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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.03.2000
Aktenzeichen: 6 Sa 84/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 119
BGB § 812 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 97 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 Sa 84/99

verkündet am 30.03.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stolz, den ehrenamtlichen Richter Klein und den ehrenamtlichen Richter Muhl auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.06.1999 - 14 Ca 7832/98 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der Prämie für einen betrieblichen Verbesserungsvorschlag, den der Kläger am 22.07.1997 zusammen mit 22 weiteren Arbeitnehmern seiner Arbeitsgruppe eingereicht hat.

Der Kläger, der bei der Beklagten in der Abteilung Beispritzer beschäftigt ist, arbeitete mit 22 Mitarbeitern seiner Arbeitsgruppe einen gemeinsamen betrieblichen Verbesserungsvorschlag aus, der in der Folgezeit auch realisiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war in der Abteilung des Klägers bereits Gruppenarbeit, nicht aber die sogenannte Reorganisation der Arbeitszeit (RIZEI) eingeführt.

Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung zur Prämierung von Verbesserungsvorschlägen, die sogenannte Rahmenbetriebsvereinbarung zum mitarbeitergetragenen kontinuierlichen Verbesserungsprozess vom 22.02.1995. Diese sah bei einem derartigen gemeinsamen Verbesserungsvorschlag eine gleichmäßige Aufteilung der Prämie auf alle Einreicher vor. Am 13.11.1996 wurde zudem eine Betriebsvereinbarung zur "Ergänzung zur Rahmenbetriebsvereinbarung des mitarbeitergetragenen kontinuierlichen Verbesserungsprozesses KVP am Standort Sindelfingen" geschlossen. In Nr. 3 der Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 heißt es:

KVP wird nach einem Stufenplan centerspezifisch eingeführt. Der Stufenplan beschreibt die Vorgehensweise bei der Information und Qualifizierung sowie den Beginn der sich anschließenden Direkteinreichung und Honorierung über die Führungskräfte.

Nr. 21 lautet folgendermaßen:

In die Prämierung von mitarbeiterrelevanten Vorschlägen organisierter Gruppen (z. B. Werkstattkreise, KVP-Teams) wird auch der Kreis der davon betroffenen Mitarbeiter einbezogen. In organisierter Gruppenarbeit sind "betroffene Mitarbeiter" alle Gruppenmitglieder der betroffenen Schichten. Liegt jedoch keine Gruppenarbeit vor, sind es die Mitarbeiter der betroffenen Station/des Arbeitsbereichs über alle Schichten.

In Nr. 24 heißt es:

Auf die betroffenen Mitarbeiter wird die Prämie bzw. Anerkennung zu gleichen Teilen verteilt. Zwischen Einsendern und Betroffenen werden die Prämien aus Gruppenvorschlägen von WSKŽs und KVP-Teams folgendermaßen umverteilt:

Von der Gesamtprämie gehen 20 % vorab als Teilprämie an die Einsender, die restlichen 80 % gehen zu gleichen Teilen an die Einsender und die Betroffenen.

Mit Schreiben vom 20.11.1997, dem Kläger am 08.12.1997 übergeben, teilte die Beklagte dem Kläger mit, er erhalte für den eingereichten Vorschlag eine Prämie von 5.100,00 DM brutto. Sollte der Kläger damit nicht einverstanden sein, könne er innerhalb von drei Monaten schriftlich Einspruch einlegen. Vor Zugang dieses Schreibens fand ein Telefonat zwischen einem Miteinreicher, Herrn L., und dem zuständigen Sachbearbeiter des Vorschlagswesens der Beklagten statt, der Herrn L. mitteilte, dass inzwischen entschieden sei, dass der Verbesserungsvorschlag nach der alten Betriebsvereinbarung vom 22.02.1995 honoriert werde.

Mit Schreiben vom 15.12.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er erhalte nur eine Prämie in Höhe von 2.460,00 DM brutto, diese wurde auch ausbezahlt. Zudem erklärte der Vorgesetzte des Klägers diesem mündlich die Anfechtung der Erklärung vom 20.11.1997.

Der Kläger macht nunmehr die Differenz zwischen der mit Schreiben vom 20.11.1997 zugesagten und der tatsächlich bezahlten Prämie geltend. Er ist der Meinung, dieses Schreiben stelle ein Schuldanerkenntnis dar. Zudem können die Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 auf den Verbesserungsvorschlag des Klägers und seiner Miteinreicher keine Anwendung finden, denn in der Abteilung des Klägers seien die Voraussetzungen für den KVP-Prozess noch nicht eingeführt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.640,00 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte entgegnet, Nr. 21 der Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 finde Anwendung, denn der Kläger sei zum Zeitpunkt der Einreichung des Verbesserungsvorschlags bereits in Gruppenarbeit tätig gewesen. Dem Schreiben der Beklagten vom 20.11.1997 komme keine anspruchsbegründende Wirkung zu, es stelle lediglich eine unrichtige Mitteilung über einen Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung dar.

Im Übrigen habe der Vorgesetzte des Klägers diesem gegenüber mündlich die Anfechtung der im Prämienbrief enthaltenen Erklärung ausgesprochen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 29.06.1999 im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Erklärung der Beklagten vom 20.11.1997 stelle ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, so dass die Beklagte mit der Einwendung ausgeschlossen sei, auf den Verbesserungsvorschlag sei die Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 an Stelle der bereits davor bestehenden Betriebsvereinbarung anzuwenden. Zwischen den Parteien habe zumindest Ungewissheit darüber bestanden, ob noch die bisherige Betriebsvereinbarung oder bereits die Ergänzungsbetriebsvereinbarung vom 13.11.1996 auf den gemeinsamen Verbesserungsvorschlag Anwendung finde. Trotz der den Beteiligten bekannten Unsicherheit sei dem Kläger das Schreiben vom 20.11.1997 am 08.12.1997 übergeben worden, aus dessen Wortlaut sich ergebe, dass die Beklagte damit eine Entscheidung über den Bestand und die Höhe des Prämienanspruchs habe treffen wollen. Ein Irrtum, der die Anfechtung des Schuldanerkenntnisses durch die Beklagte begründen könne, liege nicht vor. Soweit sich die Beklagte über die für die Prämienberechnung anzuwendenden Regelungen geirrt haben sollte, liege lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum, nicht aber ein Inhaltsirrtum nach § 119 BGB vor.

Gegen dieses der Beklagten am 09.08.1999 zugestellte Urteil hat sie am 09.09.1999 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 11.11.1999 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ausgeführt.

Die Beklagte meint, das Schreiben vom 20.11.1997 stelle kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, das alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschließe. Es könne höchstens als Bestätigungserklärung, die nur die Erfüllungsbereitschaft des Schuldners anzeige, angesehen werden, das allenfalls eine Umkehrung der Beweislast bewirke. Es trage nur den berechtigten Interessen des Mitarbeiters Rechnung, zu seiner Information zu erfahren, ob der Verbesserungsvorschlag von der Beklagten anerkannt worden sei und wie hoch die Leistungen aus der Betriebsvereinbarung anzusetzen seien. Es enthalte aber keine verbindliche Willenserklärung.

Es habe auch kein Streit oder Unsicherheit über die anzuwendende Betriebsvereinbarung bestanden, da die Ergänzungsbetriebsvereinbarung bereits seit 01.02.1996 gegolten habe. Sie sei somit auf den am 22.07.1997 eingereichten Verbesserungsvorschlag anzuwenden. Es habe zwar ein Telefonat zwischen dem Miteinreicher Herrn L. und dem Sachbearbeiter der Beklagten stattgefunden, der von dem Kläger vorgetragene Gesprächsinhalt werde allerdings bestritten. Nach der Ergänzungsbetriebsvereinbarung stehe dem Kläger nur der im Schreiben vom 15.12.1997 mitgeteilte Prämienbetrag in Höhe von 2.460,00 DM brutto zu, der ihm auch ausbezahlt worden sei.

Die Beklagte hat daher beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.06.1999 wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Meinung, dass das Arbeitsgericht das Schreiben der Beklagten vom 20.11.1998 zu Recht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis angesehen habe. Zum Zeitpunkt dieses Schreibens sei zwischen den Parteien streitig gewesen, nach welcher Betriebsvereinbarung der Verbesserungsvorschlag zu honorieren sei. Vorausgegangen sei ein Gespräch des Miteinreichers Herrn L. mit Herrn H. vom Betrieblichen Vorschlagswesen der Beklagten. Bei diesem Gespräch sei es u. a. darum gegangen, ob der Verbesserungsvorschlag nach der KVP-Vereinbarung oder der alten Gruppenarbeitsvereinbarung honoriert werden solle. Das Schreiben der Beklagten vom 20.11.1997 habe deshalb eine endgültige Klärung der streitigen Fragen herbeiführen sollen. Es sei als deklaratorisches Schuldanerkenntnis in diesem Sinne anzusehen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze in beiden Rechtszügen nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.06.1999 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Die Berufung der Beklagten hatte aber keinen Erfolg, da die Beklagte, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, auf Grund ihres Schreibens vom 20.11.1997 verpflichtet ist, dem Kläger eine Prämie in Höhe von 5.100,00 DM brutto zu gewähren. Somit steht nach der Zahlung der Prämie von 2.460,00 DM brutto noch der eingeklagte Differenzbetrag offen.

Das Schreiben der Beklagten vom 20.11.1997 ist nämlich als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auszulegen, durch das der Beklagten die vorgetragenen Einwendungen abgeschnitten werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG v. 24.03.1976 NJW 1976, 1259, BAG v. 11.10.1994 NJW 1995, 961) verfolgen die Parteien mit einem solchen Vertrag den Zweck, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen. In dieser Festlegung besteht der rechtsgeschäftliche Gehalt des Schuldbestätigungsvertrags; der Vertrag wirkt insoweit regelnd auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ein, als er die Verwirklichung einer Forderung von möglicherweise bestehenden Einwendungen (oder Einreden) befreit oder sogar ein möglicherweise noch nicht bestehendes Schuldverhältnis begründet, indem nämlich ein nur "möglicherweise" bestehendes Schuldverhältnis bestätigt wird. Die Festlegung des Schuldverhältnisses reicht nur so weit, wie es dem erklärten Willen der Beteiligten entspricht; dabei ist es eine Aufgabe der Auslegung der im konkreten Einzelfall abgegebenen Willenserklärungen, die Tragweite des Anerkenntnisses zu ermitteln. Führt die Auslegung zu dem Ergebnis, dass das Schuldverhältnis ohne Rücksicht auf möglicherweise bestehende Einwendungen festgelegt werden sollte oder dass der Schuldner zumindest auf bestimmte Einwendungen verzichten wollte, so kann diese Parteivereinbarung nicht nach § 812 Abs. 2 BGB rückgängig gemacht werden, falls sich später das "bestätigte" Schuldverhältnis als ursprünglich nicht bestehend oder eine ausgeschlossene Einwendung als an sich begründet herausstellen sollte.

Daneben gibt es noch ein Anerkenntnis, das keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, das der Schuldner vielmehr zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder dem Gläubiger den Beweis zu erleichtern. Solche Bestätigungserklärungen enthalten keine materiellrechtliche Regelung für das Schuldverhältnis, sondern bewirken als "Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst" im Prozess allenfalls eine Umkehrung der Beweislast oder stellen ein Indiz dar, das der Richter bei seiner Beweiswürdigung verwerten kann, das aber jedenfalls durch den Beweis der Unrichtigkeit des Anerkannten entkräftet werden kann. Welche Wirkungen von einem Anerkenntnis des Schuldners ausgehen, kann nur durch Auslegung des zum Ausdruck gebrachten Parteiwillens ermittelt werden.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass das Schreiben der Beklagten vom 20.11.1997 als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auszulegen ist, das den Streit über die Ungewissheit, nach welcher Betriebsvereinbarung der gemeinsame betriebliche Verbesserungsvorschlag der Einreicher zu honorieren war, beenden sollte. Dass eine solche Ungewissheit bestand, erweist das Telefongespräch zwischen dem Miteinreicher Herrn L. und Herrn H. vom Betrieblichen Vorschlagswesen der Beklagten. Der Kläger hat vorgetragen, dass es bei diesem Gespräch u. a. darum gegangen sei, nach welcher Betriebsvereinbarung die Prämie des eingereichten Verbesserungsvorschlags zu berechnen sei. Die Beklagte hat die Tatsache des Telefongesprächs zwischen dem Kläger und Herrn H., der auch nach dem Schreiben der Beklagen vom 20.11.1997 der für die Entscheidung über die Prämie verantwortliche Mitarbeiter der Beklagten gewesen ist, nicht bestritten, sondern nur den vom Kläger vorgetragenen Gesprächsinhalt bestritten, aber ohne den Ablauf aus ihrer Sicht zu schildern. Damit liegt kein substanziiertes Bestreiten im Sinne des § 138 Abs. 2 - 4 ZPO vor, so dass der vom Kläger ausgeführte Sachverhalt als unstreitig anzusehen ist.

Die danach erfolgte schriftliche Äußerung der Beklagten über die Höhe der Prämie ist somit als eine verbindliche Willenserklärung anzusehen, mit der diese den Streit über die Anwendung der Betriebsvereinbarung beenden wollte und nicht nur als reine Wissens- oder Erfüllungserklärung, der keine rechsverbindliche Wirkung gegenüber dem Empfänger zukommen sollte. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger in dem Schreiben eine Einspruchsmöglichkeit von drei Monaten zugestanden hat, sie hat dadurch zu erkennen gegeben, dass von ihrer Seite eine abschließende Prüfung erfolgt ist. Die Beklagte selbst konnte die verbindliche Wirkung des Schreibens weder durch die nachfolgende Mitteilung vom 15.12.1997 noch durch die mündliche Anfechtungserklärung des Vorgesetzten des Klägers zu Fall bringen, denn ihr angeblicher Irrtum, welche Betriebsvereinbarung anzuwenden war, betraf gerade den Kernpunkt des Streites und der Ungewissheit der Parteien, der durch das Schreiben vom 20.11.1997 beseitigt werden sollte. Mit diesen Einwendungen ist die Beklagte gerade ausgeschlossen, wie sich aus der Auslegung des Schreibens im Zusammenhang mit dem vorherigen Telefongespräch zwischen Herrn L. und dem für das Prämienwesen verantwortlichen Sachbearbeiter der Beklagten ergibt.

Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 4 BetrVG unwirksam, denn die zwingende Wirkung einer Betriebsvereinbarung bedeutet nur, dass von ihren Regelungen nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer durch anderweitige Absprachen der Arbeitsvertragsparteien abgewichen werden kann. Im Übrigen gilt das Günstigkeitsprinzip (Fitting-Kaiser-Heither-Engels BetrVG 19. Aufl. Rn. 111 zu § 77 BetrVG). Die durch das Schreiben vom 20.11.1997 dem Kläger zugesagte Prämie ist höher als eine Honorierung nach der Ergänzungsbetriebsvereinbarung, unterstellt, sie würde im vorliegenden Fall Anwendung finden. Somit ist eine für den Kläger günstigere Regelung getroffen worden, für die § 77 Abs. 4 BetrVG keine Sperrwirkung entfaltet. Bei Beurteilung dieses Gundsatzes ist auf das Verhältnis der Parteien der Einzelregelung abzustellen und nicht auf die Gesamtheit der unter die Prämienregelung fallenden Arbeitnehmer. Unter Umständen muss die Beklagte bei Anwendung der Ergänzungsbetriebsvereinbarung einen größeren Betrag für den betrieblichen Verbesserungsvorschlag bezahlen, da der Kreis der betroffenen Arbeitnehmer weiter zu ziehen ist und sie sich gegebenenfalls einzelnen Arbeitnehmern bereits zu einer höheren Prämie, als ihnen nach der neuen Betriebsvereinbarung zugestanden hätte, verpflichtet hat. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass aus diesem Grund die Erklärung vom 20.11.1997 nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auszulegen sei, da nicht anzunehmen sei, dass die Beklagte sich zu Mehraufwendungen habe verpflichten wollen. Wenn sie ihre Meinung über die Anwendung der Betriebsvereinbarung nach Übergabe des Schreibens an den Kläger wieder änderte, bzw. bei richtiger Auslegung der Betriebsvereinbarungen die Ergänzungsbetriebsvereinbarung zur Anwendung hätte kommen müssen, geht dies zu ihren Lasten und kann nicht nachträglich die Wirksamkeit der vorher abgegebenen Erklärung beeinträchtigen.

Ebenso spricht auch der Vergleichscharakter eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses gegen eine Sperrwirkung des § 77 Abs. 4 BetrVG bei vorliegender Fallgestaltung. Das Verzichtsverbot nach § 77 Abs. 4 BetrVG erfasst nicht den sogenannten Tatsachenvergleich, d. h. die Ausräumung von Meinungsverschiedenheiten über die tatsächlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus einer Betriebsvereinbarung (Fitting-Kaiser-Heither-Engels Rn. 170 zu § 77 BetrVG, BAG v. 31.07.1996 AP Nr. 63 zu § 77 BetrVG 1972). Da vorliegend zwischen den Parteien gerade streitig war, ob die Einreicher des betrieblichen Verbesserungsvorschlags bereits eine Gruppe im Sinne der Ergänzungsbetriebsvereinbarung bildeten, war ein diesen Streitpunkt ausräumender Vergleich auch in Form eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses möglich.

Die Beklagte war somit gemäß ihrem Schreiben vom 20.11.1997 verpflichtet, dem Kläger eine Prämie von insgesamt 5.100,00 DM brutto zu bezahlen, ohne dass entschieden werden musste, welche Betriebsvereinbarung im gegebenen Fall zur Anwendung gekommen wäre.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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