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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: 3 Ta 238/07
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 29 Nr. 1
GKG § 66 Abs. 2
ZPO § 98
ZPO § 308 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 24. Oktober 2007 - 5 Ca 249/07 - abgeändert:

Auf die Erinnerung der Beteiligten zu 1 wird der Kostenansatz des Arbeitsgerichts vom 24. September 2007 ersatzlos aufgehoben, soweit eine Gerichtsgebühr nach Nr. 8210 KV GKG in Höhe von 272,00 EUR angesetzt worden ist.

Ihre weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen den Kostenansatz des Arbeitsgerichts.

Im Ausgangsverfahren hat die Beteiligte zu 1 Klage mit mehreren Zahlungsanträgen im Gesamtbetrag von 5.210,00 EUR erhoben. Über alle rechtshängigen Anträge haben die Parteien des Ausgangsverfahrens am 08. Mai 2007 einen Prozessvergleich geschlossen, wonach die Klägerin (hier: Beteiligte zu 1) noch einen Betrag von 300,00 EUR erhalten soll bei gleichzeitigem Verzicht auf die Restforderung. Diesen Vergleich hat die Klägerin für unwirksam gehalten; weil sie ihre Zustimmung nicht erteilt habe. Ihre Genehmigung sei zu Unrecht protokolliert worden. In dem hierauf anberaumten Verhandlungstermin hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 22. August 2007 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 08. Mai 2007 erledigt sei, und der Klägerin die weiteren Verfahrenskosten auferlegt.

Hierauf hat das Arbeitsgericht im Kostenansatz neben Kosten für sechs von 16 Zustellungsurkunden (davon sind sechs nach dem 08. Mai 2007 angefallen) und Beträgen nach Nr. 9000 KV GKG eine Gebühr nach Nr. 8210 KV GKG in Höhe von 272,00 EUR, insgesamt 305,14 EUR zulasten der Klägerin angesetzt

Die von der Klägerin hiergegen eingelegte Erinnerung hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Gegen diesen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde.

Ihr hat das Arbeitsgericht unter Verweis auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

II.

Die im Hinblick auf § 66 Abs. 2 GKG an sich statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist auch in dem Umfang in der Sache gerechtfertigt, als es die angesetzte Gerichtsgebühr betrifft. Eine solche ist nämlich aufgrund des Prozessvergleichs vom 08. Mai 2007 entfallen. Dies sieht die Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG vor. Durch den umfassenden Vergleich sind alle Gegenstände des Verfahrens erledigt worden. Aufgrund der Tatsache, dass diese Wirkung durch das Urteil vom 22. August 2007 festgestellt wurde, ergibt sich kein Gebührenanspruch der Staatskasse.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt beim Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs Folgendes: Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur, weil er sowohl eine Prozesshandlung ist als auch ein Rechtsgeschäft im sachlich-rechtlichen Sinne. Daraus folgt, dass ihm die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung entzogen wird, wenn er aus sachlich-rechtlichen Gründen nichtig oder wirksam angefochten ist. Deshalb muss bei der Entscheidung über die Streitbeendigung zunächst die sachlich-rechtliche Wirksamkeit des Prozessvergleichs geprüft werden. Das geschieht nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Antrag einer Partei durch Fortsetzung des Rechtsstreits, der durch den Prozessvergleich beendet wurde. Diese Überprüfung der Rechtswirksamkeit des Prozessvergleichs betrifft allein dessen verfahrensrechtliche Seite, nämlich die Frage, ob durch ihn die Rechtshängigkeit der Streitsache erloschen ist. Die Entscheidung darüber hängt von der Begründetheit z.B. der Anfechtung des Prozessvergleichs, also von sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten ab. Jedoch ist die fortgesetzte Verhandlung - jedenfalls zunächst - allein darauf gerichtet, die verfahrensrechtliche Beendigung des Rechtsstreits zu überprüfen. Nur wenn diese verneint wird, kann der nur scheinbar beendet gewesene Rechtsstreit mit dem Ziel einer Sachentscheidung über den Klageantrag fortgesetzt werden; denn dann war die Streitsache - so als wäre ein Vergleich gar nicht geschlossen worden - ohne Unterbrechung immer rechtshängig gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1985 - X ZR 16/83 - WM 1985, 673). Dieser Auffassung ist auch das Bundesarbeitsgericht, soweit hier von Interesse, gefolgt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 15. Mai 1997 - 2 AZR 43/96 - AP BGB § 123 Nr. 45). Aus dieser Sachlage sind auch für die Frage, ob eine Gerichtsgebühr zu erheben ist, die entsprechenden Folgerungen zu ziehen:

Die Gebühr ist nicht dadurch wieder entstanden, weil durch Urteil über die Frage zu befinden war, ob der Prozessvergleich wirksam war. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist mittlerweile rechtskräftig. Damit steht fest, dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt ist. Dies ist aber genau der Umstand, der als Rechtsfolge den Wegfall der Gerichtsgebühr nach sich zieht. Allein die Tatsache, dass durch Urteil diese Rechtsfolge im anhängigen Verfahren festgestellt werden musste, ändert daran nichts. Denn es wäre widersprüchlich, einerseits die Erledigung durch Vergleich festzustellen, andererseits aber eine Gerichtsgebühr nach Nr. 8210 KV zu erheben, die voraussetzt, dass die Vorbemerkung 8 mangels Vorliegens eines gerichtlichen Vergleichs gerade nicht einschlägig ist.

Demzufolge wäre eine Gerichtsgebühr nach Nr. 8210 nur dann entstanden, wenn es sich bei dem Verfahren über die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs, die in der Fortsetzung des bisherigen Verfahrens zu prüfen ist, um einen gebührenpflichtigen Tatbestand handelte. Es müsste sich also um ein neues "Verfahren" im Sinne der Nr. 8210 KV handeln. Ob ein Prozessvergleich prozessbeendigende Wirkung hat, ist aber im selben Verfahren zu prüfen, das durch den Vergleich erledigt werden sollte. Ist er unwirksam, ist das Verfahren mit den ursprünglichen Anträgen fortzusetzen, weil diese ja dann noch rechtshängig sind. Vorgeschaltet ist aber die Prüfung, ob der Fortsetzung des Verfahrens nicht ein Prozesshindernis entgegensteht, nämlich die Beendigung des Rechtsstreits durch den Prozessvergleich. Wenn aber diese Frage im selben Verfahren zu prüfen ist (im Eigentlichen handelt es sich in dieser Phase um ein "Meta"-Verfahren, weil ja das weitere Fortbestehen des Prozessrechtsverhältnisses selbst Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens ist), kann die Gebühr Nr. 8210 KV GKG nicht mehr erneut anfallen, weil es hierfür keinen Gebührentatbestand gibt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GKG). Es gibt nur ein Verfahren, nämlich das durch Vergleich erledigte. Die Prüfung, ob dies der Fall ist, ist kein neues Verfahren im Sinne dieses Gebührentatbestandes, sondern ihm gegenüber unselbständig. Es sind zunächst keine Sachanträge zu prüfen, bis die prozessbeendigende Wirkung für das Gericht geklärt ist. Die nach § 308 Abs. 2 ZPO im Urteil, das die Beendigung des Rechtsstreits feststellt, zu treffende Kostenentscheidung hat entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts in erster Linie nur Bedeutung für die Parteikosten (§ 91 ZPO) und lediglich in der Folge davon nach § 29 Nr. 1 GKG für die weiteren gerichtlichen Auslagen im Sinne des Teils 9 KV GKG. Es sind die weiteren Kosten des Verfahrens gemeint, die durch die Prüfung der Frage, ob der Vergleich prozessbeendigende Wirkung hat, entstanden sind. Hinsichtlich der bis dahin entstandenen Kosten verbleibt es bei der Kostenregelung im Vergleich oder in § 98 ZPO. Damit hat das Arbeitsgericht die Gebühr Nr. 8210 KV GKG zu Unrecht angesetzt.

Im darüber hinausgehenden Umfang ist die Beschwerde aber nicht gerechtfertigt, da die angesetzten Kosten entstanden sind und nach den im Kostenansatz genannten Auslagentatbeständen von der Klägerin geschuldet werden (§ 29 Nr. 1 GKG).

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Ende der Entscheidung

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