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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 91/06
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IV, ZPO, ArEV, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 9
ArbGG § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 7
SGB IV § 14
SGB IV § 14 Abs. 1
SGB IV § 14 Abs. 1 S. 1
SGB IV § 17
SGB IV § 28 h Abs. 2
SGB IV § 28 h Abs. 2 S. 1
ZPO § 148
ArEV § 1
BGB § 319
Holt das Arbeitsgericht eine amtliche Auskunft eines Sozialversicherungsträgers ein, wie hoch der Gesamtsozialversicherungspflichtbeitrag ist (hier wegen Sachbezugs durch verbilligte Nutzung einer Dienstwohnung) und bestehen an der Richtigkeit der amtlichen Auskunft berechtigte Zweifel, hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit auszusetzen, wenn der Kläger dies verlangt, um beim Sozialgericht eine Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Frage herbeizuführen.
Tenor:

1. Der Rechtsstreit wird bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheids der A. Krankenkasse über die Höhe des geldwerten Vorteils der vom Kläger bewohnten Dienstwohnung für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.08.2005 ausgesetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Rechtsstreit darüber, ob das beklagte Land die Nettolohnansprüche des Klägers richtig berechnet und ihm den ihm zustehenden Nettolohn vollständig gezahlt hat.

Der Kläger ist beim beklagten Land als Hausmeister angestellt und bewohnte auf Weisung des beklagten Landes eine Dienstwohnung in F.. Die vom Kläger als Miete für die Dienstwohnung zu entrichtende Dienstwohnungsvergütung richtet sich nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung der höchsten Dienstwohnungsvergütung in der Fassung vom 14.08.2001 (s. Aktenseite 288 der erstinstanzlichen Akte). Dies führt dazu, dass die vom Kläger tatsächlich entrichtete Vergütung für die von ihm genutzte Dienstwohnung in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 01.09.2005 nach Ansicht des beklagten Landes geringer gewesen ist als der ortsübliche Mietwert der vom Kläger genutzten Wohnung und daher ein geldwerter Vorteil vom Kläger in Höhe des Differenzbetrages zwischen der tatsächlich gezahlten Dienstwohnungsvergütung und der ortsüblichen Miete für diese Wohnung zu versteuern ist.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm kein geldwerter Vorteil oder zumindest ein geringerer geldwerter Vorteil zufließt als vom beklagten Land zugrunde gelegt.

Zwischen den Parteien waren wegen dieser Problematik bereits mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig. Unter dem Aktenzeichen 11 Ca 558/91, beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 10 Sa 4/99, beantragte der Kläger bereits die Feststellung, dass der der Berechnung des Mietwertes zugrunde liegende Quadratmeterpreis nicht DM 8,40, sondern nur DM 6,96 beträgt. In diesem Verfahren vereinbarten die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 27.07.1999 die Einholung eines Schiedsgutachtens. Sie vereinbarten, dass Herr S. aus F. zum Schiedsgutachter bestellt wird und insbesondere die Punkte "Berechtigung eines Zuschlags für Böden", "Berechtigung eines Zuschlags für ein Zweifamilienhaus" und "zusätzlicher Abschlag wegen Feuchtigkeit" Gegenstand des Gutachtens zu sein haben. Daraufhin nahm der Kläger die Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zurück. Das Gutachten durch den Sachverständigen S. wurde sodann erstattet und kam zu dem Ergebnis, dass der Preis von DM 8,40 pro Quadratmeter dem tatsächlichen Mietwert der Wohnung entspricht. Auf dieser Grundlage berechnete das beklagte Land danach den geldwerten Vorteil für die Berechnung des abzuführenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der abzuführenden Lohnsteuer.

Unter dem Aktenzeichen 11 Ca 591/00 führte der Kläger erneut Klage mit dem Ziel, festzustellen, dass der Quadratmeterpreis für die streitgegenständliche Dienstwohnung lediglich DM 4,72 betrage. Das Arbeitsgericht Freiburg wies die Klage durch Urteil vom 07.02.2002 ab, unter anderem mit der Begründung, dass das Schiedsgutachten nicht fehlerhaft sei und den Quadratmeterpreis für die Parteien bindend auf DM 8,40 festgelegt habe (Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, 11 Ca 591/00, Aktenseite 187 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Mit Bescheid vom 27.12.2004 (Aktenseite 61 ff. der erstinstanzlichen Akte) entschied das Finanzamt F. auf den Einspruch des Klägers hin, die Einkommensteuer für das Jahr 2003 des Klägers zu mindern. Der Sache nach nahm das Finanzamt F. von dem Gutachter S. und in der zeitlichen Folge von dem beklagten Land angenommenen ortsüblichen Mietwert der Wohnung einen weiteren Abschlag von 20 % vor, weil es sich um eine Hausmeisterwohnung handle (s. 5 unten des genannten Bescheides - Aktenseite 69).

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger nunmehr geltend, das beklagte Land, hier das Landesamt für Besoldung und Versorgung habe trotz der Kenntnis des Bescheides des Finanzamts, nachdem von dem Mietwert entsprechend dem Gutachten S. weitere 20 % abzuziehen seien, gleichwohl an dem Betrag von DM 8,40 pro Quadratmeter als ortsüblichen Mietwert festgehalten und auf diese Art und Weise einen falschen geldwerten Vorteil errechnet, der dazu führe, dass das Landesamt für Besoldung und Versorgung ihm für den streitgegenständlichen Zeitraum zu viel Sozialversicherungsbeiträge vom Lohn einbehalten und ihm Rahmen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags abgeführt habe und daher seinen Nettolohnanspruch nicht erfüllt habe. Den Differenzbetrag macht er mit der vorliegenden Klage geltend.

Der Kläger hat sich in der Vergangenheit vergeblich bemüht, von der A. Krankenkasse, bei der er gesetzlich krankenversichert ist, einen rechtmittelfähigen Bescheid über die Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und damit auch über die Höhe des von der A. Krankenkasse nach der Arbeitsentgeltverordnung anzusetzenden Sachbezugswertes für die Nutzung der Dienstwohnung zu erhalten. Der Kläger hat diesbezüglich unter dem Aktenzeichen S 11 KR 406/07 beim Sozialgericht Freiburg im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits eine Untätigkeitsklage erhoben. Mittlerweile hat die A. Krankenkasse dem Kläger die Erstellung eines entsprechenden rechtsmittelfähigen Bescheids angeboten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 16.11.2006 abgewiesen und dies im wesentlichen darauf gestützt, dass die Klage unschlüssig sei, weil sich die vom Kläger geltend gemachten Beträge nicht schlüssig herleiten ließen.

In der form- und fristgerecht eingelegten Berufung hat der Kläger seinen Anspruch neu begründet und neu berechnet. Wegen der Berufungsanträge wird auf den Schriftsatz vom 10.04.2007 Bezug genommen.

Nachdem im Berufungsverfahren zwischen den Parteien nur noch im Streit war, ob die Beklagte bezüglich des abzuführenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags den geldwerten Vorteil für die vom Kläger genutzte Dienstwohnung richtig berechnet hat, hat das Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 09.07.2007 bei der A. Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 64 Abs. 7 i. V. m. § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ArbGG die folgende amtliche Auskunft eingeholt:

Wie hoch ist der beim sozialversicherungspflichtigen Entgelt des Klägers zu berücksichtigende geldwerte Vorteil i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB IV, der dem Kläger durch die verbilligte Miete nach der Landesdienstwohnungsordnung für die von ihm bewohnte Dienstwohnung in F. zufließt, für die Jahre 2004 und 2005?

Mit Schreiben vom 20.11.2007 erteilte die A. Krankenkasse die entsprechende amtliche Auskunft (Aktenseite 87 der Berufungsakte) und teilte mit, dass der geldwerte Vorteil ab dem 01.01.2004 jeweils monatlich 167,75 EUR und ab dem 01.05.2004 jeweils monatlich 163,71 EUR betrage. Dies entsprach den Werten, die das beklagte Land zugrunde gelegt hat.

Der A. Krankenkasse waren zuvor die Prozessakten des Landesarbeitsgerichts übersandt worden. Mit Schriftsatz vom 15.01.2008 beanstandetet der Kläger, dass die A. Krankenkasse das beklagte Land angefragt habe, wie hoch der geldwerte Vorteil i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB IV sei, der dem Kläger durch die verbilligte Miete für die Jahre 2004 und 2005 zugeflossen sei. Das zeige, dass die A. Krankenkasse sich mit der Problematik, dass das Finanzamt von einem geringeren Sachbezugswert ausgehe, nicht auseinandergesetzt habe.

In der erneut anberaumten mündlichen Verhandlung vom 25.01.2008 stellte der Kläger den Antrag:

Der vorliegende Rechtsstreit wird ausgesetzt bis zum Abschluss der Untätigkeitsklage mit dem Aktenzeichen S 11 KR 406/07 beim Sozialgericht Freiburg und danach weiterhin solange, bis ein rechtskräftiger Bescheid der A. Krankenkasse für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag bzw. den Sachbezugswert und geldwerten Vorteil der vom Kläger bewohnten Dienstwohnung für den streitgegenständlichen Zeitraum vorliegt.

Das beklagte Land ist der Aussetzung entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass diese zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen würde und nur einvernehmlich mit den Parteien erfolgen dürfe. Der Rechtsstreit sei auf Grund der erteilten amtlichen Auskunft entscheidungsreif.

B.

Der vorliegende Rechtsstreit war nach § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 148 ZPO auszusetzen, bis ein rechtskräftiger Bescheid der A. Krankenkasse über die Höhe des geldwerten Vorteils der vom Kläger bewohnten Dienstwohnung für den Zeitraum 01.01.2004 bis 01.08.2005 vorliegt.

Nach § 148 ZPO kann das Gericht den Rechtsstreit aussetzen, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Die Aussetzung erfolgt bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Verwaltungsbehörde. Diese Voraussetzungen liegen vor.

I.

Bei der A. Krankenkasse handelt es sich um eine Verwaltungsbehörde im Sinne des § 148 ZPO, denn sie nimmt hoheitliche Aufgaben - hier u.a. die Festsetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 28 h Abs. 2 SGB IV - vor.

Bei der Festsetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages handelt es sich um einen Verwaltungsakt (KassKomm SV - Seewald, § 28 h SGB IV, Rn 8).

Der Aussetzung steht nicht entgegen, dass ein entsprechender Bescheid noch nicht vorliegt. Eine Aussetzung ist auch möglich, um das entsprechende Verwaltungsverfahren erst einzuleiten (Zöller - Greger, ZPO 26. Aufl. § 148, Rn 6a).

II.

Diese Entscheidung der A. Krankenkasse ist für den vorliegenden Rechtsstreit vorgreiflich, denn es kommt auf die Frage an, wie hoch der geldwerte Vorteil der vom Kläger genutzten Dienstwohnung in F. für den streitgegenständlichen Zeitraum ist.

1. Dem steht nicht die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Freiburg im Verfahren 11 Ca 591/00 vom 07.02.2002 entgegen. In jenem Rechtsstreit hatte das Arbeitsgericht die Klage des Klägers auf Feststellung, dass der ortsübliche Mietwert der vom Kläger genutzten Wohnung DM 4,72 pro Quadratmeter betrage, rechtskräftig abgewiesen. Gleichwohl steht die Rechtskraft dieses Urteils der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht entgegen. In Rechtskraft erwächst die Entscheidung über einen bestimmten Streitgegenstand, somit der Urteilstenor, auf der Grundlage des verfolgten Klageziels und den dem Klageziel zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. Im vorliegenden Fall hat sich der Lebenssachverhalt dadurch geändert, dass das Finanzamt F. jedenfalls für das ab dem Jahr 2004 rückwirkend für das Jahr 2003 von einem nochmals um 20 % niedrigeren ortsüblichen Mietwert der vom Kläger bewohnten Dienstwohnung ausgeht. Nach § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) in der Fassung des Jahres 2004 ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus dem erzielten steuerpflichtigen Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 SBG IV zu berechnen. Da der sozialversicherungsrechtliche Arbeitsentgeltbegriff nach § 1 ArEV vom Grundsatz her der dem steuerrechtlichen Arbeitsentgeltbegriff entspricht, wird durch die Entscheidung des Finanzamtes die Richtigkeit der Annahme, der ortsübliche Mietwert der Dienstwohnung betrage DM 8,40 pro Quadratmeter, wie im Gutachten S. festgelegt, in Frage gestellt.

Durch den Bescheid des Finanzamts vom 27.12.2004 ist jedenfalls die tatsächliche Grundlage, auf der das arbeitsgerichtliche Urteil vom 07.02.2002 erging geändert worden.

Für die Entscheidung des Arbeitsgerichts war das Schiedsgutachten von Herrn S. maßgeblich, da es nicht offensichtlich unbillig im Sinne von § 319 BGB war. Der Rechtsstreit kann jedoch nicht erneut auf der Grundlage des Schiedsgutachtens entschieden werden.

Selbst wenn das Schiedsgutachten nach wie vor nicht offensichtlich unbillig im Sinne von § 319 BGB sein sollte, so kann der Kläger gleichwohl von dem beklagten Land verlangen, dass es aus Gründen der Fürsorge ihm gegenüber überprüft und durch Kontaktaufnahme mit der Beitragseinzugstelle - hier der A. Krankenkasse als der nach § 28 h Abs. 2 SGB IV zuständigen Beitragseinzugsstelle - verbindlich klären lässt, ob an dem Sachbezugswert von DM 8,40 pro Quadratmeter für die Dienstwohnung festgehalten werden muss oder ob zugunsten des Klägers von dem von der Finanzverwaltung herabgesetzten Sachbezugswert ausgegangen werden kann. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land vom Schiedsgutachten S. abweicht, wenn dazu Anlass besteht. Wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei der Berechnung des Nettoentgeltes zu Gunsten des Klägers ein geringerer geldwerter Vorteil für die Dienstwohnung zu Grunde gelegt werden kann, hat das beklagte Land diesen Wert - ggf. nach Klärung durch die zuständige Beitragseinzugsstelle - anzuwenden.

Aufgrund dieser Sachverhaltsänderungen steht die Rechtskraft des Urteils vom 07.02.2002 einer erneuten Entscheidung über die Frage, wie hoch der Sachbezugswert ab dem Jahr 2004 ist, nicht entgegen.

2. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es darauf an, wie hoch der Sachbezugswert für die vom Kläger genutzte Dienstwohnung im Sinne des § 1 der Arbeitsentgeltverordnung zu §§ 14, 17 SGB IV ist. Ist das beklagte Land von einem zu hohen Sachbezugswert ausgegangen, so hat es den Nettolohnanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt.

Das Gericht hat daher für seine Entscheidung den zwischen den Parteien umstrittenen Sachbezugswert zu ermitteln. Diese Ermittlung kann in zuverlässiger Weise nur durch einen rechtskräftigen Bescheid der A. Krankenkasse herbeigeführt werden, für die der Rechtstreit auszusetzen ist.

a) Der Rückgriff auf das Schiedsgutachten S. scheidet aus, wie oben dargelegt.

b) Die erfolgte Einholung einer amtlichen Auskunft durch das Landesarbeitsgericht genügt als Entscheidungsgrundlage nicht und schließt die Aussetzung nicht aus.

aa) Für die Festsetzung des geldwerten Vorteils ist nach § 28 h Abs. 2 S. 1 SGB IV allein die A. Krankenkasse als der Krankenkasse, bei der der Kläger gesetzlich versichert ist, als der zuständigen Beitragseinzugsstelle zuständig. Die Arbeitsgerichte haben diese sozialversicherungsrechtliche Frage als Vorfrage für den vorliegenden Rechtsstreit mit zu beachten. Dem hat das Landesarbeitsgericht Rechnung getragen, indem es bei der A. Krankenkasse die geschilderte amtliche Auskunft eingeholt hat.

bb) Die Aussetzung des Rechtsstreits ist dennoch erforderlich, weil die von der A. Krankenkasse erteilte amtliche Auskunft keine ausreichend sichere Entscheidungsgrundlage bietet.

Die amtliche Auskunft lässt erstens nicht erkennen, dass sich die A. Krankenkasse mit dem Kern des vorliegenden Problems, nämlich der Frage, ob für den Umstand, dass es sich um eine Hausmeisterwohnung handelt, nochmals ein Abschlag von 20 %, wie von der Finanzverwaltung durch Bescheid vom 27.12.2004 anerkannt, überhaupt auseinandergesetzt hat.

Zum Zweiten ist das Zustandekommen der amtlichen Auskunft der A. Krankenkasse insoweit zumindest merkwürdig, als diese zunächst beim Arbeitgeber trotz Vorliegen der gerichtlichen Prozessakten, welche über alle maßgeblichen Tatbestände Auskunft geben, sich danach erkundigt hat, wie hoch der Sachbezugswert ist, den der Arbeitgeber angesetzt hat und diesen Sachbezugswert dann ohne weitere Begründung vollständig übernommen hat und seiner amtlichen Auskunft zugrunde gelegt hat.

cc) Die Besonderheiten der amtlichen Auskunft als Beweismittel gebieten es, den Rechtstreit zu Vermeidung widersprechender Entscheidungen und zur Wahrung eines fairen Verfahrens gegenüber dem Kläger auszusetzen. Dabei ist zu sehen, dass die amtliche Auskunft, die im konkreten Fall für den Kläger ungünstig ausgefallen ist, vom Gericht nicht einer freien Beweiswürdigung unterzogen werden kann. Amtliche Auskünfte sind Mitteilungen von anderen Behörden, die im Rahmen ihrer Wahrnehmung oder ihrer amtlichen Zuständigkeiten ergehen. Sie sind keine Zeugenaussagen und auch keine Sachverständigengutachten, sondern Beweismittel eigener Art (Zöller-Greger, ZPO 26. Aufl. § 373 Rn. 11; Germelmann u. a., ArbGG 6. Aufl. § 56 Rn. 16). Grundsätzlich hat das erkennende Gericht, das eine amtliche Auskunft einholt, die amtliche Auskunft seiner Entscheidung zugrundezulegen und kann von ihr nicht eigenmächtig abweichen, weil es sich um Dinge handelt, die nicht im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Gerichts liegen, sondern im Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde, welche die inhaltliche Verantwortung für die von ihr mitgeteilte Auskunft trägt. So ist es nicht Sache der Arbeitsgerichte, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag festzusetzen, sondern originäre Aufgabe der jeweiligen Krankenkasse als der zuständigen Beitragseinzugsstelle.

Auf der anderen Seite ist jedoch zu sehen, dass derjenige, für den die amtliche Auskunft nachteilig ist, wie hier der Kläger, sich gegen eine solche amtliche Auskunft nicht wehren kann. Sie unterliegt nicht wie eine Zeugenaussage einer freien Beweiswürdigung, sondern kann bestenfalls auf inhaltliche Plausibilität und Schlüssigkeit überprüft werden. Das erkennende Gericht hat nicht die Möglichkeit, die amtliche Auskunft zu verwerfen, denn damit würde es seine Befugnisse überschreiten. Bei Zweifeln bei der amtlichen Auskunft bleibt als eine Möglichkeit die erneute Nachfrage, soweit diese erfolgversprechend erscheint. Auf der anderen Seite besteht auch die Möglichkeit bei amtlichen Auskünften, über die eine Verwaltungsentscheidung möglich ist, demjenigen Gelegenheit zu geben, eine solche Verwaltungsentscheidung zu erzwingen und diese Verwaltungsentscheidung dann gerichtlich anzugreifen. Auf diese Art und Weise ist es der Partei, für die die amtliche Auskunft ungünstig ist, möglich, eine gerichtliche Entscheidung im zuständigen Rechtsweg über den Inhalt der entsprechenden amtlichen Auskunft herbeizuführen und sich so gegen eine von der Partei für unrichtig gehaltene amtliche Auskunft zu wehren und die Überprüfung zu veranlassen.

III.

Die Aussetzung des Rechtsstreits steht im Ermessen des Gerichts. Das Ermessen war hier dahingehend auszuüben, dass der Rechtstreit auszusetzen war, bis ein rechtskräftiger Bescheid der A. Krankenkasse über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für den streitgegenständlichen Zeitraum vorliegt.

Das beklagte Land weist zwar einerseits zu Recht darauf hin, dass das zu einer weiteren Verzögerung des Rechtsstreits führt. Diese Verzögerung ist jedoch im vorliegenden Fall in Kauf zu nehmen, weil die gewichtigeren Gründe für eine Aussetzung des Rechtsstreits sprechen. Das Gericht hat zunächst durch die Einholung der amtlichen Auskunft eine weitere Verzögerung des Rechtsstreits durch eine Aussetzung zu vermeiden versucht.

Zudem ist die Verzögerung nicht so schwerwiegend, da es im vorliegenden Fall nicht um einen Bestandsschutzstreit geht, sondern um einen Rechtsstreit, der eine relativ geringe Forderung von unter 1.000,00 EUR zum Gegenstand hat und daher für beide Parteien nicht von existentieller Bedeutung ist. Darüber hinaus ist aber auf diese Art und Weise nur möglich, dem Kläger, der trotz seines mehrfachen Versuchs, eine rechtskräftige Entscheidung der A. Krankenkasse über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu erhalten, die Gelegenheit zu geben, die amtliche Auskunft, die die A. Krankenkasse ohne nähere Begründung dem Landesarbeitsgericht gegeben hat, von den zuständigen Stellen, nämlich von der A. Krankenkasse selber, dem entsprechenden Widerspruchsausschuss und der Sozialgerichtsbarkeit überprüfen zu lassen. Eine Entscheidung des Arbeitsgerichts im vorliegenden Rechtsstreit, die incidenter auch mit der Frage der Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags befassen müsste, wäre wiederum für die A. Krankenkasse und ein späteres sozialgerichtliches Verfahren im Hinblick auf die vom Kläger schon eingeleitete Untätigkeitsklage nicht bindend und könnte insbesondere dazu führen, dass im vorliegenden Fall auf der Grundlage der Auskunft der A. Krankenkasse die Berufung zurückgewiesen wird, andererseits jedoch zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund anderer Entscheidungen der A. Krankenkasse, ihres Widerspruchsausschusses oder der Sozialgerichtsbarkeit ein anderes Ergebnis entstehen könnte. Insbesondere aber zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens ist es notwendig, das vorliegende Verfahren auszusetzen und dem Kläger die Möglichkeit der Überprüfung der Richtigkeit des Inhalts der amtlichen Auskunft zu ermöglichen.

Da das Berufungsgericht die amtliche Auskunft der A. Krankenkasse vom Grundsatz her seiner Entscheidung zugrunde legen muss, sofern keine anderen Entscheidungen vorliegen, würde dem Kläger die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit abgeschnitten. Das mag in solchen Fällen hinzunehmen sein, wo an der Richtigkeit der amtlichen Auskunft keinerlei Zweifel bestehen. Wenn im vorliegenden Fall jedoch zumindest das Zustandekommen und auch die Begründung der amtlichen Auskunft berechtigte Zweifel an ihrer Richtigkeit entstehen lassen können, so ist aufgrund der Fairness des Verfahrens der Weg der Aussetzung zu bevorzugen, um die inhaltliche Richtigkeit der amtlichen Auskunft überprüfen zu können.

Das gilt umso mehr, als der Kläger unverschuldet bisher nicht in der Lage war, einen rechtskräftigen Bescheid der A. Krankenkasse vorzulegen. Diesen hatte der Kläger mehrfach angemahnt, die A. Krankenkasse diesem Begehren des Klägers allerdings nicht entsprochen.

Aus den genannten Gründen entsprach es dem billigen Ermessen, dass das Landesarbeitsgericht den vorliegenden Rechtsstreit trotz des § 9 ArbGG aussetzt.

Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der vorliegenden Rechtsfrage bezüglich der Bindungswirkung von amtlichen Auskünften und Voraussetzungen der Aussetzung in solchen Fällen, war die Rechtsbeschwerde für beide Parteien zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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