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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 27.07.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 798/05
Rechtsgebiete: GG, BÄrzteO, BAT/BAT-O


Vorschriften:

GG Art. 9
BÄrzteO § 2
BÄrzteO § 2a
BAT/BAT-O § 22
Nach Änderung der Bundesärzteordnung und Approbationsordnung für Ärzte mit Wirkung zum 1.10.2004 haben als Ärzte im Praktikum eingestellte Personen, die ab 1.10.2004 nach Erhalt ihrer Approbation weiterbeschäftigt werden, bei entsprechender beidseitiger Tarifbindung ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IIa der Anlage 1a zu § 22 BAT bzw. BAT-O.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

10 Sa 798/05

Verkündet am 27.07.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 10. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Binkert als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Fenske und Jacobs

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.2.2005 - 75 Ca 27381/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der - tarifgebundene - Kläger, der seit dem 1.2.2004 als "Arzt im Praktikum" im Krankenhaus F. der Beklagten im Rahmen der Praktikumsphase beschäftigt wird, begehrt Feststellung, dass ihm nach Erhalt der Vollapprobation am 1.10.2004 Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT-O zusteht.

Dem liegt zugrunde, dass durch die Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze im Juli 2004 die Bundesärzteordnung sowie die Approbationsordnung für Ärzte mit der Folge geändert worden sind, dass die bislang vorgesehene Praktikumsphase als Arzt im Praktikum vor Erlangung der Vollapprobation entfallen ist und die Vollapprobation nunmehr unmittelbar nach Absolvierung der dritten ärztlichen Prüfung erteilt werden kann.

Der Kläger, in dessen Ausbildungsvertrag u.a. auf den Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte im Praktikum vom 5.3.1991 (Mantel-TV-AiP-O) Bezug genommen war, erhielt am 1.10.2004 die Approbation und vertritt - da er mit ärztlichen Tätigkeiten weiterbeschäftigt worden ist - die Auffassung, ihm stehe nunmehr Vergütung auf der Grundlage des BAT-O, und zwar nach der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a BAT-O, auf der Grundlage der beiderseitigen Tarifgebundenheit zu.

Er hat beantragt,

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, auf das die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Anpassung des Tarifrechts - manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 1.10.2004 eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a des BAT-O in der Fassung vom 10.12.1990 unter Berücksichtigung späterer Änderungen und Ergänzungen sowie unter Berücksichtigung des Einkommensangleichungsgesetzes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Bestimmungen des Mantel-TV-AiP-O seien weiterhin für das Rechtsverhältnis maßgeblich; die vom Kläger begehrte Anwendung des BAT-O sei nicht gegeben, durch den Wegfall der Regelung über die Ärzte im Praktikum sei eine Tariflücke entstanden, die alleine durch die Tarifvertragsparteien, nicht aber durch die Gerichte geschlossen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.2.2005 die von ihm für zulässig erachtete Klage als für begründet erklärt. Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis finde der BAT-O und die ergänzenden Tarifverträge Anwendung und dem Kläger stehe für die Zeit ab dem 1.10.2004 eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zu § 22 BAT-O zu. Der BAT-O komme kraft beiderseitiger Tarifbindung zur Anwendung; für die weitere Anwendung des Mantel-TV-AiP-O sei kein Raum, da dieser Tarifvertrag ausschließlich für diejenigen Personen gelte, die eine Tätigkeit als Arzt oder Ärztin im Praktikum ableisteten. Eine solche Tätigkeit übe der Kläger seit dem 1.10.2004, dem Zeitpunkt des Erhalts der Vollapprobation, aber nicht mehr aus. Die zutreffende Vergütungsgruppe ergebe sich aus dem allgemeinen Teil der Anlage 1 a zu § 22 BAT-O, und zwar unter der Vergütungsgruppe II a, Fallgruppe 4: "Ärzte". Dabei gingen die Tarifvertragsparteien bei der Verwendung des Begriffes Ärzte von dem Begriff aus, wie er durch gesetzliche Regelungen etwa der Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung vorgegeben sei. Die Anwendung des BAT-O verstoße nicht gegen die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz gewährleistete Tarifautonomie; eine Tariflücke sei nicht gegeben, denn für Arbeitnehmer mit ärztlicher Tätigkeit und Approbation hätten die Tarifvertragsparteien eine Regelung vorgesehen: Dies diese sollten nach dem Willen der Tarifvertragsparteien vom BAT-O erfasst sein und würden auch in der dazugehörenden Vergütungsordnung ausdrücklich genannt. Ein ungeregelter Sachverhalt liege nicht vor. Ob aufgrund der zusätzlichen Kostenbelastung wegen der Gesetzesänderung es sachgerecht gewesen wäre, eine stufenweise Anpassung der Vergütung zu regeln, sei Sache der Tarifvertragsparteien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 48 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses am 24.3.2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 19.4.2005 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem am 23.5.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin verweist in der Berufungsinstanz darauf, dass der Kläger - anders als Kollegen von ihm - nicht in eine Assistenzarztstelle habe vermittelt werden können; seine Weiterbeschäftigung sei auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 5.12.2003 erfolgt. Sie bezweifelt die Zulässigkeit der Klage, hält diese jedenfalls aber für unbegründet. Durch die Abschaffung der AiP-Phase in der ärztlichen Ausbildung sei eine Tariflücke entstanden, die nicht durch die Arbeitsgerichte geschlossen werden könne. Die Tarifnormen seien für AiP-Ärzte geschaffen worden, sie wirkten analog § 4 Abs. 5 TVG nach. Durch den Wegfall der AiP sei eine unbewusste Regelungslücke im Tarifwerk entstanden, die auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz durch die Tarifvertragsparteien geschlossen werden müsse. Die nachwirkenden AiP-Tarifverträge würden auch nicht durch den BAT-O verdrängt. Der BAT-O sei auf das klägerische Arbeitsverhältnis nicht anwendbar; mit der Abschaffung der Ausbildungsphase "Arzt im Praktikum" sei ein zusätzlicher Medizinertyp entstanden, nämlich der des vollapprobierten, aber als Arzt im Praktikum eingestellten Mediziners. Da die Tarifvertragsparteien bei der Formulierung des Geltungsbereiches BAT-O diesen dritten Medizinertyp mangels Kenntnis von der übergangslosen Abschaffung des AiP nicht berücksichtigen konnten, sei durch Auslegung zu ermitteln, ob der Geltungsbereich des BAT-O diesen dritten Medizinertyp erfasst. Dies sei im Ergebnis nicht der Fall. Es zeige sich im Übrigen auch der Wille der Tarifvertragsparteien, eine finanzielle Überforderung der Arbeitgeber zu vermeiden. Die Beklagte verweist im Übrigen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers, der geltend machen will, dass er fehlerhaft zu niedrig eingruppiert worden sei. Der Kläger habe nicht vorgetragen, welche Tätigkeit er ab dem 1. Oktober 2004 ausführe.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.2.2005 - 75 Ca 27381/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Klage als Eingruppierungsfeststellungsklage für zulässig und begründet; dabei vertritt er die Auffassung, dass eine "Regelungslücke", wie sie gelegentlich innerhalb von Tarifverträgen auftauche, vorliegend nicht gegeben sei, da der Mantel-TV-AiP-O als Ganzes entfallen sei. Er wirke auch nicht nach. Der Kläger unterfalle nach der Vollapprobation den Regelungen des BAT-O; dieser verdränge den Mantel-TV-AiP-O, da er das Arbeitsverhältnis des Klägers vollumfänglich erfasse. Den von der Beklagten genannten dritten Medizinertyp gebe es nicht. "Ärzte" fielen in die Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT-O; für die Anwendung dieser Vergütungsgruppe sei es demgemäß nicht erforderlich darzulegen, dass der Kläger nunmehr gleichwertige Arbeiten verrichte, wie dies vollapprobierte Ärzte normalerweise tun. Denn dies sei nicht Voraussetzung für die Anwendung des BAT-O.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsklägerin vom 23.5.2005 (Bl. 73 ff. d. A.) und denjenigen des Klägers und Berufungsbeklagten vom 22.7.2005 (Bl. 103 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist daher zulässig.

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass dem Kläger seit dem 1.10.2004 Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT-O zusteht.

Grundlage der Entscheidung sind die gesamten Ausführungen der Parteien in beiden Instanzen; zwar war die Berufungsbeantwortung des Klägers gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG weit verspätet beim Landesarbeitsgericht eingegangen, jedoch enthielt sie im Wesentlichen nur Rechtsausführungen.

2.1 Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass dieses durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dabei ist anerkannt, dass grundsätzlich ein Feststellungsinteresse für eine Feststellung gegeben ist, mit der geklärt werden soll, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, soweit hiervon die Entscheidung über mehrere Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis abhängt (BAG vom 28.5.1997 - 4 AZR 663/95 - AP Nr. 45 zu § 256 ZPO 1977). Dies ist vorliegend der Fall, weil zwischen den Parteien gerade streitig ist, welches Tarifwerk auf ihr Beschäftigungsverhältnis Anwendung findet. Dieser Streit bestimmt konkret das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien; die Klärung wird auch nicht nur "abstrakt" begehrt, sondern der Kläger zieht aus der von ihm angenommenen Geltung des BAT-O rechtliche Schlüsse, die sich in seinem Eingruppierungsfeststellungsantrag zu Ziff. 2) auch konkret niederschlagen.

Der Antrag zu Ziff. 2) ist - worauf das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht hingewiesen hat - als Eingruppierungsfeststellungsklage - und zwar auch außerhalb des öffentlichen Dienstes - üblich und zulässig (vgl. nur BAG vom 16.4.1997 - 4 AZR 653/95 - NZA 1998, 45).

2.2 Die Klage ist begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden und dass dem Kläger seit dem 1.10.2004 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zu § 22 BAT-O zusteht.

2.2.1 Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass beide Parteien im Grundsatz tarifgebunden an die Regelungen des BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG sind; denn der Kläger ist Mitglied im Marburger Bund und die Beklagte Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Berlin. Damit ergibt sich über den Tarifvertrag über die Fortgeltung des TdL-Tarifrechts für die Angestellten und angestellten rentenversicherungspflichtigen Auszubildenden der NET-GE Kliniken für Berlin die Geltung des BAT-O.

2.2.2 Das Krankenhaus F. der Beklagten unterfällt dem betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages.

2.2.3 Der Kläger unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages; er ist insbesondere nicht (mehr) deswegen aus dem persönlichen Geltungsbereich des BAT-O ausgeschlossen, weil er dem persönlichen Geltungsbereich des Mantel-TV-AiP-O vom 5.3.1991 unterfallen würde. Denn dieser gilt nach seinem § 1 nur für solche Personen, die nach der Bundesärzteordnung i. V. m. der Approbationsordnung die für Ärzte vorgeschriebene Tätigkeit als Arzt im Praktikum ableisten.

Mit Erhalt der Vollapprobation am 1.10.2004 leistete der Kläger aber nicht mehr eine Tätigkeit als Arzt im Praktikum, denn die Tätigkeit als Arzt im Praktikum war gerade dadurch gekennzeichnet, dass eine Vollapprobation nicht vorgelegen hat und dass mithin bereits unter medizinrechtlichen Gesichtspunkten eine Tätigkeit als "Arzt" nicht in Betracht gekommen war. Der Mantel-TV-AiP-O regelte gerade die Rechtsverhältnisse derjenigen Ärzte und Ärztinnen, die sich in der nach der Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung vorgeschriebenen Ausbildungsphase von 18 Monaten befunden haben. Der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages war auf diesen Personenkreis abgestellt. Ist die persönliche Voraussetzung, nämlich die Tätigkeit innerhalb der praktischen Ausbildung als Arzt im Praktikum, aber im Bezugspunkt der Person des Klägers nicht mehr gegeben, so war er vom Geltungsbereich des Mantel-TV-AiP mit dem 1.10.2004 nicht (mehr) erfasst.

Dabei kann es dahinstehen, ob der Mantel-TV-AiP überhaupt noch Bestand hat, ob er nachwirkt, oder ob nur lediglich keine Personen mehr von seinem Geltungsbereich erfasst werden.

Denn das Arbeitsverhältnis des Klägers, das nicht mehr von dem spezielleren Mantel-TV-AiP erfasst wird, unterfällt - nunmehr, nach dem 1.10.2004 - den Regelungen des BAT-O. Denn die Tarifvertragsparteien des BAT-O haben dort für die Tätigkeit des Klägers eine Tarifierung vorgesehen, indem sie seine Tätigkeit in das Vergütungsgruppensystem eingereiht haben.

Denn der Kläger ist als "Arzt" im Sinne der Fallgruppe 4 der Vergütungsgruppe II a der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale eingruppiert und hieraus zu vergüten.

Bei der Verwendung des Begriffes "Arzt" im Rahmen der Anlage 1 a zum BAT sind die Tarifvertragsparteien vom Begriff des Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechts ausgegangen; danach ist Arzt unter anderem derjenige, der nach Maßgabe der Bundesärzteordnung approbierter Arzt ist (BAG vom 20.4.1983 - 4 AZR 375/80 - AP Nr. 71 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Seit dem 1.10.2004, also nach Erhalt der Vollapprobation, ist der Kläger aber ein solcher "Arzt" im Sinne des inländischen Medizinalrechts, er wird demgemäß von den Regelungen der Fallgruppe 4 der Vergütungsgruppe II a der allgemeinen Vergütungsgruppen nach der Anlage 1 a des BAT-O erfasst.

Der Kläger übt auch ärztliche Tätigkeit aus. Allerdings hat der Kläger - trotz entsprechender Rüge der Beklagten in der Berufungsbegründung - es verabsäumt, die Einzelheiten seiner Tätigkeit bei der Beklagten vorzutragen. Dennoch war das Berufungsgericht nicht gehindert, von einer "ärztlichen Tätigkeit" auszugehen. Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig - § 314 ZPO - , dass der Kläger bei der Beklagten (weiterhin) "mit ärztlichen Tätigkeiten" bei der Beklagten beschäftigt wird. Da tarifrechtlich davon auszugehen ist, dass die Tätigkeit eines Arztes regelmäßig als ein "Arbeitsvorgang" anzusehen ist (vgl. hierzu BAG vom 2.12.1987 - 4 AZR 431/87 - AP Nr. 141 zu §§ 22, 23 BAT 1975), kann aus dem Umstand, dass der Kläger ärztliche Tätigkeiten unstreitig ausübt, geschlossen werden, dass seine Tätigkeit insgesamt, also auch unter Berücksichtigung des festzustellenden Arbeitsvorganges, als diejenige eines "Arztes" anzusehen ist, womit er der Fallgruppe 4 der genannten Vorschriften unterfällt.

2.3 Mit dieser Feststellung nimmt das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Beklagen - keine "Schließung einer Tariflücke" vor, die im Hinblick auf die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz gewährleitestete Tarifautonomie unzulässig wäre. Die Kammer hat - lediglich - eine gegebene Tätigkeit eines gegebenen Arbeitnehmers unter die Tätigkeitsmerkmale eines zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tarifvertrages subsumiert. Insofern hat es gerade nicht eine eigenständige Regelung geschaffen, sondern die von den Tarifvertragsparteien geschaffene Regelung seinerseits "angewandt". Soweit sich die Beklagte darauf bezieht, dass es nunmehr, nach Wegfall der AiP-Phase, einen "dritten Medizinertyp", nämlich den "Arzt ohne Absolvierung der AiP-Phase", geben solle, so könnten in der Tat durch die Tarifvertragsparteien für diesen Personenkreis möglicherweise Regelungen getroffen werden, die diesen von dem Personenkreise der "Ärzte" im Sinne der Fallgruppe 4 zu den allgemeinen Vergütungsgruppen zu Vergütungsgruppe II a abgrenzte. Dies ist gegenwärtig jedoch nicht der Fall; es wäre auch denkbar gewesen, dass die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der sich am 1.10.2004 ergebenden neuen Konstellationen bereits vorher Modifikationen im Hinblick auf die Tätigkeit des Arztes im Sinne der Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 4 vereinbart hätten. Auch dies ist nicht geschehen.

Fehlen aber derartige modifizierende Regelungen einerseits und liegt andererseits eine unmittelbare beiderseitige Tarifbindung an die Regelung des BAT-O vor und sieht schließlich dieser Tätigkeitsmerkmale für die in Frage stehende Tätigkeit vor, so ergibt sich die Eingruppierung in das bestehende Tarifsystem.

3. Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

4. Die Revision für die Beklagte war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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