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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 26.08.2009
Aktenzeichen: 15 SaGa 1227/09 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 256
BGB § 130
1. Ist zwischen den Parteien streitig, ob ein gerichtlicher Vergleich den Rechtsstreit beendet hat, so ist der ursprüngliche Rechtsstreit fortzuführen.

2. Für den Antrag festzustellen, dass ein Vergleich den Rechtsstreit erledigt hat, besteht ein Feststellungsinteresse auch dann, wenn der ursprüngliche Rechtsstreit sich unstreitig auch wegen Zeitablaufs erledigt hat.

3. Ein Vergleichswiderruf, der bis 12.30 Uhr bei Gericht einzugehen hat, erfolgt auch dann rechtzeitig, wenn er gegen 12.05 Uhr in den Gerichtsbriefkasten gelangt, obwohl auf diesem als Leerungszeiten 13.00 Uhr und 14.30 Uhr angegeben sind.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 26. August 2009

15 SaGa 1227/09

In Sachen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr G. und Frau Sch. für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers, mit der er die Feststellung begehrt, dass sich das einstweilige Vergütungsverfahren durch den Vergleich vom 13. Juli 2009 erledigt hat, wird zurückgewiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nachdem der Kläger im hiesigen einstweiligen Verfügungsverfahren ursprünglich nach Ausspruch einer Kündigung durch die Beklagte die vorläufige Weiterbeschäftigung bis längstens zum 30. Juni 2009 begehrte, streiten die Parteien nunmehr nur noch darüber, ob dieser Rechtsstreit durch Vergleich beendet wurde.

Das Arbeitsgericht hatte mit Urteil vom 14. Mai 2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger am 22. Mai 2009 zugestellt worden. am 18. Juni 2009 ging die Berufung nebst Begründung beim Landesarbeitsgericht ein.

Im Berufungstermin vom 13. Juli 2009 schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich, dessen Ziffer 7. lautete:

"Die Beklagtenvertreterin behält sich den Widerruf des Vergleichs, eingehend bei Gericht bis zum 14.07.2009, 12.30 Uhr, vor."

Am 14. Juli 2009 warf die Beklagtenvertreterin den Widerruf des Vergleichs in den Gerichtsbriefkasten ein. Auf dem Briefkasten ist vermerkt, dass während der Gerichtsöffnungszeiten Briefe auf der Poststelle abgegeben werden sollen. Eine Leerung des Briefkastens erfolge um 13.00 Uhr und 14.30 Uhr. Tatsächlich leerte die Poststelle des Gerichts diesen Briefkasten erst nach 14.00 Uhr und fand dann den Vergleichswiderruf vor.

Nachdem zwischen den Parteien streitig wurde, ob der Widerruf des Vergleichs rechtzeitig erfolgte, hat die Kammer nach erneuter Beratung die mündliche Verhandlung wieder eröffnet.

Der Kläger ist der Ansicht, der Vergleichswiderruf hätte bis 12.30 Uhr in der Geschäftsstelle der hiesigen Kammer vorliegen müssen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

festzustellen, dass das Verfügungsverfahren sich durch den Vergleich vom 13. Juli 2009 erledigt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Verfügungsklägers (in Gestalt des neuen Feststellungsantrages) zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Beklagtenvertreterin habe am 14. Juli 2009 gegen 12.05 Uhr den Vergleichswiderruf in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen.

Über diese Behauptung der Beklagten ist Beweis erhoben worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26. August 2009 verwiesen.

Beide Parteien haben den Rechtsstreit hilfsweise (wegen Zeitablaufs) für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat mit dem zuletzt gestellten Antrag keinen Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der zuletzt gestellte Antrag ist ebenfalls zulässig.

Besteht zwischen den Parteien Streit, ob ein zwischen ihnen geschlossener Prozessvergleich den Rechtsstreit erledigt hat, so ist grundsätzlich der ursprüngliche Rechtsstreit fortzusetzen (BAG vom 16.01.2003 - 2 AZR 316/01 - AP Nr. 2 zu § 57 ArbGG 1979; Baumbach Anh. § 307 ZPO Rn. 37 ff.). Der Antrag ist nunmehr auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits durch den Vergleich zu richten. Die Antragsumstellung ist zulässig, da sie sachdienlich ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern 09.08.2005 - 5 Sa 363/04 - juris Rn. 26).

Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entfällt vorliegend auch nicht deswegen, weil beide Parteien hilfsweise jedenfalls wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben. Damit steht zwar auch fest, dass der ursprüngliche Rechtsstreit nicht mehr fortbesteht. Das Feststellungsinteresse ist trotzdem gegeben. Nur über die hiesige Feststellungsklage kann geklärt werden, ob die Rechtsbeziehung der Parteien künftig durch den streitigen Vergleich geregelt werden.

III.

Die Berufung ist nicht begründet.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Widerruf des Vergleichs gegen 12.05 Uhr in den Briefkasten des Gerichts gelangt ist. Damit erfolgte der Widerruf rechtzeitig, so dass der Feststellungsantrag zurückzuweisen ist.

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Bundesobergerichte, dass Schriftsätze schon dann fristwahrend bei Gericht eingehen, wenn sie in deren Machtbereich gelangen. Die Mitwirkung von Bediensteten des Gerichts ist nicht notwendig. Es genügt, wenn der Gewahrsam des Gerichts begründet wird (BGH vom 12.02.1981 - VII ZB 27/80 - NJW 1981, 530; BGH vom 25.01.1984 - IV b ZR 43/82 - NJW 1984, 1237). Gleiches gilt für den Widerruf eines Vergleichs, der bei Gericht einzugehen hat. Auch hier ist allein entscheidend, dass der Schriftsatz innerhalb der Frist tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt ist (BGH vom 21.06.1989 - VIII ZR 252/88 - NJW-RR 1989, 1214). Dem hat sich auch das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG 29.04.1986 - 7 AZB 6/85 - AP Nr. 35 zu § 519 ZPO). In dieser Entscheidung hat es auch darauf hingewiesen, dass es unerheblich ist, wenn auf einem im Gerichtsgebäude befindlichen Brieffach für eingehende Post bestimmte Leerungszeiten angegeben sind. Derartige Leerungszeiten hätten lediglich insofern Bedeutung, als darauf aufmerksam gemacht wird, dass ein nach den angegebenen Leerungszeiten eingeworfenes Schriftstück nicht mehr den Eingangsstempel des betreffenden Tages erhält und somit der rechtzeitige Eingang eines fristgebundenen Schriftstücks auf andere Weise nachgewiesen werden muss (BAG a. a. O.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze reicht es aus, wenn der Vergleichswiderruf vor 12.30 Uhr in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen ist. Eine Mitwirkung durch einen Bediensteten des hiesigen Gerichts ist nicht erforderlich. Die auf dem Briefkasten angegebenen Leerungszeiten sind für den Zugang eines Schriftstückes ohne Bedeutung.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagtenvertreterin den Vergleichswiderruf gegen 12.05 Uhr und damit rechtzeitig in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen hat.

Eine eidesstattliche Versicherung reicht für den Nachweis des Zugangs nicht (BGH 21.02.2007 - VII ZB 37/06 - juris Rn. 8). Prozessvertreter können auch Zeugen sein (Baumbach Übers § 373 ZPO Rn. 21 m. w. N.).

Die als Zeugin vernommene Beklagtenvertreterin hat die Behauptung der Beklagten bestätigt. Sie hat im Einzelnen geschildert, dass sie am Vortag durch den Justiziar der Beklagten per Mail angewiesen wurde, den Vergleich zu widerrufen, was sie aber erst zu Hause an ihrem privaten Rechner gesehen habe. Wegen eines Reparaturauftrages in ihrer Wohnung sei sie am nächsten Vormittag nicht in ihrem Büro gewesen. Sie habe zu Hause den Vergleichswiderruf gefertigt. Da sie zu 12.00 Uhr zu einem Essen in der Nähe des Gerichts verabredet gewesen sei, habe sie auf dem Weg dorthin beim Gericht angehalten und den Vergleichswiderruf eingeworfen. Gegen 12.00 Uhr, kurz vor Erreichen des Gerichts, habe sie bei einer Rotphase versucht, den Anwalt anzurufen, mit dem sie zum Essen verabredet war. Sie habe diesen Anwalt jedoch nicht erreicht. Da sie eh schon etwas verspätet war, habe sie nur schnell den Brief eingeworfen. Sie habe auch nicht gelesen, was auf dem Briefkasten stand.

Die Darstellung der Zeugin war in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Kammer sah keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der bekundeten Tatsachen oder an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln.

IV.

Da die Parteien in der streitigen Verhandlung wegen des erfolgten Zeitablaufs den Rechtsstreit übereinstimmend hilfsweise für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits durch gesonderten Beschluss zu entscheiden (§ 91 a ZPO).

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen (§ 72 a ArbGG).

Ende der Entscheidung

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