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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.02.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 6/02
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

GKG § 34
GKG § 34 Abs. 1
ZPO § 341 Abs. 2 a.F.
ZPO § 137 Abs. 1
ZPO § 251 a
ZPO § 251 a Abs. 2 Satz 1
ZPO § 331 a
ArbGG § 54 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 54 Abs. 1 Satz 5
ArbGG § 54 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 4 Ta 6/02

Stuttgart, 18. Februar 2002

Beschluss

Im Beschwerdeverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 18. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lörrach vom 14. Dezember 2001 - 3 Ca 222/01 - ersatzlos aufgehoben.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 04. Februar 1999 hat der Kläger/Beschwerdeführer Klage gegen den Beteiligten zu 2 wegen eines behaupteten Darlehensrückzahlungsanspruchs erhoben. Die Güteverhandlung vom 24. März 1999 ist ohne Erfolg geblieben. Durch verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht den Parteien diverse Schriftsatzfristen gesetzt und angekündigt, dass Termin nur auf Antrag einer Partei anberaumt werde. Nachdem der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. April 1999 um Verlängerung der ihm gesetzten Frist gebeten hatte, teilte das Arbeitsgericht durch Verfügung vom 04.05.99 (Bl. 21 d.A.) mit, es bleibe den Parteien überlassen, wie sie ihr Verfahren betrieben; solange die Gegenseite keine Einwendungen erhebe, gälten die beantragten Schriftsatzverlängerungen jeweils als genehmigt, die Schriftsatzfristen für die Gegenseite verlängerten sich jeweils im gleichen Umfang, Kammertermin werde ohnehin erst bestimmt werden, wenn der vollständige Vortrag beider Parteien vorliege. Wenn die Parteien hiergegen Einwendungen hätten, sollten sie sich melden. Mit Schriftsatz vom 17.05.1999 hat sodann der Beklagte darum gebeten, dem Kläger, falls der angekündigte Schriftsatz noch nicht vorläge, eine entsprechende Frist zu setzen, um das Verfahren nicht unnötig zu verzögern. Hierauf hat das Arbeitsgericht mit Verfügung vom 27.05.99 (Bl. 23 d.A.) den Kläger um eine Äußerung gebeten. Durch Verfügung vom 10.06.99 (Bl. 24 d.A.) hat das Arbeitsgericht den Parteien erneut Fristen gesetzt und darauf hingewiesen, dass bei Nichtbetreiben des Verfahrens die Akten am 29. September 1999 weggelegt würden. Dies ist dann auch geschehen.

Mit Schriftsatz vom 27. März 2001 hat der Kläger das Verfahren erneut angerufen und mitgeteilt, er wolle den gerichtlichen Vergleichsvorschlag aus dem Gütetermin jetzt annehmen. Das Arbeitsgericht möge neuen Gütetermin bestimmen. Auch dies ist geschehen, doch ist auch dieser Gütetermin vom 25. April 2001 erfolglos geblieben. Den Parteien hat das Arbeitsgericht wiederum Schriftsatzfristen ohne inhaltliche Vorgaben gesetzt, und zwar zunächst dem Beklagten und sodann dem Kläger, und seine Absicht bekundet, spätestens am 25. Juni 2001 "Kammertermin" anzuberaumen. Der Schriftsatz des Beklagten ist vor Ablauf der ihm gesetzten Frist eingegangen. Am 25. Juni 2001 hat das Arbeitsgericht Verhandlungstermin auf den 17. September 2001 anberaumt und die dem Kläger gesetzte Frist antragsgemäß bis zum 23. Juli 2001 verlängert. Diese Frist ist wie alle anderen vorher auch fruchtlos abgelaufen.

Am Terminstag haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers dem Arbeitsgericht mitgeteilt, sie würden den Termin nicht wahrnehmen. Auf Antrag des erschienen Beklagten hat das Arbeitsgericht die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Die Ausfertigungen sind ausweislich des Vermerks der Urkundsbeamtin am 26. September 2001 zur Post gegeben worden. Auf telefonische Aufforderung hat der Klägervertreter das Empfangsbekenntnis mit Eingang beim Arbeitsgericht vom 10. Oktober 2001 zurückgereicht. Es beinhaltet das Bekenntnis, dass die Zustellung des Versäumnisurteils am 09. Oktober 2001 erfolgt sei. Am 16. Oktober 2001 ist per Telefax der Einspruch des Klägers gegen dieses Versäumnisurteil eingegangen. Allerdings befindet sich hiervon nur eine von vier Seiten bei der Akte (Bl. 55). Diese Seite enthält zwar die Erklärung, Einspruch einlegen zu wollen, aber keine Unterschrift. Das Original des vollständigen Schriftsatzes ist am 22. Oktober 2001 beim Arbeitsgericht eingegangen. Dort werden weitere Ausführungen zum Klageanspruch gemacht.

Aufgrund der hierauf anberaumten Verhandlung vom 26. November 2001 hat das Arbeitsgericht am selben Tag durch Urteil das Versäumnisurteil aufrechterhalten und den Kläger darauf hingewiesen, es beabsichtige, wegen unentschuldigter Versäumung des Verhandlungstermins vom 17. September 2001 dem Kläger eine (volle) Gebühr als Verzögerungsgebühr aufzuerlegen. Dies geschah dann durch den hier angefochtenen Beschluss vom 14. Dezember 2001. In den Gründen des Urteils hat das Arbeitsgericht ausgeführt, es können dahingestellt bleiben, ob der Kläger fristgerecht gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt habe.

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, die Voraussetzungen für eine Verzögerungsgebühr hätten nicht vorgelegen. Die weiteren Beteiligten haben sich zur Beschwerde nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht hat die Verzögerungsgebühr zu Unrecht verhängt. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 GKG liegen hier nicht vor.

Gegenstand der Maßnahme ist nach der Begründung des Arbeitsgerichts die Tatsache, dass der Kläger dem Verhandlungstermin vom 17. September 2001 unentschuldigt ferngeblieben sei. Im Nichtabhilfebeschluss wird die Verhängung der Gebühr, ohne dass der Kläger vorher hierzu angehört worden wäre, auch darauf gestützt, dass der Kläger auch vorher das Verfahren durch Nichtbetreiben verzögert hätte.

Die vom Arbeitsgericht genannten Gründe tragen die von ihm getroffene Maßnahme nicht, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob sie im Abhilfeverfahren noch durch zusätzliche Gründe nachgebessert werden kann.

Zweck des § 34 GKG ist, die gerichtlichen Kapazitäten zu schonen, ihre möglichst sparsame Verwendung zum Wohle der anderen Rechtssuchenden zu gewährleisten und zu verhindern, dass eine Partei ohne sachliche Rechtfertigung die Arbeitskraft der Gerichte über Gebühr in Anspruch nimmt. Die Vorschrift dient als Flankenschutz für den in den einzelnen Verfahrensordnungen statuierten Beschleunigungsgrundsatz. Wegen ihres strafähnlichen Charakters ist ein Verschulden der Partei im Hinblick auf die eingetretene Verzögerung erforderlich.

Vorliegend fehlt es an einer Verzögerung des Rechtsstreits, die vom Kläger verursacht worden wäre. Die Ursachen für die im Verfahren festzustellenden Verzögerungen liegen im entscheidenden Umfang in der Sphäre des Arbeitsgerichts. Zumindest ist nicht klargestellt, dass sie ausschließlich auf dem Verhalten des Klägers beruhten.

Es fehlt schon an den Ausführungen des Arbeitsgerichts im Hinblick auf die Säumnis des Klägers im Verhandlungstermin vom 17. September 2001, wieso sie ursächlich für eine Vertagung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung gewesen sein soll. Allerdings hat das Arbeitsgericht den Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil von diesem Tag zum Anlass genommen, Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache anzuberaumen. Ob die "Flucht ins Versäumnisurteil" überhaupt ein Tatbestand ist, der als Rechtsfolge eine Maßnahme im Sinne des § 34 GKG auslösen kann, ist umstritten. Hiervon scheint das Arbeitsgericht ohne weiteres auszugehen. Diesseits bestehen Bedenken, ob die Inanspruchnahme gesetzlicher Möglichkeiten eine Gebühr im Sinne des § 34 GKG auslösen kann. Zumindest ist fraglich, ob ein diesbezüglicher etwaiger Irrtum zu einem im Regelungsbereich dieser Norm erforderlichen Verschuldensgrad führt. Dies kann hier aber dahingestellt bleiben, weil das Arbeitsgericht nicht geprüft hat, ob der Einspruch überhaupt form- und fristgerecht eingegangen ist. Zwar kann eine Zustellung bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers vor dem 09. Oktober 2001 nicht nachgewiesen werden. Insofern wäre ein am 16. Oktober 2001 eingegangener Einspruch fristgerecht gewesen. Das Arbeitsgericht war aber offenbar der Auffassung, dass ein früherer Zustellungszeitpunkt in Betracht gekommen wäre. Wenn dies nach seiner Überzeugung der Fall gewesen wäre, hätte der Einspruch als unzulässig verworfen werden können. Dies hätte nach damaliger Rechtslage durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung erfolgen können. Einer Vertagung hätte es gemäß § 341 Abs. 2 ZPO a.F. nicht bedurft. Jedenfalls hätte die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs vom Arbeitsgericht geprüft und entschieden werden müssen, bevor die Möglichkeit einer Sachentscheidung eröffnet wurde. Ob ein unzulässiger Einspruch überhaupt als Anknüpfung für einen Beschluss nach § 34 GKG in Betracht kommt, muss nicht mehr erörtert werden.

Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, ob auch am 16. Oktober 2001 ein fristgerechter Einspruch einging, da nur der Eingang der ersten Seite des Schriftsatzes vom 16. Oktober 2001 über Telefax anhand der Akte festgestellt ist. Die weiteren Seiten fehlen, obwohl sich auf dem Dokument oben der Aufdruck "S. 1/4" befindet. Ob nur die erste Seite ausgedruckt wurde und der Rest aus irgendwelchen Gründen im Speicher verblieb, ohne dass es zum Ausdruck kam, oder ob die weiteren drei Seiten nicht in den Verfügungsbereich des Arbeitsgerichts gelangten, ist nicht ersichtlich. Die Akte schweigt hierüber. So enthält der fristgerechte Einspruch keine Unterschrift. Das unterschriebene vollständige Original kam erst nach Ablauf der Einspruchsfrist ein. Dies könnte zur Unzulässigkeit des Einspruchs führen. Auch dies wäre vom Arbeitsgericht vorab zu prüfen gewesen. Eine Verzögerung hätte es für den Fall der Unzulässigkeit des Einspruchs nicht gegeben.

Darüber hinaus hätte es das Gericht in der Hand gehabt, eine Entscheidung nach Lage der Akten nach §§ 331a, 251a ZPO anzuregen, nachdem bereits Güteverhandlungen stattgefunden haben. Da nach § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG die mündliche Verhandlung mit der Güteverhandlung beginnt, ist das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung nach § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO erfüllt. Die Güteverhandlung ist Teil der mündlichen Verhandlung, die entgegen § 137 Abs. 1 ZPO nicht erst mit der Stellung der Anträge beginnt. Hätte das Arbeitsgericht die entsprechende Anregung gegeben, wäre ihr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Beklagte als einziger Beteiligter, der am ehesten an einer raschen Erledigung des Verfahrens interessiert zu sein schien, gefolgt. Jedenfalls hat das Arbeitsgericht nicht ausgeführt, dass der Beklagte dieser Anregung nicht gefolgt wäre. Die in der Mitteilung vom 17. September 2001 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des Klägers, eine Aktenlageentscheidung sei nicht zulässig, ist unzutreffend. Ausweislich des Protokolls des Gütetermins vom 25. April 2001 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Die Parteien haben sich hierzu auch geäußert. Jedenfalls dies reicht für das Eingreifen des § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Damit ist nicht das Verhalten des Klägers für eine Vertagung, soweit die vorliegende Fallgestaltung unter § 34 Abs. 1 GKG fällt, ursächlich, sondern das des Gerichts, das die prozessualen Möglichkeiten für eine Erledigung des Rechtsstreits ohne neuen Termin nicht ins Auge fasste. Zumindest hätte die Entscheidung dahingehend begründet werden müssen, wieso dies nicht angezeigt war. Daran fehlt es.

Darüber hinaus wäre jedenfalls das Verhalten des Klägers nicht überwiegend ursächlich für die verzögerte Erledigung des Rechtsstreits gewesen. Das Verfahren ist dadurch geprägt, dass der Vorsitzende nach gescheiterter Güteverhandlung entgegen § 54 Abs. 4 ArbGG nicht einen Termin zur streitigen Verhandlung anberaumte, sondern, ohne dass eine entsprechende Erklärung der Parteien vorlag, davon ausging, Termin nur auf Antrag einer der Parteien anberaumen zu müssen oder, im weiteren Verlauf, erst nach Vorliegen des vollständigen schriftsätzlichen Sachvortrags der Parteien. Dieser Sachverhalt ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt relevant, dass das Arbeitsgericht selbst nicht die gesetzlichen Regelungen so anwendete, dass das Verfahren möglichst rasch erledigt wurde. Für eine Weglage bestand kein Anlass, nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 17.05.1999 noch um prozessleitende Maßnahmen bat, um das Verfahren nicht zu verzögern. Damit wurde es von ihm noch betrieben. Als es dann vom Kläger wieder angerufen wurde, hat der Vorsitzende auf einseitigen Antrag entgegen § 54 Abs. 1 Satz 5 ArbGG erneut eine Güteverhandlung anberaumt, anstatt sofort Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen. Dies alles zeigt, dass das Arbeitsgericht jedenfalls nicht zu erkennen gegeben hat, dass es das Verfahren in der gebotenen Schnelligkeit erledigen möchte, sondern selbst zu unnötigen Verzögerungen beigetragen hat. Jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt ist es unangemessen, der Partei, die sicherlich, wie das Arbeitsgericht, nicht alles zur Beschleunigung der Erledigung des Rechtsstreits getan hat, mit einer Verzögerungsgebühr zu belegen. Insoweit muss sich das Arbeitsgericht an seinen eigenen Maßstäben festhalten lassen. Wenn das Gericht nicht selbst zu erkennen gegeben hat, an der beschleunigten Erledigung des Rechtsstreits interessiert zu sein, kann es das korrespondierende Verhalten der Prozesspartei nicht sanktionieren, ohne vorher kenntlich zu machen, dass es jetzt das Verfahren straffer angehen möchte als bisher. Vorher konnten die Parteien darauf vertrauen, dass sich das Arbeitsgericht an die von ihm vorgegebene Maxime hielte, die Parteien hätten es selbst in der Hand, wie schnell das Verfahren erledigt werden solle.

Nach allem ist der Beschluss des Arbeitsgerichts ersatzlos aufzuheben.

III.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt (§ 5 Abs. 6 GKG). Eine Kostenentscheidung ist deshalb nicht angezeigt.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt.

Ende der Entscheidung

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