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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 05.02.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 85/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 11
BRAGO § 11 Abs. 1
BRAGO § 11 Abs. 1 Satz 4
BRAGO § 11 Abs. 4
BRAGO § 13 Abs. 3
BRAGO § 23
BRAGO § 23 Abs. 1
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 3
BRAGO § 26
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 32 Abs. 2
BRAGO § 33 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 308 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 4 Ta 85/01

Stuttgart, 05. Februar 2002

Beschluss

Im Beschwerdeverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 05. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. November 2001- 29 Ca 9378/00 - abgeändert:

Die vom Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten werden über den vom Arbeitsgericht festgesetzten Betrag von 3.677,50 DM hinaus auf weitere 552,09 EUR (1.079,80 DM), insgesamt also auf 2.432,37 EUR (4.757,30 DM) festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Festsetzungsverfahrens werden dem Beteiligten zu 2, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 1 auferlegt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 617,33 EUR

Gründe:

Die Beschwerdeführerin macht mit der Beschwerde die Differenz der Rechtsanwaltsgebühren, die ihr der Beschwerdegegner zu erstatten hat, zwischen 10/10 einer Gebühr, wie sie das Arbeitsgerichts festgesetzt hat, und 13/10 für die Prozess- Verhandlungs- und Vergleichsgebühr geltend sowie eine Erhöhung der für die Einbeziehung nicht rechtshängiger Gegenstände im Gesamtwert von 9.444,53 DM anfallenden Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO auf 16,9/10.

Die an sich statthafte Beschwerde ist zulässig. Allerdings hat die Beschwerdeführerin im ersten Rechtszug Anwaltsgebühren für die Berufungsverhandlung beim Landesarbeitsgericht nur in Höhe von 10/10 aus dem Gegenstandswert geltend gemacht. Hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts hat sie aber zunächst, wenn auch aus rechtlich unzutreffenden Gründen, einen höheren als den vom Arbeitsgericht festgesetzten Betrag geltend gemacht, nämlich 1.995,00 DM. Damit liegt eine Beschwer vor. Zwar hat die Beschwerdeführerin auf den entsprechenden Hinweis des Arbeitsgerichts erklärt, es werde die Zustimmung zur beabsichtigten Festsetzung erteilt, wie sie dann auch tatsächlich vorgenommen wurde. Diese Erklärung hat das Arbeitsgericht offenbar aber nicht als teilweise Rücknahme eines etwa weitergehenden Festsetzungsantrags angesehen, sondern ausweislich der angefochtenen Entscheidung "im Übrigen den Antrag zurückgewiesen". Die Beschwerdeführerin kann sonach nicht darauf verwiesen werden, dass das Arbeitsgericht einen weitergehenden Antrag, als es dem festgesetzten Betrag entspricht, nicht beschieden hätte. Vielmehr wäre die Beschwerdeführerin bei Eintritt der Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses wegen dieses Entscheidungsausspruchs daran gehindert, einen weitergehenden Anspruch festsetzen zu lassen. Daraus folgt die Beschwer, auch wenn die Erklärung im Schriftsatz vom 16.11.2001 als teilweise Antragrücknahme angesehen werden könnte und das Arbeitsgericht dem noch aufrecht erhaltenen Antrag damit voll entsprochen hätte. Dass hinsichtlich der Festsetzung der Prozess- und Verhandlungsgebühr, wegen der die Beschwerdeführerin jeweils nur einen 10/10-Gebühr beantragt hatte, jedenfalls keine Beschwer vorliegt, ist nicht maßgeblich. Insoweit kann sie im Rahmen ihrer ansonsten zulässigen Beschwerde auch ihren Antrag erweitern.

Da auch die Mindestbeschwer des § 567 Abs. 2 ZPO a.F. überschritten ist, ist die Beschwerde nach allem zulässig. Darüber hinaus ist sie auch zum größeren Teil in der Sache gerechtfertigt.

Dass die Beschwerdeführerin für die Prozess- und die Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO je eine Gebühr in Höhe von 13/10 erstattet verlangen kann, liegt auf der Hand. Im Hinblick auf die im Beschwerderechtszug erfolgte Antragserweiterung ist ihr dies zuzubilligen. Insoweit stehen ihr also zweimal weitere 262,50 DM zu. An der Vergleichgebühr für den rechtshängigen Teil des Vergleichsgegenstands hat sich nichts geändert. In diesem Punkt hat die Beschwerdeführerin bereits im angefochtenen Beschluss antragsgemäß eine Gebühr von 13/10 zugesprochen erhalten.

Aber auch bezüglich der für den Vergleichsmehrwert anfallende Gebühr steht ihr der geltend gemachte Betrag zu:

Anstelle der beantragten halben Gebühr für eine nichtstreitige Verhandlung nach § 33 Abs. 1 BRAGO für den Wert der mitverglichenen nicht rechtshängigen Ansprüche - insoweit macht sie einen Erstattungsanspruch nicht von 5/10, sondern im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO von 6,5/10 geltend - steht ihr eine Gebühr aus § 32 Abs. 2 BRAGO in derselben Höhe zu. Insoweit handelt es sich nicht um eine Frage des Antrags im Sinne des § 308 Abs. 1 ZPO, sondern um die rechtliche Begründung, die für das Gericht nicht maßgeblich ist. Außerdem verlangt sie für die Gebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO eine Erhöhung von 15/10 auf 16,9/10.

Ob der Anwalt insoweit eine erhöhte Gebühr verlangen kann, ist streitig. Die Meinung, die es bei dem in § 23 Abs. 1 BRAGO genannten Wert von 15/10 bei einer vollen Gebühr belassen möchte, stellt im Wesentlichen darauf ab, dass es sich um nicht rechtshängige Ansprüche handelt. § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO setze aber die Rechtshängigkeit der Ansprüche voraus (vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 04. Juni 1998 - 8 W 60/98 - JurBüro 1998, 585 m.w.Nw.). Die Gegenmeinung geht demgegenüber davon aus, dass die Rechtshängigkeit der Ansprüche nicht Bedingung ist, sondern allein die Gerichtsinstanz, bei der die Tätigkeit des Anwalts erfolgt (vgl. etwa LAG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Dezember 2000 - 7 Ta 431/00 - n.v.) maßgeblich ist.

Letzterer Meinung ist beizutreten. § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO stellt nicht auf die Rechtshängigkeit von Streitgegenständen ab. Dies wird in der Regel allerdings der Fall sein. Wenn es aber auf die Rechtshängigkeit ankäme, erhielte der Rechtsanwalt etwa in den Fällen, in denen gerade darüber gestritten wird, ob die Rechtshängigkeit eingetreten ist oder noch besteht, bei Verneinung dieser Frage im Berufungsrechtszug nur jeweils eine 10/10 und keine erhöhte Gebühr. Auf dieses formale Kriterium kann nicht abgestellt werden. Vielmehr enthält die Regelung schon vom Wortlaut her lediglich einen allgemeinen Bezug auf die Instanz, in der die Tätigkeit des Rechtsanwalts erfolgt. Es genügt, dass sich das Gericht mit dem Gegenstand in irgendeiner Form im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens zu befassen hat. Deshalb ist § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO auch in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO anzuwenden. Die erstere Vorschrift enthält den allgemeinen Rechtsgedanken in Bezug auf die Erhöhung der Gebühr im Instanzenzug, während § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO eine Erledigung gerade im außergerichtlichen Bereich beinhaltet und das Zusammenwirken von anhängigen und nicht anhängigen Gegenständen nicht im Blick hat. Eine Intention der Vorschrift, auch auf die Einbeziehung von nicht rechtshängigen Gegenständen in einen umfassenden, auch rechtshängige Gegenstände erfassenden Vergleich regeln zu wollen, kann nicht angenommen werden. Vielmehr zeigt die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 3, die dem Anwalt im Fall eines Vergleichs über rechtshängige Ansprüche "eine volle Gebühr" zubilligt, dass § 11 Abs. 1 Satz 4 auf die Bemessung einer "vollen Gebühr" einwirkt. Es geht hier nicht um die Frage, welche durch den Instanzenzug veranlasste Gebührensteigerung anzuwenden ist, sondern darum, den Prozentsatz der Gebühr festzulegen, die dem Rechtsanwalt für seine Beteiligung an der Einigung zustehen soll. Nicht § 23 BRAGO modifiziert § 11 BRAGO, sondern umgekehrt ist dies der Fall. Aus § 11 BRAGO ergibt sich jeweils, was eine volle Gebühr ist. Wäre § 23 Abs. 1 BRAGO gegenüber § 11 Abs. 1 BRAGO die speziellere Norm, betrüge auch die Vergleichsgebühr bezüglich der rechtshängigen Gegenstände nur 10/10. Für eine Differenzierung der Einwirkungsrichtung, je nach dem, ob die in den Vergleich einbezogenen Gegenstände rechtshängig waren oder nicht, gibt es keinen Anlass. Volle Gebühr im Sinne dieser Gesetzesbestimmung ist die auch im Rahmen des § 11 Abs. 4 BRAGO ermittelte Gebühr. Dasselbe gilt auch im Verhältnis zu der Gebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO. Deren Erhöhung wird auch nicht bestritten, obwohl auch insoweit keine rechtshängigen Gegenstände vorliegen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO allein auf den Rechtszug abstellt, in dem die Tätigkeit des Anwalt entfaltet wird, die schließlich zum Abschluss eines Vergleichs führt. Wenn also im Berufungsrechtszug zwischen den Parteien streitige, wenn auch nicht rechtshängige Ansprüche thematisiert werden, die die Einigung vor dem Berufungsgericht komplettieren, handelt es sich um eine Tätigkeit in der Berufungsinstanz, die die erhöhte Gebühr des § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO auslöst.

Für die Gebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO sind deshalb 6,5/10 und für die Gebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO 19,5/10 anzusetzen.

Zunächst zutreffend begehrt deshalb die Beschwerdeführerin die Erstattung einer 6,5/10 Gebühr aus dem "Vergleichsmehrwert" in Höhe von 9.444,53 DM. Dies sind die beantragten 386,80 DM. Hinsichtlich der Vergleichsgebühr beantragt sie nur die Erstattung von 16,9/10, also 1.005,60 DM. Damit bleibt sie hinter der für sie erstattungsfähigen Gebühr von 19,5/10 zurück.

Auf die so ermittelten Gebühren ist aber noch § 13 Abs. 3 BRAGO anzuwenden.

Dies bedeutet, dass die Prozessgebühr maximal 13/10 aus dem Gesamtstreitwert von 25.688,28 DM betragen darf. Dies sind 1.436,50 DM. Die Summe aus der zugebilligten 13/10-Prozessgebühr aus dem Gegenstandswert von 16.243,75 DM (1.137,50 DM) und der 6,5/10-Prozessgebühr aus dem Gegenstandswert von 9.444,53 DM (386,80 DM) beträgt 1.524,30 DM. Damit übersteigt dieser Wert den maximal erstattungsfähigen Wert um 87,80 DM, so dass er um diesen Betrag zu kürzen ist.

Hinsichtlich der Vergleichsgebühr darf der Betrag maximal 19,5/10 aus dem Gesamtstreitwert von 25.688,28 DM betragen. Dies sind 2.154,80 DM. Die zuerkannte Vergleichsgebühr von 1.137,50 aus dem Streitwert von 16.243,75 DM und die beantragte Gebühr aus dem "Vergleichsmehrwert" von 9.444,53 DM in Höhe von 1005,80 DM erreichen mit insgesamt 2.143,30 DM den Maximalbetrag nicht.

Die Kosten sind deshalb wie folgt festzusetzen:

1. 13/10 Prozessgebühr aus 25.688,28 DM 1.436,50 DM 2. 13/10 Verhandlungsgebühr aus 16.243,75 DM 1.137,50 DM 3. 13/10 Vergleichsgebühr aus 16.243,75 DM 1.137,50 DM 4. 16,9/10 Vergleichsgebühr aus 9.444,53 DM 1.005,80 DM 5. Leistungen im Sinne des § 26 BRAGO 40,00 DM Summe: 4.757,30 DM

Nach allem sind die erstattungsfähigen Anwaltskosten um den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag zu erhöhen. Der weitergehende Antrag bezüglich der Prozessgebühr und eines doppelt verlangten Entgelts nach § 26 BRAGO ist aber zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 und 2 ZPO. Hätte die Beschwerdeführerin ihre Ansprüche in der jetzt vorliegenden Höhe schon beim Arbeitsgericht geltendgemacht und begründet, hätte es des Beschwerdeverfahrens nicht bedurft. Ihr waren deshalb die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, auch wenn sie mit ihrer Beschwerde überwiegend Erfolg hatte.

Dieser Beschluss unterliegt keiner weiteren Beschwerde.

Ende der Entscheidung

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