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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.12.1999
Aktenzeichen: 4 Sa 52/99
Rechtsgebiete: EFZG, SGB X, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
EFZG § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
SGB X § 69 Abs. 4
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 52/99

verkündet am 16.12.1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Roth und den ehrenamtlichen Richter Stein auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Anerkenntnis-Teilurteil und Schlussurteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28. Mai 1999 - 22 Ca 10260/98 - abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von 4 % Zinsen aus dem sich aus 3.314,28 ergebenden Nettobetrag verurteilt wurde:

Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.

2. Ihre weitergehende Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung zu einem Teilbetrag von 571,42 DM brutto dem Anerkenntnis der Beklagten gemäß erfolgte.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 3.314,28 DM

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Verpflichtung der Beklagten, für den Zeitraum vom 10. August bis 20. September 1998, für den die Klägerin ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hat, Entgeltfortzahlung für den Krankheitsfall zu leisten, unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungserkrankung entfallen ist.

Die Klägerin war seit 01. Februar 1998 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Ihre monatliche Vergütung betrug 2.400,00 DM brutto. In der Zeit ab 04. Juni 1998 legte die - damals schwangere - Klägerin mehrere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Wegen der Zeiten, in denen die Klägerin für arbeitsunfähig erachtet wurde, wird auf die von der Beklagten im ersten Rechtszug vorgelegte kalendarische Übersicht (Bl. 42 f.) Bezug genommen, die sich wie folgt darstellt:

Erstbescheinigung Name des Arztes Datum der Arbeits- Dauer der

oder unfähigkeitsbeschei- Arbeitsunfähigkeit

Folgebescheinigung

Erstbescheinigung Dr. W., 04.06.1998 04.06.1998 bis 05.06.1998

Internist

Folgebescheinigung Dr. D., 09.06.1998 08.06.1998 bis 09.06.1998

Arzt für Allgemeinmedizin

Erstbescheinigung Dr. M./ 19.06.1998 19.06.1998

Dr. Hesse,

Frauenärzte

Erstbescheinigung Dr. W., 22.06.1998 22.06.1998 bis 03.07.1998

Internist

Folgebescheinigung K., 03.07.1998 03.07.1998 bis 12.07.1998

Nervenärztin

Folgebescheinigung K., 10.07.1998 10.07.1998 bis 19.07.1998

Nervenärztin

Folgebescheinigung K., 17.07.1998 17.07.1998 bis 26.07.1998

Nervenärztin

Folgebescheinigung Dr. W., 24.07.1998 22.06.1998 bis 31.07.1998

Internist

Erstbescheinigung Dr. U., 10.08.1998 10.08.1998 bis 14.08.1998

Arzt für Allgemeinmedizin

Folgebescheinigung Dr. W., 17.08.1998 17.08.1998 bis 21.08.1998

Internist

Folgebescheinigung Dr. We., 26.08.1998 26.08.1998 bis 28.08.1998

Arzt für Orthopädie

Folgebescheinigung Dr. We., 28.08.1998 28.08.1998 bis 05.09.1998

Arzt für Orthopädie

Folgebescheinigung Wi., 07.09.1998 07.09.1998 bis 11.09.1998

Arzt für Allgemeinmedizin

Folgebescheinigung Dr. W., 15.09.1998 15.09.1998 bis 23.09.1998

Internist

Folgebescheinigung K., 23.09.1998 23.09.1998 bis

Nervenärztin

Folgebescheinigung K., 07.10.1998 07.10.1998 bis 31.10.1998

Nervenärztin

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin wurden in der Zeit vom 10. bis 14. August 1998 wegen einer - unstreitigen - Salmonellenvergiftung und in der Zeit vom 17. bis zum 21. August wegen eines Sturzes auf der Kellertreppe im Hause der Klägerin ausgestellt. Bei einer Untersuchung des Medizinischen Dienstes am 18. August 1998 wurde die Klägerin ab dem 24. August 1998 wieder für arbeitsfähig erachtet. Für die Zeit ab dem 26. August 1998 erhielt die Klägerin wieder Folgebescheinigungen wegen der Fortdauer ihrer sturzbedingten Beschwerden vom Orthopäden Dr. Wirth bis zum 11. September 1998. Die attestierte Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 15. bis zum 23 September 1998 beruhte auf einer Erkältung. Die sich daran anschließenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Ärztin Frau Klein beruhten wieder auf psychischen Problemen der Klägerin.

Am 03. August 1998 war die Klägerin wieder zur Arbeit erschienen. Sie wurde jedoch nicht an ihrem bisherigen, bereits neu besetzten Arbeitsplatz, sondern, wenn überhaupt, nur noch mit gelegentlich anfallender einfacher Bürotätigkeit beschäftigt. Den anteiligen Vergütungsanspruch für die Zeit vom 01. bis zum 09. August 1998 hat die Beklagte anerkannt. Insoweit hat das Arbeitsgericht antragsgemäß ein Anerkenntnisteilurteil über den Betrag von 571,42 brutto erlassen, wobei den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, ob auch die Zinsen für diese Hauptforderung Gegenstand des Anerkenntnisurteils sind.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin weiterhin den anteiligen Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Entgeltfortzahlung für den Krankheitsfall für die Zeit ab 10. August bis 20. September 1998, den zu erfüllen die Beklagte sich weigert.

Sie hat vorgetragen, ihre psychischen Erkrankungen ab dem 19. Juni und dem 23. September 1998 seien jeweils auf Auseinandersetzungen mit dem Geschäftsführer der Beklagten zurückzuführen gewesen. Die erste hierauf beruhende Krankheitsperiode sei aber am 31. Juli 1998 beendet gewesen.

Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin im ersten Rechtszug wie auch ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils (Bl. 67/68 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, aus den von ihr im Einzelnen angeführten Umständen ergebe sich, dass die auf seelischen Ursachen beruhende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über den 31. Juli 1998 hinaus fortgedauert habe. Deshalb bestehe kein Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren sechswöchigen Zeitraum im Sinne des §3 Abs. 1 EFZG.

Auch wegen ihres Vortrags und ihrer rechtlichen Ausführungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat im teilweise angefochtenen Anerkenntnisteilurteil und Schlussurteil der Hauptforderung in voller Höhe und einem Teil des Zinsanspruchs der Klägerin entsprochen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 69-71 d.A.) wird Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 16. Juni 1999 zugestellt worden ist, hat diese mit am 28. Juni 1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die durch am 27. Juli 1999 eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, aus den von ihr im Einzelnen dargelegten Umständen ergebe sich, dass die Klägerin fortdauernd über den 31. Juli 1998 aus psychischen Gründen arbeitsunfähig gewesen sei, so dass die daneben neu entstandenen Erkrankungen keinen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch hätten auslösen können. Hinsichtlich der verlangten Zinsen aus dem Nettobetrag der eingeklagten Bruttoforderung sei die Klage unzulässig.

Die Beklagte/Berufungsklägerin stellt folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28. Mai 1999 wird abgeändert.

2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin DM 571,42 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin/Berufungsbeklagte stellt den Antrag,

Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und stellt weiterhin in Abrede, ununterbrochen seit dem 19. Juni oder dem 13. Juli 1998 aus psychischen Gründen arbeitsunfähig krank gewesen zu sein.

Wegen des Vortrags der Parteien und ihrer Beweisantritte im zweiten Rechtszug wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 26. Juli 1999 (Bl. 8 bis 18 der Berufungsakte) und die Erwiderungsschrift vom 29. August 1999 (Bl. 28 bis 31 der Berufungsakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat nur zu einem kleinen Teil, nämlich wegen der zugesprochenen Zinsen, Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen zu Recht stattgegeben. Allerdings ist, schon aus Gründen der Ermittlung der zutreffenden Prozessgebühr, im Urteilstenor klarzustellen, in welchem Umfang die Verurteilung auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten zu erfolgen hatte.

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte über den anerkannten Betrag auch zur Zahlung des streitig gebliebenen Teils der Klageforderung verurteilt hat, ist seinen Ausführungen beizutreten. Die Angriffe der Berufung können nach diesseitiger Auffassung kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Der Anspruch beruht auf § 3 Abs. 1 EFZG, weil dessen anspruchsbegründenden Voraussetzungen, nicht aber die dem Anspruch entgegenstehenden Merkmale dieser Bestimmung erfüllt sind.

Die gesetzliche Beschränkung des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 kommen dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer infolge einer anderen Erkrankung als im vorherigen Zeitraum arbeitsunfähig wird. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer erneut bis zur Höchstdauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung beanspruchen. Das gilt nur dann nicht, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit noch während der laufenden Arbeitsunfähigkeit eintritt. Es gilt das Prinzip der Einheit des Verhinderungsfalls (vgl. BAG, Urteil vom 02. Februar 1994 - 5 AZR 345/93 - AP Nr. 99 zu § 1 LohnFG mwN.). Hieran hat sich seit dem Inkrafttreten des Entgeltfortzahlungsgesetzes nichts geändert. Von einer anderen Krankheit ist auszugehen, wenn sie eine andere Ursache hat als die vorhergehende Krankheit und wenn sie auch nicht auf demselben Grundleiden beruht (vgl. etwa BAG, Urteil vom 04. Dezember 1985 - 5 AZR 656/84 - AP Nr. 42 zu § 63 HGB). Mehrere gleichzeitig entstandene oder sich überlappende Erkrankungen, die nicht auf einem Grundleiden beruhen und deshalb als andere Krankheiten im Sinne des Gesetzes anzusehen sind, lösen nur einmal einen Entgeltfortzahlungsanspruch für 42 Kalendertage aus (BAG, Urteil vom 02. Dezember 1981 - 5 AZR 89/80 - AP Nr. 48 zu § 1 LohnFG). Bei später hinzutretender Erkrankung entsteht zwar ein Anspruch; dieser ist aber begrenzt auf den Ablauf des 42. Kalendertags nach Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit.

Zwei selbstständige Verhinderungsfälle und damit zwei von einander unabhängige Ansprüche sind dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet (nicht aber bei einem untauglichen Arbeitsversuch) oder wenn er auch nur kurze Zeit außerhalb der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit (z.B. Sonntag) arbeitsfähig war (BAG, Urteil vom 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 - AP Nr. 77 zu § 616 BGB; vgl. insgesamt auch ErfK/Dörner, §3 EntgeltfortzG Rn. 98).

Für das Vorliegen einer den Anspruch ausschließenden Fortsetzungserkrankung ist der Arbeitgeber darlegungspflichtig. Jedoch kommt dem Arbeitgeber die Regelung des § 69 Abs. 4 SGB X zustatten. Nach dieser Vorschrift sind die Krankenkassen befugt, einem Arbeitgeber mitzuteilen, ob die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers auf derselben Krankheit beruht. So kann sich der Arbeitgeber vorab informieren und die Auskunft der Krankenkasse als Beweismittel in einen etwaigen Prozess einbringen, ohne dass die Krankenkasse zunächst seitens des versicherten Arbeitnehmers von der Schweigepflicht befreit werden müsste (vgl. ErfK/Dörner, aaO. Rn. 99). Vorliegend hat die Krankenkasse der Klägerin mitgeteilt, dass es sich nicht um eine Fortsetzungserkrankung handele.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze können die Einwendungen der Beklagten gegen den klägerischen Anspruch nicht durchgreifen. Die von ihr genannten Umstände rechtfertigen die von ihr gezogenen Schlüsse nicht.

Soweit sie darauf abhebt, dass die Nervenärztin Klein am 23. September 1998 eine Folgebescheinigung ausgestellt hat, kommt diesem Umstand keine besondere Bedeutung zu, da die Bezeichnung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Beurteilung des Krankheitsbildes nicht maßgeblich ist (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 - AP Nr. 77 zu §616 BGB, III 2 a der Gründe). Die Ärztin hat im Zweifel nur an die bislang aus anderen Gründen von anderen Ärzten bescheinigte Arbeitsunfähigkeit einen zeitlichen Anschluss vorgenommen. Für die Annahme der Beklagten, es habe eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen bestanden, spricht nichts. Die Klägerin wurde nach ihren Darlegungen im Monat Juli 1998 deshalb aus psychischen Gründen für arbeitsunfähig erachtet, weil sie eine panische Angst vor dem Kontakt mit dem Geschäftsführer der Beklagten hatte. Diese seelische Beeinträchtigung mag wegen der besonderen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und vielleicht auch im Zustand der Schwangerschaft ihre besondere Ausformung ("anlagebedingt") erhalten haben. Nach ihrem insoweit unbestrittenen Vortrag war aber diese Beeinträchtigung sowohl vor als auch nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum anlassbezogen. Die Klägerin hatte eine Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer der Beklagten. Für eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit aus den genannten Gründen spricht deshalb nichts.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch entscheidungserheblich, dass die Klägerin Anfang August 1998 ihre Arbeit nach Beendigung des bescheinigten Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit angetreten hat. Dass sie von der Beklagten nur noch geringfügig beschäftigt wurde und deshalb möglicherweise eine latente Fortdauer der seelischen Beeinträchtigung der Klägerin nicht manifest wurde, betrifft ihren Risikobereich. Jedenfalls hat die Klägerin durch ihr Erscheinen am Arbeitsplatz objektiv zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Angstzustände überwunden hat. Wie ein bislang Lahmer, der wieder gehen kann, nicht mehr lahm ist, ist auch ein seelisch Gestörter, der diese Störung überwinden kann, nicht mehr - akut - seelisch gestört. Auf besondere Anlagen kommt es nur insoweit an, als eine Wiederholungskrankheit dann vorliegt, wenn wieder anlagebedingt eine Störung akut wird. Die Klägerin war aber eine Woche in der Lage, ihre Arbeitsleistung der Beklagten anzubieten und hat darüber hinaus auch den Zustand, dass sie nicht mehr vertragsgemäß beschäftigt wurde, verkraftet.

Das zu Beginn der darauf folgenden Woche eingetretene Krankheitsbild einer Salmonellenvergiftung und eines Sturzes auf der heimischen Kellertreppe ist aber so weit von der seitens der Klägerin geschilderten seelischen Störung entfernt, dass weiterhin nichts dafür spricht, dass vor der von der Klägerin dargelegten erneuten Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer der Beklagten und der erfolgten Kündigung auch des Arbeitsverhältnisses ihres Ehemannes Ende September 1998 eine derartige, die Arbeitsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigende Störung ihrer seelischen Befindlichkeit die aus anderen Gründen bereits bestehende Arbeitsunfähigkeit überlagert hätte.

Für die Richtigkeit der Darlegungen der Beklagten spricht nicht einmal ein gewisses Indiz, geschweige denn, dass die Art der Erkrankung einen Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer einheitlichen Erkrankung begründen könnte. Entscheidend ist, dass die Klägerin durch diese Krankheit nicht gehindert war, ihre Arbeitsleistung der Beklagten anzubieten, die Beklagte aber auch keine Umstände benennen konnte, die es hätten wenigstens nahelegen können, dass die Klägerin im Zustande der Arbeitsunfähigkeit einen Arbeitsversuch unternommen hätte, der nur deshalb nicht manifest gescheitert ist, weil ihre Arbeitsleistung nicht abgerufen wurde. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine Phobie vor ihrer Arbeit, sondern vor dem Geschäftsführer der Beklagten hatte. Die Fortdauer eines solchen Syndroms hätte sich also auch dann zeigen müssen, wenn die Klägerin nicht vertragsgerecht beschäftigt wurde, weil es auf die Frage einer Störung des persönlichen Kontakts und der Kommunikation ankam und nicht auf ein Insuffizienzgefühl in Bezug auf die zu erbringende Arbeit. Wenn die Klägerin aber diese Woche unverdrossen zur Arbeit ging und auf Grund eines äußerlichen Ereignisses in der Folgewoche eine neue Arbeitsunfähigkeitsperiode begann, erscheint die Behauptung der Beklagten, die psychogene Arbeitsunfähigkeit habe über den 31. Juli 1998 hinaus ununterbrochen fortgedauert, willkürlich und aus der Luft gegriffen. Es mag zwar eine anlagebedingte Anfälligkeit für eine derartige Störung fortbestanden haben. Die Annahme der Arbeitsunfähigkeit ist aber auf Grund der genannten Tatsache, dass die Klägerin sich im tatsächlichen Sinne arbeitsbereit gezeigt hat, nicht gerechtfertigt. Dies hat das Arbeitsgericht entgegen der Auffassung der Beklagten richtig gesehen. Ob die seelische Befindlichkeitsstörung nach einer Unterbrechung im hier fraglichen Zeitraum erneut im Sinne einer wiederholten Erkrankung wieder zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, ist aber unerheblich und beeinträchtigt den hier von der Klägerin verfolgten Anspruch nicht. (vgl. BAG, Urteil vom 02. Februar 1994 - 5 AZR 345/93, aaO).

Da nach allem die Beklagte für ihre Rechtsmeinung keine greifbaren Tatsachen vorgetragen hat, sind auch nicht ihre Beweisanträge zu erledigen. Es fehlt an einem Sachverhalt, der beweisbedürftig wäre, weil die Beklagte nur unberechtigte Schlüsse und Mutmaßungen für ihre Meinung vorbringen kann. Überdies trifft den Arbeitgeber eine Erkundigungspflicht bei den zuständigen Ärzten und Sozialversicherungsträgern (vgl. BAG, Urteil vom 19. März 1986 - 5 AZR 86/85 - AP Nr. 67 zu §1 LohnFG). Er hat nicht nur, wie eingangs erwähnt, die Möglichkeit, Auskünfte vom Krankenversicherungsträger einzuholen. Insoweit ist er nicht auf Beweis- erleichterungen angewiesen und auch nicht genötigt, ohne sichere Grundlage Behauptungen in den Rechtsstreit einzuführen, die nicht aus seiner Erkenntnissphäre stammen. Auf irgendwelche Hinweise seitens der behandelnden Ärzte hat die Beklagte aber in ihrem Vortrag nicht zurückgegriffen.

Da auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen, soweit der Anspruch geltend gemacht wurde, unstreitig dem Grunde und der Höhe nach vorliegen, hat das Arbeitsgericht auch wegen des streitigen Teils der Hauptforderung der Klage zu Recht entsprochen.

Abzuändern ist das Urteil aber hinsichtlich des Zinsausspruchs. Insoweit ist die Klage mangels ausreichender Bestimmung des Streitgegenstandes unzulässig. Nach der Vorlageentscheidung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 11. August 1998 (9 AZR 122/95 (A) - AP Nr. 1 zu § 228 BGB) setzt das Bestimmtheitsgebot des §253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die bezifferte Angabe des zu verzinsenden Geldbetrags voraus. Daran fehlt es bei einem Antrag wie dem vorliegenden, weil sich der Nettobetrag nicht aus der Klage, sondern auf Grund einer außerhalb des Rechtsstreits vorzunehmender Ermittlung von Umständen ergibt. Nachdem sich auch die übrigen Senate des Bundesarbeitsgerichts dieser Auffassung angeschlossen haben, haben die Arbeitnehmer die ihnen nunmehr eröffnete Möglichkeit, Zinsen aus dem bezifferten Bruttobetrag zu verlangen, in Anspruch zu nehmen. Die Geltendmachung eines unbestimmten Teils des Zinsanspruchs ist im Hinblick auf §253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht zulässig. Die Abänderung des Urteils ist vorzunehmen, auch wenn hinsichtlich des anerkannten Teils der Hauptforderung auch der hierauf entfallende Zinsausspruch Gegenstand des Anerkenntnisteil- urteils gewesen sein sollte, weil auch für den anerkannten Teil der Klageforderung die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen müssen, damit insoweit ein Anerkenntnisurteil ergehen kann. Das Anerkenntnis ersetzt nur die Begründetheit, nicht die Zulässigkeit der Klage.

Da die Berufung aber wegen der Hauptforderung erfolglos blieb, hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. An der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts für den ersten Rechtszug war nichts zu ändern.

Ende der Entscheidung

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