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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.07.2001
Aktenzeichen: 4 Ta 33/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 13 Abs. 3
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 3
BRAGO § 128 Abs. 5
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 4 Ta 33/01

Stuttgart, 26. Juli 2001

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 26. Juli 2000 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 27. April 2001 - 7 Ca 551/00 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer seine Auffassung, dass in den Fällen, in denen die wegen der rechtshängigen Ansprüche bewilligte Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines Vergleichs erstreckt wird, der auch nicht rechtshängige Ansprüche erfasst, die hiervon erfassten Gegenstände nicht eine aus der Staatskasse zu entrichtende Gebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (15/10), sondern nur nach Satz 3 dieser Bestimmung (10/10) auslösen.Die Prozessparteien des Ausgangsverfahrens stritten um Forderungen der Beteiligten zu 2, der auf ihren Antrag für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Ihr wurde der Beteiligte zu 3 beigeordnet. Im Gütetermin vom 29. November 2000 schlossen die Parteien des Ausgangsverfahrens unter Mitwirkung des Beteiligten zu 3 einen Prozessvergleich, in den noch weitere Gegenstände einbezogen wurden, die aber im Ausgangsverfahren nicht rechtshängig waren.

Nach Abschluss des Vergleichs erstreckte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 15. Januar 2001 die bewilligte Prozesskostenhilfe rückwirkend auf den Vergleich, weil bereits in dem mit der Klageerhebung verbundenen Antrag, der auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichtet war, ein entsprechender Antrag konkludent enthalten gewesen sei. Wegen des Mehrwerts der mitverglichenen Streitgegenstände teilte die Vorsitzende des Arbeitsgerichts, die die Güteverhandlung leitete, lediglich ihre Absicht mit, diese Gegenstände mit 5.841,40 DM zu bewerten. Diese Festsetzungsabsicht nahm auch der Beschwerdeführer als Grundlage für seine Berechnung der zu entrichtenden Vergütung.

Im angegriffenen Beschluss setzte das Arbeitsgericht die Vergleichsgebühr unter Berücksichtigung der Obergrenze des § 13 Abs. 3 BRAGO auf 15/10 aus 5.841,40 DM fest. Hiergegen richtet sich nach erfolgloser Erinnerung die Beschwerde, die unter Berufung auf Entscheidungen aus neuerer Zeit nur eine Vergleichsgebühr von 10/10 für den gesamten Vergleichswert für richtig hält.

2. Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Der Beteiligte zu 3 hat nach § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO einen Anspruch auf eine 15/10-Gebühr aus dem Teilwert von 5.841,40 DM innerhalb der berücksichtigten Obergrenze des § 13 Abs. 3 BRAGO. Die Vergleichsgebühr wurde deshalb vom Arbeitsgericht zutreffend angesetzt.

Die vorliegende Frage wird in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Dabei geht die Tendenz der Landesarbeitsgerichte dahin, bei der Erstreckung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO anzuwenden, während die Oberlandesgerichte eher dazu neigen, das Merkmal der Anhängigkeit für diese Fallgestaltung zu verneinen. Wegen der Rechtsprechungsnachweise wird auf den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 1999 (9 Ta 52/99 - JurBüro 1999, 359-360) verwiesen. Auch auf die vom Beschwerdeführer angezogene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 04. Mai 2000 (9 Ta 32/00 - AnwBl 2000, 692) wird Bezug genommen.

Der dort vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Deshalb ist jedenfalls im Ergebnis an der vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im Beschluss vom 29. Mai 1995(1 Ta 27/95 - JurBüro 1995, 585) vertretenen Auffassung festzuhalten. Wortlaut und Sinngehalt rechtfertigen eine Ausdehnung der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO auf die vorliegende Fallgestaltung nicht. Dabei kann durchaus vom Anliegen des Gesetzgebers ausgegangen werden, die außergerichtliche Beilegung eines Rechtsstreits zu fördern. Wie dies der Gesetzgeber macht und welche Wege er dabei verfolgt, wird von diesem vorgegeben und bedarf hier keiner Korrekturen durch die Rechtsprechung. Bei der dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühr ist jedenfalls von der Grundregel auszugehen, dass die Vergleichsgebühr 15/10 beträgt, es sei denn, über den Vergleichsgegenstand sei ein gerichtliches Verfahren anhängig. Dasselbe gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist. Diese Gleichstellung ist nur für den Fall notwendig, dass das Prozesskostenhilfeverfahren als besonderes Verfahren vorgeschaltet ist. Für Prozesskostenhilfeanträge innerhalb eines bereits anhängigen Verfahrens hat diese Bestimmung keine Bedeutung. Dieses dem anhängigen gerichtlichen Verfahren gleichstehende Prozesskostenhilfeverfahren ist dann durchzuführen, wenn mit der Klageerhebung noch zugewartet wird, bis eine Entscheidung über die Bewilligung ergangen ist, wenn nicht die Klageerhebung sogar von einer positiven Entscheidung abhängig gemacht wird. Es wird also vom Gericht eine Entscheidung verlangt über das Vorliegen der subjektiven und objektiven Bewilligungsvoraussetzungen. Im Rahmen der Erfolgsaussicht muss sich das Gericht bereits mit dem Anspruch befassen und eine Prognose anstellen. Die Gleichstellung des Prozesskostenhilfeverfahrens mit dem gerichtlichen Verfahren rechtfertigt sich also daraus, dass der Gesetzgeber in typisierender Weise die erhöhte Vergleichsgebühr auch in diesem Fall nicht gewähren will, weil vom Gericht eine Entscheidung verlangt wird, die sich mittelbar auf den Streitgegenstand bezieht. Notwendig ist aber in jedem Fall, dass die Ansprüche, die von § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO erfasst werden, klar umrissen sind. Sie lassen sich auch im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens individualisieren. Es muss von Anfang an feststehen, wegen welcher Ansprüche eine Entscheidung begehrt wird.

Eine solche Entscheidung wird bei der Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf nicht anhängige Gegenstände nicht verlangt. Es steht zum Zeitpunkt der Erstreckung nicht einmal ohne weiteres fest, welche Gegenstände in den Vergleich einbezogen und welche nicht vom abzuschließenden Vergleich erfasst werden sollen. Die Erstreckung erfolgt ohne Prüfung der Erfolgsaussicht der Auffassung, die die von der Bewilligung begünstigte Partei einnimmt. Gegen die Ausdehnung der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden spricht neben dem Umstand, dass sie als Ausnahmetatbestand eng auszulegen ist, auch die nicht zu leugnende Tatsache, dass der Begriff "Anhängigkeit", wie weit gefasst er auch immer zu verstehen sein mag, jedenfalls voraussetzt, dass Klarheit darüber besteht, auf welche Sachverhalte sich eine gerichtliche Prüfung und Entscheidung erstrecken soll. Wenn nach dem Gesetz ein gerichtliches oder ein Prozesskostenhilfeverfahren anhängig sein muss, kann sich das nur auf konkrete Streitigkeiten beziehen und nicht etwa nur die allgemeine Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien betreffen. Demgegenüber ist es unbeachtlich, ob der Vergleich mit oder ohne gerichtliche Hilfe in Bezug auf die nicht anhängigen Gegenstände zustande kommt, weil der Gesetzgeber nicht die Abwesenheit gerichtlicher Interventionen, sondern die Tatsache privilegiert hat, dass die Parteien nicht konkrete Streitpunkte zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht haben, die sie anstreben. Es erscheint auch gekünstelt, die Höhe der Vergleichsgebühr davon abhängig zu machen, ob die Parteien nun bezüglich der außergerichtlichen Gegenstände eine eigenständig formulierte Einigung zu Protokoll geben - insoweit würde Prozesskostenhilfe nicht für eine beabsichtigte, sondern für eine bereits abgeschlossene "Rechtsverfolgung" gewährt - oder ob die gütliche Beilegung des Rechtsstreit nur unter Einbeziehung außergerichtlicher Gegenstände mit gerichtlicher Hilfe möglich ist, was im arbeitsgerichtlichen Verfahren zum Alltag gehört. Für eine Auslegung des Begriffs "anhängig", die den Wortsinn völlig verlässt, besteht kein Anlass, zumal ja der Gesetzeswortlaut auf das Vorliegen eines gerichtlichen oder eines Prozesskostenhilfeverfahrens abhebt. Die Entscheidung, die ja sachgerecht vor Abschluss des Vergleichs zu ergehen hat, erzeugt ja nicht einmal zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Anhängigkeit des Gegenstandes in einem solchen Verfahren, sondern erst die Einigung der Parteien über die gütliche Beilegung und ihre sachliche Reichweite. Ein Prozesskostenhilfeverfahren kann aber nur insoweit anhängig sein, als die Gegenstände, für die Prozesskostenhilfe bewilligt werden soll, feststehen. Ob dabei der Streitgegenstand im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt ist, ist wiederum unmaßgeblich, weil diese Frage ja Gegen­stand der Entscheidung des Gerichts ist. Die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen noch abzuschließenden Vergleich betrifft aber keine Entscheidung über bereits bestimmte Gegenstände, sondern regelt nur eine Vergütungsfolge für die Einigung, die regelmäßig noch zu finden ist. Ob eine Erfolgsaussicht für eine etwa beabsichtigte Rechtsverfolgung vorliegt, ist völlig unbeachtlich. Sie erstreckt sich ja auch auf solche Gegen­stände, für die mangels Erfolgsaussicht im Falle eines Prozesskostenhilfeverfahrens keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre.

Deshalb kann die Tatsache, dass das Arbeitsgericht im Ausgangsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Bindung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nachträglich auf den Vergleich erstreckt hat, nicht dazu führen, dass sich die Vergütung für den Vergleich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO bemisst. Die einbezogenen Streitigkeiten waren nicht Gegenstand eines Prozesskostenhilfeverfahrens. Die Frage der Erörterung dieser Gegenstände in einer mündlichen Verhandlung vor dem Prozessgericht, die zu einem Prozessvergleich führt, ist kein Tatbestandsmerkmal des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO.

3. Nach allem ist die Beschwerde zurückzuweisen, da die angegriffene Entscheidung auch sonst keine Fehler aufweist. Solche sind vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Eine Kostentscheidung ist wegen § 128 Abs. 5 BRAGO entbehrlich.

Ende der Entscheidung

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