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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.10.1999
Aktenzeichen: 4 Sa 34/99
Rechtsgebiete: MTV, ZPO, BGB, TVG, HGB, GKG, ArbGG


Vorschriften:

MTV § 23
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
BGB § 615
TVG § 4
HGB § 74
GKG § 25 Abs. 2
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 34/99

verkündet am 28.10.1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Hillengaß und den ehrenamtlichen Richter Maser auf die mündliche Verhandlung vom 07. Oktober 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23. März 1999 - 25 Ca 4816/95 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 19.482,30 DM

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs der Beklagten. Die Klägerin war bei der Beklagten seit 01. April 1992 als Empfangsdame mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden bei einer monatlichen Vergütung von zuletzt 1.900,00 DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 12. Mai 1995 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 20. Juni 1995 und mit weiterem Schreiben vom 22. Juli 1996 zum 30. September 1996 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Gegen beide Kündigungen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben. Das Arbeitsgericht hat durch Teil-Urteil vom 12. Dezember 1996 zu Gunsten der Klägerin über die Kündigung vom 12. Mai 1995 erkannt. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 22. Oktober 1997 (Az.: 21 Sa 8/97) zurückgewiesen. Mit der im Februar 1998 beim Arbeitsgericht eingereichten und am 5. März 1998 der Beklagten zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin ihre Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01. Juli 1995 bis 30. September 1996 rechtshängig gemacht. Im Verhandlungstermin vom 17. September 1998 haben die Parteien sich in Form eines Teilvergleichs auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1996 verständigt. Die besagten Vergütungsansprüche stehen im vorliegenden Rechtsstreit zur Entscheidung und sind von diesem Teilvergleich nicht erfasst. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg vom 24. März 1994 Anwendung, der mit Wirkung vom 1. Januar 1998 durch den Tarifvertrag vom 24. Juli 1998 ersetzt wurde. Er enthält unter § 23 eine Regelung über Ausschlussfristen, die folgenden Wortlaut hat:

a) Ansprüche für über die vereinbarte Regelarbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeitszeit, welche innerhalb einer Ausschlußfrist von 3 Monaten nach erfolgter Abrechnung nicht schriftlich geltend gemacht werden, sind verwirkt. Für Ausgleichsansprüche gemäß § 6 G und § 8 Ziff. 2 beträgt die Ausschlußfrist 3 Monate nach erfolgter Abrechnung. In Saisonbetrieben beginnt eine 2monatige Ausschlußfrist mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb, spätestens am Ende der Saison und nach erfolgter Abrechnung.

b) Ansprüche wegen falscher tariflicher Einstufung sind nach Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten, gerechnet vom Tage der Abrechnung, verwirkt, sofern sie nicht innerhalb der Frist von drei Monaten schriftlich geltend gemacht sind.

c) Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind nach Ablauf einer Ausschlußfrist von zwei Monaten, gerechnet vom Tage des (ab 1. Januar 1998: tatsächlichen) Ausscheidens aus dem Betrieb, verwirkt, sofern sie nicht innerhalb dieser Frist schriftlich und innerhalb eines weiteren Monats gerichtlich geltend gemacht sind. Macht innerhalb dieser Ausschlußfrist eine Partei eine Forderung geltend, so beginnt für die andere Partei eine neue Ausschlußfrist von 1 Monat.

d) Schadenersatzansprüche aus einem Ausbildungsverhältnis sind 6 Monate nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses verwirkt.

e) Voraussetzung für das Wirksamwerden der Ausschlußfristen der Ziffern a) bis d) ist die Erteilung und Aushändigung einer ordnungsgemäßen Abrechnung gem. § 5 I., C 1. an die letzte dem Betrieb bekanntgegebene Anschrift.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug folgenden Antrag gestellt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum 01.07.1995 - 30.09.1996 = DM 29.500,-- brutto abzüglich durch das Arbeitsamt bezahlter DM 9.017,70 netto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag ab 1.10.1996 zu bezahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen des Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit Urteil vom 23. März 1999, das der Sache nach ein Schluss-Urteil ist, hat das Arbeitsgericht der Zahlungsklage überwiegend, und zwar wegen eines Betrags von 28.500,00 DM abzüglich des Arbeitslosengeldes, stattgegeben. Es vertritt in diesem Urteil insbesondere die Auffassung, dass Annahmeverzugsansprüche "typischerweise" erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstünden und deshalb durch den Tarifvertrag gerade nicht erfasst oder geregelt würden. Gegen dieses der Beklagten am 31. März 1999 zugestellte Urteil hat diese mit Schriftsatz vom 22.04.1999, bei Gericht am selben Tag in Telekopie eingegangen, Berufung eingelegt, die sie mit am 21. Mai in Telekopie eingegangenem Schriftsatz ausgeführt hat. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Forderungen der Klägerin verfallen seien. Wegen der Einzelheiten ihrer Rechtsauffassung wird auf ihre Berufungsbegründungsschrift vom 21.05.1999 (Bl. 23 - 27 d.A.) verwiesen. Die Beklagte/Berufungsklägerin stellt den Antrag, das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.03.1999, Az: 25 Ca 4816/95, aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung und schließt sich der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte Berufung der Beklagten ist noch zulässig. Zwar setzt sie sich nicht dezidiert mit der Auffassung des Arbeitsgerichts auseinander, dass die erst nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb entstehenden Annahmeverzugsansprüche typischerweise von der auf den Umstand des Ausscheidens abhebenden Ausschlussfrist nicht erfasst werden können. Sie befasst sich vielmehr mit der Frage der Notwendigkeit einer Abrechnung. Allerdings hat das Arbeitsgericht dadurch, dass es ohne Not seinen Gedankengang mit der Notwendigkeit einer Abrechnung verknüpft hat, zu dem Missverständnis beigetragen, dem die Berufungsklägerin insoweit offenbar unterlegen ist. Deshalb werden ihre Ausführungen noch als ausreichend im Sinne des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO angesehen. Die sonach insgesamt zulässige Berufung ist der Sache nach aber nicht gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht hat in dem hier angefallenen Umfang der Klage zu Recht stattgegeben. Die eingeklagte Forderung ist aus § 615 BGB begründet, weil sich die Beklagte während des gesamten Zeitraums in Verzug befand, nachdem die mit Schreiben vom 12. Mai 1995 ausgesprochene Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist, die Beklagte die Klägerin aber seit dem 1. Juli 1995 nicht mehr beschäftigt hatte. Der Höhe nach ist die Forderung unstreitig. Dem Grunde nach wendet die Klägerin nur ein, sie sei nach der oben zitierten Bestimmung des Manteltarifvertrags verfallen. Diese Auffassung der Beklagten ist ersichtlich unzutreffend. Ihre Einwendung steht der Forderung der Klägerin also nicht entgegen. Für die vor dem 01. Januar 1998 geltenden Fassung des § 23 MTV kann mit der Beklagten davon ausgegangen werden, dass auch sie auf das tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb für den Beginn des Laufs der Ausschlussfristen nach § 23 c) MTV abstellt. Wäre die Bestimmung so auszulegen, dass die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich wäre, hätte diese Ausschlussfrist erst zu laufen begonnen, als auf Grund des Teilvergleichs der Parteien vom 17. September 1998 feststand, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. September 1996 geendet hat (vgl. BAG, Urteil vom 3. Dezember 1970 - 5 AZR 68/70 - AP Nr. 45 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Urteil vom 27. März 1996 - 10 AZR 668/95 - AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Zu diesem Zeitpunkt waren die streitgegenständlichen Forderungen aber bereits eingeklagt. Die Ausschlussfrist wäre mithin gewahrt. Eine Verwirkung der Ansprüche der Klägerin nach der fraglichen Tarifbestimmung kommt also nur in Betracht, wenn bei der Auslegung des Begriffs "Ausscheiden aus dem Betrieb" mit der Beklagten nicht auf die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf die tatsächliche Beendigung der Tätigkeit des Arbeitnehmers auf Grund dessen, dass wenigstens eine Partei von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dem Wegfall der Möglichkeit ausgeht, es auf Dauer durch die beiderseitige Erbringung der vertraglichen Hauptpflichten zu vollziehen, abgestellt wird. In diesem Sinne ist die Klägerin am 30. Juni 1995 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden. Da die Klägerin in der Folge von der Beklagten auch nicht vorläufig bis zur Klärung der Rechtswirksamkeit der Kündigungen weiterbeschäftigt wurde, ist die Klägerin auch nicht etwa erneut zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Betrieb ausgeschieden. Im Zeitraum nach Verkündung des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 1997 hat sich an den tatsächlichen Verhältnissen nichts geändert. Für das Eingreifen der Verfallfrist kann demnach nur vom 30. Juni 1995 als Ausscheidensdatum ausgegangen werden. Das Arbeitsgericht und die Beklagte haben sich in ihren Ausführungen mit der Frage befasst, inwieweit für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist eine Abrechnung erforderlich ist. Dieser Umstand ist für den Streitfall unerheblich, wenngleich die Beklagte in ihrer Argumentation sich mit keiner Silbe der Frage widmet, ob sich die fragliche Tarifbestimmung angesichts des Begriffs "gegenseitig" denn nicht nur auf synallagmatische Ansprüche bezieht und ob es sich bei dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Abrechnung um einen "gegenseitigen" im Sinne der einschlägigen Tarifnorm und nicht um einen "einseitigen" handelt, ob der Abrechnungsanspruch also ebenfalls zur Verhinderung seines Erlöschens geltend zu machen ist. Andererseits ist zu erwägen, ob das Erfordernis der Aushändigung einer Abrechnung nicht unter teleologischer Reduktion der Norm nur auf solche Fälle zu beziehen ist, in denen erst anhand der Abrechnung ersichtlich wird, inwieweit die Ansprüche der Gegenpartei erfüllt oder nicht erfüllt sind. Bei Annahmeverzugsansprüchen liegt dies aber klar auf der Hand. Auf all dies kommt es aber nicht an, weil, wie das Arbeitsgericht zu Recht zum Ausdruck brachte, Annahmeverzugsansprüche von vornherein nicht von der tariflichen Ausschlussfrist erfasst werden, sofern es nicht in der Folgezeit zu einem erneuten Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis kommt - etwa wenn der Arbeitnehmer zunächst ab einem späteren Zeitpunkt weiterbeschäftigt und auf Grund etwa einer weiteren Kündigung ein weiteres Mal aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin wurde nach dem 30. Juni 1995 von der Beklagten nicht mehr beschäftigt, konnte also zu einem späteren Zeitpunkt vor der Klageerhebung nicht mehr erneut aus dem Betrieb der Beklagten ausscheiden. Die Bestimmung des § 23 MTV stellt für den Lauf der Ausschlussfrist bei keiner Fallgestaltung auf die Fälligkeit einer Forderung ab. Die Forderung ist entweder binnen eines bestimmten Zeitraums nach Abrechnung oder nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb geltend zu machen. Geltend gemacht werden kann aber sinnvollerweise nur eine Forderung, die bereits entstanden und fällig ist (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 27. März 1996 - aaO.; II 2 b der Gründe). Eine Regelung, nach der eine Forderung, die noch nicht fällig ist, klageweise geltend zu machen ist, kann nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts von den Tarifvertragsparteien vernünftigerweise nicht gewollt werden. Diese Auffassung vertritt das Bundesarbeitsgericht bereits zu einer einmaligen Leistung (Sozialabfindung nach Beendigung des Arbeitsverhältnis bei Streit der Parteien, ob dieses Arbeitsverhältnis nach Kündigung des Arbeitgebers überhaupt beendet wurde), die schon beziffert werden könnte, von der aber nur noch nicht feststeht, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für sie eingetreten sind. Eine Regelung, die eine Vertragpartei dazu zwingt, ihren Anspruch einzuklagen, damit er nicht verfällt, ist nur sinnvoll, wenn die erzwungene Klage zu einer Bereinigung des Streitverhältnisses führen und den Gläubiger eines Anspruchs zum Erfolg führen kann (vgl. BAG, Urteil vom 17. Oktober 1974 - 3 AZR 4/74 - Ap Nr. 55 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Die Ausschlussklausel des § 23 c) MTV soll ersichtlich zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb für die bis dahin entstandenen, nicht für die nach diesem Zeitpunkt entstehenden, Ansprüche klare Verhältnisse schaffen. Es soll eine rasche Abwicklung der Ansprüche erfolgen, die aus dem vollzogenen Arbeitsverhältnis stammen. Die Auslegung der Beklagten führte aber dazu, dass auch erst später entstehende Ansprüche, die sich nicht nur aus Annahmeverzug, sondern auch aus anderen Rechtsgründen herleiten können wie etwa eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede (vgl. hierzu etwa BAG, Urteil vom 24. April 1970 - 3 AZR 328/69 - AP Nr. 25 zu § 74 HGB) oder betriebliche Ruhegeldleistungen, bereits zu einem Zeitpunkt eingeklagt werden müssen, zu dem nicht vorhergesagt werden kann, ob sie überhaupt entstehen werden. Wie lange ist die Rente zu zahlen, wie lange weigert sich der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer zu beschäftigen? Wann kann der Arbeitnehmer eine neue Stelle antreten, die zu einer Anrechnung anderweitigen Einkommens führt? Wie lange liegen die Voraussetzungen für eine Karenzentschädigung vor? Die Anworten auf diese Fragen können zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb niemals einigermaßen zuverlässig vorausgesehen werden, so dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, seine Ansprüche ohne Risiko, dass sie ganz oder teilweise unbegründet sind, für die Zukunft einzuklagen. Dafür besteht aber auch kein Bedürfnis für den Arbeitgeber, das die Tarifparteien etwa hätte veranlassen können, eine für die Arbeitnehmer derart belastende Klausel, die in der Auslegung der Beklagten einmalig in der Tariflandschaft der Bundesrepublik Deutschland sein dürfte, vorzusehen. Der erkennbare Sinn ist vielmehr folgender: Während nach der Beendigung der Tätigkeit des Arbeitnehmers eine rasche Klärung etwa streitig gebliebener Ansprüche aus dem vollzogenen Arbeitsverhältnis sinnvoll ist und die tatsächlichen Umstände, die für die Berechtigung eines streitigen oder geltend gemachten Anspruchs noch leicht aufklärbar sind, sind die auf die Zukunft gerichteten Ansprüche überschaubar und hängen in der Regel von Umständen ab, die keiner schnellen Aufklärung oder raschen Beweissicherung bedürfen, insbesondere wenn sich die Vertragsparteien über die Frage streiten, ob der rechtliche Umstand, der zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb geführt hat, Bestand hat und wirksam ist. Die daraus folgenden (Annahmeverzugs-) Ansprüche sind für den Arbeitgeber leicht einschätzbar. Insoweit bedarf er keines besonderen Schutzes. Da auf den Eintritt der Fälligkeit der Forderungen aber nicht abgestellt wird, unterliegen die nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb entstehenden Forderungen keiner Ausschlussfrist mehr. Deshalb liegt der Fall vorliegend anders als jener, wie er dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Januar 1969 (3 AZR 451/67 - AP Nr. 41 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) zu Grunde lag. Aber auch in dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht eine tarifliche Ausschlussklausel, soweit sie auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, nicht auf solche Ansprüche bezogen, die erst nach diesem Zeitpunkt entstehen. Darüber hinaus wäre auch eine Tarifnorm des Inhalts, wie er der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung entspräche, nicht zulässig. Dann wäre nämlich die Forderung auf Entgelt für den Verzugszeitraum, wenn sie bereits drei Monate nach Ausscheiden eingeklagt werden müsste, vor Fälligkeit einzuklagen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob das Arbeitsverhältnis noch fortbesteht oder nicht. Eine solche Norm ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen, wonach es jeder Partei nicht unnötig und in sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden darf, ihre Rechte wahrzunehmen, nicht vereinbar (vgl. BAG, Urteil vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 805/76 - AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Aber auch eine über den Wortlaut hinausgehende, an Sinn und Zweck der Bestimmung und ihrer inneren Systematik orientierten Auslegung kommt zu keinem anderen Ergebnis: Da die Ausschlussfristen im vorliegenden Manteltarifvertrag generell nicht an die Fälligkeit von Ansprüchen anknüpfen, kann auch ein Wille der Tarifvertragsparteien, dass nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb die Ausschlussfristen für Ansprüche, die erst in dem diesem Ereignis folgenden Zeitraum entstehen, mit dem Eintritt der Fälligkeit dieser Forderungen zu laufen beginnen, nicht unterstellt werden. Jedenfalls wäre ein solcher Wille nicht mit der nötigen Klarheit und Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht worden. Da Ausschlussklauseln aber einen bedeutsamen Rechtsverlust mit sich bringen, sind sie eng auszulegen. Demnach verbleibt es dabei, dass nur solche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der Ausschlussfrist des § 23 c) MTV unterfallen, die vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb entstanden sind. An der Richtigkeit dieser Auffassung kann auch das von der Beklagten vorgelegte anderslautende Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart nichts ändern, das gleich der Beklagten die wirkliche Problemstellung dieses Falles nicht erfasst hat. Da dieses Urteil auch nicht divergenzfähig ist, besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision, zumal der auszulegende Tarifvertrag sich nicht über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts hinaus erstreckt. Da der Forderung der Klägerin nur der abgehandelte rechtliche Einwand der Verwirkung auf Grund einer angeblich nicht gewahrten Ausschlussfrist von der Beklagten entgegengestellt wurde, dieser aber nicht durchgreift, ist die Berufung in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der durch Beschluss nach § 25 Abs. 2 GKG festzusetzende Gebührenstreitwert bemisst sich nach der Höhe der in den zweiten Rechtszug gelangten Klageforderung.

Ende der Entscheidung

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