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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: 3 Ta 75/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 9
ZPO § 3
ZPO § 286
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 3 Ta 75/01

Stuttgart, 12.06.2001

Beschluss

in dem Wertfestsetzungsverfahren

pp.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 17.05.2001 - 2 Ca 217/99 - dahin abgeändert, dass der Gebührenstreitwert DM 40.000,00 beträgt; die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I Im Ausgangsverfahren erstrebt die Klägerin, geboren 06.01.1961, Fachärztin für Augenheilkunde, im hier interessierenden Zeitraum als Assistenzärztin bei der Beteiligten zu Nr. 3 angestellt, die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte. Das Verfahren ruht seit 29.03.01.

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert (für jede Abmahnung DM 2.000,00) auf 12.000,00 DM festgesetzt.

Die Beschwerde meint demgegenüber, der Streitwert einer Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sei - sinngemäß - wenigstens mit dem Betrag eines Monatsgehalts zu bewerten und behauptet, das "monatliche Einkommen" der Klägerin habe brutto DM 10.000,00 betragen.

Die Beteiligte zu Nr. 2 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert; die Beteiligte zu Nr. 3 hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend.

II Die Beschwerde, die dahin ausgelegt wird, der Gebührenstreitwert solle auf (6 Abmahnungen x ein "Monatseinkommen") 60.000,00 DM festgesetzt werden, ist sonach - im engeren Sinne - an sich statthaft (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat teilweise Erfolg.

1. Allerdings fehlt es für die - amtswegige - Entscheidung des Arbeitsgerichts an einer Rechtsgrundlage, denn weder ist eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen, noch hat sich das Verfahren anderweit erledigt (§ 25 Abs. 2 Satz 1 GKG); es ruht lediglich. Dieser Mangel wurde jedoch geheilt, denn wenn nicht in den Schriftsätzen der Beteiligten zu Nr. 1 vom 05.04. oder 18.04.2001, so doch "jedenfalls" in ihrer Beschwerdeschrift ist zugleich ein Antrag nach § 9 BRAGO zu sehen. Er gibt die Grundlage für eine Sachentscheidung. Dabei folgt das Rechtsschutzinteresse aus dem unbedenklich anzunehmenden Bedürfnis solcher Entscheidung für die Abrechnung gegenüber der Mandantin, also der Beteiligten zu Nr. 2.

2. Den Bewertungsgegenstand bildet (§ 11 Abs. 2 Satz 1 GKG) der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens. Er betrifft die Entfernung eines (auch Zahlwort) Abmahnungsschreibens der Beteiligten zu Nr. 3 vom 03.08.99. Es führt an und macht zu seinem Gegenstand sechs Beschwerden aus dem Kreis der Patienten, - wohl - zwei seitens der Pflegekräfte sowie einen Vorgang vom 12.05.1999 betreffend die "einweisende Ärzteschaft". Die Abmahnung wirft der Klägerin im Kern einen inakzeptablen (persönlichen) Umgang mit den angeführten Personengruppen vor.

Die Einheitlichkeit des Streitgegenstandes blieb - im Lichte der hier wesentlichen Betrachtungsweise - von der Änderung des Antrags durch den Schriftsatz vom 05.11.1999 unberührt. Denn die Abmahnung wurde lediglich äußerlich unformell in sechs schriftliche Erklärungen vom nämlichen Datum aufgeteilt. Das erschließt sich aus den Begleitumständen auch jedem Dritten, der "halbwegs" des Lesens von Personalakten kundig ist.

3. Den Bewertungsmaßstab gibt (nach § 12 Abs. 1 GKG) die Vorschrift des § 3 ZPO. Es ist mithin das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu würdigende Interesse der Klagpartei an der erstrebten Entscheidung zu bewerten. Die dafür relevanten Tatsachen sind festzustellen und sodann ist ihre wertbildende Bedeutung zu bestimmen. Für eine formelhafte "Konkretisierung" dahin, Wert des Antrags der Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte = Betrag eines Monatsgehalts, gibt es auch im Lichte der über §§ 286, 287 ZPO hinausreichenden Freiheit ("freies Ermessen") bei der Entscheidung keinen diskussionsfähigen methodischen Ansatz. Der denkbaren Anknüpfung an den sogenannten Anscheinsbeweis steht die Vielgestaltigkeit der zu bewältigenden Lebensverhältnisse entgegen. Das hier wesentliche Interesse wird durch eine unbestimmte Vielzahl von Einzelumständen bestimmt, die ihre Gewichtung jeweils aus den in der Person des einzelnen Klägers gegebenen Umständen gewinnen. Es gibt weder auf der - sie soll so bezeichnet sein - Tatbestands- noch auf der Wertfolgenseite typische Sachverhalte, die es rechtfertigten, dem Ergebnis nach im Sinne der Beschwerde zu verfahren.

Vorliegend ergibt sich aus der Abmahnung eine gewissermaßen "vernichtende" dienstliche Beurteilung der Klägerin. Denn bei objektiver Betrachtung der fraglichen Erklärung muss davon ausgegangen werden, ihr ermangle - schlagwortartig - auch ansatzweise jede soziale Kompetenz.

Damit ist das Arbeitsverhältnis der Parteien - umgangssprachlich formuliert - tot, und die Klägerin hat in demselben auch ansatzsweise keine Entwicklungschancen mehr. Eine das ausweisende Personalakte beeinträchtigt ferner durchgreifend die Chance der Klägerin, in einer von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes getragenen medizinischen Einrichtung - aus ihrer Sicht einem erheblichen Marktsegment - einen anderen, gar weiterführenden Arbeitsplatz zu gewinnen.

Angesichts dieser Umstände und der im Zeitpunkt der Klageinreichung (§ 15 GKG) zu prognostizierenden Dauer des künftigen Berufslebens der Klagpartei schätzt das Beschwerdegericht den Wert auf DM 40.000,00.

Diese Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren; Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG). Sie unterliegt keinem Rechtsmittel (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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