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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 5 TaBVGa 1/09
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

In dem Wertfestsetzungsverfahren mit den Beteiligten ... wird der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der R. für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf EUR 14 000,00 .

Gründe: I.

Im Ausgangsverfahren begehrte die Arbeitgeberin im Wege einstweiliger Verfügung den Abbruch einer zum Jahreswechsel 2008/2009 vorgesehenen Betriebsratswahl in ihrem Betrieb in U.. Im Betrieb der Arbeitgeberin in U. sollte - ausgehend von 94 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern - die Wahl eines fünfköpfigen Betriebsrates stattfinden. Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2009 wurde dem Wahlvorstand die weitere Fortsetzung der laufenden Betriebsratswahl untersagt. Die gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts gerichtete Beschwerde des Wahlvorstandes hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2009 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2009 hat der Beteiligte zu 3 beantragt, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschwerdeverfahren festzusetzen. Er hat mit Schriftsatz vom 15. Juni 2009 angeregt, den Wert auf EUR 16 000,00 festzusetzen und legt dabei eine Beschäftigtenzahl von mehr als 100 Arbeitnehmer zu Grunde. Die übrigen Beteiligten des Wertfestsetzungsverfahrens haben sich nicht geäußert.

II.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das vorliegende Beschwerdeverfahren war auf EUR 14 000,00 festzusetzen. Das Beschlussverfahren über die Untersagung der Fortsetzung der Betriebsratswahl hat eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand und ist nach den Grundsätzen wie ein Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG zu bewerten. Die Wertfestsetzung hat deshalb nach § 23 Absatz 3 RVG zu erfolgen. Dabei geht die Beschwerdekammer von einer typisierenden Betrachtung aus, die die Wertfestsetzung ausgehend vom Hilfswert nach § 23 Absatz 3 Satz 2 RVG vornimmt. Danach ist für die Wahlanfechtung bei fehlenden Anhaltspunkten für eine abweichende Bewertung von dem eineinhalbfachen Hilfswert auszugehen. Dieser Wert ist für jede der in § 9 BetrVG genannten Staffeln jeweils um den Hilfswert von EUR 4 000,00 zu erhöhen. Bei einem fünfköpfigen Betriebsrat ergibt sich damit ein Wert von EUR 14 000,00. Vorliegend keiner Entscheidung bedarf, ob diese Regelbetrachtung bei größeren Betriebsräten einer Einschränkung bedarf. Eine Minderung des Wertes im Hinblick darauf, dass es sich beim Verfahren um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte, scheidet aus.

1. Ein Beschlussverfahren über die Untersagung der Fortsetzung der Betriebsratswahl ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, deren Bewertung grundsätzlich nach § 23 Absatz 3 Satz 2 RVG zu erfolgen hat. Ein Beschlussverfahren, dessen Gegenstand der Abbruch einer bereits eingeleiteten, aber noch nicht abgeschlossenen Betriebsratswahl ist, ist mit einem Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG vergleichbar. Dies rechtfertigt die Übertragung der Bewertungsmaßstäbe, die für die Anfechtung einer Betriebsratswahl gelten, auf solche Verfahren. Wird in einem solchen Beschlussverfahren auf Abbruch der eingeleiteten Betriebsratswahl erkannt, so nimmt dies das Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG vorweg. Die Interessenlage der am Verfahren Beteiligten ist weitgehend identisch.

2. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für ein Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebes bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin 17. Dezember 1991 - 1 Ta 50/91 (Kost) - NZA 1992, 327; LAG Rheinland-Pfalz 30. März 1992 - 9 Ta 40/92 - NZA 1992, 667; LAG Thüringen 13. November 1998 - 8 Ta 134/98 - AuR 1999, 146; LAG Köln 10. Oktober 2002 - 11 Ta 28/02 - NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein 9. Juli 2003 - 3 Ta 215/02 - NZA-RR 2004, 212 = LAGE BRAGO § 8 Nr. 55; LAG Hamm 28. April 2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; LAG Hamm 19. Dezember 2005 - 10 TaBV 161/05 - zitiert nach juris).

a) Die erkennende Kammer geht dabei von einer typisierenden Betrachtung aus, die die Wertfestsetzung ausgehend vom Hilfswert nach § 23 Absatz 3 Satz 2 RVG vornimmt. Danach ist für die Wahlanfechtung bei fehlenden Anhaltspunkten für eine abweichende Bewertung von dem eineinhalbfachen Hilfswert und damit EUR 6 000,00 auszugehen. Dieser Wert ist für jede der in § 9 BetrVG genannten Staffel jeweils um den Hilfswert von EUR 4 000,00 zu erhöhen. Danach ergibt sich - soweit für den vorliegenden Entscheidungsfall von Interesse - folgende Staffelung:

1 Betriebsratsmitglied EUR 6 000,00,

3 Betriebsratsmitglieder EUR 10 000,00,

5 Betriebsratsmitglieder EUR 14 000,00,

7 Betriebsratsmitglieder EUR 18 000,00,

9 Betriebsratsmitglieder EUR 22 000,00.

Dieser unter anderem von den Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm vertretenen Rechtsprechung (statt vieler LAG Hamm 28. April 2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; 19. Dezember 2005 - 10 TaBV 161/05 - zitiert nach juris) schließt sich die erkennende Kammer im Interesse der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Wertfestsetzungspraxis an. Zwar können im Einzelfall konkrete Umstände auch zu einer Abweichung von der typisierenden Betrachtung erfolgen, die sowohl zu einer Herabsetzung als auch einer Erhöhung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit führen. Dies können namentlich unter anderem die Bedeutung der Sache, die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Verfahrens und der damit verbundene Arbeitsaufwand des Rechtsanwaltes und andere Gesichtspunkte mehr sein. Diese Gesichtspunkte sind dann im Rahmen des billigen Ermessens zu bewerten.

b) Im Entscheidungsfall ergibt sich damit ein Wert von EUR 14 000,00. Gesichtspunkte, die eine Reduzierung oder Erhöhung des Wertes rechtfertigen würden, sind in dem dem vorliegenden Wertfestsetzungsverfahren zu Grunde liegenden Beschwerdeverfahren nicht zu erkennen. Im Betrieb der Arbeitgeberin sollte ein aus fünf Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt werden. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Februar 2009 - 5 TaBVGa 1/09 wurden im Betrieb der Arbeitgeberin in U. bei Einleitung der Betriebsratswahl regelmäßig 94 Arbeitnehmer beschäftigt. Unter Zugrundelegung dieser Betriebsgröße ergibt sich ein Wert von EUR 14 000,00.

Soweit der Antragsteller des Wertfestsetzungsverfahrens im Schriftsatz vom 15. Juni 2009 vorträgt, dass sein Auftraggeber, der Wahlvorstand, im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und den Umstand, dass bei der Arbeitgeberin mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt werden, einen Wert von EUR 16 000,00 ergäbe, rechtfertigt dies keine andere Festsetzung. Der Antragsteller und der Wahlvorstand tragen keine belastbaren Gesichtspunkte vor, die eine von der "Regelbewertung" abweichende Bewertung rechtfertigen würden. Weder sind Anhaltspunkte für eine besondere Bedeutung ersichtlich noch ist die Behauptung, dass mehr als 100 Arbeitnehmer regelmäßig im Betrieb in U. beschäftigt werden, zutreffend. Dieser Vortrag steht im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen im Beschluss vom 20. Februar 2009.

3. Eine Reduzierung dieses Wertes von EUR 14 000,00 erfolgt im Entscheidungsfall auch nicht mit der Begründung, dass die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens im Wege einstweiliger Verfügung über den Abbruch einer Betriebsratswahl gestritten haben.

a) Vielfach wird im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen (vergleiche statt vieler LAG Hamm 19. Dezember 2005 - 10 TaBV 161/05 - zitiert nach juris; Bertelsmann, Gegenstandswert im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, Seite 30 mit weiteren Nachweisen). Sichert jedoch ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw. Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug in Höhe von einem Viertel oder einem oder gar zwei Dritteln des Hauptsacheverfahrens nicht gerechtfertigt. Es wird in derartigen Fällen nämlich nicht nur eine vorläufige Regelung getroffen. Die Streitigkeit ist vielmehr regelmäßig mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen 15. Februar 1990 - 2 Ta 85/89 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 14; LAG Köln 9. Juni 1999 - 12 Ta 144/99 - NZA-RR 1999, 608; LAG Hamm 28. April 2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; LAG Hamm 19. Dezember 2005 - 10 TaBV 161/05 - zitiert nach juris; Wenzel in GK-ArbGG Stand 63. Ergänzung 2009 § 12 Rn. 280, 473).

b) Vorliegend hat das einstweilige Verfügungsverfahren den Streit über die von dem am Beschlussverfahren beteiligten Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl endgültig beendet. Die Arbeitgeberin hat mit dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren den vollständigen Abbruch der Betriebsratswahl geltend gemacht. Sie ist mit dem Antrag in vollem Umfang durchgedrungen, so dass sich das Anfechtungsverfahren hinsichtlich der von diesem Wahlvorstand eingeleiteten Betriebsratswahl erübrigt hat. Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch keine nur vorläufige Regelung begehrt worden. Durch das Verfahren auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist der Streit zwischen den Beteiligten dieses Beschlussverfahrens insoweit endgültig erledigt worden.

Ende der Entscheidung

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