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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 6 Ta 443/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
KSchG § 5 Abs. 4 Satz 2
Spricht der Arbeitgeber unter demselben Datum aufgrund desselben Sachverhalts in zwei getrennten Schreiben eine Tat- und eine Verdachtskündigung aus, so erfasst die gegen die Tatkündigung gerichtete Kündigungsschutzklage auch die Verdachtskündigung.
Geschäftszeichen 6 Ta 443/08

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. am 05.03.2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 16. Januar 2008 - 3 Ca 1143/07 - ersatzlos aufgehoben.

Gründe:

1. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung ihres im Wege hilfsweiser Klagerweiterung unter dem 14. Dezember 2007 rechtshängig gemachten weiteren Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die am 09. November 2007 eingereichte Klage habe sich lediglich gegen die außerordentliche Tatkündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2007 gerichtet, nicht aber auch gegen deren in einem gesonderten Schreiben vom selben Tag erklärte außerordentliche Verdachtskündigung, da dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei Klageinreichung diese Kündigung noch gar nicht bekannt gewesen sei. Damit habe die Klägerin insoweit die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt. Dies hätte sie jedoch durch sorgfältiges Lesen beider Schreiben vermeiden können.

Der am 01. Februar 2008 eingelegten sofortigen Beschwerde der Klägerin gegen den ihr am 21. Januar 2008 zugestellten Beschluss hat das ArbG mit der Begründung nicht abgeholfen, selbst wenn die Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten sogleich beide Kündigungsschreiben übergeben haben sollte, müsste sie sich dann doch dessen Verschulden zurechnen lassen.

2. Die gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthafte und gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG fristgemäß und formgerecht beim ArbG eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

Es war bereits kein Raum für eine Entscheidung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG über die vorsorglich beantragte nachträgliche Klagezulassung, weil die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auch hinsichtlich der außerordentlichen Verdachtskündigung vom 26. Oktober 2007 durch die am 16. November 2007 zugestellte Kündigungsschutzklage gewahrt worden ist.

2.1 Dafür war es unerheblich, ob dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Schreiben mit der Verdachtskündigung bereits bei Klageinreichung vorgelegen hatte, sondern kam es entsprechend § 133 BGB allein auf den Empfängerhorizont der Beklagten als Adressatin an. Es reicht aus, dass die Klage dem Arbeitgeber die Gewissheit verschafft, der Arbeitnehmer wolle nicht nur gegen eine von mehreren Kündigungen vorgehen, sondern sich gegen einen einheitlichen Kündigungsvorgang zur Wehr setzen (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 - R 40 der Gründe). So verhielt es sich etwa, wenn der Arbeitgeber vor Einführung der Schriftform des § 623 BGB zunächst mündlich und dann erneut schriftlich gekündigt hatte und beide Erklärungen als selbständige Kündigungen zu verstehen waren. Wenn der Arbeitnehmer dann in seiner Klage in erster Linie auf die schriftliche Kündigung Bezug nahm, konnte dies vom Sinn und Zweck des § 4 KSchG her keine Rolle spielen (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.1994 - 2 AZR 182/94 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 32 zu II 3 a und b der Gründe).

Für das Verständnis des Kündigungsschutzantrags der Klägerin bedeutsam ist auch, dass die Erhebung einer Klage nahezu sinnlos wäre, wenn sich der klagende Arbeitnehmer ohne wirtschaftliches Interesse nur gegen eine von zwei am selben Tage zugegangene außerordentliche Kündigungen hätte wehren, die andere jedoch hätte hinnehmen wollen. (BAG, Urteil vom 12.05.2005 - 2 AZR 426/04 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 53 B I 4 der Gründe).

Schließlich hat die Klägerin in der Begründung ihrer Klage nicht etwa zum Ausdruck gebracht, sich mit einer Beseitigung des Tatvorwurfs zu begnügen, den entsprechenden Verdacht dagegen zu akzeptieren. Vielmehr hat sie mit ihrem Beschäftigungsantrag gerade deutlich gemacht, ihr Arbeitsverhältnis auf jeden Fall fortsetzen zu wollen.

2.2 Unter diesen Umständen konnte dahinstehen, ob nicht der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin in entsprechender Anwendung von § 6 Satz 1 KSchG jedenfalls zu einer Verlängerung der Anrufungsfrist geführt hatte (dazu LAG Köln, Urteil vom 17.02.2004 - 5 Sa 1049/03 - NZA-RR 2005, 136 zu 1 der Gründe).

3. Gerichtsgebühren werden für die erfolgreiche sofortige Beschwerde nicht erhoben. Über die außergerichtlichen Kosten wird das Arbeitsgericht im Urteil gemäß § 308 Abs. 2 ZPO zu befinden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.1979 - IV ZB 44/78 - VersR 1979, 443).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 72 Abs. 2, 78 Satz 2 ArbGG kam nicht in Betracht (vgl. BAG, Beschluss vom 20.08.2002 - 2 AZB 16/02 - BAGE 102, 213 = AP KSchG 1969 § 5 Nr. 14 zu B I 2 der Gründe).

4. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

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