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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.02.2009
Aktenzeichen: 5 TaBVGa 1/09 (1)
Rechtsgebiete: WahlO, BetrVG, ArbGG, GKG


Vorschriften:

WahlO § 28
WahlO § 28 Abs. 1
WahlO § 28 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 14a
BetrVG § 14a Abs. 5
BetrVG § 17
BetrVG § 17 Abs. 1
BetrVG § 17 Abs. 2
BetrVG § 17 Abs. 3
BetrVG § 17a Nr. 3
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 85
ArbGG § 85 Abs. 2
ArbGG § 87 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 89 Abs. 2
GKG § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Wahlvorstandes gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2009 - 28 BVGa 2/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe: A

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Beschlussverfahrens über den Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Abbruch einer eingeleiteten Betriebsratswahl.

Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt Baumärkte und unterhält unter anderem eine Betriebsstätte in S.-U., die im Sommer 2008 eröffnet wurde. Zum Jahreswechsel 2008/2009 beschäftigte die Arbeitgeberin in dieser Filiale etwa 94 Arbeitnehmer, von denen lediglich acht Arbeitnehmer unbefristete angestellt sind. Eine Vielzahl von Arbeitnehmer - so auch die Mitglieder des Wahlvorstands - stehen in bis ins Jahr 2009 befristeten Arbeitsverhältnissen.

Im Laufe des Monats Dezember 2008 wandten sich mehrere Arbeitnehmer wegen ihnen gegenüber ausgesprochenen Kündigungen ihrer Arbeitsverhältnisse an die Gewerkschaft ver.di und suchten dort um Rechtsschutz diesbezüglich nach. Noch vor Weihnachten 2008 entschloss sich die Gewerkschaft bzw. deren Repräsentanten von ihrem Recht als im Betrieb vertretene Gewerkschaft Gebrauch zu machen und zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes einzuladen.

Am Samstag, den 27. Dezember 2008 gegen 19.55 Uhr übermittelte eine Vertreterin der Gewerkschaft der Arbeitgeberin ein Schreiben, das die Arbeitgeberin am schwarzen Brett aushängen sollte. Das Schreiben enthält die Einladung der Gewerkschaft ver.di zu einer Betriebsversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstands, der die Einleitung der Betriebsratswahl zu veranlassen hat. Als Zeitpunkt für die Betriebsversammlung war in der Einladung Freitag, der 2. Januar 2009 um 20.00 Uhr in der Betriebsstätte U. vorgesehen. Am Montag, den 29. Dezember 2008 forderte die Arbeitgeberin von der Gewerkschaft ver.di einen Nachweis, dass sie in der Betriebsstätte in S.-U. vertreten ist. Eine dahingehende eidesstattliche Versicherung der stellvertretenden Geschäftsführerin der Gewerkschaft ver.di Bezirk Stuttgart S. wurde der Arbeitgeberin noch am 29. Dezember um 21.17 Uhr per Telefax zugeleitet und von dieser am 30. Dezember 2008 unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts als ungenügend zurückgewiesen. Auf die sodann im Laufe des Vormittag des 30. Dezember 2008 erfolgte namentliche Nennung eines in der Filiale U. beschäftigten Gewerkschaftsmitglieds wurde das Einladungsschreiben gegen 11.00 Uhr am Dienstag, den 30. Dezember 2008 an das schwarze Brett der Betriebsstätte U. angebracht.

Ausweislich der vorgelegten Anwesenheitsliste der Betriebsversammlung am 2. Januar 2009 nahmen 14 der 94 Beschäftigten der Betriebsstätte U. an der Betriebsversammlung teil und wählten den Wahlvorstand bestehend aus den Mitgliedern des Wahlvorstands T. S., R. G., M. V..

Mit der am Montag, den 5. Januar 2009 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingereichten Antragsschrift hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, die Wahl des Wahlvorstands am 2. Januar 2009 sei nichtig. Sie hat die Auffassung vertreten, der Aushang der Einladung sei nicht rechtzeitig erfolgt. Nicht alle Arbeitnehmer der Betriebsstätte U. hätten Kenntnis von der Einladung und damit der Betriebsversammlung erlangen können, sondern nur ein Bruchteil. Bei ihr werde in einem Schichtsystem gearbeitet, nicht allerdings in der zweiten Tageshälfte des 31. Dezember 2008. Hinzu käme, dass die Betriebsversammlung am 2. Januar 2009, einem so genannten Brückentag, stattgefunden habe, an dem ein Erscheinen zahlreicher Mitarbeiter wegen Urlaubs und aus privaten Gründen unwahrscheinlich sei. Die Arbeitgeberin hat in Abrede gestellt, dass ab dem 22. Dezember 2008 gezielt Beschäftigte der Filiale U. telefonisch auf die bevorstehende Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands hingewiesen worden seien. Das demokratische Gebot der Allgemeinheit einer Wahl sei verletzt. Möglicherweise werde die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten ohne Möglichkeit der Einflussnahme hierauf eine Betriebsratswahl als solche sowie ein aus bestimmten Personen bestehender Wahlvorstand aufgedrängt.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt noch beantragt,

dem Wahlvorstand zu untersagen, die laufende Betriebsratswahl fortzusetzen.

Der Wahlvorstand hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren zurückzuweisen.

Der Wahlvorstand hat vorgetragen, dass ab dem 22. Dezember 2008 gezielt Beschäftigte telefonisch von der bevorstehenden Betriebsversammlung informiert und aufgefordert worden seien, diese Information in Form eines Schneeballsystems weiter zu verbreiten. Der Wahlvorstand hält im Übrigen eine Einladungsfrist von drei Tagen für ausreichend. Die Arbeitgeberin habe sich zu Unrecht geweigert, die Einladung bereits am 29. Dezember 2008 auszuhängen. Das Berufen der Arbeitgeberin auf die möglicherweise zu knapp bemessene Einladungsfrist hält der Wahlvorstand für rechtsmissbräuchlich. Jedenfalls seien etwaige Mängel nicht so gravierend, dass sie zur Nichtigkeit der Wahl führe. Allenfalls sei die Betriebsratswahl später anfechtbar.

Mit Beschluss vom 13. Januar 2009 hat das Arbeitsgericht Stuttgart dem Wahlvorstand im Wege einstweiliger Verfügung untersagt, die laufende Betriebsratswahl fortzusetzen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Wahl des Wahlvorstandes am 2. Januar 2009 nichtig sei. Die Frist zur Einladung zur Betriebsversammlung sei unter Berücksichtigung der Wertung des § 28 Abs. 1 WahlO zum Betriebsverfassungsgesetz zu kurzfristig erfolgt. Das Berufen der Arbeitgeberin auf diesen Mangel sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der von der Arbeitgeberin dargelegte Rechtsverstoß führe zur Nichtigkeit der Wahl des Wahlvorstandes, weil das Fernbleiben der nicht unterrichteten Arbeitnehmer das Wahlergebnis beeinflussen konnte. Es seien zu wenig Arbeitnehmer bei der Wahlversammlung anwesend gewesen. Bei einem derart gravierenden und schwerwiegenden Mangel sei die Fortführung der Betriebsratswahl zu untersagen.

Gegen diesen, dem Wahlvorstand am 20. Januar 2009 zugestellten Beschluss, hat der Wahlvorstand mit am 20. Januar 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und sogleich begründet.

Der Wahlvorstand macht geltend, die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart sei rechtsfehlerhaft. Der Wahlvorstand sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auf einer ordnungsgemäß einberufenen Betriebsversammlung am 2. Januar 2009 gemäß den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt worden und somit rechtmäßig zustande gekommen. Von einer Nichtigkeit des gewählten Wahlvorstandes könne nicht ausgegangen werden. Eine Aushangfrist von drei Tagen sei ausreichend, um eine ordnungsgemäße Einladung sicher zu stellen. Die vom Arbeitsgericht angezogene Vorschrift des § 28 WahlO zum Betriebsverfassungsgesetz finde keine Anwendung, da kein Fall des vereinfachten Wahlverfahrens nach § 14a BetrVG vorgesehen sei. Im Übrigen sei der Arbeitgeberin eine Berufung auf die möglicherweise zu kurze Einladungsfrist nicht gestattet, da sie im Vorfeld einen rechtzeitigen Aushang verhindert habe. Darüber hinaus mangele es an allgemeinen Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung. Der Arbeitgeberin sei bereits am 27. Dezember 2008 der Zeitpunkt der Wahlversammlung bekannt gewesen. Gleichwohl habe sie erst nach Durchführung der Betriebsversammlung eine entsprechende einstweilige Verfügung beantragt.

Der Wahlvorstand beantragt:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2009, Aktenzeichen 28 BVGa 2/09 wird aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren wird zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

Zurückweisung der Beschwerde.

Die Arbeitgeberin verteidigt den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Sie weist ergänzend darauf hin, dass am 30. Dezember 2008 21 Mitarbeiter wegen Freizeit, Urlaub oder Krankheit nicht in der Betriebsstätte U. anwesend gewesen seien. Am 31. Dezember 2008 seien 48 Mitarbeiter und am 2. Januar 2009 18 Mitarbeiter nicht anwesend gewesen. Die Arbeitgeberin ist weiter der Auffassung, dass ihr Einberufen auf die ihrer Auffassung nach zu kurze Einladungsfrist nicht verwehrt sei. So habe bereits der Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Arbeitgeberin D. B. die Gewerkschaftssekretärin F. ausdrücklich in einem Telefongespräch darauf hingewiesen, dass eine viel zu kurze Frist gewählt worden sei, worauf die Gewerkschaftssekretärin unverblümt eingeräumt habe, dass die von ihr eingeleitete Maßnahme ausschließlich dazu dienen würde, gekündigten ver.di - Mitgliedern ein Sonderkündigungsschutz zu verschaffen. Auch sei unverzüglich und rechtzeitig von ihr auf die fehlenden Nachweise des Vertretens im Betrieb hingewiesen worden. Sobald alle Voraussetzungen vorgelegen haben, hätte sie die Einladung zur Betriebsversammlung am 2. Januar 2009 ausgehängt. Darüber hinaus hätten nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 13. Januar 2009 andere Mitarbeiter eine erneute Betriebsversammlung für den 10. Februar 2009 einberufen, um einen neuen Wahlvorstand zu wählen. In dieser Betriebsversammlung sei ein Wahlvorstand gewählt worden, der die Vorbereitung zur Betriebsratswahl bereits aufgenommen habe.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der Anhörung der Beteiligten vor der Beschwerdekammer am 20. Februar 2009 waren sowie die Niederschrift über die Anhörung der Beteiligten am 20. Februar 2009 Bezug genommen und verwiesen.

B

Die Beschwerde des Wahlvorstands gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2009 - 28 BVGa 2/09 - ist als unbegründet zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss dem Wahlvorstand zu Recht die Fortsetzung der von ihm eingeleiteten Betriebsratswahl im Wege einstweiliger Verfügung untersagt. Die Wahl des Wahlvorstands am 2. Januar 2009 leidet an derart gravierenden Mängeln, dass seine Bildung nichtig ist. Die von ihm durchzuführende Betriebsratswahl wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwirksam.

I.

Die Beschwerde des Wahlvorstands ist zulässig. Sie ist gem. § 85 ArbGG iVm. § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und auch gem. § 87 Abs. 2 ArbGG iVm. § 66 Abs. 1 ArbGG, § 89 Abs. 2 ArbGG in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Der Wahlvorstand hat gegen den ihm am 20. Januar 2009 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart bereits am selben Tag Beschwerde eingelegt und sofort begründet. Im Übrigen bestehen hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde des Wahlvorstands keine Bedenken.

II.

Die Beschwerde des Wahlvorstandes ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Gegenstand, dem Wahlvorstand die weitere Durchführung der Betriebsratswahl zu untersagen, zu Recht stattgegeben. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung wurden vom Arbeitsgericht zu Recht bejaht. Die Wahl des Wahlvorstands in der Betriebsversammlung am 2. Januar 2009 leitet an derart schwerwiegenden Mängeln, dass seine Bildung nichtig ist. Der Arbeitgeberin ist eine Berufung auf diese Rechtsfolge nicht verwehrt und die folgende Betriebsratswahl wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwirksam.

1. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren ist nach § 85 Abs. 2 ArbGG zulässig.

2. Der Antrag auf Erlass einer - auf den Abbruch der vom Wahlvorstand eingeleiteten Betriebsratswahl gerichteten - einstweiligen Verfügung, ist auch begründet. Die Arbeitgeberin hat einen Verfügungsanspruch ebenso glaubhaft gemacht wie einen Verfügungsgrund. Die Bildung des Wahlvorstands am 2. Januar 2009 ist wegen einer zu kurzen Frist der Einladung zur Betriebsversammlung nichtig. Die Arbeitgeberin verhält sich auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf diesen Mangel beruft. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch einen Verfügungsgrund angenommen und ausnahmsweise den Abbruch einer laufenden Betriebsratswahl verfügt.

a) Der Antrag auf Erlass einer - auf den Abbruch der vom Wahlvorstand eingeleiteten Betriebsratswahl gerichteten - einstweiligen Verfügung ist von einem Verfügungsanspruch getragen, denn die Wahl des Wahlvorstandes am 2. Januar 2009 ist nichtig.

aa) Nach § 17 Abs. 3 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 und 2 BetrVG wird der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung von einer Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt. Zu dieser Betriebsversammlung können, wenn weder ein Betriebsrat, noch ein Gesamtbetriebsrat oder ein Konzernbetriebsrat besteht, drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen. Das Betriebsverfassungsgesetz selbst enthält keine Vorschriften über die Form und Frist der Einladung zur Wahlversammlung. Jedoch müssen die Arbeitnehmer so rechtzeitig vom Termin und Gegenstand der Betriebsversammlung unterrichtet werden, dass alle Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, Ort, Zeit und Zweck der Betriebsversammlung zu erfahren und an ihr teilzunehmen. Bei der Bestellung des Wahlvorstands in einer Betriebsversammlung handelt es sich um eine Wahl, für die, die an eine demokratische Wahl zu stellenden Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen, wozu auch der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl zählt. Dieser Grundsatz hat besondere Bedeutung und rechtfertigt eine genaue Überprüfung der Einladung.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer sind im Hinblick darauf, dass der Wahlvorstand vorrangig vorbereitende Handlungen bei der Durchführung der Betriebsratswahl und der Sicherstellung von deren ordnungsgemäßem Ablauf hat, zwar strenge aber keine überzogenen Anforderung zu stellen. Erforderlich ist, dass die Einladung entweder alle Arbeitnehmer des Betriebs tatsächlich erreicht oder so bekannt gemacht wird, dass dieser Personenkreis die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu erlangen und an der Wahlversammlung teilzunehmen.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht hervorgehoben, dass bei der Wahl des Wahlvorstandes nach § 17 BetrVG die Beschlussfähigkeit der Wahlversammlung nicht von der Teilnahme einer Mindestzahl von Arbeitnehmern abhängt. Der Wahlvorstand wird vielmehr von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt. Für das Wahlverfahren gelten keine besonderen Vorschriften, so dass auch keine geheime Abstimmung erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Einleitung einer Betriebsratswahl und die Wahl von Betriebsräten erleichtern wollen. Folglich kann auch eine Minderheit von Mitarbeitern eines Betriebes die Bestellung eines Wahlvorstandes durchsetzen und die Wahl eines Betriebsrats einleiten. Im Hinblick hierauf muss jedoch gewährleistet sein, dass alle Arbeitnehmer zumindest die Möglichkeit erhalten, an dieser Wahl mitzuwirken. Andernfalls könnte durch eine gezielte Auswahl der eingeladenen Arbeitnehmer der überwiegenden Mehrheit die Durchführung einer Betriebsratswahl "ausgezwungen" werden. Deshalb kann von einer Wahl zumindest dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Einladung zur Wahlversammlung nicht in der im Betrieb üblichen Weise bekannt gemacht wurde und die auch nicht anderweitig unterrichteten und die der Versammlung ferngebliebenen Arbeitnehmer das Wahlergebnis beeinflussen konnten (BAG 7. Mai 1986 - 2 AZR 349/85 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 17 Nr. 5 = NZA 1986, 753, zu II 2 b bb der Gründe; ErfK/Eisemann/Koch 9. Aufl. § 17 BetrVG Rn. 3 bis 6; Fitting BetrVG 24. Aufl. § 17 Rn. 17; HWK/Reichhold 3. Aufl. § 17 BetrVG Rn. 8; Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 17 Rn. 12).

bb) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist im Entscheidungsfall von der Nichtigkeit des am 2. Januar 2009 gewählten Wahlvorstands auszugehen. Er leidet an derart gravierenden, schwerwiegenden Mängeln, dass von einer ordnungsgemäßen Wahl nicht mehr gesprochen werden kann. Es kann dahinstehen, ob - wie vom Arbeitsgericht angenommen - die Frist zur Einladung zur Betriebsversammlung am 2. Januar 2009 bereits deshalb zu kurz war, weil die Zeitspanne unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung, die in § 28 Abs. 1 WahlO zum Betriebsverfassungsgesetz zum Ausdruck kommt, zu kurz bemessen war. Selbst wenn man mit dem Wahlvorstand davon ausgeht, diese Fristenregelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 WahlO komme nicht zur Anwendung, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eine Einladungsfrist vom 30. Dezember 2008 um 11.00 Uhr bis zum 2. Januar 2009 um 20.00 Uhr nicht ausreichend.

aaa) Nach § 28 Abs. 1 WahlO muss die Einladung zu einer Wahlversammlung nach § 17a Nr. 3 BetrVG (§ 14a Abs. 1 BetrVG) mindestens sieben Tage vor dem Tag der Wahlversammlung erfolgen. Ob diese Fristenregelung unmittelbar oder - wie vom Arbeitsgericht angenommen - zumindest als gesetzgeberische Wertung zu beachten und auf den vorliegenden Fall zur Anwendung zu bringen ist, erscheint zumindest fraglich. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es sich nicht um ein Verfahren nach § 14a Abs. 1 BetrVG zur Wahl eines Betriebsrats im vereinfachten Verfahren handelt, denn in der Filiale in S.-U. waren im Dezember 2008 / Januar 2009 noch 94 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Betriebsgröße lag deshalb oberhalb der von § 14a Abs. 1 BetrVG vorgesehenen Arbeitnehmerzahl von bis zu fünfzig Arbeitnehmern. Andererseits könnte für eine Anlehnung an diese Fristenregelung sprechen, dass in der Betriebsstätte in S.-U. das weitere Wahlverfahren wegen § 14a Abs. 5 BetrVG im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt werden könnte. Der nach der arbeitsgerichtlichen Entscheidung vom 13. Januar 2009 wohl auf Initiative anderer Arbeitnehmer neu gewählte (weitere) Wahlvorstand hat, nach Bekundungen der Verfahrensbeteiligten im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer am 20. Februar 2009, eine entsprechende Vereinbarung nach § 14a Abs. 5 BetrVG mit der Arbeitgeberin geschlossen. Die von diesem Wahlvorstand eingeleitet Betriebsratswahl soll im vereinfachten Verfahren fortgesetzt werden.

Ob diese Möglichkeit es rechtfertigt, auch in Betrieben mit 51 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern eine Mindestankündigungsfrist von sieben Tagen für die Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands zu verlangen, kann nach Auffassung der Beschwerdekammer jedoch auf sich beruhen.

bbb) Es ist anerkannt und in Rechtsprechung und Literatur unbestritten, dass die Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands rechtzeitig bekannt zu machen ist (BAG 7. Mai 1986 - 2 AZR 349/85 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 17 Nr. 5 = NZA 1986, 753, zu II 2 b bb der Gründe; Fitting BetrVG 24. Aufl. § 17 Rn. 17; Wlotzke/Wlotzke BetrVG 3. Aufl. § 17 Rn. 9). In arbeitsgerichtlichen und landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen wird eine Frist von drei Tagen zwischen Aushang der Einladung und Durchführung der Betriebsversammlung als ausreichend angesehen (ArbG München 17. Dezember 1996 - 8 BV 282/96 - AiB 1997, 288; vgl. auch LAG Nürnberg 29. Juli 1998 - 4 TaBV 12/97 - zitiert nach juris; differenzierend ArbG Essen 22. Juni 2004 - 2 BV 17/04 - NZA-RR 2005, 258, zu B II 2 b der Gründe; vgl. auch Fitting BetrVG 24. Aufl. § 17 Rn. 17). Dem schließt sich die erkennende Beschwerdekammer im Grundsatz an, gleichwohl führt dies zu keinem für den Wahlvorstand günstigeren Ergebnis.

ccc) Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Entscheidungsfalls kann der Aushang am 30. Dezember 2008 um 11.00 Uhr für die Wahlversammlung am 2. Januar 2009 um 20.00 Uhr nicht mehr als rechtzeitig angesehen werden.

(1) Sowohl am 30. Dezember 2008 als auch am 31. Dezember 2008 und am 2. Januar 2009 war eine nicht unmaßgebliche Anzahl von Arbeitnehmern, sei es schichtplanmäßig, sei es aufgrund Urlaub, sei es aufgrund Krankheit nicht im Betrieb anwesend. Dies hat die Arbeitgeberin durch die eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters M. B. vom 18. Februar 2009 glaubhaft gemacht. Zwar hat der Wahlvorstand im Schriftsatz vom 17. Februar 2009 geltend gemacht hat, dass wegen des Weihnachtsgeschäfts und des Jahresendgeschäfts einschließlich der notwendigen Inventur "eine Urlaubssperre verhängt" gewesen sei. Dies bedeute, dass mit Ausnahme weniger ausgewählter Personen und arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter davon ausgegangen werden könne, dass hinreichende Kenntnis über die Durchführung der Wahlversammlung am Abend des 2. Januar 2009 bestanden habe". Ausgehend von diesem Vortrag lässt sich gerade nicht entnehmen, dass alle Beschäftigten die Möglichkeit hatten, vom Termin der Wahlversammlung Kenntnis zu erlangen oder auf anderem Weg davon Kenntnis erhalten hatten. Vielmehr ist auch Grundlage des Vortrags des Wahlvorstands davon auszugehen, dass eben nicht alle Beschäftigten vom Haushang am Schwarzen Brett Kenntnis erlangen konnten. Der Wahlvorstand räumt selbst ein, dass nicht alle Arbeitnehmer in der zeit vom 30. Dezember 2008 bis 2. Januar 2009 in der Filiale U. anwesend waren. Es kann folglich nicht angenommen werden, dass alle Arbeitnehmer die Möglichkeit hatten, von dem am schwarzen Brett ausgehängten Einladungsschreiben Kenntnis zu nehmen. Vielmehr war diese Möglichkeit für etliche Arbeitnehmer gerade nicht gegeben.

(2) Auch die bereits vor Aushang der schriftlichen Einladung - wohl beginnend ab dem 22. Dezember 2008 - seitens der Gewerkschaft entfalteten Aktivitäten können nicht dazu führen, dass von einer ordnungsgemäßen, insbesondere rechtzeitigen Einladung ausgegangen werden kann. Soweit dazu vorgetragen wurde, dass gezielt Beschäftigte informiert worden seien und dann im Wege eines Schneeballsystems der Termin weiter bekannt gemacht worden sei, ist dieser Vortrag nicht hinreichend konkret, um ihm zu entnehmen, dass alle Arbeitnehmer dadurch Kenntnis vom Termin der Betriebsversammlung am 2. Januar 2009 um 20 Uhr und ihrem Zweck erlangt haben.

(3) Auch der Hinweis darauf, dass unter den Mitarbeitern am 30., 31. Dezember 2008 und am 2. Januar 2009 die anstehende Betriebsversammlung kommuniziert wurde, ändert nichts. Es waren und dies wird vom Wahlvorstand auch nicht in Abrede gestellt, an den genannten drei Arbeitstagen nicht alle Arbeitnehmer in der Betriebsstätte in U. anwesend. Auch die im Beschwerdeverfahren in Kopie vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Arbeitnehmers S. vom 13. Februar 2009 ändert daran nichts. Unabhängig von der Frage ihrer ordnungsgemäßen Einführung ins Verfahren sind die in ihr enthaltenen tatsächlichen Behauptungen nicht geeignet, den Schluss zuzulassen, dass tatsächlich alle Arbeitnehmer in der Filiale U. von der bevorstehenden Wahlversammlung Kenntnis erlangt hatten.

cc) Der Arbeitgeberin ist die Berufung auf den Mangel der ordnungsgemäßen Einladung zur Betriebsversammlung auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu verwehren. Zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Wahl steht der Arbeitgeberin die Prüfungsbefugnis zu, ob die zur Betriebsversammlung einladende Gewerkschaft tatsächlich eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft ist. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Die Arbeitgeberin hat, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, zunächst am Montag, den 29. Dezember 2008 und damit unverzüglich nach Hereinreichung der Wahleinladung um dem Nachweis des Vertretenseins gebeten. Unwidersprochen war die eidesstattliche Versicherung einer Gewerkschaftssekretärin hinsichtlich des Vorhandenseins von Gewerkschaftsmitgliedern im Betrieb erst am 29. Dezember um 21.17 Uhr zur Verfügung gestellt worden. Ein Aushang der Wahleinladung noch am 29. Dezember 2008 war deshalb unter keinem Gesichtspunkt geboten.

Entgegen der in der Anhörung vor der Beschwerdekammer am 20. Februar 2009 geäußerten Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstandes kann bei dieser Frage auch nicht auf Samstag, den 27. Dezember 2008 abgestellt werden. Wenn - aus welchen Gründen auch immer - die Einladung zur Betriebsversammlung erst am Samstag Abend um 19.55 Uhr und damit fünf Minuten vor Kassen- und damit Betriebsschluss an die Arbeitgeberin übermittelt wird, so kann in einem Aushang noch an diesem Tage keinesfalls gerechnet werden. Selbst wenn ein Mitarbeiter der Personalabteilung noch am Abend das Fax zur Kenntnis genommen haben sollte, konnte mit einer Prüfung des Vorgangs und einem Aushang ernsthaft nicht mehr gerechnet werden. Der Lauf der Aushangfrist kann damit auch nicht im Rahmen der Prüfung der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die zu kurze Aushangfrist als zum Samstag "rückbewirkt" angesehen werden.

dd) Der damit feststehende Rechtsverstoß bei der Wahl des Wahlvorstandes führt - wie vom Arbeitsgericht richtig gesehen - auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 7. Mai 1986 - 2 AZR 349/85 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 17 Nr. 5 = NZA 1986, 753, zu II 2 b bb der Gründe) zur Nichtigkeit der Wahl des Wahlvorstands, denn das Fernbleiben der nicht unterrichteten Arbeitnehmer kann das Wahlergebnis beeinflusst haben kann. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass bei lediglich 14 anwesenden Arbeitnehmern von insgesamt 94 wahlberechtigten Arbeitnehmern von einer Beeinflussung der Wahl auszugehen ist.

b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch von einem Verfügungsgrund getragen. Der festgestellte Mangel ist derart schwerwiegend und gravierend, dass die Fortführung der Betriebsratswahl vom Arbeitsgericht zu Recht untersagt wurde.

aa) Der Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege einstweiliger Verfügung kommt nur in Betracht, wenn entweder der Fehler in kurzer Zeit behoben werden kann oder mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Wahl wegen des Wahlfehlers mit Erfolg angefochten werden kann (LAG Baden-Württemberg 16. September 1996 - 15 TaBV 10/96 - LAGE BetrVG 1972 § 19 Nr. 15 zu II 2 c der Gründe; LAG Baden-Württemberg 13. April 1994 - 9 TaBV 4/94 - zitiert nach juris; vgl. auch ErfK/Eisemann/Koch 9. Aufl. § 85 ArbGG Rn. 6; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller - Glöge - Matthes ArbGG 6. Aufl. § 85 Rn. 38). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aussetzung der Betriebsratswahl zu einer Verlängerung des vom Betriebsverfassungsgesetz gerade nicht gewünschten betriebsratslosen Zustands führt.

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend der Verfügungsgrund zu bejahen. Ist die Wahl des Wahlvorstandes nichtig, ist der Abbruch der laufenden Betriebsratswahl nach Auffassung der Beschwerdekammer erforderlich, denn das nichtig gebildete Gremium kann die Betriebsratswahl überhaupt nicht fortsetzen. Wie das Arbeitsgericht zu Recht hervorgehoben hat, muss dies auf alle Fälle gelten, wenn nicht einmal festgestellt werden kann, ob überhaupt ein Wahlvorstand gewählt wurde. Die Weiterführung der Betriebsratswahl durch den nichtig gebildeten Wahlvorstand hätte zwar voraussichtlich nicht die Nichtigkeit der Betriebsratswahl insgesamt (vgl. BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1, zu B II 1 b bb der Gründe) zumindest aber mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl zur Folge. Dies führt zur Wiederholung der Wahl innerhalb kürzester Zeit. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Dauer des betriebsratslosen Zustands nicht erhöht werden soll, erscheint es vorliegend unter Berücksichtigung der Interessen der Belegschaft und der Arbeitgeberin angemessen, die eingeleitete Wahl des Betriebsrats durch den nichtig gebildeten Wahlvorstand abzubrechen.

III.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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