dieses Ergebnis auch aus der Tatsache, dass hinsichtlich sämtlicher Anträge wirtschaftliche Teilidentität besteht. Dies stünde auch im Rahmen des § 5 ZPO einer Addition entgegen. Was die Kumulation mehrerer Klagen nach § 4 KSchG betrifft, entspricht dies der langjährigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer. Insoweit wird beispielhaft auf den Beschluss vom 11. Januar 2000 - 3 Ta 4/00 Bezug genommen. Der Kläger hat hier von Anfang an eine Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO anhängig gemacht. Damit war das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zum Gegenstand gemacht worden. Soweit er sich zusätzlich auch explizit gegen die Kündigungen gewendet hat (§ 4 KSchG), hat er wirtschaftlich dem von der allgemeinen Feststellungsklage erfassten Gegenstand nichts hinzugefügt.

Dies gilt auch hinsichtlich der Klageerweiterung. Die Wirkung der weiteren Kündigung wurde ohne weiteres von der allgemeinen Feststellungsklage streitgegenständlich erfasst. Die Parteien hatten insoweit nur noch den Sachverhalt zu ergänzen. Ob diese Klage zulässig war, ist streitwertrechtlich nicht von Belang. Wäre nur eine Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO anhängig gewesen, hätte es auch bei mehreren streitigen Beendigungstatbeständen bei dem Wert eines Einkommens für ein Vierteljahr sein Bewenden. Dazu stünde es in Widerspruch, würden mehrere gegen mehrere Kündigungen gerichteten Feststellungsklagen zu einer Erhöhung des Werts des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F. und § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG n.F. führen, obwohl vom Rechtsschutzziel her keine Änderung eintritt. Es geht immer um den Fortbestand des nämlichen Arbeitsverhältnisses.

Hier kommt noch hinzu, dass ja die unterschiedlichen Anträge nach § 4 KSchG vom Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO verklammert werden. Mit dem Wert des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F. ist auch nicht der Wert einer weiteren Kündigungsschutzklage zu addieren, wenn zwischen den Kündigungszeitpunkten ein Zeitraum von mehreren Monaten liegt. Soweit die zunächst anhängig gemachte Feststellungsklage mit dem Wert eines Einkommens des Arbeitnehmers für ein Kalendervierteljahr bewertet wurde, heißt das nicht, dass das in die Bewertung des klägerischen Rechtsschutzziels einfließende Interesse auf den Zeitraum von einem Vierteljahr beschränkt wäre. Vielmehr ist das auf unbestimmte Zeit gerichtete Interesse des Klägers wegen der "Deckelung" der Bewertung nur mit diesem Betrag bewertet. Wenn gegen eine weitere Kündigung Klage erhoben wird, ist demnach etwas zu bewerten, was hinsichtlich des zeitlich früheren Antrags bereits bewertet wurde. Insoweit liegt also wirtschaftliche Teilidentität vor. Soweit für nachfolgende Kündigungsschutzklagen eine Wertaddition vorgenommen wird, konterkariert eine solche Verfahrensweise die gesetzliche Anordnung, das auf unbestimmte Zeit gerichtete Interesse des Arbeitnehmers nur mit dem Wert eines Einkommens für ein Vierteljahr zu bewerten, soweit alle Anträge in ein und demselben Verfahren anhängig gemacht sind. Somit ist dem Verlangen der Beschwerde keine Folge zu leisten.

Zu bewerten ist aber jeder mit der Klage geltend gemachte Antrag im Ausgangsverfahren. Dies ist hinsichtlich der Beschäftigungsklage nicht geschehen. Diesen ebenfalls als unechten Hilfsantrag auszulegenden Klageantrag hat das Arbeitsgericht trotz § 19 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht bewertet. Dies ist nachzuholen, weil der jeweils höhere Wert maßgeblich ist. Dies kann aber erst beurteilt werden, wenn es einen solchen Wert gibt. Hinsichtlich der Höhe gilt Folgendes:

Der Beschäftigungsantrag ist gemäß §§ 12 Abs. 1, 1 Abs. 4 GKG a.F. nach § 3 ZPO zu bewerten. Bei dem Beschäftigungsantrag kann es, da sich die Vergütungsansprüche auch ohne Arbeitsleistung aus § 615 BGB ergeben können, wertmäßig nur auf die Frage ankommen, ob der klagende Arbeitnehmer zur Aufrechterhaltung oder Erweiterung seiner Fertigkeiten auf die tatsächliche Beschäftigung angewiesen ist. Es könnte auch der Umstand in Betracht kommen, dass er sich für weitere Bewerbungen eine Erhöhung seines Marktwerts auf dem Arbeitsmarkt erhofft, wenn er aktiv tätig ist. Schließlich erfahren viele Arbeitnehmer in ihrer beruflichen Betätigung auch ihre Selbstverwirklichung und leiten daraus auch ihr gesellschaftliches Prestige ab. Besondere Umstände sind hierzu nicht vorgetragen. Hier ist also die Aktenlage entscheidend. Nach der Art der beruflichen Tätigkeit des Klägers sind keine besonderen Interessen erkennbar. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit er mit Rücksicht auf seine beruflichen Fertigkeiten auf eine kontinuierliche Beschäftigung angewiesen war. Dieses Interesse wird deshalb im Hinblick auf die "Selbstverwirklichung in der Arbeit" und den sozialen Status im Unternehmen mit einem Betrag von 1.000,00 EUR bewertet.

Eine Addition dieser Werte findet aber nach § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG und überdies, auch wenn es sich nicht um einen Hilfsantrag handelte, nach § 5 ZPO, im Verhältnis zur Feststellungsklage nicht statt. Beide Ansprüche beziehen sich wirtschaftlich auf denselben Gegenstand, nämlich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses über den Zugang des Kündigungsschreibens hinaus. Der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung erfährt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine teleologische Reduktion (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 81/91 - NJW-RR 1992, 698): Eine Zusammenrechnung findet lediglich statt, wenn und soweit mit den unterschiedlichen Verfahrensgegenständen (§§ 2, 253 ZPO) auch wirtschaftlich Verschiedenes gewollt wird. Daran fehlt es hier, denn mit der Beschäftigungsklage werden Ansprüche verfolgt, die aus dem (diese Ansprüche bedingenden) Rechtsverhältnis hergeleitet werden, dessen Bestehen den Gegenstand des Bestandsschutzbegehrens bildet. Diese Gestaltung wird landläufig als wirtschaftliche Teilidentität bezeichnet. In einem solchen Fall bildet der höhere der mehreren Werte den Streitwert. Diese Auffassungentspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung der Kammer. Dies gilt generell, wenn sich die Feststellungsklage auf die Feststellung des Rechtsverhältnisses als solches in seiner Gesamtheit bezieht und aus diesem Rechtverhältnis gleichzeitig eine Teilleistungsklage erhoben wird (vgl. Schneider-Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, Rdnr. 2886 - Stichwort: Mehrere Ansprüche). Wieso bei einem Arbeitsverhältnis etwas Besonderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Nach allem hat es bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Betrag sein Bewenden. Soweit die Beschwerde einen höheren Betrag erstrebte, ist sie nicht gerechtfertigt.

III.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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