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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 05.04.2000
Aktenzeichen: 3 Ta 23/00
Rechtsgebiete: BRAGO, BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 8 Abs. 2 Satz 2 HS 2
BRAGO § 10
BRAGO § 10 Abs. 3 Satz 4
BetrVG § 111
BetrVG § 111 Satz 2
BetrVG § 112
ArbGG § 98
ArbGG § 80 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 308 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ta 23/00

Beschluss vom 05.04.2000

In dem Wertfestsetzungsverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Höfle ohne mündliche Verhandlung am 05.04.2000

beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsanwälte Dr. R.T. und Kollegen werden ohne Kostenlast aus dem Verfahren entlassen.

2. Die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 1 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 15.02.2000 - 7 BV 7/99 - wird bei einem Beschwerdestreitwert von DM 3.005,00 auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

A

Der Arbeitgeber des Ausgangsverfahrens betreibt eine Druckerei. Infolge Kündigung eines (Dauer-)Druckauftrags war die Auslastung einer von 4 Rotationsmaschinen zu 4/5 entfallen; die restliche Belegzeit wurde auf die anderen Maschinen verteilt. Das führte zum Wegfall der Beschäftigung für (9 Drucker und 11 Helfer) 20 Mitarbeiter; hierwegen waren nach Ansicht des Arbeitgebers betriebsbedingte Kündigungen erforderlich.

Die (weiteren) Auswirkungen auf die Plattenmontage und die Kopie betraf drei befristete Arbeitsverhältnisse. Sie sollten, so nicht gekündigt, wie abermals drei andere Verträge nicht verlängert werden (vgl. i. E. VA Bl. 13/14).

In diesem Sachverhalt hat der Betriebsrat eine Betriebsänderung erblickt. Er hat deshalb, dabei vertreten durch die Beschwerdeführer, am 05.05.99 das Ausgangs-Beschlussverfahren mit dem Antrag auf Bestellung eines namentlich bezeichneten Richters zum Einigungsstellen-Vorsitzenden und der Festlegung der Zahl der Beisitzer auf jeweils vier eingeleitet.

Der Arbeitgeber ist dem Antrag, und zwar auch hinsichtlich der Person des Vorsitzenden, entgegengetreten.

Mit im Termin vom 19.05.99 angebrachten Antrag hat der Arbeitgeber auf die Feststellung angetragen, im Hinblick auf näher bezeichnete Kündigungen bestehe keine Interessenausgleichspflicht sowie keine Sozialplanpflicht und daher kein Anspruch auf Einsetzung einer Einigungsstelle (VA Bl. 32). Diese Anträge wurden im Wege des Hilfsantrages im Schriftsatz vom 14.07. (VA Bl. 92/96) und vom 15.09.99 (VA Bl. 180) "konkretisiert."

Arbeitgeber und Betriebsrat haben sich durch "Teil-Vergleich" vom 19.05.99 auf die Person des Einigungsstellen-Vorsitzenden geeinigt.

Das Arbeitsgericht hat sodann durch am nämlichen Tag verkündeten "Teil-Beschluss" die Zahl der Beisitzer auf jeweils drei festgesetzt.

Im Anhörungstermin vom 15.09.99 hat der Arbeitgeber seine noch rechtshängigen Anträge, in der Sitzungsniederschrift als "Widerantrag" bezeichnet, zurückgenommen.

Hierauf hat das Arbeitsgericht das Verfahren eingestellt.

Auf Antrag der Beteiligten zu Nr. 1 hat es den Wert des Gegenstandes ihrer anwaltlichen Tätigkeit auf DM 26.666,00 festgesetzt. Mit ihrer Beschwerde erstreben sie als Wert den Betrag von rd. 189.000,00 DM.

Der Arbeitgeber verteidigt das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis.

Der Betriebsrat hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

B

Die Beschwerde ist nicht begründet, denn ein höherer als der vom Arbeitsgericht festgesetzte Gegenstandswert kommt nicht in Betracht.

I. Die (gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO) an sich statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

II. An dem durch den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats eingeleiteten Wertfestsetzungsverfahren sind neben den Antragstellern der Betriebsrat als Auftraggeber und der Arbeitgeber als (gem. § 40 BetrVG) - möglicher - erstattungspflichtiger Dritter beteiligt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BRAGO). Ob dem im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Rechnung getragen wurde, kann nach dem Akteninhalt zweifelhaft erscheinen. Ein dahin etwa obwaltender Mangel ist durch die Zuziehung von Arbeitgeber und Betriebsrat im Beschwerdeverfahren beseitigt.

An diesem Verfahren sind hingegen nicht beteiligt die verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwälte des Arbeitgebers; die Bewertung des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwälte des Betriebsrats lässt ihre diesbezügliche Rechtsstellung unberührt. Daher hatte ihre Zuziehung zu unterbleiben, weshalb sie - von Amts wegen - aus dem Verfahren zu entlassen waren. Das hatte ohne Kostenlast zu geschehen (vgl. auch § 10 Abs. 2 Satz 3 BRAGO und § 25 Abs. 4 GKG).

III. Der (gem. § 10 Abs. 1 Alt. 2 BRAGO) an sich statthafte Wertfestsetzungsantrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die gesetzliche Vergütung des Anwalts fällig (§ 16 Satz 2 Alt. 2 BRAGO).

IV.

1. Zu bewerten ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit. Er wird in zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren - im Rahmen des Auftrags - von dem jeweiligen Streitgegenstand bestimmt (§ 7 Abs. 1 BRAGO).

Vorliegend also von dem Antrag

- den Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestimmen (nachfolgend Nr. 2),

- die Zahl der Beisitzer festzulegen (nachfolgend Nr. 3), und

- das negative Feststellungsbegehren des Arbeitgebers (nachfolgend Nr. 4).

Es ist äußerlich in eine Mehrheit von Anträgen gefasst, die teils ausdrücklich als "hilfsweise" angebracht bezeichnet sind. Gleichwohl handelt es sich lediglich um einen einheitlichen Streitgegenstand (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Als solcher ist die in den Sachantrag aufgenommene - hier negative - Rechtsfolge anzusehen, die aus dem zu Grunde gelegten Sachverhalt vorliegend - nicht - abgeleitet werden könne (BGH, etwa vom 06.05.99 - III ZR 265/98). Das ergibt die an sich mögliche und hier gebotene Auslegung. Bei derjenigen verfahrenseinleitender Schriftsätze ist trotz "eindeutigen" Wortlauts stets davon auszugehen, dass die Partei im Zweifel mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem wohlverstandenen Interesse entspricht (BGH, ständige Rechtsprechung, etwa vom 22.05.95 - II ZB 2/95; vom 18.06.96 - VI ZR 325/95).

Der Betriebsrat hat sich im Zusammenhang mit der Entscheidung des Arbeitgebers, das Leistungsvermögen der Druckerei um rd. 1/4 zu reduzieren, deshalb eine "Druckmaschine" stillzulegen und die - verkürzt - mit ihrer "Bedienung" befassten Mitarbeiter mangels anderweitiger Einsatzmöglichkeit betriebsbedingt zu kündigen, eines Mitbestimmungsrechts i. S. von §§ 111, 112 BetrVG berühmt. Der Arbeitgeber hat ein solches wegen Fehlens der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 111 Satz 2 BetrVG in Abrede gestellt. Diese Ungewissheit wollte der Arbeitgeber mit Rechtskraftwirkung (§§ 256 Abs. 1, 322 Abs. 1 ZPO) entschieden haben. Das war allerdings im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG nicht möglich, weshalb die "Wideranträge" abzutrennen und in ein Beschlussverfahren nach § 80 Abs. 1 ArbGG überzuleiten gewesen wären. Die Fassung dieses Begehrens ist ersichtlich einerseits an dem Erfordernis ausgerichtet, das den Gegenstand des Feststellungsbegehrens bildende Rechtsverhältnis so genau zu bestimmen, dass es vom Gericht bejaht oder verneint werden könne und über den Umfang der Rechtskraft seiner Entscheidung kein Zweifel verbleibe (BGH v. 17.06.94 - V ZR 34/92). Andererseits hat der Arbeitgeber besorgt, das Begehren werde als solches nicht umfassend genug angesehen werden und/oder man komme in Hinsicht auf einen Interessenausgleich oder einen Sozialplan zu unterschiedlichen Ergebnissen (vgl. auch § 112 a Abs. 1 BetrVG). Die förmlichen Anträge erscheinen insoweit teils als Konkretisierung, teils als Aspekte der Begründung.

Bei dieser Sachlage ist das Begehren des Arbeitgebers unter Berücksichtigung auch von § 308 Abs. 1 ZPO als auf die Feststellung gerichtet zu verstehen, dem Betriebsrat stehe im Zusammenhang mit der Stilllegung der ... Rotationsmaschine zum ... 1999 kein Mitbestimmungsrecht nach §§ 111, 112 BetrVG zu.

2. Der Bewertungsmaßstab ist - für alle vorliegenden Bewertungsgegenstände - der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 2 HS 2 BRAGO zu entnehmen. Der Wert beträgt mithin kraft gesetzlicher Festlegung DM 8.000,00, es sei denn er erweise sich im Lichte der wertbildenden Umstände als zweifelsfrei unangemessen. Welche Umstände hierbei zu berücksichtigen sind, ist dem Zweck der Vorschrift zu entnehmen. Es geht um die Bestimmung eines wesentlichen Elements des Vergütungsanspruchs im Gegenleistungsverhältnis des Dienstvertrages (§ 612 BGB), und in diesem Sinne um die Angemessenheit der Vergütung. Deshalb ist auf die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache abzustellen, denn sie sind es, die die Arbeit des Rechtsanwalts - auch in zeitlicher Hinsicht - zuvörderst bestimmen. Hinzu kommt das Interesse des Auftraggebers an der von ihm erstrebten Entscheidung, in diesem Sinne also die Bedeutung der Sache, sowie weitere im Einzelfall wertbildende Umstände.

Im Ausgangsverfahren war das "Ob" und - bis zur vergleichsweisen Einigung - die Person eines Einigungsstellen-Vorsitzenden streitig. Zu ersterem Punkt ergab sich der Sachverhalt im Wesentlichen aus dem Schreiben des Arbeitgebers vom 26.03.99 (VA Bl. 13). In rechtlicher Hinsicht lag die Problematik - bildhaft - ins Auge springend offen, nämlich ob der vom Betriebsrat vorgetragene Sachverhalt das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus §§ 111, 112 BetrVG - positiv formuliert - als möglich erscheinen ließ.

Das Interesse des Betriebsrats daran, über die Einigungsstelle zu einem anderen Ergebnis als aus Sicht des Arbeitgebers geboten zu gelangen, ist auch unter Beachtung des Umfangs der personellen Beschränkungen nicht unbeträchtlich.

Es entspricht deshalb billigem Ermessen, diesen Antrag zu bewerten mit DM 4.000,00 .

3. Der die Zahl der Beisitzer betreffende Antrag war in keiner Hinsicht mit einer wie immer gearteten Schwierigkeit verbunden, und das Interesse des Betriebsrats an der von ihm erstrebten Anzahl an Beisitzern kann nur sehr geringe Bedeutung zugemessen werden. Deshalb entspricht es billigem Ermessen, diesen Antrag zu bewerten mit DM 500,00.

4. Hier handelt es sich zwar im Verhältnis zum Antrag oben Nr. 1 um ein anderes Begehren, und die Rechtsverteidigung des Betriebsrats musste darauf gerichtet sein, die Gründe im Einzelnen darzulegen, aus denen sich seiner Ansicht nach das fragliche Mitbestimmungsrecht ergab. Von der Veränderung des rechtlichen Prüfungsmaßstabs als solchem und den sich daraus ergebenden Folgen für das Beweismaß abgesehen, bewegte man sich aber auf dem nämlichen Felde wie im Bestellungsverfahren. Die dafür geleistete Arbeit bedurfte allenfalls noch der Vertiefung und Verfeinerung (Stichwort etwa: Befristete Verträge und Kausalitätsbeziehung). Dabei befand man sich methodisch auf sicherem Boden (Gesetzesauslegung) und konnte zu allen Tatbestandsmerkmalen auf Rechtsprechung und Literatur zurückgreifen. Dem Interesse des Betriebsrats kam Gewicht zu. Aus seiner Sicht konnte sich der Vorgang über die Reduktion als solche hinaus als der Ausdruck einer strukturellen Änderung darstellen. Dagegen kommt es auf die Mutmaßungen über den möglichen Inhalt eines eventuellen Sozialplans nicht an. Die Höhe dem Arbeitgeber denkbarerweise entstehender Kosten ist zwar geeignet, sein - hier - Abwehrinteresse wertmäßig zu konkretisieren; hingegen vermögen sie aus der Sicht des Betriebsrats der Bedeutung der Sache kein Gewicht zu verleihen.

Angesichts dieser Umstände entspricht es billigem Ermessen, den gesetzlich bestimmten Betrag zu verdoppeln und diesen Antrag zu bewerten mit DM 16.000,00.

5. Die Frage, ob die mehreren Werte - ganz oder teilweise - zusammenzurechnen sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn für die Beschwerdeführer gilt das sogenannte Verschlechterungsverbot (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO i. V. m. §§ 575, 536 anlalog ZPO; Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 575 Rdnr. 34).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus der Gebührendifferenz (bei zwei Gebühren) aus dem von der Beschwerde erstrebten und dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswert (§§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GKG; § 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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