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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 29/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG, GewO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 62 Abs. 2 Satz 1
ArbGG § 69 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz
ZPO § 139
ZPO § 253
ZPO § 253 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 916
ZPO §§ 917 f
ZPO § 920 Abs. 1
ZPO § 928
ZPO § 934
ZPO § 935
ZPO § 936
ZPO § 937
ZPO § 938
ZPO § 939
ZPO § 940
ZPO § 941
ZPO § 942
ZPO § 943
ZPO § 944
ZPO § 945
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 3
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 1
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 2
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 3
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 4
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 5
BetrVG § 102 Abs. 5 Satz 1
BetrVG § 102 Nr. 3 Abs. 1
GewO § 106 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 7 Sa 29/06

verkündet am 13.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 7. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfeiffer, den ehrenamtlichen Richter Kielkopf und die ehrenamtliche Richterin Kleemann auf die mündliche Verhandlung vom 13.04.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.01.2006 -23 Ga 141/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil unterliegt keinem Rechtsmittel.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG und § 69 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz ArbGG in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unstatthaft ist.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Die begehrte Weiterbeschäftigungsverfügung ist zulässig, aber unbegründet. Ein Verfügungsgrund besteht nicht.

A.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die zur Entscheidung gestellte Weiterbeschäftigungsverfügung zulässig.

1. Der mit der einstweiligen Verfügung verfolgte Antrag, den Verfügungskläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Gebrauchtfahrzeugverkäufer des PKW-Verkaufs der NDL Stuttgart, Außenstelle F., weiter zu beschäftigen, ist hinreichend bestimmt.

a) Auf das einstweilige Verfügungsverfahren findet § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO analoge Anwendung. Zunächst ist in § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG gesetzesverweisend bestimmt, dass im Übrigen auf das Zwangsvollstreckungsverfahren einschließlich des Arrestes und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des 8. Buches der Zivilprozessordnung Anwendung finden. Das Recht der einstweiligen Verfügung der §§ 935 - 945 ZPO verweist ergänzend in seinem § 936 auf die entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Arrestverfahrens nach § 916 - § 934 ZPO, es sei denn, das Recht der einstweiligen Verfügung beinhaltet hiervon abweichende Bestimmungen. Die vorgenannten Regelungen enthalten keine Verweisung auf die die Bestimmtheit des Streitgegenstands normierende Vorschrift des § 253 ZPO. Eine unmittelbare Anwendung lässt bereits der Anwendungsbereich des § 253 ZPO nicht zu, da er sich ausschließlich zur Klageschrift verhält. Demgegenüber handelt es sich bei einer einstweiligen Verfügung um einen Antrag (auch Gesuch genannt), mit dessen Anbringung bei Gericht im Gegensatz zur zustellungsbedürftigen Klageschrift bereits die Rechtshängigkeit eintritt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 920 Rz 12). Eine analoge Anwendung des § 253 Abs. 2 ZPO ist im Hinblick auf den Charakter des Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahrens als summarisches Erkenntnisverfahren geboten. Eine Regelungslücke ist insofern gegeben, als es im Arrestverfahren, an welches das einstweilige Verfügungsverfahren anknüpft, an einer auf § 253 Abs. 2 ZPO verweisenden Vorschrift fehlt. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage rechtfertigt sich aus dem Dualismus sowohl im Arrest- als auch im Verfügungsverfahren, das jeweils die Stufe der Erkenntnisgewinnung als auch die Stufe seiner Vollziehung (gesetzestechnische Bezeichnung für die Zwangsvollstreckung von Arrest und einstweiliger Verfügung, Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., § 928 Rz 1) beinhaltet. Insofern gehört auch das summarische Erkenntnisverfahren systematisch nicht in das 8. Buch der ZPO (BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 -NJW 1978, 693 f, zu B I 3 b der Gründe). Entsprechend dieser systematischen Übereinstimmung des Hauptsache- und des Eilverfahrens finden die Vorschriften des Ersten Buches der ZPO und damit vorliegend insbesondere des § 253 Abs. 2 ZPO auf das einstweilige Verfügungsverfahren entsprechende Anwendung (Zöller/Greger, ZPO, a.a.O., Vor § 253 Rz 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., Vor § 916 Rz 3). Der analogen Anwendung steht § 920 Abs. 1 ZPO, der nach § 936 ZPO auch auf das einstweilige Verfügungsverfahren Anwendung findet (Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., § 936 Rz 2) nicht entgegen. Dort heißt es zwar, "das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs .... sowie die Bezeichnung des Arrest-(Verfügungs-) grundes enthalten". Jedoch beinhaltet dieses Tatbestandsmerkmal keine Abweichung vom Bestimmtheitsgrundsatz. Es soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass das Gesuch gemäß § 139 ZPO entsprechend ergänzt werden kann (Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., § 920 Rz 6).

b) Der Antrag auf Erlass der streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung ist bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO analog.

aa) Nach dieser analog anzuwendenden Bestimmung muss der einstweilige Verfügungsantrag die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dadurch wird der Streitgegenstand (beim einstweiligen Verfügungsverfahren das Recht auf Sicherung, nicht der Anspruch selbst) bestimmt, die Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 938 Abs. 1 ZPO) abgegrenzt und die Grundlage für das formalisierte enumerativ ausgestaltete Zwangsvollstreckungsverfahren gelegt.

bb) Hieran gemessen genügt der Antrag des Verfügungsklägers dem Bestimmheitserfordernis.

(1) Die Verfügungsbeklagte als Adressatin einer stattgebenden Entscheidung und somit Vollstreckungs-(Vollziehungs-)Schuldnerin weiß bereits aus dem Antragsinhalt, dass der Verfügungskläger als Tätigkeit seine zuletzt als Gebrauchtfahrzeugverkäufer ausgeübte Beschäftigung am bisherigen Arbeitsort beansprucht.

(2) Gleichwohl ist der formulierte Antrag des Verfügungsklägers aus sich heraus nicht vollstreckungsfähig, weil - wie das Arbeitsgericht zutreffend darauf hinweist - eine Weiterbeschäftigung im Übrigen "zu unveränderten Bedingungen" geltend gemacht wird. Jedoch ergibt sich aus der Antragsbegründung, dass insoweit auf den der Antragschrift beigefügten Arbeitsvertrag der Parteien verwiesen wird (vgl. Schriftsatz des Verfügungsklägers vom 24.01.2006, S. 2 = Bl. 46 der Vorakte), aus dem sich in Verbindung mit den ebenfalls vorgelegten Provisionsbestimmungen die zwischen den Parteien im Zeitpunkt der Entscheidung im Übrigen geltenden Arbeitsvertragsbedingungen ergeben. Dass die sich aus den vorgelegten Vertragsurkunden ergebenden und durch Bezugnahme als Parteivortrag zu bewertenden Arbeitsvertragsbedingungen derzeit Geltung haben, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Es wäre Förmelei, wollte man vom Verfügungskläger verlangen, dass er die vereinbarten und unstreitigen Arbeitsvertragsbestimmungen in seinen Antrag mit aufnimmt. Die Feststellung des Konsenses der Parteien über die Arbeitsvertragsbedingungen ist nicht mit der von Amts wegen zu beurteilenden Frage der Bestimmtheit des Begehrens zu verwechseln (vgl. Giesen, SAE 2006, 45 ff, 47). Bestünde Streit der Parteien über den Inhalt des Arbeitsvertrages, könnte von einer Bestimmtheit des Begehrens nicht ausgegangen werden. Denn es gilt nach wie vor der Grundsatz, dass materiell-rechtliche Streitpunkte im Erkenntnis- und nicht etwa im Vollstreckungsverfahren zu klären sind.

(3) Die von der Kammer angenommene Bestimmtheit des Antrags entspräche auch den Anforderungen an die Bestimmtheit eines vollstreckungsfähigen Titels auf Beschäftigung/Weiterbeschäftigung (§§ 936, 928, 888 Abs. 1 ZPO). Es entspricht der Logik, dass die im Erkenntnisverfahren zu beurteilende Bestimmtheit des Streitgegenstandes bejahendenfalls die Vollstreckungsfähigkeit des Titels im anschließenden Vollziehungsverfahren zur Folge hat. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung erachtet nämlich dann einen Beschäftigungs-/Weiterbeschäftigungstitel für vollstreckbar, soweit er die Art der zu leistenden Beschäftigung/Weiterbeschäftigung nach Verkehrsüblichkeit und Herkommen typischerweise erkennen lässt. Ferner geht sie davon aus, dass auch die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels auf Beschäftigung/Weiterbeschäftigung zu den "alten", "bisherigen", "vertraglichen" oder "unveränderten" Bedingungen bejaht werden kann, wenn sich die Einzelheiten der Beschäftigungsweise unter Heranziehung der dem Vollstreckungsschuldner zugestellten Urkunden, also von Tatbestand und Entscheidungsgründen des Urteils sowie aus sonstigen Urkunden, auch für einen unbeteiligten Dritten aus sich heraus eindeutig erkennen lassen (z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.02.2005, 2 Ta 23/05 - NZA-RR 2005, 550 f, zu II 2 a der Gründe mit zahlreichen Nachweisen).

2. Ob dem Verfügungskläger der zutreffend als das besondere Rechtsschutzbedürfnis beim einstweiligen Rechtsschutz bezeichnete Verfügungsgrund (vgl. Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rz 208) zusteht, ist nach Auffassung der Kammer nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern in der Station der Begründetheit des Antrags zu beurteilen. Zwar mag die Ausgestaltung des Verfügungsgrundes als besonderes Rechtsschutzinteresse für seine Einordnung als Zulässigkeitsvoraussetzung bewertet werden (Walker, a.a.O., Rz 209 m.w.N.). Ebenso mag der Wortlaut der §§ 935, 940 ZPO, in denen es ausdrücklich heißt "Einstweilige Verfügungen .... sind zulässig" dafür sprechen. Gegen diese Ansicht lässt sich jedoch einwenden, dass die in den §§ 917 f, 935, 940 ZPO genannten Dringlichkeitsvoraussetzungen für den Erlass von Eilanordnungen nicht verfahrensrechtlicher, sondern materieller Art sind. Unter welchen materiellen Voraussetzungen eine Eilanordnung ergehen darf, ist aber eine Frage der Begründetheit des Gesuchs (Dunkl, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auflage, A Rz 14, 153; Walker, a.a.O., Rz 210 mit zahlreichen Nachweisen).

B.

Die einstweilige Verfügung ist jedoch unbegründet. Zwar besteht ein Verfügungsanspruch, jedoch fehlt es am Verfügungsgrund.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist ein Verfügungsanspruch gegeben. Anspruchsgrundlage ist der vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch (Beschluss vom 27.02.1985 -AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu C II 2 der Gründe). Demgegenüber ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht gegeben.

1. Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte auf der Grundlage des so genannten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs das geltend gemachte Begehren materiell-rechtlich zu.

a) Außerhalb der Regelung des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - a.a.O.).

b) Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für das geltend gemachte Weiterbeschäftigungsbegehren vor.

aa) Nach Auffassung der Kammer bestehen zwar methodologische Bedenken gegen die vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts im Wege der Rechtsfortbildung gewonnene Erkenntnis (vgl. BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - a.a.O., zu C I 2 der Gründe; vgl. insbesondere Rüthers, Rechtstheorie, 2. Auflage, Rz 796 ff und 822 ff). Sie sind im Ergebnis jedoch nicht durchschlagend, da die seit 1985 bestehende Rechtsprechung zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch auch als gewohnheitsrechtliches Richterrecht überwiegend anerkannt ist.

bb) Die Anspruchsvoraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch liegen vor. Denn die dem Konstrukt des allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrags zugrunde liegende Ungewissheit über die objektive Rechtslage hat sich anspruchsbegründend zu Gunsten des Verfügungsklägers gestaltet. Mit Urteil vom 23.12.2005 (- 23 Ca 7485/05 -) hat das Arbeitsgericht die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Verfügungsbeklagten vom 13.07.2005, dem Verfügungskläger am 15.07.2005 zugegangen, als rechtsunwirksam festgestellt. Durch das Obsiegen des Verfügungsklägers in erster Instanz kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse der Verfügungsbeklagten nicht mehr begründen. Zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall gleichwohl ein überwiegendes Interesse der Verfügungsbeklagten ergeben kann (z.B. der Verdacht des Verrats von Betriebsgeheimnissen oder die Herbeiführung einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers durch die Weiterbeschäftigung), den Verfügungskläger nicht zu beschäftigen, hat die insoweit darlegungsbelastete Verfügungsbeklagte nicht mitgeteilt.

cc) Der Erkenntnis der Berufungskammer steht das Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten nicht entgegen. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen u.a. nicht durch den Arbeitsvertrag festgelegt sind. Nach Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien ist festgelegt, dass die Verfügungsbeklagte berechtigt ist, dem als Gebrauchtfahrzeugverkäufer innerhalb des PKW-Verkauf der Niederlassung Stuttgart eingesetzten Verfügungskläger auch andere, seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Aufgaben zu übertragen oder ihn an einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen. Dem Arbeitsgericht wäre dann zu folgen, hätte der Verfügungskläger mit seinem Weiterbeschäftigungsbegehren ausschließlich eine Beschäftigung als Gebrauchtfahrzeugverkäufer verlangt. Ein solcher Ausschließlichkeitsanspruch wäre jedoch mit der Gestaltung nach Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien nicht zu vereinbaren. Der Erlass einer solchen Weiterbeschäftigungsverfügung würde einen Eingriff in die von den Parteien ausgeübte Privatautonomie bedeuten. Vorliegend trägt jedoch der Verfügungskläger bereits mit seiner Antragsformulierung "zu unveränderten Bedingungen" (zu verstehen als im Übrigen zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen) dem vertraglich sehr weitgehend vorbehaltenen Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten Rechnung. Mit anderen Worten: Der Verfügungskläger verlangt von der Verfügungsbeklagten - vereinfacht ausgedrückt - vertragsgemäße Beschäftigung. Seine Konkretisierungen in Bezug auf Art der Tätigkeit und Ort der Arbeitsleistung geben nur den Ist-Zustand der zuletzt von der insoweit direktionsberechtigten Verfügungsbeklagten verlangten Vertragserfüllung wieder. Dem entsprechend wäre es der Verfügungsbeklagten auch nicht verwehrt, dem Verfügungskläger auf der Grundlage des mit dem Arbeitsvertrag übereinstimmenden Direktionsrechts vorbehaltlich der Beteiligung des Betriebsrats, dem Verfügungskläger z.B. eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Denn die dem Konstrukt des allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrags zugrunde liegende Ungewissheit der objektiven Rechtslage bedingt folgerichtig die Weitergeltung der Arbeitsvertragsbedingungen. Vorliegend hat die Verfügungsbeklagte aus ihrer Sicht konsequent, geht sie doch nach Ausspruch ihrer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 13.07.2005 von deren Rechtswirksamkeit aus, von ihrem Direktionsrecht insoweit keinen Gebrauch gemacht, als sie dem Verfügungskläger weder eine andere Tätigkeit übertragen noch an einen anderen Tätigkeitsort versetzt hat.

Dass diese materiell-rechtliche Konzeption der Berufungskammer widerspruchsfrei ist, wird auch durch das sich oftmals anschließende Vollziehungs-(Vollstreckungs-) Verfahren nach §§ 936, 928, 888 Abs. 1 ZPO bestätigt. Es entspricht nämlich ganz herrschender Meinung, dass die Vollstreckung (vorliegend Vollziehung) aus einem Weiterbeschäftigungstitel der vorgenannten Art wegen Unmöglichkeit der Leistung unzulässig ist (LAG Köln, Beschluss vom 23.08.2001 - 7 (13) Ta 190/01 - NZA-RR 2002, 214 f, zu II 2 e der Gründe, mit zahlreichen Nachweisen). Würde die Verfügungsbeklagte nach Erlass der vom Kläger erstrebten Weiterbeschäftigungsverfügung von ihrem vertraglich verbrieften Direktionsrecht insoweit Gebrauch machen, als sie dem Verfügungskläger unter Beachtung des Betriebsverfassungsrechts eine andere Tätigkeit zuwiese, wäre eine vom Verfügungskläger eingeleitete Vollstreckung der Beschäftigung als Gebrauchtfahrzeugverkäufer auf den materiellen Einwand der Verfügungsbeklagten der (rechtlichen) Unmöglichkeit zurückzuweisen. Die Verfügungsbeklagte muss sich nicht des prozessualen Gestaltungsmittels der Vollstreckungsgegenklage bedienen. Denn der Weiterbeschäftigungstitel ("zu im Übrigen unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen") ist a priori relativiert, mithin nicht ausschließlich, sondern begrenzt durch das arbeitsvertragliche Direktionsrecht.

2. Der Verfügungskläger kann sein Weiterbeschäftigungsverlangen nicht auf den kollektiv rechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG stützen.

a) Nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats ist nur dann erfüllt, wenn er sich auf einen der in § 102 Abs. 3 Nr. 1 - 5 BetrVG abschließend genannten Widerspruchsgründe stützt und eine Begründung enthält. Der Betriebsrat kann nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nach Nr. 1 kann der Betriebsrat nur bei betriebsbedingten Kündigungen widersprechen (allgemeine Ansicht, statt vieler APS/Koch, Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 102 BetrVG Rz 192 mit zahlreichen Nachweisen).

b) Hieran gemessen mangelt es vorliegend sowohl an einer ordentlichen Kündigung als auch an einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats.

aa) Beim Ausspruch einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung - wie vorliegend - kommt eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht in Betracht. Nach dem Wortlaut des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ist dieser auf die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers beschränkt. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung "zurücknimmt" (vgl. statt vieler APS/Koch, a.a.O., § 102 BetrVG Rz 186 m.w.N.).

bb) Das Schreiben des Betriebsrats vom 13.07.2005 beinhaltet keinen ordnungsgemäßen Widerspruch im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 BetrVG. Der Inhalt des Schreibens stützt sich auf keinen der in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe. Soweit das Schreiben die Ansicht vertritt, "die Geschäftsleitung verstoße mit der Kündigung gegen § 102 Nr. 3 Abs. 1 (richtig: § 102 Abs. 3 Nr. 1)", verkennt der Betriebsrat, dass dieser Widerspruchsgrund sich ausschließlich auf die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen bezieht. Vorliegend handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung der Verfügungsbeklagten, so dass sich die Frage der Sozialauswahl nicht stellt. Insoweit herangezogene soziale Gesichtspunkte in der Person des gekündigten Arbeitnehmers unterfallen nicht dem Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG.

3. Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Verfügungsgrund verneint. Der Vortrag des Verfügungsklägers rechtfertigt nicht die Notwendigkeit, seinen Weiterbeschäftigungsanspruch im Wege der Befriedigungsverfügung im einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen.

a) Rechtsgrundlage für den Verfügungsgrund einer sogenannten Befriedigungs-(Leistungs-)verfügung, um eine solche handelt es sich im Falle einer Weiterbeschäftigungsverfügung, ist nach überwiegender Auffassung § 940 ZPO. Umstritten ist lediglich die dogmatische Rechtfertigung der Anwendung des § 940 ZPO. Teilweise wird die Befriedigungsverfügung als Unterfall der Regelungsverfügung bewertet und teilweise wird § 940 ZPO analog angewandt. Nach dritter Auffassung handelt es sich um eine durch richterliche Rechtsfortbildung gebildete dritte Art der einstweiligen Verfügung (vgl. hierzu z.B. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 Rz 1 m.w.N.). Die dogmatische Einordnung kann dahinstehen, da jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 940 ZPO Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Vorliegens eines Verfügungsgrundes für die in Rede stehende Weiterbeschäftigungsverfügung sind. Nach dem Wortlaut des § 940 ZPO muss die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile "nötig" erscheinen. Als gesetzlicher Beispielsfall wird die Abwendung wesentlicher Nachteile genannt. Neben der Notwendigkeit ist eine Interessenabwägung erforderlich (z.B. Walker, ZFA 2005, 45 ff, 52). Das ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetzeswortlaut, folgt aber aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Befriedigungsverfügung vorliegend in Form der Weiterbeschäftigungsverfügung ist geradezu darauf angelegt, beim Antragsgegner solche irreparablen Folgen zu bewirken, wie sie beim Antragsteller gerade verhindert werden sollen ("Vorwegnahme der Hauptsache"). Nach wohl überwiegender Ansicht wird der Verfügungsgrund bei einer Weiterbeschäftigungsverfügung nicht bereits durch den Verfügungsanspruch indiziert (DLW/Dörner, Handbuch Arbeitsrecht, 4. Auflage, D Rz 2014; DLW/Stichler, a.a.O., M Rz 98). Demgegenüber bedarf es nach anderer Ansicht keiner weiteren Interessenabwägung, weil bei einer Weiterbeschäftigungsverfügung bereits die Beurteilung des Verfügungsanspruchs auf einer Interessenabwägung beruht (Walker, ZFA 2005, 45 ff, 61, m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "nötig" ist dann zu bejahen, wenn ein besonderes objektiv bestehendes Weiterbeschäftigungsinteresse behauptet und glaubhaft gemacht wird. Ein solches Weiterbeschäftigungsinteresse ist beispielsweise gegeben, wenn eine sofortige Weiterbeschäftigung notwendig ist, um eine erworbene Qualifikation zu erhalten und zu sichern, oder um den Erfahrungsstand eines ausbildenden Arbeitnehmers zu wahren. Demgegenüber ist eine einstweilige Verfügung nicht notwendig, wenn der Arbeitnehmer selbstverschuldet den Grund für die Eilbedürftigkeit gesetzt, wenn er nicht - zumindest eventualiter - den Weiterbeschäftigungsantrag in dem erstinstanzlichen Kündigungsschutzprozess anhängig gemacht hatte (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.08.1986 - 1 Ta 140/86 - LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 19; LAG Köln, Beschluss vom 06.08.1996 - 11 Ta 151/96 - LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 40; so genannter Grundsatz der Selbstwiderlegung).

b) Hieran gemessen ist der Vortrag des Verfügungsklägers zur Darlegung eines Verfügungsgrundes unschlüssig.

aa) Soweit der Verfügungskläger die besondere Eilbedürftigkeit mit der Notwendigkeit begründet, er sei als Gebrauchtfahrzeugverkäufer darauf angewiesen, im dauernden Kontakt mit Gebrauchtwagenhändlern zu stehen, um über Preise, Exportbedingungen, Festlegung der Einkaufspreise und Modelle orientiert zu sein und im Übrigen das Erfordernis bestehe, die aufeinander aufbauenden Seminare der Verfügungsbeklagten zu besuchen, mag dieser Ansatz nachvollziehbar sein. Er rechtfertigt jedoch nicht die Annahme der Notwendigkeit, weil die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger nach gewonnenem Hauptsacheprozess schon im eigenen Interesse in den Stand versetzen wird, seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung beanstandungsfrei nachkommen zu können. Das vom Verfügungskläger notwendige Know-how zur arbeitsvertraglichen Pflichterfüllung ist ohne weiteres übertragbar und von ihm auch nachholbar, weil insbesondere die Modellzyklen der PKW-Fabrikate und damit auch die Gebrauchtwagenbedingungen keinem Kurzzeitzyklus unterworfen sind.

bb) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat der Verfügungskläger die Eilbedürftigkeit nicht selbst widerlegt. Sein im Kündigungsschutzprozess gestellter Weiterbeschäftigungsantrag entsprach dem Erfordernis der Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das hat das Arbeitsgericht verkannt. Von einer selbstverschuldeten nachlässigen Prozessführung kann also nicht ausgegangen werden.

cc) Auch die im Hinblick auf den die Vorwegnahme der Hauptsache bewirkenden Charakter der Weiterbeschäftigungsverfügung erforderliche Interessenabwägung rechtfertigt nicht die Interessenpräferenz des Verfügungsklägers. Eine solche könnte bei Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage, also bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung, Platz greifen. Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden, da die arbeitsgerichtliche Entscheidung zugunsten des Verfügungsklägers Produkt einer Abwägung war. Evident formelle Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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