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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 1459/07
Rechtsgebiete: Grundsatztarifvertrag


Vorschriften:

Grundsatztarifvertrag der Rundfunkanstalten vom 12.09.2005
1. Der Grundsatztarifvertrag der Rundfunkanstalten vom 12.09.2005 verstößt nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.

2. Da er auch nicht in die Ausgangsrente des Klägers eingreift, ist er bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung der Parteien zu berücksichtigen.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 14. November 2007

Geschäftszeichen 15 Sa 1459/07

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr H. und Herr S.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.05.2007 - 86 Ca 21659/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Kern darüber, ob die betriebliche Altersversorgung auch auf Basis des Grundsatztarifvertrages 2005 zu berechnen ist.

Der Kläger ist am 21. März 1940 geboren. Die Beklagte ist eine Rundfunkanstalt. Seit April 1961 war der Kläger bei einer der Vorgängeranstalten der Beklagten als Kameraassistent und später als freier Kameramann tätig. Ab dem 1. Oktober 1975 wurde er als Arbeitnehmer und Erster Kameramann bei Anrechnung einer Beschäftigungszeit seit 1967 weiterbeschäftigt. In § 5 des Arbeitsvertrages vom 14. Oktober 1975 heißt es:

"Die Dienstordnung und Abmachungen, die zwischen dem S. und dem Personalrat abgeschlossen und bekannt gegeben werden, sowie tarifvertragliche Vereinbarungen gelten als Bestandteil dieses Vertrages, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird." (Bl. 148 d. A.)

In der Anlage zum Arbeitsvertrag wird ausgeführt, dass "die S.-Tarifbestimmungen in der jeweils gültigen Fassung" für das künftige Arbeitsverhältnis gelten. Unter dem 20. Januar 1978 ist dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Mai 1977 eine Versorgungszusage "gemäß den Richtlinien der Versorgungsvereinbarung einschließlich Zusatzvereinbarungen" gegeben worden (Kopie Bl. 9 d. A.). Mit dem 31. Januar 2002 trat der Kläger in den Ruhestand. Mit Schreiben vom 21. Februar 2002 (Kopie Bl. 8 d. a.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von 2.149,05 € brutto auf Grundlage der Versorgungsvereinbarung vom 2. April 1970 in der Fassung vom 16. Juli 1999 erhalte.

Unter dem 16. Juni 2003 schlossen verschiedene Rundfunkanstalten und auch die Beklagte mit drei Gewerkschaften den so genannten Grundsatztarifvertrag 2003 (Kopie Bl. 196 ff. d. A.), wonach u. a. der so genannte Riesterkorrekturfaktur eingeführt wurde. Am 13. September 2005 vereinbarten die Tarifvertragsparteien den Grundsatztarifvertrag 2005, der rückwirkend zum Stichtag 1. Januar 2005 eine Abkoppelung der betrieblichen Altersversorgung von der bisherigen Gesamtversorgung vorsieht. Gemäß Punkt 4.2 lit b) wird letztmalig zum Stichtag (01.01.2005) eine Gesamtversorgung nach Maßgabe der bisher geltenden Versorgungsregelungen unter Berücksichtigung der in Ziffer 3 geregelten "Aufteilung der Mehrbelastungen" (u. a. wegen der Verdoppelung des Krankenversicherungsbeitrages) errechnet. Der sich danach ergebende Bruttobetrag wird zu den bisherigen Anpassungszeitpunkten um einen bestimmten Anpassungsprozentsatz erhöht.

Der Kläger erhielt von der Beklagten folgende betriebliche Altersversorgungen:

 ZeitpunkBruttoNetto laut KlägerNetto laut Beklagten
2/20022.149,051.946,941.894,91
12/20042.030,38 1.707,55
1/20052.150,061.797,381.811,72
12/20062.168,861.821,701.821,70
1/20072.168,861.804,091.804,09
4/20072.168,861.780,661.780,66

Mit der am 29. November 2006 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage möchte der Kläger im Wesentlichen festgestellt wissen, dass der Grundsatztarifvertrag 2005 nicht zur Anwendung kommt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Tarifvertrag für ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht bindend sei. Er stelle einen nachträglichen Eingriff in das Rentenberechnungsmodell dar. Künftig gingen alle Mehrbelastungen, die sich aus der Krankenversicherung oder allgemeinen Rentenversicherung ergäben, zu seinen Lasten. Selbst wenn er sich im Moment besser stehen würde, sei nicht gesagt, dass dies auch künftig so sei. Hinsichtlich der sich ihm ergebenden Nachteile verweist er auf Berechnungen eines Anwaltes, der auch im Parallelverfahren tätig ist, wonach er Einbußen in Höhe von 168,14 € hinzunehmen habe (Anlage K 9 = Bl. 115 d. A.). Zumindest in den letzten 40 Jahren sei es Praxis gewesen, die Altersversorgung nicht dynamisch, sondern statisch entsprechend den Regelungen zum Zeitpunkt des Ausscheidens anzuwenden. Neue Tarifabschlüsse hätten sich nicht ausgewirkt. Insofern verweist er auf ein Schreiben des damaligen Verwaltungsdirektors, Herrn R., zur Kündigung des Versorgungstarifvertrages zum 31. Dezember 1990 (Kopie Bl. 17 d. A.). Auch bei zwei namentlich benannten Arbeitnehmern seien tarifvertragliche Änderungen nicht umgesetzt worden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass eine Anwendung des Grundsatztarifvertrages vom 12.09.2005 auf die betriebliche Altersversorgung des Klägers unwirksam ist

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das betriebliche Altersruhegeld des Klägers auf Grund der Versorgungsvereinbarung des S. vom 02.04.1970 in der Fassung vom 16.07.1999 abzurechnen

3. die Beklagte zu verurteilen, nach erteilter Auskunft den sich errechnenden Betrag abzüglich bereits geleisteter Zahlung an den Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass sich seit den 90-er Jahren starke Veränderungen mit Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung ergeben hätten. Sie verweist insofern auf verschiedene Gesetze und hat weiter ausgeführt, dass das Rentenniveau für Bestandsrentner gewahrt wurde. Durch den rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft gesetzten Tarifvertrag seien für die Arbeitnehmer keine Nachteile entstanden. Im öffentlichen Dienst habe es eine Abkopplung von den gesetzlichen Renten schon im Jahr 2001 gegeben.

Mit Urteil vom 23.05.2007 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Grundsatztarifvertrag aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisung an sich zur Anwendung komme. Die Erklärungen von Vertretern der Beklagten in der Vergangenheit führten nicht zu einem Vertrauenstatbestand, wonach die Arbeitnehmer mit Veränderungen nicht zu rechnen hätten. Der Grundsatztarifvertrag 2005 sei auch wirksam. Die Kriterien des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Selbst wenn der Kläger hart betroffen sein sollte, liege die Ursache in den tarifvertraglichen Änderungen darin, dass der Gesetzgeber in zahlreichen Regelungen massive Veränderungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung herbeigeführt hätte.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 25. Juni 2007 zugestellt worden. Die Berufung nebst Begründung ging am 18. Juli 2007 beim Landesarbeitsgericht ein.

Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass insbesondere aus dem Schreiben von Herrn R. abzuleiten sei, dass künftig keine Änderungen vorgenommen werden sollten. Weil die Jeweiligkeitsklausel damals nicht zur Anwendung kam, dürften die heutigen Rentner darauf vertrauen, dass dies ihnen gegenüber auch nicht erfolge. Es liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor, da ein Eingriff in laufende Betriebsrenten stattfinde. Hierzu seien besonders legitimierende Gründe notwendig, woran es jedoch fehle. Es dürften nur Eingriffe in Versorgungsregelungen vorgenommen werden, die noch nicht in Vollzug gesetzt wurden. Erworbene Betriebsrentenansprüche dürften nicht der wirtschaftlichen Lage und den gesetzgeberischen Novellierungen unterworfen werden. Hier ergebe sich eine Kürzung um mehr als 20 %. Seit den 60er Jahren sei es das konkrete Ziel der Beklagten gewesen, Mitarbeiter durch hohe Altersversorgungen an den S. zu binden. Dies ergebe sich auch aus einem Schreiben des Justiziars, Herrn Sch., vom 03.07.1997 (Kopie Bl. 275 d. A.). Die Umstellung von einer Netto- auf eine Bruttogesamtversorgung hätte sich für ihn verschlechternd auf die Ausgangsrente ausgewirkt. Zurzeit ergebe sich eine Kürzung von 340,26 € brutto.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 23.05.2005 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin - 86 Ca 21659/06 -

1. festzustellen, dass eine Anwendung des Grundsatztarifvertrages vom 12.09.2005 auf seine betriebliche Altersversorgung unwirksam ist;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein betriebliche Altersruhegeld auf Grund der Versorgungsvereinbarung des S. vom 02.04.1970 in der Fassung vom 16.07.1999 abzurechnen;

3. die Beklagte zu verurteilen, nach erteilter Auskunft den sich errechnenden Betrag abzüglich bereits geleisteter Zahlung an ihn auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet mal, der Kläger erhalte durch den Grundsatztarifvertrag 2005 283,31 € weniger, mal trägt sie vor, durch diesen Tarifvertrag habe sich die betriebliche Altersversorgung des Klägers erhöht. Insgesamt komme es bei 963 Rentnern zu einer Erhöhung der Altersversorgung und bei 64 Rentnern zu einer Verringerung. Eine tarifvertragliche Veränderung sei auch deswegen notwendig, weil unstreitig das Versorgungsniveau bei der Beklagten 80,2 %, im Übrigen öffentlichen Dienst jedoch nur 72,9 % betrage.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet, da der Grundsatztarifvertrag 2005 bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung des Klägers zur Anwendung kommt.

I.

Der Klageantrag zu 3. ist unzulässig. Er enthält eine unbestimmte Leistungsklage. Er war ursprünglich Teil einer Stufenklage, wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Klageart ursprünglich im hiesigen Fall zulässig war.

Die Anträge zu 2. und 1. sind zulässig im Sinne von § 256 ZPO. Hierdurch will der Kläger geklärt wissen, ob bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung der Grundsatztarifvertrag vom 12.09.2005 nicht zur Anwendung kommt bzw. positiv, dass diese Berechnung nur auf Basis der Versorgungsvereinbarung des S. vom 02.04.1970 in der Fassung vom 16.07.1999 vorzunehmen ist.

II.

Die Klage ist nicht begründet, da der Grundsatztarifvertrag 2005 im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung des Klägers zur Anwendung kommt.

1.

Durch den Arbeitsvertrag der Parteien wurden auch die bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen in Bezug genommen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt.

In § 5 des Arbeitsvertrages vom 14. Oktober 1975 wird ausdrücklich geregelt, dass tarifliche Vereinbarungen als Bestandteil des Arbeitsvertrages gelten, soweit nichts anderes geregelt ist. In der Anlage zum Arbeitsvertrag wird auf die S.-Tarifbestimmungen in der jeweils gültigen Fassung Bezug genommen, so dass allein schon hieraus eine dynamische Bezugnahme auf tarifliche Regelungen abzuleiten ist. Auch die Versorgungszusage vom 20. Januar 1978 enthält keine Einschränkung, da sie auf die "Richtlinien der Versorgungsvereinbarung einschließlich Zusatzvereinbarungen" verweist. Dies alles ist zwischen den Parteien an sich auch nicht streitig.

Soweit der Kläger meint, tarifvertragliche Veränderungen könnten seinen Ruhestandsverhältnis nicht mehr erfassen, ist dies nicht zutreffend. Arbeitsvertragliche Verweisungen haben zur Folge, dass die Wirkungen des Tarifvertrages auch Rechtsverhältnisse ausgeschiedener Arbeitnehmer erfassen (BAG vom 27.06.2006 - 3 AZR 255/05 - NZA 2006, 1285, Rn. 22). Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht auch festgestellt, dass die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien sich auch auf die Versorgungsanwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer und die Versorgungsansprüche der Betriebsrentner nach Eintritt des Versorgungsfalles erstreckt (BAG vom 21.08.2007 - 3 AZR 102/06 - Juris, Rn. 29).

2.

Die Anwendung dieses Tarifvertrages ist auch nicht durch frühere Zusagen der Beklagten oder Handlugen in der Vergangenheit ausgeschlossen.

Der Kläger sieht hier einen der zentralen Streitpunkte. Seiner Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Er verweist insofern auf ein Schreiben des damaligen Verwaltungsdirektors, Herrn R., (Kopie Bl. 17 d. A.). Dort wird jedoch nur mitgeteilt, dass der S. den Versorgungstarifvertrag mit Wirkung zum 31.12.1990 gekündigt hat. Die neuen Mitarbeiter, die ab dem 01.01.1991 fest angestellt werden, sollen eine Versorgungszusage nach gänzlichen anderen Kriterien erhalten. Für die Alt-Mitarbeiter soll es hingegen bzgl. der künftigen Pensionen auf den bisher geltenden Tarifvertrag ankommen. Genau dies ist auch umgesetzt worden. Mit dem Tarifvertrag vom 23. Juni 1997 ist rückwirkend zum 01.01.1991 u. a. für die ab diesem Zeitpunkt neu eingestellten Mitarbeiter des S. ein neuer Versorgungstarifvertrag geschlossen worden. Auch der Kläger verweist auf Seite 4 der Berufungsbegründungsschrift darauf, dass ab 1990 ein vollkommen anderes Versorgungssystem eingeführt worden ist. Dem Schreiben von Herrn R. lässt sich aber nicht entnehmen, dass für die Alt-Mitarbeiter die Regelungen des geltenden Tarifvertrages eingefroren werden sollten. Er verweist nur auf das beabsichtigte Nebeneinanderbestehen von zwei Versorgungssystemen.

Gleiches gilt für das Schreiben des Justiziars des S. vom 3. Juli 1997 (Anlage K 10 = Bl. 275 d. A.). Dort wird im Hinblick auf den Tarifvertrag vom 23. Juni 1997 mitgeteilt, dass durch den Abschluss dieses Versorgungstarifvertrages die Rechte der übrigen Beschäftigten, die vor dem 1. Januar 1991 fest angestellt worden sind, nicht berührt werden. Dies ist zutreffend und enthält ebenfalls keinerlei Aussage dazu, dass hinsichtlich des Alt-Versorgungstarifvertrages keinerlei Änderungen mehr in Betracht kommen sollten. Soweit der Kläger auf das Vorgehen bei den Mitarbeitern D. (Ruhestand seit 01.04.1998) und N. (Ruhestand seit 31.08.1995) verweist, kann offen bleiben, ob seine Behauptung zutrifft, dass bei diesen ab dem Eintritt in den Ruhestand keinerlei Veränderungen mehr vorgenommen worden sein sollen. Die Beklagte hat insofern darauf hingewiesen, dass es mit dem Tarifvertrag 1999 nur zu geringen Änderungen gekommen sei, die sich alle nicht auf diese beiden Arbeitnehmer ausgewirkt hätten. Jedenfalls kann allein aus dem Vorgehen gegenüber zwei Betriebsrentnern von über 900 betroffenen Personen nicht geschlossen werden, dass die Beklagte künftig sämtliche tarifvertraglichen Änderungen nicht mehr umsetzen will. Für ein derart ungewöhnliches Vorgehen hätte es eindeutigerer Anhaltspunkte bedurft.

Der Kläger verweist ferner darauf, dass seit über 40 Jahren gerade auch unter Berufung auf die betriebliche Altersversorgung von der Beklagten versucht worden ist, Arbeitnehmer an sie zu binden. Im Hinblick auf die hohe betriebliche Altersversorgung habe er ein Angebot des Südwestdeutschen Rundfunks auf Einstellung abgelehnt. Es mag sein, dass der Kläger und andere Arbeitnehmer damals davon ausgingen, dass es zu Kürzungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung nicht kommen wird. Vor 40 Jahren waren jedoch die politischen und vor allem auch wirtschaftlichen Rahmenbedingungen völlig andere, so dass eine derartige Erwartung möglicherweise realistisch erscheinen konnte. Selbst wenn insofern niemand zum damaligen Zeitpunkt über mögliche Kürzungen geredet hat, so kann daraus jedoch umgekehrt nicht schon geschlussfolgert werden, dass derartige Kürzungen ausgeschlossen werden sollten. Verbindliche Zusagen können hieraus nicht abgeleitet werden.

Tatsächlich scheint der Kläger hiervon auch nicht auszugehen. Aus den von ihm gestellten Anträgen ergibt sich, dass er mindestens die tarifvertraglichen Veränderungen bis zum Jahr 1999 auch ihm gegenüber für wirksam erachtet. Gegen den Grundsatztarifvertrag aus dem Jahre 2003 setzt er sich ebenfalls nicht zur Wehr.

III.

Die Regelungen des Grundsatztarifvertrages 2005 sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Dieser Tarifvertrag ist wirksam.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich wiederholt damit auseinandergesetzt, inwieweit die Tarifvertragsparteien Regelungen auch zu Lasten der Versorgungsansprüche der Betriebsrentner nach Eintritt des Versorgungsfalles treffen dürfen (BAG vom 21.08.2007 - 3 AZR 102/06 - Juris). Es hat insofern in dieser Entscheidung ausgeführt, dass bei der gerichtliche Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen zu beachten ist, dass die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie zu einer geringeren Kontrolldichte führt (Rn. 30). Das sonst für die Überprüfung von Eingriffen in Versorgungsanwartschaften entwickelte Prüfungsschema ist auf Tarifverträge von vorn herein nicht anwendbar, da den Tarifvertragsparteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Regelungen aufgrund der Tarifautonomie ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (Rn. 31). Soweit es jedoch zu Verschlechterungen von Versorgungsleistungen kommt, sind die Tarifvertragsparteien ebenso wie der Gesetzgeber an den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip gebunden (Rn. 32). Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet jedoch nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen. Bloße Chancen und Erwartungen werden nicht geschützt (Rn. 34). Soweit tarifvertraglich geregelte Ansprüche Eigentumsschutz genießen, wird ihr maßgeblicher Inhalt - falls keine gesetzlichen Einschränkungen bestehen - durch die tarifvertraglichen Vereinbarungen bestimmt. Soweit die Änderungen den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes Rechnung tragen, stellen sie keine Eigentumsverletzung dar (Rn. 35). Versorgungsberechtigte können nicht darauf vertrauen, dass die bisherigen Regelungen unabänderlich seien. Sie müssen mit Einschnitten auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und nach Eintritt des Versorgungsfalles rechnen (Rn. 37). Nach dem Ablösungsprinzip (Zeitkollisionsregel) finden wegen des gleichen Rangs der Tarifverträge zueinander kein Günstigkeitsvergleich zwischen den bisherigen und den ablösenden Regelungen statt. Dieser Änderungsvorbehalt ist vielmehr immanenter Bestandteil tarifautonomer Regelungen (Rn. 38). Den Tarifvertragsparteien stehen aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie erhebliche Beurteilungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume zu. Ihnen ist eine so genannte Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zuzugestehen. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen (Rn. 43).

In einer etwas früheren Entscheidung (vom 27.03.2007 - 3 AZR 299/06 - Juris) hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Umgestaltung einer Zusatzversorgung von einem Gesamtversorgungssystem in ein Punktemodell eine grundlegende Veränderung der Versorgungsstrukturen darstelle. Sie sei nach ihrer Zielsetzung und wegen der weitreichenden Auswirkungen für die Rentenberechtigung als so genannte maßgebende Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner anzusehen. Die von den Tarifvertragsparteien eigenverantwortlich getroffenen Grundentscheidungen dürften von den Gerichten grundsätzlich nicht infrage gestellt werden (Rn. 49). Der Eigentumsschutz nach Art 14 GG und Art 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verlange allenfalls, dass die im Ablösungszeitpunkt festgelegte Bruttorente weitergezahlt wird. Mehr ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (Rn. 52). Die Einschätzung der voraussichtlichen Entwicklung, insbesondere der zu erwartenden Finanzierungslasten und ihrer Auswirkungen ist ebenso wie die Lösung entstehender Verteilungsprobleme Sache der Tarifvertragsparteien (Rn. 58). Der in dieser Entscheidung zu beurteilende Systemwechsel habe bereits durch die demografische Entwicklung und durch die Veränderungen in den externen Bezugssystemen und die dadurch ausgelösten Störungen einen hinreichenden Grund (Rn. 58). Insofern sei es nicht entscheidungserheblich, ob sich der Arbeitgeber in einer günstigen wirtschaftlichen Lage befindet (Rn. 60).

Bei Anwendung dieser Kriterien ist festzustellen, dass der Grundsatztarifvertrag 2005 wirksam ist.

Soweit er rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, ist dies, bezogen auf den hiesigen Kläger schon allein deswegen unerheblich, weil sich dies nur vorteilhaft ausgewirkt hat. Unstreitig ist die Bruttorente um fast 120,-- € angestiegen, denn unstreitig betrug sie im Dezember 2004 2.030.38 € und im Januar 2005 nach der Neuberechnung 2.150,06 €. Insofern kann auch nicht nachvollzogen werden, warum die Beklagte ursprünglich mal behauptet hat, durch den Grundsatztarifvertrag entstünden dem Kläger Einbußen in Höhe von 283,81 €. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, wenn der Kläger unter Bezugnahme auf das Schreiben von Rechtsanwalt F. vom 03.11.2006 (Bl. 115 f. d. A.) die Ansicht vertritt, er habe monatliche Einbußen in Höhe von 170,-- €. Tatsächlich ergibt sich aus diesem Schreiben, dass von "fiktiv berechneten Ansprüchen" ausgegangen wird. Insofern wird die betriebliche Altersversorgung des Klägers dort unter Berücksichtigung des Grundsatztarifvertrages 2003, aber bei Weglassen des Grundsatztarifvertrages 2005 zum Stichtag 01.01.2006 berechnet. Es wird dann mitgeteilt, dass die Rente insofern 2.337,-- € brutto betrage, somit 168,14 € brutto mehr, als von der Beklagten gezahlt wird. Insofern werden nicht reale Einbußen, sondern entgangene Chancen berechnet.

Die Änderungen des Tarifvertrages tragen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Durch den Tarifvertrag wird ein Systemwechsel vorgenommen. Ursprünglich wurde die betriebliche Altersversorgung als Teil einer Gesamtversorgung unter Einbeziehung insbesondere der gesetzlichen Rente gezahlt. Hiervon wird seit dem 01.01.2005 Abstand genommen. Dafür sprechen auch überzeugende Gründe. Schon in der Präambel des GTV 2005 werden vier Gesetzesänderungen seit dem Inkrafttreten des letzten Tarifvertrages erwähnt, die bei den Rundfunkanstalten mit Nettogesamtversorgungsregelungen zu erheblichen Mehrbelastungen geführt haben. Hiervon geht auch das im Auftrag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs bei den Rundfunkanstalten (KEF) erstellte Gutachten der H. AG aus (Anlage BB 3 = Bl. 296 ff. d. A., insbesondere dort Seite 4). Da den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zuzugestehen ist, ist es ihnen auch überlassen, wie hierauf zu reagieren ist. Gerade weil die betriebliche Altersversorgung nur auf tarifvertraglicher Grundlage geregelt war, konnten die Versorgungsberechtigten nicht darauf vertrauen, dass die bisherigen Regelungen unabänderlich sind. Die hier vorgenommene grundlegende Veränderung der Versorgungsstrukturen ist als so genannte maßgebende Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner anzusehen und grundsätzlich nicht infrage zu stellen. Unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes nach Art. 14 GG ist nicht mehr zu verlangen, als dass die im Ablösungszeitpunkt festgestellte Bruttorente weiter zu zahlen ist. Dies ist hier unstreitig der Fall, denn tatsächlich hat sich die Bruttorente von Dezember 2004 zur Nachberechnung für den Monat Januar 2005 um fast 120,-- € erhöht. Die Tarifvertragsparteien haben die Auswirkungen der gesetzlichen Veränderungen auch nicht einseitig den Arbeitnehmern auferlegt. Nach Ziff. 2 des Grundsatztarifvertrages 2005 werden die Mehrbelastungen vielmehr etwa hälftig von den Rundfunkanstalten und den Berechtigten getragen. Damit wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in erhöhtem Maße Rechnung getragen.

Das Bundesarbeitsgericht hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien in bereits entstandene Ansprüche in der Regel nicht eingreifen dürfen, soweit nicht bereits vor Entstehung des Anspruchs Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Tarifvertragsparteien verschlechternd eingreifen würden. Insofern darf als Untergrenze regelmäßig nicht in die Ausgangsrente, die der Kläger bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erdient hatte, eingegriffen werden (BAG vom 27.02.1007 - 3 AZR 734/05 - AP Nr. 44 zu § 1 BetrAVG, Rn. 51). Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB darf jedoch auch in die Ausgangsrente eingegriffen werden (BAG vom 21.08.2007 - 3 AZR 102/06 - Juris, Rn. 41).

Die Tarifvertragsparteien haben hier in die Ausgangsrente des Klägers nicht eingegriffen. Diese betrug anfangs 2.149,05 € brutto und seit dem 01.01.2005 aufgrund des Grundsatztarifvertrages 2.150,06 € brutto. Es kommt insofern nur auf die Bruttorente an, denn die Beklagte hat sich auch nur zur Zahlung einer Bruttorente verpflichtet. Gem. § 6 Abs. 4 der Versorgungsvereinbarung vom 02.04.1970 beträgt das Altersruhegeld max. 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens. Dies ist ein Bruttobetrag. Hieran ändert sich auch nichts durch die Anlage zu § 12 dieser tarifvertraglichen Regelung. Dort werden die Gesamtversorgungsbezüge einer Kappungsgrenze unterzogen, da diese als Nettogesamtversorgung 91,75 % des jeweiligen Nettovergleichseinkommens nicht übersteigen. Die Kappungsgrenze gewährt nicht Leistungen, sondern trennt von diesen nur etwas ab.

Soweit der Kläger unter Berufung auf von ihm angegebene Urteile des BAG meint, dass strengere Maßstäbe anzulegen sind, kann dem nicht gefolgt werden. Die von ihm angegebenen Entscheidungen beziehen sich gerade nicht auf tarifvertragliche Versorgungsregelungen. Für diese gelten aber - wie oben ausgeführt - nur sehr eingeschränkte Überprüfungskriterien.

Soweit der Kläger selbst in der letzten Berufungsverhandlung auf die Entscheidung des BAG vom 17.08.2004 - 3 AZR 318/03 - hingewiesen hat, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die dortige Entscheidung befasst sich mit einer anderen Fallkonstellation. Es geht um die Veränderungssperre nach § 2 Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 BetrAVG. In § 2 Abs. 1 BetrAVG ist geregelt, dass der Arbeitgeber bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis den Anspruch auf betriebliche Altersversorgung anteilig kürzen darf. Die näheren Voraussetzungen werden in dieser Norm festgelegt. Zwar ist auch der hiesige Kläger vor Erreichen des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, doch hat die Beklagte eine anteilige Kürzung nicht vorgenommen. Im Übrigen hatte der Kläger bei seinem Ausscheiden 25 Beschäftigungsjahre bei der Beklagten zurückgelegt und somit auf jeden Fall den Höchstsatz des ruhegeldfähigen Einkommens erreicht.

IV.

Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Sämtliche hier relevanten Rechtsfragen sind durch das Bundesarbeitsgericht geklärt.

Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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