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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.03.2003
Aktenzeichen: 4 Sa 45/02
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG, BGB, BMTG, GemO, LPVG, BetrVG, SGB IX, SchbVWO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2c
ArbGG § 69 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 4 Satz 1
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 10 Abs. 1
KSchG § 10 Abs. 2
KSchG § 15 Abs. 3
KSchG § 15 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 15 Abs. 3 Satz 2
BGB § 174
BGB § 626
BMTG § 50 Abs. 2
BMTG § 54
GemO § 49 Abs. 4 Satz 1
LPVG § 32 Abs. 3
LPVG § 77 Abs. 1
BetrVG § 100 Abs. 3
BetrVG § 102
SGB IX § 85
SGB IX § 92
SGB IX § 96 Abs. 3
SchbVWO § 20 Abs. 2 Satz 3
SchbVWO § 6 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 45/02

verkündet am 12.03.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Hillengaß und den ehrenamtlichen Richter Knoll

auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, vom 27.06.2002 - 9 Ca 131/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.03.2001 nicht zum 30.06.2001 aufgelöst worden ist.

2. Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 8.000,00 zum 30.06.2001 aufgelöst.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander auf- gehoben.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten zum 01.03.2001 mit Ablauf des 30.06.2001 geendet hat. Hilfsweise begehrt die Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der am 16.01.1969 geborene, verheiratete und im Zeitpunkt der Kündigung vier Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war seit 01.10.1999 bei der Beklagten als Arbeiter im xxx-xxxxxxx beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 13.08.1999 findet auf das Arbeitsverhältnis der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Der Kläger war in die Lohngruppe 4 eingruppiert. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belief sich auf zwischen 2000,00 € und 2200,00 €. Unter Einbeziehung von Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Winterzulagen ergab sich ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 2373,24 €. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Ein Personalrat ist gebildet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war bereits nach kurzer Zeit durch verschiedene, im einzelnen sehr streitige Vorfälle belastet. Der Kläger war zunächst im xxxxxxxxxxxxxx in der Bauabteilung eingesetzt. Dort soll es alsbald zu Reibereien zwischen den Arbeitskollegen gekommen sein. Nach dem - bestrittenen - Vorbringen der Beklagten waren die Kollegen mit der Arbeitsleistung des Klägers nicht zufrieden. Der Kläger soll im Januar 2000 sodann Arbeitskollegen beschuldigt haben, diese hätten ihm Schläge angedroht.

Ab Februar 2000 wurde der Kläger in der Abteilung xxxxxxxxxxxxxxx eingesetzt. Auch in dieser Abteilung soll der Kläger nach dem - bestrittenen - Vorbringen der Beklagten seine Arbeitsleistung mangelhaft erbracht haben. Außerdem soll der Kläger mit der ihm anvertrauten Kehrmaschine nicht pfleglich umgegangen sein. Am 04.08.2000 wurde der Kläger mit anderen Arbeitskollegen gegen 11.45 Uhr bei einer Feier angetroffen, anlässlich derer Bier getrunken wurde. Am 07.08.2000 wies der Leiter des xxxxxxxxxxxx, Herr xxxxxxx, im Beisein unter anderem des stellvertretenden Personalratsvorsitzenden, Herrn xxx, die beteiligten Arbeitnehmer auf ihre Pflichten hin. Mit dem Kläger, der am 07.08.2000 Urlaub gehabt hatte, wurde am 09.08.2000 ein inhaltsgleiches Gespräch geführt.

Seit Ende Oktober 2000 wurde der Kläger nicht mehr als Kehrmaschinenfahrer eingesetzt, sondern einer anderen Gruppe in der Abteilung xxxxxxxxx zugewiesen. Auch in dieser Gruppe soll der Kläger versucht haben, durch ständiges Hinterfragen von Weisungen die Autorität seines Vorgesetzten zu untergraben. Am 29.11.2000 soll der Kläger nach dem - bestrittenen - Vorbringen der Beklagten erneut beim Biertrinken während der Arbeitszeit ertappt worden sein. Am 30.11.2000 soll der Kläger sein Funkgerät ausgeschaltet haben.

Am 08.12.2000 fand abends die Weihnachtsfeier der Abteilung xxxxxxxxxxx im Schützenhaus xxxxxxx statt. Zwischen dem bereits bei seinem Eintreffen alkoholisierten Kläger und verschiedenen Arbeitskollegen kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Der Kläger soll Herrn xxxxxxxxxxxxx mit den Worten "Pfeife" und "Arschloch" beschimpft haben.

Unter dem Datum des 07.12.2000 verfasste der Kläger ein Schreiben an den Personalratsvorsitzenden, Herrn xxxxxxxx, in dem er sich über Herrn xxxxxxxxxxxx beschwerte. Wegen der Einzelheiten wird auf Aktenblatt 38 f. der erstinstanzlichen Akte verwiesen. Am Ende des Schreibens verlangte der Kläger namens der Arbeiter des "Streckenautos xx" eine schriftliche Entschuldigung von Herrn xxxxxxxxx bis spätestens 13.12.2000. Andernfalls drohte der Kläger mit einer Klage wegen Verleumdung. Auf Frage des stellvertretenden Personalratsvorsitzenden, Herrn xxxx, erklärte sich der Kläger damit einverstanden, dass das Schreiben an Herrn xxxxxxxx zum Zwecke der Stellungnahme weitergereicht werde. Das Schreiben war jedoch wenig später auch im Personalbüro bekannt. Auf wessen Veranlassung es verbreitet wurde, ist streitig.

Am 12.12.2000 fand sich der Kläger zusammen mit einem Kollegen im Vorzimmer des Oberbürgermeisters ein und bat um ein Gespräch mit diesem. Der hinzukommende Leiter des Personalbüros, Herrn xxxxxxxxxxxx, schlug dem Kläger vor, die Angelegenheit zunächst in einem Gespräch mit ihm und dem Leiter des xxxxxxxxxxxxxxxxx, Herrn xxxxx, zu regeln. Man vereinbarte einen Gesprächstermin auf 13.12.2000, 14.00 Uhr.

Am 13.12.2000 erschien der Kläger gegen 09.00 Uhr zusammen mit Kollegen seiner Arbeitsgruppe beim Personalratsvorsitzenden, Herrn xxxxxxxx. Auf die Aufforderung des hinzugezogenen Herrn xxxxxxxxxxxx nahmen die Kollegen des Klägers ihre Arbeit wieder auf. Der Kläger sagte sodann den vereinbarten Gesprächstermin um 14.00 Uhr ab und nahm Kontakt mit seinem späteren Prozessbevollmächtigten auf.

Am 22.12.2000 führte Herr xxxxxxxxx zusammen mit dem Leiter des xxxxxxxxxxamtes, Herrn xxxxxxx, ungeachtet des Protestes des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Personalgespräch. Herr xxxxxxxxxxxx hielt den Inhalt in einem Aktenvermerk vom 27.12.2000 fest. In dem Vermerk heißt es am Ende, Herr xxxxxxxxxxx habe dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in einem Telefongespräch deutlich gemacht, dass Herr xxxxxx noch angehört werden müsse, bevor das xxxxxxamt weitere mögliche arbeitsrechtliche Schritte einleite.

In der Folgezeit erfolgte ein weiterer Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten (eingereicht im Verfahren 13 Ca 229/01). Am 24.01.2001 fand eine Besprechung zwischen dem Kläger, seinem Prozessbevollmächtigten, verschiedenen Vertretern der Beklagten sowie dem Personalratsvorsitzenden statt. Anlässlich dieses Gespräches wurde auch eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses angesprochen. Der Kläger lehnte dies ab.

Am 01.02.2001 war der Kläger damit betraut, mit anderen Arbeitskollegen zur Vernichtung bestimmte Meldeakten abzutransportieren. Hierbei gingen diverse Akten verloren und wurden erst später durch den gemeindlichen Vollzugsdienst wieder eingesammelt.

Am 07.02.2001 unterrichtete die Beklagte den Personalrat über eine beabsichtigte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Hierbei wurde der Personalrat über die meisten, jedoch nicht alle oben aufgeführten Vorgänge unterrichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf Aktenblatt 47 ff. der erstinstanzlichen Akte verwiesen. Dem Kläger wurde eine Störung des betrieblichen Friedens vorgehalten. Am 20.02.2001 stimmte der Personalrat der beabsichtigten Kündigung zu.

Mit Schreiben vom 01.03.2001, dem Kläger zugegangen am 03.03.2001, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2001. Sie führte hierbei die Kündigungsgründe im einzelnen auf.

Im Anschluss an die Kündigung wurde der Kläger zusammen mit dem Arbeitskollegen xxx einer Zweimann-Fußtruppe der xxxxxxxxxxxxxx zugewiesen. Am 12.03.2001 reichte der Kläger zusammen mit dem Arbeitskollegen xxxx beim Regierungspräsidium Stuttgart eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den xxxxxleiter xxxxxxx, Herrn xxxxxxxxxxx, Herrn xxxxx, den stellvertretenden Leiter des xxxxxxxamtes, Herrn xxxxxxxxx, und gegen Herrn xxxxxx ein. In der Dienstaufsichtsbeschwerde erhob er schwerwiegende Vorwürfe gegen alle genannten Personen. Wegen der Einzelheiten wird auf Aktenblatt 42 ff. der erstinstanzlichen Akte verwiesen. Die Dienstaufsichtsbeschwerde wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart an die Beklagte abgegeben. Die Stadtverwaltung verfasst hierzu eine zwölfseitige Stellungnahme. Der Kläger wurde daraufhin von der Arbeitsleistung freigestellt.

Am 08.03.2001 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter sowie einen Antrag auf Gleichstellung mit den Schwerbehinderten. Mit Bescheid vom 02.05.2001 stellte das Versorgungsamt xxx einen Grad der Behinderung von 30 % seit 12.03.2001 fest. Die Gleichstellung lehnte das Arbeitsamt xxxx zunächst mit Bescheid vom 05.07.2001 ab. Auf den Widerspruch des Klägers vom 11.07.2001 stellte das Arbeitsamt xxxx mit Bescheid vom 06.02.2002 den Kläger sodann den Schwerbehinderten gleich.

Am 12.04.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.06.2001 mit der Begründung, der Kläger habe in der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 12.03.2001 haltlose Unterstellungen und ehrenrührige Behauptungen gegen die in der Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichneten Personen erhoben. Auch das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer xxxx wurde gekündigt. Der Kläger griff die Kündigung vom 12.04.2001 im Verfahren 13 Ca 229/01 an. Im Hinblick auf dieses vorgreifliche Kündigungsschutzverfahren wurde das hiesige Verfahren mit Beschluss vom 07.12.2001 zunächst ausgesetzt. Angesichts der bevorstehenden Gleichstellung des Klägers anerkannte die Beklagte in der Kammerverhandlung vom 24.01.2002 den Klageantrag. Daraufhin stellte das Arbeitsgericht im Verfahren 13 Ca 229/01 durch Anerkenntnisurteil fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 12.04.2001 beendet worden sei.

Am 20.12.2001 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer weiteren ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diesen Antrag wies das Integrationsamt mit Bescheid vom 25.04.2002 zurück. Der am 12.06.2002 eingelegte Widerspruch der Beklagten wurde am 12.02.2003 zurückgewiesen.

Im Anschluss an das Anerkenntnisurteil vom 24.01.2002 im Verfahren 13 Ca 192/01 rief der Kläger das hiesige Verfahren wieder an. Mit Schriftsatz vom 25.02.2002 stellte die Beklagte neben ihrem Klagabweisungsantrag den Antrag, das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2001 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen. Hierauf rügte der Kläger, die Beklagte habe zu dem Auflösungsantrag weder den Personalrat angehört noch um die Zustimmung des Integrationsamtes nachgesucht. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht legte die Beklagte daraufhin einen Beschluss des Personalrates vom 27.06.2002 vor, wonach dieser der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung zustimme. Wegen der Einzelheiten des streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Absatz 3 Satz 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Nach einer Beweisaufnahme zu den Vorgängen anlässlich der Weihnachtsfeier vom 08.12.2001 stellte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 27.06.2002 fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 01.03.2001 zum 30.06.2001 nicht aufgelöst worden sei. Außerdem wies das Arbeitsgericht den Auflösungsantrag der Beklagten ab. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, der Vortrag der Beklagten sei entweder zu unpräzise oder es fehle an der erforderlichen Abmahnung. Soweit dem Kläger vorgeworfen werde, er habe seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht oder Fahrzeuge nicht sorgfältig behandelt, so bedürfe es einer vorherigen Abmahnung. Was den Vorwurf des Biertrinkens während der Arbeitszeit angehe, so sei dieser Vorwurf in der schriftlichen Personalratsvorlage nicht enthalten. Die Beschwerde über Herrn xxxxxxxxx vom 07.12.2000 berechtigte ebenfalls nicht zur Kündigung. Auch insoweit habe es einer vorherigen Abmahnung bedurft. Gleiches gelte für die Äußerungen des Klägers anlässlich der Weihnachtsfeier vom 08.12.2001. Etwas anderes gelte nur, falls der Kläger Herrn xxxxxxxxxx mit "Pfeife" und "Arschloch" beschimpft haben sollte. Jedoch habe die Beklagte den Beweis, dass diese Äußerungen gefallen seien, nicht erbracht.

Das Arbeitsverhältnis sei nicht aufgrund des hilfsweise gestellten Auflösungsantrages der Beklagten aufzulösen. Denn hierzu sei die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich. Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes erst nach Ausspruch der Kündigung eingetreten. Wäre nunmehr keine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich, so würde der besondere Bestandsschutz eines Schwerbehinderten umgangen.

Neben dem hiesigen Verfahren und dem Verfahren 13 Ca 192/01 kam es im Verlaufe des Jahres 2002 zwischen den Parteien sowie dem Kläger und zwei Beschäftigten der Beklagten zu weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen. Am 25.07.2002 reichte der Kläger gegen Herrn xxxxxxxxxxxx Klage auf Unterlassung ein (8 Ca426/02). Am 31.07.2002 folgte eine Unterlassungsklage gegen Herrn xxxxxxx (8 Ca 441/02). In beiden Verfahren fand ein Kammertermin noch nicht statt. Im Verfahren 9 Ca 327/01 stritten die Parteien über die Zahlung von Arbeitsentgelt betreffend eine Winterdienst-Pauschale. Der Rechtsstreit ist durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 12.12.2002 (3 Sa 10/02) zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen. Im Verfahren 9 Ca 78/02 stritten die Parteien über die Zahlung von Arbeitsentgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Der Rechtsstreit ist Zwischenzeitlich beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 3 Sa 2/03 anhängig.

Ab dem 08.07.2002 wurde der Kläger von der Beklagten weiterbeschäftigt. Praktisch erfolgte eine Weiterbeschäftigung jedoch nur an 19 Tagen. Den restlichen Zeitraum war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt oder im Urlaub. Wegen der Erteilung von Urlaub im August bzw. Dezember 2002 waren unter den Aktenzeichen 13 Ga 3/02 und 9 Ga 5/02 einstweilige Verfügungsverfahren anhängig. Am 09.08.2002 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung (hier nicht vorgelegt). Dies führte zu einem weiteren Rechtsstreit (9 Ca 384/02), in dessen Rahmen auch über die Änderung von Arbeitsbedingungen und Erschwerniszuschlägen gestritten wird. Schließlich leitete der Kläger beim Landesdatenschutzbeauftragten ein Verfahren mit dem Vorwurf ein, die Beklagten habe Arbeitnehmern die Einsicht in die über ihn geführten Akten gestattet.

Mit Schreiben vom 10.07.2002 beantragte das xxxxxxxxxamt beim Oberbürgermeister die Versetzung des Klägers. Der Versetzungsantrag wurde damit begründet, ein vernünftiges Arbeiten sei nach der Rückkehr des Klägers nicht mehr möglich, h einer weiteren Erklärung vom 19.09.2001 teilten die Meister des axxxxxxxxxxxxmtes und einige Vorarbeiter mit, dass sie mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten wollten.

Gegen das ihr am 13.07.2002 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 12.08.2002 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 09.10.2002 begründet. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger am 29.11.2000 während der Arbeitszeit beim Biertrinken angetroffen worden sei. Wegen eines vergleichbaren Vorfalls vom 04.08.2000 sei der Kläger am 09.08.2000 abgemahnt worden. Über den Vorfall habe der Personalrat in der Person von Herrn xxxxx Kenntnis gehabt. Das Arbeitsgericht habe weiter verkannt, dass die Beschwerde des Klägers beim Personalrat vom 07.12.2001 einen Kündigungsgrund darstelle. Der Kläger habe seinen Vorgesetzten xxxxxxx bewusst und gewollt beleidigt. Auch über diesen Sachverhalt sei der Personalrat aufgrund der Teilnahme des Personalratsvorsitzenden Herrn xxxxxx am Gespräch vom 24.01.2001 informiert gewesen. Das Arbeitsgericht habe auch rechtsfehlerhaft angenommen, dass das Verhalten des Klägers anlässlich der Weihnachtsfeier vom 08.12.2001 keinen Grund für eine ordentliche Kündigung darstelle. Es sei aufgrund der Beweisaufnahme nicht belegt, dass eine entsprechende Beleidigung gegenüber Herrn xxxxxxxx nicht gefallen sei. Aufgrund der verschiedenen Vorfälle hätten sich die Vorgesetzten und einige Vorarbeiter geweigert, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten.

Zumindest habe das Arbeitsgericht aber dem Auflösungsantrag stattgeben müssen. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es hierfür einer Zustimmung des Integrationsamtes bedürfe, sei falsch. Rein vorsorglich sei ein entsprechender Antrag beim Integrationsamt gestellt worden. Der Auflösungsantrag sei auch im Hinblick auf die Vielzahl von unrichtigen Tatsachenbehauptungen und nicht hinnehmbaren Wertungen in der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 12.03.2001 begründet. Ferner habe der Kläger in seinem Antrag auf Gleichstellung vom 08.03.2001 unrichtige Angaben gemacht. Erneut habe er falsche Behauptungen über Kollegen und Vorgesetzten in seinem Schriftsatz vom 16.07.2001 im Verfahren 13 Ca 229/01 erhoben. Die unwahren Äußerungen des Klägers hätten in der Stadtverwaltung zu einer vergifteten Atmosphäre geführt, was der Versetzungsantrag des xxxxxamtes vom 10.07.2002 und die Erklärung vom 19.09.2002 belege.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - Aktenzeichen 9 Ca 131/01 - vom 27.06.2002 wird aufgehoben.

2.

a) Die Klage wird abgewiesen,

b) hilfsweise wird das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zum 30.06.2001 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufgelöst.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, er könne sich nicht mehr daran erinnern, dass er am 29.11.2000 während der Arbeitszeit Bier getrunken habe. Dies sei allerdings auf dem xxxxxxxxxxxx absolut üblich gewesen. Am 09.08.2002 habe die Beklagte auch keine Abmahnung ausgesprochen. Herr xxxxxxxxx sei zu keinem Zeitpunkt sein Vorgesetzter gewesen. Was die Beschwerde beim Personalrat vom 07.12.2001 über Herrn xxxxxx angehe, so habe er keinesfalls sein Einverständnis erteilt, dieses Schreiben herumzureichen. Er sei lediglich damit einverstanden gewesen, dass das Schreiben Herrn xxxxxxxxxx zur Stellungnahme gegeben werde. Während der Weihnachtsfeier vom 08.12.2000 habe er Herrn xxxxxxxx nicht beleidigt. Jedenfalls sei eine vorherige Abmahnung notwendig gewesen.

Den Auflösungsantrag habe das Arbeitsgericht zu Recht zurückgewiesen. Die hierfür notwendige Zustimmung des Integrationsamtes liege bis heute nicht vor, sei aber notwenig. Im übrigen sei der Auflösungsantrag auch nicht begründet. Hierzu verweise er auf seine Ausführungen im Parallelverfahren 13 Ca 229/01. Er weise daraufhin, dass auch Herr xxxxxx wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde eine Kündigung erhalten habe. Diese sei jedoch zurückgenommen worden. Er habe gegen Herrn xxxxxxxxxxxr im Verfahren 8Ca 426/02 eine Unterlassungsklage anhängig gemacht, weil dieser die Behauptung aufgestellt habe, dass die Belegschaft des xxxxxxxxxxamtes eine weitere Zusammenarbeit mit ihm verweigere. Es treffe schließlich nicht zu, dass er im Antrag auf Gleichstellung eine falsche Darstellung abgegeben habe.

Die Beklagte erwidert, im November des Jahres 2000 sei Herr xxxxxxxx Vorgesetzter des Klägers gewesen. Die Beschwerde vom 07.12.2000 habe der Kläger nicht als vertraulich behandeln wollen. Was die Kündigung von Herrn xxxxx angehe, so habe das Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass zwar ein wichtiger Kündigungsgrund vorliege, die Kündigung jedoch aus formalen Gründen scheitere.

Der Kläger erwidert, es sei nicht richtig, dass niemand mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle.

Mit Schriftsatz vom 20.09.2002 stellte die Beklagte beim Integrationsamt den Antrag, die Zustimmung zu dem im vorliegenden Verfahren gestellten Auflösungsantrag zu erteilen. Nachdem das Integrationsamt bis zum 20.12.2002 über den Antrag nicht entschieden hatte, erhob die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.12.2002 beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage. Mit Bescheid vom 31.01.2003 wies das Integrationsamt den Antrag der Beklagte als unzulässig zurück. Es führte hierbei aus, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zu einem Auflösungsantrag nicht erforderlich sei.

Am 22.10.2002 fand bei der Beklagten die Wahl der Schwerbehindertenvertretung statt. Die Wahl wurde von Herrn xxxxxxxxxxxxx geleitet. Auf dessen Frage nach Wahlbewerbern meldete sich Herr Peter xxxxxx. Dieser benannte außerdem Frau xxxxxxxxxxxxxx als Wahlbewerberin. Außerdem meldete sich der Kläger. In der darauffolgenden Wahl wurde Herr xxxxxxx zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und Frau xxxxxxx als Stellvertreterin gewählt.

Der Kläger trägt zu den beiden zuletzt genannten Sachverhalten vor, die Beklagte habe vor Einreichung des Antrages beim Integrationsamt die Schwerbehindertenvertretung nicht gehört. Des weiteren genieße er als Bewerber für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung Sonderkündigungsschutz. Damit sei der Beklagten auch ein Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses verwehrt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Absatz 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Absatz 2c ArbGG statthaft. Sie ist auch nach den §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg. Zwar hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.03.2001 mit Ablauf des 30.06.2001 geendet hat; das Arbeitsverhältnis war jedoch auf Antrag der Beklagten mit Ablauf des 30.06.2001 vom Amts wegen aufzulösen, weil Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht erwarten lassen.

II.

Die nach § 4 Satz 1 KSchG zulässige Kündigungsschutzklage des Klägers ist begründet, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.03.2001 nicht mit Ablauf des 30.06.2001 aufgelöst worden ist. Diese Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, weil sie nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist.

1. Die Kündigung ist nicht bereits aus formalen Gründen unwirksam. Aus dem Kündigungsschreiben geht hinreichend klar hervor, dass die Beklagte eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Zwar wird im Kündigungsschreiben die nur für außerordentliche Kündigungen geltende Vorschrift des § 626 BGB zitiert; aus dem gleichzeitigen Verweis auf § 50 Absatz 2 BMTG II, dem Wort "ordentlich" und der Frist "30.06.2001" ist jedoch hinreichend erkennbar, dass die Beklagte keine außerordentliche Kündigung erklärt hat.

Die Beklagte hat auch der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des § 54 BMTG II genügt, wonach die Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben anzugeben sind (vgl. BAG, 10.02.1999 - 2 AZR 176/98 - und 2 AZR 448/98 - NZA 1999, 602, 603). Soweit schließlich der Kläger die vom 1. Bürgermeister, Herrn xxxxxx, unterzeichnete Kündigung gemäß § 174 BGB mit Schreiben vom 12.03.2001 zurückgewiesen hat, kann diese Rüge keinen Erfolg haben. Denn gemäß § 49 Absatz 4 Satz 1 GemO ist der erste Beigeordnete kraft Gesetzes der ständige Vertreter des Bürgermeisters. Da sich die Vorschrift des § 174 BGB nur auf die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht bezieht, bedurfte es für die Wirksamkeit der Kündigung nicht der Vorlage einer Vollmachtsurkunde durch Herrn xxxxxx (vgl. BAG, 18.01.1990 - 2 AZR 358/98 - AP BGB § 30 Nr. 1).

2. Die Kündigung vom 01.03.2001 ist auch nicht wegen mangelhafter Mitwirkung des Personalrates nach § 77 Absatz 1 LPVG unwirksam.

a) Nach der genannten Vorschrift wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Die im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens vorgeschriebene Unterrichtung des Personalrates setzt voraus, dass der Dienststellenleiter oder ein von ihm Bevollmächtigter die Person des Arbeitnehmers, die Art der Kündigung, die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin angibt sowie die Kündigungsgründe mitteilt. Insoweit gelten dieselben Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht für die Einleitung des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG entwickelt hat (vgl. nur BAG, 05.02.1981 -2 AZR 1135/78 - AP LPVG NW § 72 Nr. 1).

b) Diesen Anforderungen genügt die Personalratsanhörung vom 07.02.2001. Die Beklagte hat, vertreten durch den xxxxxxleiter Herrn xxxxxx, den Personalrat über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers, dessen Eintrittsdatum, das Geburtsdatum, die Kündigungsart, die Kündigungsfrist und die Kündigungsgründe unterrichtet. Soweit der Kläger rügt, im Anhörungsschreiben seien sein Familienstand und die Unterhaltspflichten nicht erwähnt, so ist dies zutreffend. Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Personalratsvorsitzende, Herr xxxxxxxx, jedoch bestätigt, diese Daten seien ihm aufgrund des Gespräches vom 24.01.2001 bekannt gewesen. Diese Aussage ist glaubhaft, weil der Kläger anlässlich des Gespräches unter anderem unter Hinweis auf seinen Familienstand und seine Unterhaltspflichten den Abschluss des angebotenen Aufhebungsvertrages abgelehnt hat.

Der Kläger hat weiter gerügt, die Beklagte habe im Anhörungsschreiben die Kündigungsfrist nicht mitgeteilt. Zutreffend ist, dass das Anhörungsschreiben keine Angabe über die nach § 50 Absatz 2 BMTG II geltende Kündigungsfrist enthält; jedoch muss der Arbeitgeber der Personalvertretung die Kündigungsfrist dann nicht mitteilen, wenn die zu beachtende Frist bekannt ist (vgl. nur BAG, 19.05.1993 -2 AZR 584/92 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 61). Im vorliegenden Fall konnte der Personalrat die einschlägige Kündigungsfrist unschwer aus der Angabe des Kündigungstermines "30.06.2001" erschließen. Hieraus wurde deutlich, dass die Kündigung unter Einhaltung der nach § 50 Absatz 2 BMTG II geltenden Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende erfolgen sollte.

Soweit der Kläger schließlich darauf verwiesen hat, die Personalratsanhörung enthalte mehr Punkte als das Kündigungsschreiben, so ist dies rechtlich unerheblich. Zutreffend ist, dass in der Personalratsanhörung der Umstand des Aktenverlustes am 01.02.2001 erwähnt ist, während dies im Kündigungsschreiben nicht der Fall ist. Dies führt jedoch personalvertretungsrechtlich nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Auch was die Formvorschrift des § 54 BMTG II a. F. angeht, so geht die Begründungspflicht nicht so weit wie die Darlegungspflicht im Prozess (BAG, 10.02.1999, a. a. O.). Da der Umstand des Aktenverlustes im Grunde genommen nicht tragend ist, musste ihn die Beklagte im Kündigungsschreiben nicht aufführen.

c) Im übrigen sind alle weiteren Formalien beachtet worden. Insbesondere war die Stellungnahme des Personalrates - wie in § 32 Absatz 3 LPVG vorgeschrieben - durch den Personalratsvorsitzenden und den Gruppenvertreter unterzeichnet.

3. Die Kündigung vom 01.03.2001 ist jedoch nicht gemäß § 1 Absatz 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die von der Beklagten angeführten verhaltensbezogenen Kündigungsgründe rechtfertigen die Kündigung nicht. Teils sind die Kündigungsgründe zu wenig konkret dargelegt; teils bedurfte es einer vorherigen Abmahnung. Schließlich ist die Beklagte auch aus personalvertretungsrechtlichen Gründen daran gehindert, bestimmte Kündigungsgründe nachzuschieben.

a) Die Beklagte hat vorgetragen, bereits kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses sei es zu Konflikten zwischen dem Kläger und Arbeitskollegen gekommen. Der Kläger habe sich bei bestimmten Arbeiten merklich zurückgehalten. Er habe darüber hinaus verbreitet, Kollegen hätten ihm Schläge angedroht. Diese Vorwürfe hätten sich jedoch im Nachhinein als haltlos erwiesen.

Was die Arbeitsleistung angeht, so kann dem Kläger nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, wenn er schwere Arbeiten nicht verrichten wollte. Er hatte einen Leistenbruch erlitten, der später zur Anerkennung eines Grades der Behinderung von 30 % führte. Was die "Anschwärzung" von Kollegen betrifft, so hat die Beklagte nicht aufgezeigt, in welchem Zusammenhang die fraglichen Äußerungen des Klägers gefallen sind. Ungerechtfertigte Beschuldigungen von Arbeitskollegen können eine ordentliche Kündigung durchaus rechtfertigen. Es kommt aber entscheidend auf den Zusammenhang an, in dem die Beschuldigungen gefallen sind. Weder hierzu noch zur Frage, weshalb sich die Beschuldigungen erst nachträglich als haltlos erwiesen haben, hat die Beklagte aber nähere Ausführungen gemacht. Offenkundig müssen die Äußerungen des Klägers zunächst glaubhaft erschienen sein; denn andernfalls wäre die Vorarbeiterzulage des Herrn Kxxxxx nicht für ein halbes Jahr gestrichen worden.

b) Die Beklagte hat die Kündigung vom 01.03.2001 weiter darauf gestützt, der Kläger habe nach seiner Versetzung in die xxxxxxxxxxxxxxxxabteilung seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht und im übrigen die Maschinen mangelhaft gewartet. Der Kläger hat diesen Vortragen vehement bestritten. Selbst dann, wenn man das Vorbringen der Beklagten als zutreffend unterstellt, könnte dies eine Kündigung nicht begründen. Denn wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an einer einschlägigen Abmahnung. Es handelt sich durchweg um Pflichtverletzungen, bei denen es um ein steuerbares Verhalten geht und bei denen zu erwarten ist, dass der Arbeitgeber sich im Anschluss an eine Abmahnung vertragstreu verhalten wird. Es geht nicht um schwere Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, 10.02.1999 - 2ABR31/98 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42 und BAG, 01.07.1999 - 2 AZR 676/98 - AP BBiG § 15 Nr. 11, jeweils mit weiteren Nachweisen).

c) Zu Unrecht rügt die Beklagte, das Arbeitsgericht habe des Umstand des Biertrinkens am 04.08.2000 und 29.11.2000 keine entscheidende Bedeutung zugemessen. Zum einen fehlt es auch insoweit an einer vorherigen einschlägigen Abmahnung. Soweit die Beklagte auf den Aktenvermerk vom 07.08.2000 verweist, wonach den am Biertrinken beteiligten Arbeitnehmern arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht wurden, so ist darin kein ausreichender Hinweis auf eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses zu sehen. "Arbeitsrechtliche Konsequenzen" können auch eine schriftliche Ermahnung, eine Umsetzung oder der Entzug einer widerruflich gewährten Zulage sein. Zwar muss der Arbeitgeber nicht ausdrücklich auf die mögliche Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses hinweisen; es muss jedoch für die Arbeitnehmer erkennbar sein, dass der Arbeitgeber bei einem weiteren Pflichtverstoß zum Mittel der Kündigung greifen wird (vgl. nur BAG, 17.02.1994 - 2 AZR 616/93 - AP BGB § 626 Nr. 116).

Zum anderen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorwurf des Biertrinkens nicht Gegenstand der schriftlichen Personalratsanhörung war. Auch die Kenntnis des Sachverhaltes durch den stellvertretenden Personalratsvorsitzenden xxxx genügt für sich allein nicht, weil dem Personalrat nur bei Verhinderung des Vorsitzenden das Wissen des Stellvertreters zuzurechnen ist (vgl. nur BAG, 27.06.1985 - 2 AZR 412/84 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 37). Dass Herr xxx sein Wissen noch vor der Beschlussfassung des Personalrates über die Kündigung an den Personalratsvorsitzenden weitergegeben hat, ist auch in der Berufungsinstanz nicht hinreichend konkret vorgetragen worden.

d) Genauso wenig konkret ist das weitere Vorbringen der Beklagten geblieben, der Kläger habe nach seiner Umsetzung in eine andere Gruppe im Oktober 2000 die Autorität seiner Vorgesetzten untergraben. Das angeführte "Herumkritisieren" an Weisungen ist zwar ein Beleg für die Annahme der Kammer, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist (dazu unten III.). Als Kündigungsgrund sind derartige Äußerungen aber - jedenfalls ohne vorherige Abmahnung - nicht geeignet.

e) Gleiches gilt im Ergebnis für die Beschwerde vom 07.12.2000, die der Kläger über Herrn xxxxxxxxxxx beim Personalrat erhoben hat. Es ist zwar zutreffend, dass die Beschwerde dasselbe Gemenge aus mehr oder weniger konkreten Tatsachenbehauptungen und negativen Wertungen enthält, die auch die spätere Dienstaufsichtsbeschwerde vom 12.03.2001 auszeichnet. Die Angriffe auf Herrn xxxxxxxxx erstaunen umso mehr, als der Kläger in diesem Verfahren vorgetragen hat, Herr xxxxxx sei nicht sein Vorgesetzter gewesen. Der Kläger hat sich somit also zum Wortführer von anderen Arbeitnehmern gemacht.

Dass die Beschwerde die eingetretene Wirkung entfaltet hat, liegt aber in einem gehörigen Maß an einer wenig geschickten Behandlung des Konfliktes durch den Personalrat. Anstatt die Angelegenheit zunächst durch Vier-Augen-Gespräche vertraulich zu behandeln, leitete Herr xxxxxxx die Beschwerde über Herrn xxxx mit Zustimmung des Klägers an Herrn xxxxxx weiter. Auf nicht näher geklärte Weise gelangte sie auch in das Personalbüro. Sie entfaltete damit eine Breitenwirkung, die bei einer sensibleren Vorgehensweise hätte vermieden werden können. Angesichts dessen kann dem Kläger jedenfalls nicht ohne eine vorherige Abmahnung vorgehalten werden, er habe den Betriebsfrieden ernsthaft gestört.

f) Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch in den Vorfällen anlässlich der Weihnachtsfeier vom 08.12.2000 keinen hinreichenden Kündigungsgrund gesehen. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass sich das Klima aufgrund der Sticheleien des bereits alkoholisierten Klägers zunehmend verschlechterte. Ein Wort gab das andere; es herrschte ein rauer Umgangston. Daran, ob schließlich die Schimpfworte "Pfeife" und "Arschloch" fielen, konnte sich selbst der betroffene Herr xxxxxxx nicht mehr erinnern. Unter diesen Umständen kann das Verhalten des Klägers anlässlich einer Veranstaltung, die jedenfalls keinen offiziellen dienstlichen Charakter hatte, nicht ohne vorherige Abmahnung für eine Kündigung herangezogen werden.

g) Was die Vorfälle am 12.12.2000 und 13.12.2000 angeht, so belegen zwar die Ereignisse das wenig ausgeprägte Augenmaß des Klägers, wenn es um die Austragung von innerbetrieblichen Konflikten geht (siehe unten III.). Als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung kann dem Kläger aber lediglich vorgehalten werden, dass er ohne An- und Abmeldung versuchte, seine Beschwerde dem Oberbürgermeister vorzubringen. Dass der Kläger das Personalbüro und den Personalrat einschalten wollte, nachdem er sich von der Leitung des xxxxxxamtes keine Hilfe mehr versprach, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Insgesamt betrachtet handelt es sich auch bei dem Fehlverhalten, das am 12.12.2000 und 13.12.2000 aufgetreten ist, nicht um Pflichtverletzungen, die eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.

h) Zur Frage einer vorherigen Abmahnung hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger sei aufgrund der Vorkommnisse am 22.12.2000 zu einem Mitarbeitergespräch mit Herrn xxxxxxxx und Herrn xxxxxxxx gebeten worden. Ob die Beklagte den Inhalt dieses Gespräches als Abmahnung im Rechtssinne begreifen möchte, ist unklar geblieben. Nach den Schriftsätzen der Beklagten vom 04.04.2001 (Seite 8) und 25.02.2002 (Seite 8) muss dies wohl angenommen werden. Dem Personalrat wurde dies aber im Anhörungsschreiben erstaunlicherweise nicht so verdeutlicht. Die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze, insbesondere der Schriftsatz vom 22.01.2003 (Seite 3), sprechen eher dagegen, dass dem Kläger anlässlich des Personalgespräches eine Abmahnung erteilt wurde.

Die Frage kann letztlich auf sich beruhen. Sollte die Beklagte das Mitarbeitergespräch vom 22.12.2000 nicht als Abmahnung verstanden haben, so würde es auch bei einer Gesamtwürdigung sämtlicher Vorgänge an einer klar umschriebenen Dokumentation der abgemahnten Pflichtverletzungen und an einem Hinweis auf die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses fehlen. Es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von vornherein nicht gewillt war, sein Verhalten zu ändern. Sollte in dem Gespräch vom 22.12.2000 eine Abmahnung zu sehen sein, so hätte die Beklagte wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren, auf ihr Kündigungsrecht verzichtet (BAG, 10.11.1988 - 2 AZR 215/88 - AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 3). Demzufolge hätte die Beklagte eine Kündigung nur dann aussprechen können, wenn in der Folgezeit weitere einschlägige kündigungsrelevante Vorfälle aufgetreten wären. In diesem Zusammenhang könnte sich die Beklagte nur auf den Aktenverlust vom 01.02.2001 berufen. Dieser Pflichtverstoß hat aber einen ganz anderen Charakter als die bis dahin aufgetretenen Vorfälle. Während sich die früheren Vorwürfe mit den Stichworten "Störung des Betriebsfriedens" und "eigenmächtige Handlungsweise" charakterisieren lassen, handelt es sich bei dem Aktenverlust um eine Nachlässigkeit, die ihrerseits zunächst durch eine Abmahnung hätte geahndet werden müssen, bevor zum Mittel der Kündigung gegriffen wird.

III.

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Auflösungsantrag nicht schon mit der Begründung abgewiesen werden, die Zustimmung des Integrationsamtes liege nicht vor. Es liegen auch Gründe vor, die eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen.

1. Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist, hat es nach § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Der Arbeitgeber kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur dann verlangen, wenn die Kündigung "nur" sozialwidrig und nicht aus anderen Gründen nichtig ist. Trifft dies - wie im vorliegenden Fall - zu, so ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag künftig eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist. Hierzu hat der Arbeitgeber greifbare Tatsachen vorzutragen. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen, weil das Kündigungsschutzgesetz von seiner Konzeption her ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz ist. Es ist somit eine vorausschauende Betrachtung erforderlich, ob mit einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien noch zu rechnen ist oder ob insbesondere aufgrund der während des Kündigungsschutzprozesses eingetretenen Spannungen die Fortsetzung sinnlos erscheint (vgl. nur BAG, 14.05.1987 - 2 AZR 294/86 - und 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 Nr. 18 und 42). Die Gründe müssen nicht geeignet sein, eine Kündigung sozial zu rechtfertigen (BAG, 30.09.1976 - 2 AZR 402/75 -AP KSchG 1969 § 9 Nr. 3). Auf ein Verschulden des Arbeitnehmers kommt es nicht an.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist nicht aus rechtlichen Erwägungen unbegründet.

a) Der Auflösungsantrag bedurfte nicht einer Mitwirkung des Personalrates; jedenfalls liegt aber auch diese vor. Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.12.1980 (2 AZR 1006/78 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 22) ist streitig geworden, ob ein Auflösungsantrag auf Gründe gestützt werden kann, über die der Betriebsrat/Personalrat zuvor nicht unterrichtet worden ist (ausführlich Lunk NZA 2000, 807, Müller BB 2002, 2014; LAG Baden-Württemberg, 23.03.2001 - 18 Sa 65/00 - zitiert nach JURIS). Nach Auffassung der Kammer gibt es für ein Verwertungsverbot nicht mitgeteilter Tatsachen jedenfalls dann keinen Anlass, wenn die Auflösungsgründe erst nach Ausspruch der Kündigung eingetreten sind.

Im vorliegenden Fall bedarf die Streitfrage allerdings keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte noch rechtzeitig vor der letzten mündlichen Verhandlung über den Auflösungsantrag den Personalrat über die Auflösungsgründe unterrichtet und dieser mit Schreiben vom 27.06.2002 seine Zustimmung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses erteilt hat. Hierbei hat die Beklagte zwar nicht das Anhörungsschreiben vorgelegt; dies ist jedoch unerheblich, weil der Personalrat bereits im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung vom 12.04.2001 mit Schreiben vom 06.04.2001 umfassend über die Gründe unterrichtet worden ist, auf die die Beklagte die fristlose Kündigung stützen wollte und die sie nunmehr zur Begründung des Auflösungsantrages heranzieht (vgl. die Schriftsätze der Beklagten im Verfahren 13 Ca 229/01 vom 12.07.2001 und 12.09.2001). Dem Anhörungsschreiben waren sowohl die Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers vom 12.03.2001 als auch die Stellungnahme der Stadtverwaltung beigefügt. Dies hat der Kläger zuletzt nicht mehr bestritten (vgl. Schriftsatz vom 08.10.2001 im Verfahren 13 Ca 229/01). Er hat lediglich noch beanstandet, die Beklagte habe entlastende Momente, so zum Beispiel die vorprozessualen Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 29.12.2000 und 08.02.2001, dem Personalrat nicht vorgelegt. Diese Schreiben musste die Beklagte dem Personalrat jedoch nicht zur Kenntnis geben. Denn der Grundsatz der "subjektiven Determinierung" erfordert nur, dass der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände dem Personalrat unterbreitet. Die Beklagte musste deshalb keine Stellungnahmen des Klägers dem Personalrat vorlegen, die sich schon vom zeitlichen Ablauf her auf die erst später entstandenen Auflösungsgründe nicht beziehen.

b) Der Auflösungsantrag bedurfte auch nicht der Zustimmung des Integrationsamtes; jedenfalls entfiel eine etwaige Zustimmungspflicht, nachdem das Integrationsamt am 31.01.2003 ein Negativattest erteilt hat.

aa) Die Kammer kann sich nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, dass der Auflösungsantrag des Arbeitgebers im Falle einer erst nach der Kündigung eingetretenen Schwerbehinderung (hier: Gleichstellung mit Wirkung vom 08.03.2001) die Zustimmung des Integrationsamtes voraussetzt. Da die Rechtsfrage aufgrund des nun vorliegenden Negativattestes des Integrationsamtes nicht mehr streitentscheidend ist (siehe bb), beschränkt sich die Kammer auf folgende Ausführungen:

Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Ein erweiterter Beendigungsschutz ist nur für den Sonderfall des § 92 SGB IX vorgesehen. Hiernach bedarf es der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Fall einer Erwerbsminderung, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ohne Kündigung erfolgt.

Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Da der Auflösungsantrag des Arbeitgebers weder unter § 85 noch unter § 92 SGB IX fällt, könnte ein Zustimmungserfordernis nur dann angenommen werden, wenn eine durch den Gesetzgeber nicht erkannte Regelungslücke vorläge, das Gesetz also planwidrig unvollständig wäre. In diesem Fall wären die Gerichte für Arbeitssachen ermächtigt, die Regelungslücke entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes im Wege des Rechtsanalogie zu schließen (zuletzt BAG, 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12).

Eine planwidrige Unvollständigkeit der Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen liegt aber gerade nicht vor. Die §§ 85 ff. SGB IX haben den Zweck, schwerbehinderte Menschen vor einem Arbeitsplatzverlust zu schützen. Dieser Schutz ist jedoch nicht lückenlos. So greifen die Schutzbestimmungen zugunsten der schwerbehinderten Menschen nach allgemeiner Auffassung nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag, Befristung, Bedingungseintritt, Anfechtung des Arbeitsvertrages und Beendigung einer vorläufigen Einstellung nach § 100 Absatz 3 BetrVG endet (Neumann, SGB IX, 10. Aufl. § 85 Randziffer 40 ff.; Kossens, Praxiskommentar zum Behinderte n recht, § 85 Randziffer 17; APS-Vossen, § 15 SchwbG Randziffer 23; KR-Etzel, 6. Aufl., §§ 15 - 20 SchwbG Randziffer 9 ff.). Soweit in der Literatur überhaupt zur Frage Stellung genommen wird, ob im Fall einer nach Ausspruch der Kündigung eingetretenen Schwerbehinderung der Auflösungsantrag des Arbeitgebers der Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, so wird daher richtigerweise ein Zustimmungserfordernis verneint (GK-SchwbG/Steinbrück, 2. Auflage, § 15 Randziffer 183a.; Kittner/Zwanziger, 5. Auflage, § 15 SchwbG, Randziffer 11).

Soweit ersichtlich haben das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Urteil vom 12.07.1989 - 4 L 21/89 - NZA 1990, 66) und im Anschluss daran Backmeister (KSchG, 2. Auflage § 9 Randziffer 12) und Fiebig (HaKo, § 9 Randziffer 85) eine abweichende Auffassung vertreten. Auch Spilger (KR, 6. Auflage, § 9 KSchG Randziffer 62a) deutet an, durch die Stellung eines Auflösungsantrages dürfe der besondere Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht umgangen werden. Von einer Gesetzesumgehung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn der besondere Bestandsschutz zugunsten schwerbehinderter Menschen nicht umfassend ist. Die schwerbehinderten Menschen werden dadurch nicht schutzlos gestellt. Denn wie in jedem anderen Fall unterliegt der Auflösungsantrag des Arbeitgebers der arbeitsgerichtlichen Kontrolle.

bb) Darüber hinaus ist eine etwaige Zustimmungspflicht dadurch entfallen, dass das Integrationsamt mit Bescheid vom 31.01.2003 sich der vorstehenden Rechtsauffassung angeschlossen und der Beklagten ein sogenanntes Negativattest erteilt hat. Was die Rechtsfolgen eines Negativattestes angeht, so hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 27.05.1983 (7 AZR 482/81 - AP SchwbG § 12 Nr. 12) für den Fall der Kündigung entschieden, dass ein Negativattest ebenso wie die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle die zunächst bestehende Kündigungssperre beseitige. Dies entspricht auch der allgemeinen Auffassung im Schrifttum (KR-Etzel, 6. Auflage, §§ 85 bis 90 SGB IX Randziffer 58; GK-Steinbrück, 2. Auflage, § 15 Randziffer 352 ff.; Neumann, SGB IX, 10. Auflage § 85 Randziffer 82). Der Bescheid des Integrationsamtes hat für die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich Bindungswirkung; die Entscheidung des Integrationsamtes kann nur im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Bescheid aufgrund besonders schwerer, offenkundiger Mängel nichtig wäre. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Vielmehr hat sich das Integrationsamt der verbreiteten und auch hier vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen, dass der Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht seiner Zustimmung bedarf.

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich ein besonderer Schutz des Klägers im Zusammenhang mit dem Auflösungsantrag der Beklagten auch nicht daraus, dass er am 22.10.2002 Wahlbewerber zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung war.

aa) Gemäß § 96 Absatz 3 SGB IX besitzen die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs- oder Personalrates. Da sich dieser besondere Bestandsschutz auch auf die Kündigung von Wahlbewerbern erstreckt (§ 15 Absatz 3 KSchG), genießen auch die Wahlbewerber für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung diesen besonderen Kündigungsschutz (vgl. nur APS-Böck, § 15 KSchG Randziffer 60; Neumann/Pahlen, SGB IX, 10. Aufl. § 96 Randziffer 7).

Der Kläger war anlässlich der Wahl der Schwerbehindertenvertretung Wahlbewerber, auch wenn er sich selbst vorgeschlagen hat. Die Wahl wurde am 22.10.2002 im vereinfachten Wahlverfahren nach den §§ 18 ff. der Wahlordnung vom 23.04.1990 durchgeführt. Nach § 20 Absatz 2 Satz 3 SchbVWO kann jeder Wähler Kandidaten zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung vorschlagen. Stützunterschriften sind anders als im förmlichen Wahlverfahren nach § 6 Absatz 2 SchbVWO nicht erforderlich; der Wahlvorschlag kann somit per Zuruf erfolgen. Da der Kläger wahlberechtigt war und keine Bestimmung ihm untersagte, sich selbst zu bewerben, war er anlässlich der Wahl Wahlbewerber. Somit genoss er den besonderen Kündigungsschutz für Wahlbewerber nach § 15 Absatz 3 Satz 1 KSchG sowie den nachwirkenden Kündigungsschutz innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses nach § 15 Absatz 3 Satz 2 KSchG.

bb) Dieser Umstand hat aber nicht de Rechtsfolge, dass der Auflösungsantrag der Beklagten nur noch unter der in § 15 Absatz 3 Satz 2 KSchG genannten Voraussetzung begründet wäre, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Mit Urteil vom 07.12.1972 (2 AZR 235/72 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 1) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, das Gericht könne dem Auflösungsantrag des Arbeitgebers, der auf einen Sachverhalt gestützt wird, welcher nach der Wahl des Betriebsangehörigen zum Mitglied des Personalrates entstanden ist, nur dann stattgeben, wenn dieser Sachverhalt geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 BGB abzugeben. Im Schrifttum wird unter Berufung auf diese Entscheidung nicht immer scharf unterschieden, ob der Auflösungsgrund vor oder nach der Wahl zur Arbeitnehmervertretung entstanden ist (von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Auflage, § 9 Randziffer 38a; Kittner/Zwanziger, 5. Auflage, § 9 KSchG, Randziffer 24).

Richtigerweise kann jedoch der Sonderkündigungsschutz des § 15 Absatz 3 KSchG im Rahmen eines Auflösungsantrages nur dann zum Tragen kommen, wenn der Auflösungsgrund nach Beginn des Sonderkündigungsschutzes entstanden ist (BAG, a.a.O.; so auch APS-Biebl, § 9 KSchG Randziffer 58; Erfurter Kommentar-Ascheid, 3. Auflage § 9 Randziffer 25). Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes. Er will den Mitgliedern von Vertretungsorganen die erforderliche Unabhängigkeit gewähren. Diese sollen nicht auf Furcht vor Sanktionen des Arbeitgebers davor zurückschrecken, Konflikte mit dem Arbeitgeber auszutragen. Wenn die Auflösungsgründe lange vor dem Eintritt des Sonderkündigungsschutzes entstanden sind, so greift der Schutzzweck des Sonderkündigungsschutzes ersichtlich nicht ein. Denn es besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber zur Umgehung des Sonder-Kündigungsschutzes anstatt das Arbeitsverhältnis zu kündigen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt.

3. Im Streitfall legen Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

a) Als Auflösungsgründe kommen für den Arbeitgeber solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Als Auflösungsgründe sind geeignet danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Die Auflösungsgründe müssen allerdings nicht in einem schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Annahme rechtfertigt, dass eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist (zuletzt BAG, 07.03.2002, a. a. O.).

b) Im Streitfall ist diese Annahme nicht schon deswegen gerechtfertigt, weil der Kläger am 12.03.2001 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen leitende Mitarbeiter der Beklagten sowie gegen den Personalratsvorsitzenden eingereicht hat. Der Kläger hat jedoch seine Beschwerden in einer Form vorgetragen, die eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich macht.

aa) Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass die Erhebung einer Dienstaufsichtsbeschwerde für sich allein weder einen Kündigungs- noch einen Auflösungsgrund darstellen kann. Bei der Formulierung einer Beschwerde muss dem Beschwerdeführer darüber hinaus das Recht zugestanden werden, die aus seiner Sicht bestehenden Missstände in deutlicher Form aufzuzeigen. Eine Wahrnehmung berechtigter Interessen kann aber dann nicht mehr angenommen werden, wenn die in der Beschwerde gewählten Formulierungen eine unverhältnismäßige Reaktion darstellen. Diese Grenze hat der Kläger in seiner Beschwerde vom 12.03.2001 überschritten. Hierbei kommt es nach Auffassung der Kammer weniger auf die Frage an, ob der Kläger in jedem der angesprochenen Vorfälle unrichtige Tatsachenbehauptungen oder herabsetzende Formulierungen verwandt hat. Auch wenn einzelne Tatsachen zutreffend und einige Bemerkungen nur zugespitzt waren, so stellt die Dienstaufsichtsbeschwerde in ihrer Gesamtheit eine "Attacke" dar, die eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht mehr ermöglicht.

bb) Der Kläger knüpfte in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde an die Beschwerde über den Vorarbeiter xxxxxxxxxxxxx an, die er am 07.12.2000 verfasst hatte. Wie bereits oben ausgeführt, enthielt bereits diese Beschwerde eine Gemenge von mehr oder weniger konkreten Tatsachenbehauptungen und negativen Wertungen hinsichtlich der Eignung von Herrn xxxxx als Vorgesetzter. Die Beschwerde schloss mit der Ankündigung, Klage gegen Herrn xxxxxxxxx wegen Verleumdung zu erheben, falls dieser sich nicht entschuldige. Bereits aufgrund der Form dieser Beschwerde war kaum zu vermuten, dass damit der Konflikt mit Herrn xxxxxxxxx bereinigt werden würde. Das Gegenteil war der Fall. Wie nicht anders zu erwarten, spitzte sich die Auseinandersetzung aufgrund der Beschwerde erst richtig zu.

Mit der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 12.03.2001 setzte der Kläger seine Angriffe auf Herrn xxxxxxxxx fort und weitete sie zugleich auf andere leitende Mitarbeiter und den Personalratsvorsitzenden aus. Herrn xxxxxxxxx unterstellte er Rachsucht und Schädigungsabsicht. Herrn xxxxxxx bezichtigte er der rechtswidrigen Drohung mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen. Die Leitung des Personalamtes und des xxxxxxxx beschuldigte er, die Arbeitnehmer mundtot machen zu wollen. Nach weiteren Vorwürfen, falsche Anschuldigungen zu erfinden, die Arbeitnehmer unmenschlich zu behandeln und massiv zu mobben, schließt die Dienstaufsichtsbeschwerde mit dem Appell, das Regierungspräsidium möge sich der Sache annehmen, dass die Strafmaßnahmen wie zur Ritterszeit ein Ende hätten.

cc) Die Kammer gesteht dem Kläger zu, dass es für ihn aufgrund der vorangegangenen Ereignisse schwierig war, seine Beschwerden in einem sachlichen Stil vorzutragen. Das Arbeitsverhältnis war durch die Mitarbeitergespräche vom 22.12.2000 und 24.01.2001 sowie die nachfolgende Kündigung vom 01.03.2001 erheblich belastet. Andererseits hatte der Kläger seinen Rechtsstandpunkt seit Mitte Dezember 2000 in einer ganzen Reihe von Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vortragen lassen (vorgelegt im Verfahren 13 Ca 229/01). Darüber hinaus hatte der Kläger gegen die Kündigung vom 01.03.2001 bereits Kündigungsschutzklage eingereicht. Wenn es dem Kläger - wie er mehrfach betont hat - nicht um eine Eskalation ging, dann drängte sich eine Dienstaufsichtsbeschwerde als Mittel zur Deeskalation nicht gerade auf.

c) Wie kaum anders zu erwarten war, erhöhte die Dienstaufsichtsbeschwerde vom 12.03.2001 die Spannungen zwischen den Parteien; sie war für die Beklagte der Anlass zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 12.04.2001. Ob der Gleichstellungsantrag des Klägers vom 08.03.2001 und sein Schriftsatz vom 16.07.2001 weitere ehrenrührige Tatsachenbehauptungen enthält, kann dahingestellt bleiben. Denn in der Folgezeit haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die dafür sprechen, dass künftig eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien möglich wäre. Im Laufe des Jahres 2002 reichte der Kläger in den Verfahren 8 Ca 426/01 und 8 Ca 441/02 gegen Herrn xxxxxxxxxx und Herrn xxxxx Unterlassungsklagen ein.

Nachdem das Arbeitsgericht mit Urteil vom 27.06.2002 der Klage stattgegeben hatte und ab 08.07.2002 eine Weiterbeschäftigung des Klägers erfolgte, stellte das xxxxxxxamt am 10.07.2002 einen Versetzungsantrag. Am 19.09.2002 erklärten die Meister des xxxxxxxxxxxamtes und verschiedene Vorarbeiter, dass sie mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten wollten. Faktisch fand eine weitere Zusammenarbeit kaum statt, weil der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit und Urlaubs bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung am 12.02.2003 nur 19 Tage tätig war. Dass verschiedene Kollegen des Klägers gegen dessen Weiterbeschäftigung nichts einzuwenden haben, ist unerheblich. Denn das unüberbrückbare Zerwürfnis mit nahezu allen Vorgesetzten schließt eine sinnvolle Weiterarbeit aus.

d) Die Art und Weise des Konfliktes lässt auch nicht die Prognose zu, zukünftige Störungen seien zu vermeiden, wenn der Kläger nicht mehr im xxxxxxxxxxxamt, sondern auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt würde. Die Beklagte hat ausführlich begründet, weshalb eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben ist. Der Kläger hat diese Ausführungen angezweifelt. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an, weil der eingetretene Konflikt nicht auf das xxxxxxxxxxxxamt beschränkt ist. Der Kläger hat mit seiner Dienstaufsichtsbeschwerde nicht nur den Leiter und den stellvertretenden Leiter des xxxxxxxxamtes, sondern auch den xxxxxxxxxxx-xxxxx, den Leiter des Personalbüros und den Personalratsvorsitzenden angegriffen. Mit diesen Personen müsste er auch dann dienstlich Kontakt pflegen, wenn er nicht mehr im xxxxxxxxamt tätig wäre.

4. Demzufolge war das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2001 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

a) Gemäß § 10 Absatz 1 KSchG ist im Streitfall als Abfindung ein Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen. Innerhalb dieser Grenze hat das Gericht die Höhe der Abfindung nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen. Hierbei fallen besonders die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter des Arbeitnehmers ins Gewicht, weil der Gesetzgeber diese Faktoren als Gründe für die Anhebung der höchsten Grenze nach § 10 Absatz 2 KSchG ansieht. Neben diesen Kriterien sind die übrigen Sozialdaten des Arbeitnehmers, wie der Familienstand und die Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen, sein Gesundheitszustand, insbesondere das Vorliegen einer Schwerbehinderung und seine Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers stellt andererseits ebenfalls einen Umstand dar, den das Gericht bei der Bemessung der Abfindung angemessen zu berücksichtigen hat. Schließlich wird das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung - wenn auch mit Bedenken - als Faktor bei der Bemessung der Sozialabfindung angesehen (vgl. nur KR-Spilger, 6. Auflage, § 10 Randziffer 45 ff.; APS-Biebl, § 10 KSchG Randziffer 21 ff.).

b) Im Streitfall hält die Kammer eine Abfindung in Höhe von rund vier Monatsverdiensten für angemessen. Der Bruttomonatsverdienst des Klägers beläuft sich unter Herausrechnung der Zahlungen mit Gratifikationscharakter (Weihnachtszuwendung und Urlaubsgeld) auf einen Betrag um € 2 000,00 brutto. Was das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit des Klägers angeht, so rechtfertigen diese Kriterien keinen hohen Abfindungsbetrag. Der Kläger war nur 1,75 Jahre bei der Beklagten beschäftigt; er ist am 16.01.1969 geboren. Ganz erheblich ins Gewicht fallen jedoch die Unterhaltspflichten des Klägers. Er war im Zeitpunkt der Kündigung seiner nicht berufstätigen Ehefrau und vier Kindern unterhaltsverpflichtet. Im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens wurde er Vater eines fünften Kindes.

Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt schätzt die Kammer schlecht ein. Der Kläger hat den Beruf des xxxxxxxxxxxxxxx erlernt, übte diesen Beruf aber offenbar seit längerer Zeit nicht mehr aus. Vorübergehend war er nach seiner Mitteilung in der Berufungsverhandlung als selbständiger xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx tätig. Bei der Beklagten übte er eine angelernte Tätigkeit aus. Alle diese Umstände erschweren die erfolgreiche Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Es kommt hinzu, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden für schwerere körperliche Arbeiten nicht mehr eingesetzt werden kann. Der Grad seiner Behinderung beträgt 30%; er ist einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Die Aussichten für einen Arbeitnehmer, der über keine aktuellen Qualifikationen verfügt und körperlich nicht voll einsatzfähig ist, können nur als mäßig bezeichnet werden.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Kündigung vom 01.03.2001 zwar nicht "an den Haaren herbeigezogen" ist, sie aber auch nicht als eine Kündigung anzusehen ist, bei der erst nach Abwägung aller Gesichtspunkte letztlich zugunsten des Klägers zu entscheiden war. Die Beklagte hat den elementaren Grundsatz vernachlässigt, dass dann, wenn ein steuerbares Verhalten vorliegt und eine Abmahnung nicht von vornherein aussichtslos erscheint, eine vorherige Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist. Zudem hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer auch im Vorfeld der Kündigung nicht in jeder Hinsicht glücklich agiert. So wurde der Kläger am 20.12.2000 zu einem Mitarbeitergespräch gebeten, obwohl sein Prozessbevollmächtigter telefonisch und schriftlich darum gebeten hatte, dieses Gespräch erst in seinem Beisein in der zweiten oder dritten Kalenderwoche des Jahres 2001 zu terminieren. Da der Kläger zum Personalratsvorsitzenden kein Vertrauen mehr hatte, musste er das Gespräch folglich allein führen.

Was schließlich die wirtschaftliche Lage der Beklagten angeht, so ist die festgesetzte Abfindung absolut gesehen nicht überdurchschnittlich hoch. Lediglich relativ betrachtet überschreitet sie die im Hinblick auf die Betriebszugehörigkeit üblichen Abfindungen. De Festsetzung des Betrages von € 8 000,00 ist jedoch insbesondere aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers und seiner schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt gerechtfertigt.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreites waren gemäß § 92 Absatz 1 ZPO gegeneinander aufzuheben, nachdem der Kläger zwar mit der Kündigungsschutzklage obsiegt hat, er jedoch sein Ziel, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu erreichen, verfehlt hat. Die Zulassung der Revision war im Streitfall nicht veranlasst. Zwar hat sich die Kammer unter III. 2. b mit der grundsätzlichen Rechtsfrage auseinandergesetzt, ob ein Auflösungsantrag im Fall einer nach der Kündigung eingetretenen Schwerbehinderung der Zustimmung des Integrationsamtes bedarf; die Rechtsauffassung der Kammer ist jedoch für die Entscheidung nicht tragend, weil die Zustimmung des Integrationsamtes bereits aufgrund des Negativattestes vom 31.01.2003 entbehrlich wurde.

Ende der Entscheidung

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