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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 03.02.2000
Aktenzeichen: 4 Sa 9/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 780
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 124 Abs. 1
BGB § 142
BGB § 142 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
GKG § 25 Abs. 2
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 9/99

verkündet am 03.02.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Buchau und den ehrenamtlichen Richter Lösch auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. November 1998 - 3 Ca 3628/98 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 235.894,00 DM

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Beklagte wirksam zur Zahlung eines Betrags von 250.000 DM an die Klägerin verpflichtet hat.

Die Beklagte war bei der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit ca. 30 Jahren als Bäckereiverkäuferin tätig. Ihr monatliches Nettoeinkommen belief sich bei einer Vier-Tage-Woche zuletzt auf ca. 1.600 DM. Zwischen den Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Beklagten hatten enge freundschaftliche Beziehungen bestanden.

Nach entsprechenden Hinweisen durch eine Kundin im November 1997 ließ die Klägerin im Januar 1998 im Verkaufsraum, in dem die Beklagte beschäftigt war, zu deren Beobachtung eine Videokamera installieren. Auf den Videoaufnahmen war - dies ist insoweit unstreitig - zu erkennen, dass die Beklagte mehrfach in die Kasse griff und Geldscheine in ihre Schürzentasche steckte.

Nach viertägiger Beobachtung wurde die Beklagte aus dem Laden heraus zu einem Gespräch in die Wohnung einer der Geschäftsführerinnen gebeten. Als sie dort erschien, waren bereits die drei Geschäftsführerinnen sowie der Sohn der Geschäftsführerin Frau S. und die Ehemänner der beiden anderen Geschäftsführerinnen anwesend. Geführt wurde das Gespräch durch den nachmaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Der Verlauf des Gesprächs ist zum Teil streitig. Unstreitig jedoch stritt die Beklagte zunächst jede Wegnahme von Geld ab. Nachdem ihr ein Teil der Videoaufnahmen vorgespielt worden war, räumte sie jedoch ein Fehlverhalten dem Grunde nach ein. Als Motiv gab sie an, sie sei von der Geschäftsführerin Frau S. nicht voll anerkannt worden. Auf Grund entsprechender Vorabinformation durch die Klägerin rechnete der Klägervertreter den mutmaßlichen Schaden hoch und bezifferte ihn für einen Zeitraum von fünf Jahren mit 250.000 DM. Vor die Alternative gestellt, ob sie sich gütlich einigen oder aber eine polizeiliche und staatsanwaltliche Untersuchung des Falles bevorzuge, vertrat die Beklagte zunächst die Auffassung, so viel sei es nichtgewesen, erklärte aber dann ihre Bereitschaft, sich gütlich einigen zu wollen. Hierauf setzte der Klägervertreter handschriftlich eine Erklärung auf (Fotokopie Bl. 15 d.A.), die die Geschäftsführerinnen der Klägerin und anschließend die Beklagte unterzeichneten. Diese mit dem Wort Vereinbarung überschriebene Erklärung hat folgenden Wortlaut:

Vereinbarung

zwischen

Fa S. GmbH, vertreten durch

Fr. D. S.

" M. H.

" S. P.

u. Frau U. A.

1) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wird mit sofortiger Wirkung aufgelöst.

2) Frau A. bez. an die Fa S. GmbH DM 250.000,-- (zweihundertfünfzigtausend)

In der Folge weigerte sich die Beklagte, diesen Betrag an die Klägerin zu bezahlen. Vielmehr erklärte sie mit Schreiben vom 10.2.1998 (Fotokopie Bl. 6 d.A.) die Anfechtung ihrer Erklärung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung und stützte ihre Weigerung weiterhin auf die Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Erklärung wie auch wegen Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Anlässlich eines Einigungsversuchs zwischen den Parteien überbrachte die Beklagte der Klägerin am 11. März 1998 einen Betrag von 11.230,00 DM, den sie in ihrem Weißzeugschrank verborgen hatte und der nach ihren Angaben den gesamten von ihr aus der Kasse entwendeten Betrag ausmachen sollte.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin den von der Beklagten anerkannten Betrag abzüglich der Summe, die sie der Klägerin überbrachte sowie ihrer restlichen Vergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 235.894,-- nebst 9 % Zinsen seit 10.02.1998 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Ausführungen der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 63 bis 69 d.A.).

Mit Urteil vom 10. November 1998 hat das Arbeitsgericht der Zahlungsklage stattgegeben. Es vertritt in diesem Urteil die Auffassung, dass sämtliche Einwendungen der Beklagten gegen die Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses nicht durchgreifen könnten. Wegen der Einzelheiten der Ausführungendes Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil (Bl. 69 bis 78 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 29. Dezember 1998 zugestellte Urteil hat diese mit Schriftsatz vom 28.01.1999, bei Gericht am selben Tag in Telekopie eingegangen, Berufung eingelegt, die sie mit am 29. März 1999 in Telekopie eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag innerhalb der verlängerten (vgl. Verfügung vom 25.02.99 - Bl. 49 d.A.) Begründungsfrist ausgeführt hat.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die streitgegenständliche Forderung der Klägerin sich aus der Vereinbarung vom 3.2.98 nicht ergebe, da es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Erklärung handele. Wenn dies aber der Fall sei, sei die Vereinbarung sittenwidrig oder wirksam wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung angefochten oder mangels Geschäftsfähigkeit zum damaligen Zeitpunktoder wegen Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ohne rechtliche Wirkung. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass keine zuverlässige Erfassung der Kassenbestände erfolgt sei. Darüber hinaus hätten, wie auch die Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht eingeräumt habe, mehrere Personen auf die Kassen - es gäbe derer zwei - Zugriff. Für die behaupteten Angaben der Steuerberater, es fehle jährlich Geld in der Größenordnung von 40 bis 50 Tausend DM, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte. Für einen derartigen Fehlbetrag seien auch andere Umstände wie etwa ein großer unverkäuflicher Anteil der von außen bezogenen Backwaren und die Tatsache verantwortlich, dass die Kassen gegen Zugriffe Dritter nicht geschützt gewesen seien. Bei besonderen Anlässen sei auch Aushilfspersonal unmittelbar aus der Kasse bezahlt worden, ohne dass dies verbucht worden sei. Sie habe mit den Diebstählen erst ab August/September 1997 begonnen und könne nicht für vorhergegangene, rechnerisch nicht konkret erfasste Defizite haftbar gemacht werden. Bei dem Gespräch vom 03. Februar 1998 habe sie sich so in die Enge getrieben gefühlt, dass sie alles unterschrieben hätte. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens und ihrer Rechtsauffassung wird auf ihre Berufungsbegründungsschrift vom 29.03.1999 (Bl. II 50- 82 d.A.) und im Schriftsatz vom 16.08.1999 (Bl. II 102 - 115 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte/Berufungsklägerin stellt folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.11.1998 - Aktenzeichen 3 Ca 3628/98, wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und legt im Einzelnen ihre Auffassung bezüglich der Richtigkeit dieser Entscheidung und der Wirksamkeit der fraglichen Vereinbarung dar. Insbesondere weist sie darauf hin, dass sie keine andere Möglichkeit gehabt habe, als den Schaden anhand der Feststellungen, die sich aus den Videoaufnahmen ergeben hätten (Wegnahme von rund 700 DM in den beobachteten vier Tagen) und den Angaben der Steuerberater über die Fehlbeträge hochzurechnen. Der mutmaßliche Schaden sei wesentlich höher. In der mündlichen Verhandlung ergänzt sie ihr Vorbringen noch dahingehend, dass die für die vergangenen Jahre angenommenen Fehlbeträge auf Schätzungen der Steuerberater auf Grund ihrer Erfahrung und nicht auf konkreten Rechenwerken beruhten. Diese hätten sich dahingehend geäußert, es könne etwas nicht stimmen, es werde viel weniger eingenommen als verkauft. Eine Kontrolle des Schwunds habe es jedoch nicht gegeben. Deshalb sei auch eine konkretere Darlegung des Defizits nicht möglich. Der Klägervertreter habe sich von den Geschäftsführerinnen über diese Schätzungen der Steuerberater informiert und sie dann zur Grundlage seiner Hochrechnung im Gespräch mit der Beklagten gemacht. Wegen der Einzelheiten ihrer Rechtsauffassung wird auf ihre Berufungserwiderungsschrift vom 31.05.99 (Bl. II 92 - 96 d.A.) und den Schriftsatz vom 28.12.99 (Bl. II 119 - 121 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Zwar ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass es sich bei der Verpflichtung der Beklagten, die ausschließlich Gegenstand der vorliegenden Klage ist (also nicht deren unerlaubte Handlungen), um ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB handelt. Dies ergibt sich aus der Interessenlage der Beteiligten und insbesondere der Klägerin, die darauf angewiesen war, auf Grund dessen, dass die Umstände des Fehlverhaltens der Beklagten völlig im Dunkeln lagen und nicht mehr zuverlässig aufgeklärt werden konnten, einen Verpflichtungsgrund zu schaffen, der von den einzelnen nach Zahl, Zeitpunkt und Schadenshöhe nicht mehr bestimmbaren Pflichtverletzungen losgelöst ist und die auf einer Schätzung beruhende Schuld unabhängig davon auf eine neue rechtliche Grundlage stellte.

Die Erklärung, die zu diesem Vertrag führte, hat die Beklagte aber wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten, so dass die Vereinbarung nach § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig ist. Dass sich die Beklagte bei der Erklärung der Anfechtung im Schreiben vom 10.2.1998 nicht auf diesen Anfechtungsgrund berufen hat, ist unschädlich. Jedenfalls im Schriftsatz vom 5.6.1998 (Seite 4 - Bl. 29 d.A.) und damit innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 BGB hat sie dies getan, soweit dies erforderlich ist.

Allerdings ist die Drohung mit einer Strafanzeige oder mit der Absicht, die weitere Aufklärung der Polizei zu überlassen, dann nicht rechtswidrig, wenn der Gläubiger der vereinbarten Leistung die Höhe der ihm zugestandenen Verbindlichkeit für zutreffend halten konnte. Ein Gläubiger darf seine vermeintlichen Schadensersatzansprüche unabhängig davon geltend machen, ob er sie beweisen kann (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 1989 - 8 AZR 748/87 - n.v.). Unerheblich ist auch, dass der Gläubiger keinen Anspruch auf Abgabe eines Schuldanerkenntnisses hat (vgl. BGH Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95 - NJW 1997, 1980 ff..). Widerrechtlich ist eine Drohung aber wegen unangemessener und zumissbilligender Zweck-Mittel-Relation, wenn der Gläubiger die Straftat des Schuldners ausnutzt, um einen anderweitigen Schaden ersetzt zu bekommen. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der anzuzeigenden Straftat und dem wieder gutzumachenden Schaden kein innerer Zusammenhang besteht. Geht es nur um den Schadensausgleich aus der Straftat und wird der Schuldner nichtübervorteilt, verstößt die Drohung mit der Strafanzeige nicht gegen Treu und Glauben. Dabei liegt eine Übervorteilung nicht schon darin, dass die hinzugezogene Polizei kaum in der Lage gewesen wäre, den wirklichen Schaden festzustellen (vgl. BAG Urteil vom 22. Oktober 1998- 8 AZR 457/97 - AP Nr. 5 zu § 781 BGB; I 4 d ee der Gründe). Keinesfalls darf der Arbeitgeber aber die Gelegenheit der Aufdeckung von Diebstahlshandlungen durch einen Mitarbeiter dazu nutzen, durch ein von diesem unterzeichnetes Schuldanerkenntnis auch solche Inventurdifferenzen auszugleichen, für die andere Ursachen als die von dem betroffenen Arbeitnehmer eingeräumte Schädigung in Betracht kommen oder sogar wahrscheinlich sind (vgl. Thüringer LAG, Urteil vom 10. September 1998 - 5 Sa 104/97 - LAGE § 138 BGB Nr 12; hier wird allerdings dieser Umstand im Bereich des § 138 BGB geprüft). Ist das Schuldanerkenntnis aber deshalb unwirksam, weil die Höhe der Forderung nicht mit dem kongruent ist, was der Gläubiger noch als angemessen ansehen durfte, kommt eine Anpassung auf das noch rechtlich Zulässige nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1987 - III ZR 153/85 - NJW 1987, 2014 ff.). Der Ausnahmefall, dass sich das Anerkenntnis zugleich auf mehrere Teilakte erstreckt, liegt hier nicht vor. Dies muss aber um so mehr auch im Falle einer Anfechtung gelten. Denn hier hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Ausübung eines Gestaltungsrechts ab, das nur einheitlich vorgenommen werden kann.

Vorliegend konnte die Klägerin nicht von einem durch die Beklagte verursachten Schaden in der Höhe, zu deren Zahlung sich die Beklagte verpflichtet hat, ausgehen. Der Betrag beruht nicht auf den Angaben der Beklagten. Diese hat vielmehr bei dem fraglichen Gespräch bereits eingewandt, der von ihr entwendete Betrag sei nicht so hoch gewesen. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass sie sich spezifiziert zur mutmaßlichen Schadenshöhe eingelassen hätte. Noch in der Erklärung, mit der sie das Schuldanerkenntnis angefochten hat, hat sie noch keine Silbe über den von ihr in einem Schrank gehorteten Betrag verloren. Die Schätzung aber, die die Klägerin hinsichtlich des behaupteten Schadens vornahm, beruht auf viel zu unsicheren Grundlagen, als dass sie die anerkannte Summe der Höhe nach rechtfertigen kann.

Sicherlich konnte sie aus der Sicht zum Zeitpunkt des fraglichen Gesprächs davon ausgehen, dass die Beklagte nicht nur im beobachteten Zeitraum Geldunrechtmäßig aus der Kasse nahm. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass auch für die Vergangenheit ein Zeitraum angenommen wird, in dem die Beklagte die besagten Pflichtverletzungen begangen hat. Dass diese nur den dann tatsächlich wieder zurückgegebenen Betrag in einem Zeitraum von rund fünf Monaten vor der Entdeckung entwendet haben will, kann man der Beklagten glauben oder auch nicht. Für die Richtigkeit dieser Einlassung spricht nichts. Insbesondere fehlt auch eine konkrete Darlegung, aus der sich ergeben könnte, dass die Beklagte tatsächlich erst in dem von ihr angegebenen Zeitraum mit den Pflichtwidrigkeiten begonnen hat. Dies bedeutet aber nicht, dass die Klägerin keine greifbaren Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit der von ihr angenommen Schadensdimension vortragen müsste. Die Tatsache, dass die Beklagte sich jeglicher konkreter Einlassung enthielt mit Ausnahme des Einwurfs, "so viel" sei es nicht gewesen, eröffnet der Klägerin nicht die Möglichkeit, die von ihr angenommene Schadenshöhe ohne hinreichende Anhaltspunkte als Grundlage für das abzugebende Schuldanerkenntnis zu bestimmen. Die Schadenshöhe wurde in diesem Punkt nicht unstreitig gestellt. Vielmehr stand die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin vor der Alternative, entweder die von ihr geschätzte Summe zu akzeptieren oder es aber auf eine polizeiliche Ermittlung ankommen zu lassen, die zwar hinsichtlich der Schadenshöhe keine wesentlichen Erkenntnisse versprach, aber die Beklagte in die unerwünschte Situation einer Beeinträchtigung ihrer sozialen Position brachte.

Allerdings durfte die Klägerin bei ihrer Schadensschätzung von dem Betrag ausgehen, der während des Beobachtungszeitraums von der Beklagten aus der Kasse genommen wurde. Dieser Betrag ist eine hinreichend sichere Grundlage für eine Schätzung auch des in der Vergangenheit möglicherweise eingetretenen Schadens. Dass sich die Dreistigkeit und Unbekümmertheit, mit der die Beklagte das Geld unrechtmäßig aus der Kasse nahm, im Laufe der Zeit gesteigert haben mag und im Anfangszeitraum, wann immer dieser anzusiedeln sein sollte, die Beklagte etwas vorsichtiger zu Werke gegangen sein könnte, musste die Klägerin nicht ohne weiteres, also ohne diesbezügliche Indizien, zu ihren Lasten ihrer Schätzung zu Grunde legen.

Auszugehen ist aber entgegen den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 28.12.99 nicht von einem Betrag von 1.000 DM wöchentlich. Die Beklagte hat nach dem bis zur letzten mündlichen Verhandlung unstreitigen Vortrag beider Parteien regelmäßig an vier Tagen in der Wochegearbeitet. In der mündlichen Verhandlung hat eine der Geschäftsführerinnen eine vier- bis fünftägige wöchentliche Arbeitszeit genannt. Es mag deshalb äußerstenfalls von einem Betrag von 800 DM wöchentlich auszugehen sein. Für eine höhere Annahme fehlt jegliche Grundlage. Jede darüber hinausgehende Annahme wäre willkürlich. Insbesondere kann die Klägerin nicht, wie dies in dem genannten Schriftsatz geschehen ist, von einer Sieben-Tage-Woche ausgehen und demnach den wöchentlich von der Beklagten einbehaltenen Betrag mit 1.000 DM ansetzen. Dies ist eine Fiktion ohne Tatsachengrundlage. Wird aber, wenn der Schätzrahmen zu Gunsten der Klägerin auf maximal 800 DM in der Woche ausgedehnt wird, dieser Betrag auf ein Jahr hochgerechnet, ist bei einer Beschäftigungwährend etwa 47 Wochen im Jahr ein von der Beklagten verursachter Fehlbetrag von rund 37.600 DM anzunehmen. Für fünf Jahre überstiege der zulässige Schätzbetrag (188.000 DM) den anerkannten um 62.000 DM, also fast um 1/3 des auf diese Weise hochgerechneten Schadens.

Die Klägerin hat ferner vorgetragen, dass ihr die ersten Hinweise auf eine Unehrlichkeit der Beklagten bei der Führung der Kasse im Jahr 1994 zu Ohren gekommen seien. Damals habe aber die Beklagte jeden Verdacht von sich gewiesen und man habe ihr volles Vertrauen entgegengebracht. Legt man diesen Vortrag als richtig zu Grunde, kann als Referenzzeitraum, wenn die Grenzen nicht völlig verschwimmen sollten, allenfalls der Verlauf von vier Kalenderjahren bis zur Überführung der Beklagten am 3. Februar 1998 einer verantwortlichen Schadensschätzung unterlegt werden. Ein nachvollziehbarer Betrag an der oberen Grenze der Schätzung beliefe sich dann auf 150.400 DM, also 100.000 DM weniger als der, den sich die Klägerin anerkennen ließ.

Die Klägerin kann sich für die von ihr vorgenommene Schätzung auch nicht auf die Mitteilungen ihrer Steuerberater bezüglich der angeblich zu geringen Einnahmen von jährlich 40 bis 50 Tausend DM berufen. Diese Mitteilungen konnte sie nicht anhand konkreter Erfassungen und Berechnungen erläutern. Nach ihrem Vortrag handelte es sich lediglich um Beurteilungen der Ertragssituation auf der Grundlage deren Erfahrungen. Es wurden keinerlei Daten eines betrieblichen Rechnungswesens in Beziehung zueinander gesetzt. Stünde bereits dieser Umstand der Heranziehungsolcher Äußerungen als auch nur einigermaßen plausiblen Schätzungsgrundlage entgegen, kommt noch Folgendes hinzu: Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Umfang des Fremdbezugs von Bäckereiwaren die Absatzmöglichkeiten weit überstiegen hätte. Auch nachAussage einer der Geschäftsführerinnen bleibe zu viel Ware liegen. Eine weitere Geschäftsführerin hat im Verhandlungstermin noch erklärt, dass liegengebliebene Ware zum Ende eines Tages für den halben Preis verkauft worden sei. Bereits hier zeigt sich neben der Bezahlung von Aushilfspersonal aus der Kasse eine Verlustquelle, wenn weder die verbilligten noch die nicht verkauften Waren bestandsmäßig erfasst noch dem Einkaufswert der Waren wie auch dem exakt ermittelten Kassenbestand gegenübergestellt werden. Nach dem eigenen Vorbringender Klägerin im ersten Rechtszug haben drei bis vier Personen Zugang zu der nach ihrer Behauptung einzigen Kasse in der Verkaufsstelle. Bereits dies lässt die Möglichkeit offen, die auch von der Klägerin zu berücksichtigen gewesen wäre, dass eventuelle Fehlbeträge von anderen Personen verursacht wurden. Die Beklagte weist auf diese Gegebenheiten in ihrem Vortrag hin, auch was die Frage unkontrollierter Privatentnahmen anbetrifft hin, ohne dass die Klägerin dem im Einzelnen entgegengetreten wäre. Die Beklagte mag eine von mehreren Personen gewesen sein, die wegen unzureichender Kontrolle der Kasse und der Erfassung und Sicherung des Bargelds die Gelegenheit zu unrechtmäßiger Bereicherung wahrgenommen hat. Es spricht aber nichts dafür, dass die von der Klägerin nur völlig pauschal und ohne hinreichenden Vortrag eines auch nur einigermaßen gesicherten Zahlenwerkes behaupteten Verluste auch noch ausschließlich von der Beklagten verursacht worden wären. ZuRecht weist die Beklagte auf den Umstand hin, dass dann die von ihr verursachten Fehlbeträge sich in den Zeiten ihrer Abwesenheit als auffällig höhere Einnahmen hätten niederschlagen müssen. Dass es solche Verluste tatsächlich schon seit dem fraglichen Zeitraum gab, erscheint auch deshalb zweifelhaft, weil es sich bei dem von der Klägerin genannten Betrag um einen großen Teil des Gewinns gehandelt haben muss. Bei einem täglichen Kassenumsatz von rund 3.000 DM stellt ein täglicher Fehlbetrag von durchschnittlich 175 DM einen fühlbaren Betrag dar, da es sich ja im Wesentlichen um Handelsware handelte. Gleichwohl sah sich die Klägerin, trotz der von ihr behaupteten Hinweise sowohl im Hinblick auf die Unehrlichkeit der Beklagten als auch seitens ihrer Steuerberater, nicht veranlasst, durch eine lückenlose Kontrolle des Kassenbereichs diese unerklärlichen Verluste einzugrenzen oder zu verhindern. Vielmehr wurden keinerlei Maßnahmen ergriffen. Es ist aber nicht Sinn des Schuldanerkenntnisses, diese Versäumnisse der Klägerin bezüglich der Feststellung der Schadensursachen für Abmängel dadurch zu kompensieren, dass die ganzen Verluste ohne hinreichende Anhaltspunkte ausschließlich auf das Verhalten der Beklagten zurückgeführt wird und die ins Auge springende Möglichkeit anderer Ursachen zu Lastender Beklagten ausgeblendet werden. Damit wird das unternehmerische Risikovoll auf die Beklagte verlagert. Soweit dies von der Klägerin durch das Anerkenntnis erreicht werden sollte, kann die Drohung mit einer polizeilichen Untersuchung oder einer Strafanzeige die Höhe des anerkannten Betrags nicht mehr rechtfertigen. Insofern erscheint das Drohmittel als inadäquat im Verhältnis zum angestrebten Zweck.

Daran ändert sich auch nichts, dass die Hochrechnung vom Klägervertreter als Rechtsanwalt und damit aus der Sicht der Klägerin von einer kundigen Person vorgenommen wurde, der sie vertrauen durfte, da auch dieser nicht selbst die Ausgangszahlen ermittelte, sondern sich seinerseits hinsichtlich der Basis seiner Hochrechnungen auf die nicht weiter hinterfragten Angaben der Klägerin verließ. Insoweit kommt der Klägerin auch nicht zugute, dass sie hätte davon ausgehen dürfen, für sie seien zuverlässige Zahlen und Daten ermittelt worden.

Schließlich ist es auch nicht erheblich, ob die Klägerin wusste, die Drohung sei im Verhältnis zum geforderten Geldbetrag widerrechtlich. Maßgeblich ist, dass sie die Umstände kannte und dass auch aus ihrer Sicht für den Inhalt der Willenserklärung der Beklagten die hier unstreitige Drohung ursächlich war. Dies ist hier aber unbedenklich der Fall. Subjektiv konnte sie nicht davon ausgehen, dass die von ihr genannten Umstände die Höhe des verlangten Betrags rechtfertigen konnten.

Damit ist die auf eine widerrechtliche Drohung gestützte Anfechtung der Willenserklärung, die zu dem streitgegenständlichen Schuldversprechen geführt hat, nach § 123 Abs. 1 BGB mit der Folge ihrer völligen Nichtigkeit nach § 142 BGB gerechtfertigt.

Demnach ist auch die Klage, die ausschließlich auf das auch nachMeinung der Klägerin abstrakte Schuldanerkenntnis gestützt wird, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts unbegründet. Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der nach § 25 Abs. 2 GKG festzusetzende Gebührenwert für den zweiten Rechtszug bestimmt sich nach der Höhe der Klageforderung (§ 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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