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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 21.05.2004
Aktenzeichen: 3 Ta 88/04
Rechtsgebiete: GKG, KSchG, ZPO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

GKG § 19 Abs. 1 Satz 2
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
GKG § 19 Abs. 4
GKG § 25 Abs. 2
KSchG § 4
ZPO § 3
ZPO § 5
ZPO § 256 Abs. 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
BGB § 615
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 3 Ta 88/04

Stuttgart, 21. Mai 2004

Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 21. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 27. April 2004 - 2 Ca 379/03 - abgeändert:

Der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert wird auf 32.752,48 EUR festgesetzt.

Ihre weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts im Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts nach § 25 Abs. 2 GKG. Das Ausgangsverfahren hat durch Prozessvergleich geendet.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens waren zwei Feststellungsklagen, eine nach § 4 KSchG und eine nach § 256 Abs. 1 ZPO, anlässlich einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Arbeitgeberin zum 30. November 2003, ein Antrag auf Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sowie nachträglich erhobene drei weitere Zahlungsanträge über jeweils 7584,16 EUR brutto, den Anteilen des jährlichen Gehaltsanspruchs des Klägers für die Monate Dezember 2003 bis Februar 2004. Den Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO hat der Kläger im Laufe des Verfahrens wieder zurückgenommen.

Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung Bezug genommen wird (Bl. 132 d.A.), entgegen dem Antrag der Beschwerdeführer, aber mit Zustimmung der Beteiligten zu 3, den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert unter Anwendung des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auf 22.752,48 EUR, also in Höhe der vertraglichen Vergütung für ein Kalendervierteljahr, festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Ausgangsverfahren, die die Addition des Gegenstandswerts mit dem der Feststellungsklage in Höhe von einer monatlichen Vergütung und der Zahlungsanträge verlangt (53.089,12 EUR). Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache teilweise gerechtfertigt. Im Hinblick darauf, dass auch der Beschäftigungsantrag hätte bewertet und mit den Zahlungsansprüchen addiert werden müssen, kann an der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht festgehalten werden, auch wenn im Übrigen eine Addition der Werte der Leistungsklagen mit dem der Feststellungsklagen nicht in Betracht kommt. Maßgeblich ist der jeweils höchste Wert (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Zu bewerten sind sämtliche Anträge nach dem wirtschaftlichen Wert, den sie für die das Verfahren einleitende Partei zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens haben (§§ 15, 12 Abs. 1 GKG, §§ 3, 5 ZPO). Auf die Zulässigkeit und Begründetheit der Anträge kommt es nicht an.

Der Kläger hat zunächst mehrere Feststellungsanträge geltend gemacht. Beide wären an sich zu bewerten. Für die Bewertung des Streits über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses sowie über eine Kündigung ist der ansonsten maßgebliche Wert durch den in § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG genannten Wert begrenzt. Innerhalb dieser Grenze ist das zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestehende Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Klageanspruchs maßgeblich (§ 15 GKG). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig gewesen wäre. Der danach maßgebliche Betrag beläuft sich auf 22.752,48 EUR. Hierüber besteht allseits Übereinstimmung. Maßgeblich ist für die Bewertung nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG das auf den Kündigungstermin folgende Vierteljahr (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 19. Juli 1973 - 2 AZR 190/73 - AP ArbGG 1953 § 12 Nr. 20).

In welchem Verhältnis der Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zu einem Antrag nach § 4 KSchG steht, ist gesondert zu bestimmen. Jener Antrag ist regelmäßig gegenüber einem Klageantrag, der gegen eine ausgesprochene Kündigung gerichtet ist, als unechter Hilfsantrag zu werten. Denn wenn die Klage gegen die Kündigung abgewiesen wird, ist eine Entscheidung über den allgemeinen Feststellungsantrag gegenstandslos. Dass ein Arbeitnehmer gleichwohl auch in diesem Fall eine Entscheidung begehrt, ist im Zweifel nicht anzunehmen, weil es hierfür nicht ohne weiteres einen sinnvollen Anlass gibt. Dies ist nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 15 GKG) und nicht dem der Streitwertfestsetzungsanträge zu beurteilen. Da er aber offenbar als (unechter) Hilfsantrag gegenüber dem Antrag nach § 4 KSchG gestellt wurde, ist sein Wert bereits nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht mehr zu berücksichtigen. Der schließlich abgeschlossene Prozessvergleich bezog sich nicht mehr auf diesen Klageantrag (§ 19 Abs. 4 GKG).

Nicht bewertet hat das Arbeitsgericht die Klage auf Beschäftigung über den 31. März 2003 hinaus. Dies ist nachzuholen. Der Beschäftigungsantrag ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Die pauschale Bewertung mit einem Monatsgehalt lässt sich nach der ständigen und jahrelangen Rechtsprechung der Beschwerdekammer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen. Bei dem Beschäftigungsantrag kann es, da sich die Vergütungsansprüche auch ohne Arbeitsleistung aus § 615 BGB ergeben können, wertmäßig nur auf die Frage ankommen, ob der Kläger zur Aufrechterhaltung oder Erweiterung seiner Fertigkeiten auf die tatsächliche Beschäftigung angewiesen ist. Es könnte auch der Umstand in Betracht kommen, dass er sich für weitere Bewerbungen eine Erhöhung seines Marktwerts auf dem Arbeitsmarkt erhofft, wenn er aktiv tätig ist. Schließlich erfahren viele Arbeitnehmer in ihrer beruflichen Betätigung auch ihre Selbstverwirklichung und leiten daraus auch ihr gesellschaftliches Prestige ab. Besondere Umstände sind hierzu nicht vorgetragen. Hier ist also die Aktenlage entscheidend. Nach der Art der beruflichen Tätigkeit des Klägers in leitender Stellung wird insbesondere wegen des letztgenannten Gesichtspunkts von einem erheblichen Interesse ausgegangen. Dieses wird deshalb mit einem Betrag von 10.000,00 EUR bewertet.

Der Wert der Zahlungsanträge ergibt sich ohne weiteres aus ihrem Nennbetrag.

Beschäftigungs- und Zahlungsklage waren zwar ebenfalls als unechte Hilfsanträge erhoben, da sie aber unter die Regelung des Prozessvergleichs fallen, ist ihre Bewertung nach § 19 Abs. 4 GKG erforderlich.

Eine Addition dieser mehreren Werte findet aber nach § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG und überdies, auch wenn es sich nicht um Hilfsanträge handelte, nach § 5 ZPO, im Verhältnis zur Feststellungsklage nicht statt. Alle Ansprüche beziehen sich wirtschaftlich auf denselben Gegenstand, nämlich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. November 2003 hinaus. Der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung erfährt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine teleologische Reduktion (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 81/91 - NJW-RR 1992, 698): Eine Zusammenrechnung findet lediglich statt, wenn und soweit mit den unterschiedlichen Verfahrensgegenständen (§§ 2, 253 ZPO) auch wirtschaftlich Verschiedenes gewollt wird. Daran fehlt es hier, denn sowohl mit der Zahlungsklage als auch mit der Beschäftigungsklage werden Ansprüche verfolgt, die aus dem (beide Ansprüche bedingenden) Rechtsverhältnis hergeleitet werden, dessen Bestehen den Gegenstand des Bestandsschutzbegehrens bildet. Diese Gestaltung wird landläufig als wirtschaftliche Teilidentität bezeichnet. In einem solchen Fall bildet der höhere der mehreren Werte den Streitwert. Diese Auffassung entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung der Kammer. Dies gilt generell, wenn sich die Feststellungsklage auf die Feststellung des Rechtsverhältnisses als solches in seiner Gesamtheit bezieht und aus diesem Rechtverhältnis gleichzeitig eine Teilleistungsklage erhoben wird (vgl. Schneider-Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, Rdnr. 2886 - Stichwort: Mehrere Ansprüche). Wieso bei einem Arbeitsverhältnis etwas Besonderes gelten soll, ist nicht ersichtlich.

Allerdings besteht unter den Leistungsanträgen selbst keine wirtschaftliche Identität. Mit ihnen ist jeweils für sich etwas Unterschiedliches gewollt. Die Leistungsanträge sind deshalb nach § 5 ZPO zu addieren. Da die Werte der Leistungsklage in der Summe den der Feststellungsklage übersteigen, muss der vom Arbeitsgericht festgesetzte Wert um den überschießenden Betrag erhöht werden. Dies sind 10.000,00 EUR. Jedoch ist die weiter gehende Beschwerde zurückzuweisen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nichtt erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG).

Ende der Entscheidung

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