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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 8/08
Rechtsgebiete: GKG, KSchG, ZPO, ArbGG, RVG


Vorschriften:

GKG § 17 Abs. 3
GKG § 42 Abs. 3
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1
GKG § 42 Abs. 4 Satz 2
GKG § 42 Abs. 5 Satz 1
GKG § 48 Abs. 1
GKG § 63 Abs. 2
GKG § 68 Abs. 1
KSchG § 2
ZPO § 3
ArbGG § 12
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2
RVG § 32
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2007 - 9 Ca 300/06 - abgeändert:

Der Streitwert wird auf 32.400,00 EUR festgesetzt.

Gründe: I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 63 Abs. 2 GKG.

Der Streit der Parteien betraf die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen, wie sie von der Beklagten des Ausgangsverfahrens mit einer Änderungskündigung angeboten und vom Kläger unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen worden waren. Der Kläger war bislang nach Entgeltgruppe 8 TVöD und sollte aufgrund der Änderung der Arbeitsbedingungen (Tätigkeitsgebiet) nur noch nach Entgeltgruppe 5 TVöD vergütet werden. Das Verfahren hat durch Prozessvergleich geendet.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2007 (Bl. 188 der Akte) haben die Beteiligten zu 1 um Festsetzung des Streitwerts auf 32.400,00 EUR gebeten. Dies ist der dreifache Jahresbetrag der Vergütungsdifferenz, die mit dem Änderungsangebot der Beklagten verbunden war. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat das Arbeitsgericht den Streitwert auf 9.600,00 EUR festgesetzt. Dies ist der Betrag des bisherigen Vierteljahresgehalts des Klägers bei der Beklagten. Dabei hat es auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 1989 (7 AZR 527/85 - AP GKG 1975 § 17 Nr. 1) abgehoben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, die sich auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammer bezieht (vgl. Beschluss vom 17. Juni 2005 - 3 Ta 78/05 - www.lagbw.de/ Ta/3ta7805.htm).

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

II.

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt. Der Streitwert ist antragsgemäß auf 32.400,00 EUR festzusetzen.

1. Das Arbeitsgericht hat sich die Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts im oben genannten Beschluss zu Eigen gemacht. Damit wird es aus diesseitiger Sicht den wirtschaftlichen Interessen des Klägers, die nach § 42 Abs. 3 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 GKG und § 3 ZPO zu bewerten sind - es handelt sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit - und der Rechtslage nicht gerecht. Insoweit zu Recht allerdings ist es der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht gefolgt, als dort die Auffassung vertreten wird, dass es sich beim Streit um die soziale Rechtfertigung oder sonstige Wirksamkeit der vom Arbeitgeber angestrebten Änderung der Arbeitsbedingungen nicht um einen Streit um eine Kündigung oder um das Bestehen des Arbeitsverhältnisses handelt, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat (unter I. 3 der Gründe). Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung § 17 Abs. 3 GKG in der damals geltenden Fassung angewendet. Ob sich daraus allerdings etwas anderes ergab als aus § 12 Abs 7 Satz 2 ArbGG a.F., soweit es wiederkehrende Leistungen betrifft, kann bezweifelt werden, ist aber unerheblich. Diese Bestimmungen entsprechen § 42 Abs. 3 GKG (für das arbeitsgerichtliche Verfahren in Verbindung mit Abs. 5 Satz 1) in der derzeit geltenden Fassung. Diese Bestimmung ist also dann anzuwenden, wenn das Änderungsangebot auf die Verringerung der Vergütung zielt.

2. Das Bundesarbeitsgericht hat im Anschluss daran die Auffassung vertreten, der derart zu ermittelnde Wert des dreifachen Jahresbetrages sei "indessen, dem Schutzzweck des § 12 Abs. 7 Satz 1 und 2 ArbGG entsprechend, auf die Beträge zu begrenzen, die nach diesen Vorschriften als Höchstwerte angenommen werden dürfen". Dabei sei der jeweils niedrigere Höchstwert maßgeblich, weil sonst dem auf Kostenbegrenzung gerichteten Schutzzweck dieser Normen nicht Genüge getan würde. Ob diese Auffassung während der Geltungsdauer des § 12 Abs. 7 ArbGG zu folgen war, als die für das arbeitsgerichtliche Verfahren maßgeblichen Bestimmungen in § 12 ArbGG in der damaligen Fassung noch besonders geregelt waren und die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes in der damaligen Fassung nur ergänzend heranzuziehen waren, kann dahingestellt bleiben. Die Ausdehnung des Geltungsbereichs des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG erfolgt aber ohne zureichende Begründung, wenn der "Schutzbereich" der Norm auch auf Streitigkeiten wie die vorliegende ausgedehnt wird. Diese Auffassung verkennt den Regelungsgehalt der Ausnahmebestimmung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG. Nur für den Fall eines wirtschaftlich für den Arbeitnehmer besonders bedeutsamen Streits, nämlich um den Bestand des Arbeitsverhältnisses als solchen, hat das Gesetz einen im Verhältnis zum tatsächlichen wirtschaftlichen Wert eines Arbeitsverhältnisses fiktiv niedrigen Wert bestimmt, um das Verfahren zu verbilligen und für diese typischerweise existenziell bedeutsamen Rechtsstreitigkeiten eine sich aus hohen Prozesskosten ergebende Zugangsbarriere aus dem Weg zu räumen. Außerhalb dieser und der für Eingruppierungsstreitigkeiten und wiederkehrenden Leistungen vorgesehenen Sonderbestimmungen gelten die allgemeinen Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit demselben Regelungsgehalt wie in den übrigen Gerichtsbarkeiten. Da sich die Streitwertbestimmung, die in erster Linie für die Gerichtsgebühren maßgeblich ist, über § 32 RVG auch auf die Höhe des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts auswirkt, ist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z. B. Beschluss vom 23. August 2005 - 1 BvR 46/05 - NJW 2005, 2980) darauf zu achten, dass die vom Gesetzgeber bereits getroffene Entscheidung über die Höhe des Streitwerts nicht durch die Gerichte zum Nachteil der beruflichen Interessen der Anwaltschaft (Art. 12 Abs.1 GG) weiter eingeschränkt wird. Dies betrifft in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall eine unzulässige Doppelbewertung (die bereits in der Höhe des für den Streitwert zu berücksichtigenden Rahmens berücksichtigten fiskalischen Gründe dürfen nicht noch einmal bei der Bewertung des Einkommens erneut berücksichtigt werden). Dieser Rechtsgedanke ist auch vorliegend anzuwenden. Hätte der Gesetzgeber auch in weniger bedeutsamen Rechtsstreitigkeiten eine generell niedrige Streitwertfestsetzung herbeiführen wollen, hätte er dies getan. Die ausdrückliche Beschränkung auf die in § 42 Abs. 4 Satz 1 und 2 und Abs. 5 Satz 1 GKG genannten Streitigkeiten zeigt, dass gerade kein allgemein niedrigerer Streitwert für das arbeitsgerichtliche Verfahren vorgesehen wird. Abgesehen davon, dass methodisch zweifelsfrei dieses Ergebnis zu ermitteln ist, weil die genannten Bestimmungen nicht analogiefähig sind, führte eine andere Verfahrensweise zu einer Ausdehnung des gesetzgeberischen Plans auf Tatbestände, die dieser ausdrücklich nicht anders behandelt wissen wollte als in Verfahren vor den anderen Gerichtsbarkeiten. Denn dies ist der Sinn der Vereinheitlichung der Bestimmungen des Kosten- und Gebührenrechts. Es ist verfehlt, mit Gründen der Logik den Widerspruch zwischen den Bewertungen etwa von Bestandsstreitigkeiten mit den etwa höheren Bewertungen wirtschaftlich vergleichsweise weniger bedeutsamen Streitigkeiten harmonisieren zu wollen, weil es gerade das gesetzgeberische Ziel ist, gerade diese und nur diese Streitigkeiten nicht nach dem wirklichen wirtschaftlichen Wert zu bewerten, sondern mit einem fiktiven niedrigeren ("normativen") Wert. Dieser fiktive Wert kann nicht zu dem wirklichen wirtschaftlichen Wert einer anderen Streitigkeit in Beziehung gesetzt werden. Diese "Unstetigkeitsstelle" ist vom Gesetzgeber gewollt und deshalb nach Art. 20 Abs. 3 GG von den Gerichten hinzunehmen, nicht aber zu korrigieren, indem der gesetzgeberische Plan auf Sachverhalte ausgedehnt wird, die er offensichtlich nicht gemeint hat. Die Verbilligung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Übrigen hat der Gesetzgeber durch eine niedrigere Gerichtsgebühr, durch den Wegfall der Vorschusspflicht und den Wegfall der Zweitschuldnerhaftung herbeigeführt. Darüber hinaus aus diesen gesetzlichen Regelungen die Legitimation für eine weitere Verbilligung des Verfahrens herzuleiten und über die gesetzliche Regelung hinaus weitere Elemente der Verfahrensverbilligung einzuführen, lässt sich mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbaren und führt im Ergebnis zu dem vom Bundesverfassungsgericht im oben angeführten Beschluss bemängelten Zustand, dass ein gesetzliches Anliegen, das in konkreten Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat, zum Nachteil der Rechtsanwälte über diese bereits zu duldenden Einschränkungen des gesetzlichen Vergütungsanspruchs hinaus noch weitere Einschränkungen hinzufügt.

3. Darüber hinaus gibt der vorliegende Fall Veranlassung, noch auf Folgendes hinzuweisen: Nach § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG ist bei Eingruppierungsstreitigkeiten der dreifache Jahresdifferenzbetrag für die Streitwertbemessung maßgeblich. Wenn also die Parteien darüber streiten, ob eine bestimmte Tätigkeit die Merkmale einer höheren oder niederen Entgeltgruppe erfüllt oder ob der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Tätigkeit hat, die die Merkmale einer höheren Entgeltgruppe erfüllt, wäre der dreifache Jahresbetrag maßgeblich. Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, die der Arbeitnehmer unter Vorbehalt annimmt, weil der Arbeitgeber die bisherige Eingruppierung für überhöht hält, müsste man auch eine Eingruppierungsstreitigkeit im Sinne dieser Gesetzesbestimmung annehmen. Wird wie vorliegend die Änderung des Tätigkeitsgebiets mit der Folge einer niedrigeren Eingruppierung angestrebt, soll plötzlich die Grenze der vierteljährlichen Vergütung des Absatzes 1 eingreifen. Dies führt nunmehr in dieser Richtung zu einem Wertungswiderspruch, auf den das Arbeitsgericht neben den Defiziten in der Auslegungsmethode nicht eingegangen ist, der aber weiterhin die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung belegt. Es gibt keinen Grund, wieso der Streit um die zutreffende Eingruppierung weniger privilegierungsbedürftig sein sollte als der Streit um den Inhalt der Tätigkeit, aus der die Eingruppierung folgt. Allerdings handelt es sich unter diesem Gesichtspunkt um vergleichbare Fälle, und Sachgründe für eine ungleiche Behandlung sind nicht ersichtlich.

4. Nach allem ist also die Beschwerde in vollem Umfang erfolgreich.

5. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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