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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.07.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 48/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ArbGG § 66 Abs. 2 S. 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 237
ZPO § 238
ZPO § 522 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 5 Sa 48/03

Beschluss vom 18.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm, den ehrenamtlichen Richter Girke und den ehrenamtlichen Richter Huber

ohne mündliche Verhandlung am 18.07.2003

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 14.03.2003 - 26 Ca 1411/02 - wird unter Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unzulässig, weil die Klägerin die am 22.04.2003 eingelegte Berufung nicht innerhalb der am Montag, den 26.05.2003 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist von 2 Monaten, die mit der am 25.03.2003 erfolgten Zustellung des angefochtenen Urteils zu laufen begann (§ 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG), ausgeführt hat. Die Berufung wurde erst mit am 27.05.2003 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 27.05.2003 begründet.

Der von der Klägerin auf den mit Verfügung vom 28.05.2003 (ABl. 21) erfolgten Hinweis am 18.06.2003 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat keinen Erfolg.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Wiedereinsetzungsantrag bereits wegen Nichtwahrung der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO unzulässig ist. Denn jedenfalls ist der Antrag unbegründet. Die Versäumung der am 26.05.2003 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist war nämlich entgegen § 233 ZPO nicht unverschuldet, sondern beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das sich diese nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen muss.

Dahinstehen kann, ob es dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgrund eines Organisations- bzw. Überwachungsverschuldens anzulasten ist, dass er die in seinem Büro im dritten Ausbildungsjahr tätige Auszubildende zur selbstständigen Eintragung von Fristen für die Berufungseinlegung und Berufungsbegründung beauftragt hat und diese als Ende der Berufungsbegründungsfrist nicht den 26.05.2003, sondern den 27.05.2003 notiert hat. Auch wenn eine Auszubildende im dritten Ausbildungsjahr bereits als bewährte Bürokraft in Betracht kommen sollte (zweifelnd BGH, Beschl. v. 22.12.1983 - VII ZR 17/83, VersR 1984, 240; Beschl. v. 21.02.2002 - IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180), hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Versäumung der Frist jedenfalls deshalb verschuldet, weil er die gebotene Fristenkontrolle unterlassen hat, als ihm - gemäß dem mit Schriftsatz vom 08.07.2003 ergänzten und klargestellten Vortrag - die Akten entsprechend der notierten Vorfrist eine Woche vor dem notierten Fristablauf - also wohl am 20.05.2003 - zur Bearbeitung vorgelegt worden sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt etwa Beschl. v. 24.10.2001 - VIII ZB 19/01, VersR 2002, 1391) hat der Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist (zu deren Erfordernis bei Rechtsmittelbegründungsfristen vgl. BGH, Beschlüsse v. 09.06.1994 - I ZB 5/94, NJW 1994, 2831 und v. 25.06.1997 - XII ZB 61/97, NJW-RR 1997, 1289) - zur Bearbeitung vorgelegt werden (Beschlüsse v. 06.07.1994 - VIII ZB 12/94, NJW 1994, 2831, v. 29.09.1998 - VI ZB 16/98, BRAK-Mitt. 1998, 269 und v. 09.03.1999 - VI ZB 3/99, NJW 1999, 2048). Diese Prüfung muss zwar nicht sofort erfolgen, weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. BGH, Beschlüsse v. 09.03.1999 a.a.O. und v. 05.10.1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - gegebenenfalls erst am letzten Tag der Frist (vgl. BGH, Beschl. v. 27.05.1997 - VI ZB 10/97, NJW 1997, 2825) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr entsteht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zu sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. BGH, Beschlüsse v. 11.12.1991 - VIII ZB 38/91, NJW 1992, 841, v. 06.07.1994 a.a.O., v. 27.02.1997 - I ZB 50/96, NJW 1997, 1708 und v. 29.09.1998 a.a.O.). Dementsprechend muss sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist auch davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (BGH, Beschlüsse v. 27.05.1997, 29.09.1998 und 24.10.2001 a.a.O.).

Demgemäß hätte hier der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei Vorlage der Akten am 20.05.2003 oder am folgenden Tag, spätestens aber am 23.05.2003, als er mit der Bearbeitung der Fristsache begann - nach seinem Vorbringen im Antragsschriftsatz vom 18.06.2003 wurde der Berufungsbegründungsschriftsatz weitgehend bereits am 23.05.2003 fertiggestellt -, prüfen müssen, ob die Berufungsbegründungsfrist richtig ermittelt und notiert war, anstatt sich auf die Richtigkeit der von der Auszubildenden eingetragenen Frist zu verlassen. Hätte er diese Prüfung - wie es geboten war - anhand der Akten vorgenommen, hätte er festgestellt, dass das angefochtene Urteil am 25.03.2003 zugestellt worden war und demzufolge die Frist zur Berufungsbegründung nicht erst am 27.05.2003, sondern bereits am 26.05.2003 ablief. In diesem Fall wäre die Frist nicht versäumt worden. Keinesfalls durfte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die abschließende Fertigstellung der Berufungsbegründungsschrift auf den letzten Tag der notierten Frist zurückstellen, ohne sich zuvor von deren Richtigkeit zu überzeugen.

Die Berufung war daher unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags gemäß § 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG i.V.m. §§ 522 Abs. 1, 237, 238 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Kammer als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst (§ 77 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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