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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 15.02.2002
Aktenzeichen: 3 Ta 5/02
Rechtsgebiete: TzBfG, ArbGG, GKG, ZPO


Vorschriften:

TzBfG § 8
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2
GKG § 1 Abs. 4
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 12 Abs. 2 Satz 1
GKG § 15
GKG § 17 Abs. 3
ZPO § 3
ZPO § 9
ZPO § 894
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ta 5/02

Beschluss vom 15. Februar 2002

In dem Wertfestsetzungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Höfle ohne mündliche Verhandlung am 15. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 2 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 27.12.2001 - 12 Ca 351/01 - wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu Nr. 1 wird der vorgenannte Beschluss dahin abgeändert, dass der Gebührenstreitwert für den ersten Rechtszug 15.000,-- € beträgt; die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Diese Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren; Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG).

Gründe:

I.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, geboren 17.01.1949, hat mit ihrer Klage (1) auf Zustimmung zur Verringerung ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (von 37,5 Stunden) auf 25 Stunden und (2) darauf angetragen, diese (verkürzte) Wochenarbeitszeit in der aus ABl. 2 ersichtlichen Art und Weise auf die einzelnen Werktage zu verteilen. Zur Begründung hat sie auf "ihre ... sowie die gesundheitliche Situation ihres 70 Jahre alten Ehemannes, der zunehmend Hilfe wegen Krankheit" bedürfe, verwiesen. Die Sache hat sich im ersten Rechtszug durch stattgebendes Urteil des Arbeitsgerichts erledigt. Es hat den Gebührenstreitwert (in entsprechender Anwendung von § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG) auf rund 9.500,-- DM festgesetzt.

Dagegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu Nr. 1 und 2, die meinen, der Wert sei nach § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG zu bestimmen. Die anderen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 2 ist unzulässig. Da die Partei durch einen zu geringen Gebührenstreitwert nicht beschwert ist, mangelt es ihrem Rechtsmittel an der Statthaftigkeit im engeren Sinne (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Die Beschwerde des Beteiligten zu Nr. 1, die dahin verstanden wird, der Wert solle auf 57.312,-- DM festgesetzt werden, hat - im Ergebnis - teilweise Erfolg.

1. Den Gegenstand der Bewertung bilden die Streitgegenstände des Ausgangsverfahrens (§ 11 Abs. 2 Satz 1 GKG), vorliegend also die zur Entscheidung gestellten beiden prozessualen Ansprüche (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Klage ist nicht als einheitliches Begehren in dem Sinne zu verstehen, dass die Unbegründetheit nur eines seiner Elemente zur vollständigen Klagabweisung führt. Die Entscheidung darüber trifft der Kläger, denn er bestimmt, was den Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung bildet. Ihm steht es frei, sein materielles Rechtsschutzbegehren aufzuspalten oder es als Einheit zur Entscheidung zu stellen derart, dass jedes Element integraler Bestandteil des ganzen ist. Welche diesbezüglich Gestaltung gegeben ist, muss - wenn wie hier eine ausdrückliche Erklärung fehlt - im Wege der (weiteren) Auslegung festgestellt werden. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, die Partei nehme nach Art und Inhalt die Prozesshandlung vor, die nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem wohlverstandenen Interesse entspricht. Hiernach ist von zwei Rechtsfolgebegehren auszugehen. Dafür spricht zunächst die formelle Trennung in Ausformung zweier Sachanträge. Zum einem dem auf die Verkürzung der Arbeitszeit und zu anderem dem auf die Verteilung einer so verringerten persönlichen Wochenarbeitszeit auf die Wochenarbeitstage gerichteten. Das steht in Übereinstimmung mit § 8 TzBfG, der näher zwischen der Verringerung der Arbeitszeit einerseits und der Aufteilung eines so zurückgeführten zeitlichen Umfangs der Arbeitspflicht andererseits differenziert. Besteht ein Anspruch auf Herabsetzung der Arbeitszeit nicht, erübrigt sich die - gerichtliche - Auseinandersetzung über die Frage, an welchen Wochentagen eine verkürzte Arbeitszeit abzuleisten wäre. Verfahrensrechtlich steht dafür die Figur von Haupt- und uneigentlichem Hilfsantrag zur Verfügung. So liegt es hier, zumal der Klagvortrag nicht dahin verstanden werden kann, das (Gesamt-)Begehren "stehe und falle" mit eben den von der Klägerin begehrten einzelnen Tagesarbeitszeiten.

2. a) Der Maßstab für die Bewertung des Klagantrags Nr. 1 bestimmt sich zunächst danach, ob es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine vermögensrechtliche Streitigkeit gehandelt hat oder nicht. Denn lag eine solche nicht vor, ist der Wert nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG zu bestimmen. Eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit war in Erwägung zu ziehen, denn die Klägerin verfolgt mit der Klage nicht das Ziel, vorhandene oder sonst entstehende Aufwendungen, etwa für Pflegekräfte, zu vermeiden. Nach ihrem - unwidersprochenem - Vortrag im Beschwerdeverfahren ist Ziel allein, sich selbst dem erkrankten Ehemann in persönlicher Zuwendung, Fürsorge und Pflege zu widmen. In diesem Sinne wird ein nicht vermögensrechtliches, also ein ideelles Interessse verfolgt. Demgegenüber ist jedoch entscheidend, dass die Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis, einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis, in Verbindung mit § 8 TzBfG einen Anspruch auf inhaltliche Änderung dieses Rechtsverhältnisses herleitet.

b) Die Bewertung hat deshalb gemäß § 12 Abs. 1 GKG nach § 3 ZPO zu geschehen.

aa) Die Bestimmung des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG scheidet bereits nach ihrem Wortlaut umstandslos aus. Eine (Änderungs-)Kündigung steht "gerade" nicht im Streit. Die Klägerin bedient sich nicht des Mittels der Kündigung, um durch die hierwegen drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses Druck auf die Beklagte auszuüben, das damit verknüpfte Angebot zur Vertragsänderung anzunehmen. Sie macht einen gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung (begrenzter Kontrahierungszwang) geltend.

bb) Gleichfalls ist - entgegen der Annahme des Beteiligten zu Nr. 1 - nicht nach § 12 Abs. 7 Satz 2, Alt. 2, ArbGG zu verfahren.

Dem steht ebenfalls schon der Wortlaut der Bestimmung entgegen. Der Rechtsstreit betrifft nicht eine wiederkehrende, sondern eine einmalige Leistung, nämlich die Abgabe der zur Herbeiführung des erstrebten Änderungsvertrages seitens der Beklagten erforderlichen Willenserklärung, welcher Gegenstand vollstreckungsrechtlich der Vorschrift des § 894 ZPO zugeordnet ist. Für eine sogenannte teleologische Extension oder eine (Gesetzes-)Analogie ist kein Raum. Die Regelung stellt eine Sondervorschrift in zweifachem Sinne dar. Zunächst handelt es sich um eine solche nach § 1 Abs. 4 GKG. Sachlich steht sie im Verhältnis zu § 9 ZPO in der bis 28.02.1993 maßgebenden Fassung (12,5 oder 25-fache des 1-jährigen Bezugs; vgl. Art. 1 Ziff. 2 RpflEntlG v. 11.01.93, BGBl. I S. 50). Soweit das Raum für eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung lässt, fehlt es an einer - auch wertungsmäßigen - Gleichartigkeit oder doch Vergleichbarkeit. Die Vorschrift betrifft wie (hier von Interesse) § 17 Abs. 3 GKG den Streit über ein Stammrecht, das eine dauernd gleichartige wiederkehrende Leistung gibt. Daran mangelt es vorliegend schon im Ansatz. Gegenstand ist der Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung, der nach § 3 ZPO zu bewerten ist, und auf den vom Standpunkt des Beteiligten zu Nr. 1 aus zurückzugreifen wäre, wenn von einer Normlücke gesprochen werden könnte.

c) Maßgebend ist sonach das Interesse der Klägerin des Ausgangsverfahrens an der von ihr erstrebten Entscheidung. Da es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist dieses Interesse unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Freilich ist anerkannt, dass auch nicht vermögensrechtliche, das Interesse (mit-)bestimmende ideelle Faktoren Berücksichtigung finden können. Das ist im Streitfall geboten. Denn das in diesem Sinne ideelle Interesse an der persönlichen Betreuung des kranken Ehemannes ist die für das Abänderungsverlangen bestimmende (Grund-)Tatsache. Dabei ist abzustellen auf die im Zeitpunkt der Klageinreichung gegebenen Verhältnisse (§ 15 GKG).

Hiervon ausgehend gilt:

Der Sachantrag enthält keine zeitliche Begrenzung. Der Vertragsinhalt wird entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses selbst für unbestimmte Zeit geändert. Dem angeführten persönlichen Interesse kommt, was sich begründungslos erschließt, sehr erhebliches Gewicht zu. In wirtschaftlicher Hinsicht nimmt die Klägerin erhebliche Nachteilsfolgen (Vergütungseinbuße) in Kauf. Wird außerdem die Ungewissheit der künftigen Entwicklung der für die Klägerin insoweit maßgebenden Lebensverhältnisse bedacht, so erscheint der Betrag von 15.000,-- € angemessen.

2. Der Klagantrag zu Nr. 2 ist entsprechend dem Vorgesagten unter Berücksichtigung seiner geringeren Bedeutung mit 8.000,-- € zu bewerten.

3. Eine Zusammenrechnung dieser beiden Werte scheidet jedoch aus (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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