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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 806/06
Rechtsgebiete: TzBfG, ÄArbVtrG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Nr. 6
ÄArbVtrG § 1
Die Befristungsvereinbarung mit einem Arzt zum Zwecke der Weiterbildung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG erfordert eine inhaltlich und zeitlich strukturierte Weiterbildung, eine nur gelegentliche oder beiläufige Förderung der Weiterbildung genügt nicht.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

12 Sa 806/06

Verkündet am 10. 10. 2006

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 12. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 12.09.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. H-U. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Sch. und S.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.01.2006 - Az.: 74 Ca 18753/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristungsvereinbarung.

Die Beklagte betreibt in der Rechtsform der gGmbH ein akademisches Lehr-Krankenhaus. Der Kläger ist ausgebildeter Arzt und begann bei ihr am 19. August 2002 ein bis zum 18. August 2004 befristetes Arbeitsverhältnis als Assistenzarzt. Als Befristungsgrund war § 14 Abs. 2 TzBfG genannt (Arbeitsvertrag Blatt 15 der Akte). Im März 2004 wurde eine Stellenbeschreibung für den Kläger erstellt. Dort ist unter Punkt 3 "Bezeichnung der Stelle bzw. Kurzbeschreibung des Aufgabengebietes" aufgeführt: "Assistenzarzt/-ärztin - AiW Radiologische Diagnostik", unter anderem wird auf persönliche Qualifikationspläne verwiesen (Blatt 17 der Akte).

Am 29. Juli 2004 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag befristet für die Zeit vom 19. August 2004 bis zum 18. August 2005. Als Befristungsgrund wird § 14 Abs. 1 TzBfG genannt sowie "Aneignung spezieller Fähigkeiten und Kenntnisse in der Angiographie" (Blatt 18 der Akte).

Mit seiner am 25. August 2005 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage wendet der Kläger sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf und verlangt vorläufige Weiterbeschäftigung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Januar 2006 der Klage in vollem Umfang stattgegeben und antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 29. Juli 2004 mit dem 18. August 2005 beendet worden ist sowie die Beklagte zur Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss dieses Rechtsstreits verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für den Arbeitsvertrag vom 29. Juli 2004 liege ein sachlicher Grund nicht vor. Soweit sich die Beklagte auf § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG berufe, fehle es an dem Wunsch des Klägers, das Arbeitsverhältnis nur befristet abzuschließen. Allein sein Wunsch, überhaupt einen Arbeitsvertrag zu vereinbaren, reiche für diesen Befristungsgrund nicht aus, vielmehr sei erforderlich, dass sich der Wunsch des Arbeitnehmers gerade auf den nur befristeten Abschluss des Vertrages erstrecke. Die Befristung sei auch nicht nach den Vorschriften über die befristete Beschäftigung von Ärzten in der Weiterbildung gerechtfertigt. Zwar sei hier arbeitsvertraglich die Weiterbildung des Klägers als Befristungsgrund ausdrücklich vereinbart worden. Auch sei nicht erforderlich, dass die Weiterbildung den ausschließlichen Zweck der Beschäftigung darstelle. Jedoch müsse die Befristungsdauer so bestimmt sein, dass die Weiterbildung tatsächlich erfolgen könne. Dies sei mit der Befristungsdauer von nur einem Jahr nicht der Fall, so dass die Befristung unzulässig sei. Mangle es an einem sachlichen Grund für die Befristung, so sei der Kläger nach Treu und Glauben nicht gehindert, sich hierauf zu berufen, denn es sei ihm zuzubilligen, sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gegen die Befristung zur Wehr zu setzen.

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Blatt 56 bis 59 der Akte, verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 13. April 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Mai 2006 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene und am 13. Juni 2006 begründete Berufung der Beklagten. Sie hält die Befristung für wirksam und trägt vor, die Befristung beruhe auf sozialen Gründen. Der Kläger habe im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten für eine sechsköpfige Familie den Wunsch auf nochmalige befristete Beschäftigung geäußert. Dem sei sie aus sozialen Erwägungen nachgekommen, damit dem Kläger Zeit gegeben werde, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Außerdem habe der Kläger den Wunsch geäußert, während dieser Beschäftigung spezielle Kenntnisse in der Angiographie zu erwerben. Hierbei handle es sich um ein spezielles diagnostisches Verfahren und nicht um ein strukturiertes Weiterbildungsziel. Die Weiterbildung habe auch nur eine untergeordnete Rolle in dem befristeten Arbeitsverhältnis gespielt. Da sich die Kenntnisse in der Angiographie innerhalb eines Jahres erwerben ließen, hätten die Parteien die Befristung auf ein Jahr vereinbart. Selbst wenn diese Zeitspanne nicht ausreichend sei, so komme lediglich eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auf die erforderliche Dauer in Frage. Eine Ausbildung zum Facharzt für Radiologie sei bei ihr gar nicht möglich.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Januar 2006 - 74 Ca 18753/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, die Befristung seines Arbeitsverhältnisses richte sich ausschließlich nach den Vorschriften des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG). Er trägt vor, er habe im Rahmen der Beschäftigung die Anerkennung als Facharzt für Radiologie angestrebt. Hierzu hätte er 125 Fälle angewandter Angiographie durchführen müssen, einer speziellen Röntgenuntersuchung, bei der mit Hilfe von Kontrastmitteln Gefäße sichtbar gemacht würden. Er habe jedoch lediglich 12 Untersuchungen durchführen können. Da die Beklagte gegen das "Verbot der Stückelung von befristeten Arbeitsverträgen mit Ärzten in der Weiterbildung" verstoßen habe, sei die Befristung unwirksam. Er meint, die Befristung sei auch aus sozialen Gründen nicht gerechtfertigt. Zum einen habe er mit der Beklagten nie vereinbart, dass die Befristung der Suche nach einer anderen Beschäftigung dienen solle. Zum anderen sei er nicht mit zusätzlichen Aufgaben betraut worden. Der Hinweis auf eine sechsköpfige Familie rechtfertige noch keine Befristung aus sozialen Erwägungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, für die Befristung des zuletzt zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages fehlt es an einem sachlichen Grund.

1.

Der gerichtlichen Befristungskontrolle unterliegt nur der letzte zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 29. Juli 2004, denn bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle ist grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrags auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien bei Abschluss des letzten Vertrags einen entsprechenden Vorbehalt vereinbart haben oder wenn es sich bei dem letzten Vertrag um einen unselbständigen Annex zum vorherigen Vertrag handelt, mit dem das bisherige befristete Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich seines Endzeitpunkts modifiziert werden sollte (vgl. nur BAG vom 13. Oktober 2004, 7 AZR 654/03, AP Nr. 13 zu § 14 TzBfG mit umfangreichen Nachweisen). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, abgesehen davon, dass die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG, auf die der erste Vertrag offensichtlich gestützt wurde, mit der Dauer von zwei Jahren bereits voll ausgeschöpft worden ist.

2.

Für den zuletzt zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag liegt eine sachliche Rechtfertigung nicht vor. Die Befristung ist weder nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG aus sozialen Erwägungen gerechtfertigt noch beruht sie auf einem Wunsch des Klägers. Sie erfüllt auch nicht die Voraussetzungen an eine zulässige Befristung für Ärzte in der Weiterbildung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG.

2.1.

Die Befristung des Arbeitsverhältnisses ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil sie auf dem Wunsch des Klägers beruht hat. Zwar können in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG. Hierzu genügt es aber nicht bereits, dass der Kläger mit einer Befristung einverstanden war, weil er sonst keine Beschäftigung bei der Beklagten mehr erhalten hätte. Von einem Wunsch des Arbeitnehmers als Sachgrund ist nur dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot auf dauerhafte Beschäftigung abgelehnt hätte (vgl. BAG vom 14. Januar 2004, 7 AZR 342/03, AP Nr. 8 zu § 14 TzBfG; vom 5. Juni 2002, 7 AZR 241/01, AP Nr. 13 zu § 1 BeschFG 1996). Das ist hier nicht zu erkennen. Dies hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt. Die Beklagte stellt dies mit ihrer Berufung auch nicht in Abrede.

2.2.

Die Befristung ist auch nicht aus sozialen Erwägungen gerechtfertigt, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG. Die Beklagte kann die Befristung des Arbeitsvertrags nicht darauf stützen, sie habe den Kläger weiterbeschäftigt, um ihm die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz zu ermöglichen. Zwar kann der soziale Überbrückungszweck eines Arbeitsvertrags dessen Befristung sachlich rechtfertigen, beispielsweise, wenn dem Arbeitnehmer im Anschluss an ein auslaufendes befristetes Arbeitsverhältnis oder ein Ausbildungsverhältnis durch eine vorübergehende (erneute) befristete Beschäftigung die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erleichtert werden soll (vgl. BAG vom 5. Juni 2002, 7 AZR 241/01, a. a. O.; vom 7. Juli 1999, 7 AZR 232/98, AP Nr. 211 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, jew. m. w. Nw.; § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG). Soziale Beweggründe kommen als Sachgrund aber nur in Betracht, wenn es ohne den sozialen Überbrückungszweck überhaupt nicht zur Begründung des Arbeitsverhältnisses, auch keines befristeten Arbeitsverhältnisses, gekommen wäre. Das hat der Arbeitgeber anhand konkreter Tatsachen vorzutragen. Sie müssen darauf schließen lassen, dass die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers für den Abschluss des Arbeitsvertrags nicht ausschlaggebend waren (BAG vom 5. Juni 2002, 7 AZR 241/01; vom 7. Juli 1999, 7 AZR 232/98, jew. a. a. O. m. w. Nw.). Solche Tatsachen hat die Beklagte nicht vorgetragen, vielmehr fehlt hierzu jeglicher Vortrag. Sie hat sich auf die unter Beweisantritt gestellte Behauptung beschränkt, ohne die sozialen Erwägungen sei es zum Abschluss des Arbeitsvertrages nicht gekommen. Konkrete Tatsachen hierzu fehlen, so dass auch der angebotene Beweis nicht zu erheben war. So hat die Beklagte nicht dargelegt, mit welchen Aufgaben der Kläger betraut war und wie diese Aufgaben erfüllt worden wären, hätte sie den Kläger nicht erneut befristet beschäftigt. Schließlich war der Kläger auch in den vorangegangenen zwei Jahren ohne Unterbrechung mit Aufgaben eines Assistenzarztes voll beschäftigt. Ebenso unklar ist, ob die für den Kläger im März 2004 erstellte Stellenbeschreibung auch für den Anschlussarbeitsvertrag noch Gültigkeit hatte. Der Arbeitsvertrag enthält für diesen Befristungsgrund keine Hinweise. Dort wird lediglich auf § 14 Abs. 1 TzBfG und die Aneignung der speziellen Fähigkeiten und Kenntnisse in der Angiographie verwiesen.

2.3.

Schließlich lässt sich die Befristung auch nicht mit dem Erwerb zusätzlicher Qualifikationen gemäß § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG rechtfertigen. Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der Arbeitsvertrag als Befristungsgrund auch auf § 14 Abs. 1 TzBfG verweist, er im Anschluss an einen sachgrundlosen befristeten Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG geschlossen wurde und das Weiterbildungsziel nicht in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden kann. Vielmehr scheitert die Befristung daran, dass die Beschäftigung keine inhaltlich und zeitlich strukturierte Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG zum Inhalt hatte.

2.3.1.

Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung erfolgte die Beschäftigung jedenfalls auch zur "Aneignung spezieller Fähigkeiten und Kenntnisse in der Angiographie". Selbst wenn die Stellenbeschreibung vom März 2004, in der als Aufgabengebiet ausdrücklich "AiW radiologische Diagnostik" genannt ist, für das neue Vertragsverhältnis keine Geltung mehr gehabt haben sollte, so ist der Zweck der Weiterbildung im Arbeitsvertrag doch ausdrücklich genannt. Dass der Vertrag daneben noch auf den Befristungsgrund in § 14 Abs. 1 TzBfG verweist, schadet nicht. § 1 ÄArbVtrG regelt, wann ein sachlicher Grund für die befristete Beschäftigung von Ärzten vorliegt, sperrt aber nicht die ergänzende Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG, soweit es dabei nicht um ärztliche Weiterbildung geht (vgl. KR-Lipke, 7. Aufl. 2004, ÄArbVtrG, Rdn. 8 m. w. Nw.). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Sachgrundes vor, so ist nach § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG entgegenstehendes Recht ausgeschlossen, liegen sie nicht vor, so kann die Befristung aus sonstigen Gründen gerechtfertigt sein (vgl. LAG Köln vom 2. November 2000, 5 Sa 770/00, LAGE Nr. 30a zu § 1 BeschFG 1996; KR-Lipke, a. a. O. Rz. 9, jew. m. w. Nw.). Schließlich sollten durch die Vorschriften im Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung die Möglichkeiten zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge allein beim Vorliegen eines Weiterbildungszwecks erweitert werden und neben § 14 Abs. 1 TzBfG einen weiteren Sachgrund schaffen (LAG Köln vom 2. November 2000, 5 Sa 770/00, a. a. O.; Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2006, ÄArbVtrG Rz. 1).

2.3.2.

Die Befristung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG ist auch entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb unzulässig, weil die vereinbarte zeitliche Dauer zur Erlangung der genannten Fähigkeiten und Kenntnisse nicht ausreicht oder die Befristung gegen ein "Verbot der Stückelung von befristeten Arbeitsverträgen mit Ärzten in der Weiterbildung" verstößt.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 4 ÄArbVtrG kann die Weiterbildung im Rahmen mehrerer befristeter Arbeitsverträge erfolgen, lediglich mehrere Befristungen für denselben Weiterbildungszweck sollen unzulässig sein (vgl. KR-Lipke, a. a. O. Rz. 11a; Müller-Glöge, a. a. O. Rz. 5, jew. m. w. Nw.). Der erste, am 22. Juli 2002 von den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag war nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristet. Erst im März 2004 wurde für den Kläger eine Stellenbeschreibung verfasst, die die Angabe "AiW - radiologische Diagnostik" enthielt. Ob und in welchem Umfang der Arbeitsvertrag bereits vor März 2004 diese Weiterbildung zum Inhalt hatte, ist von den Parteien nicht vorgetragen worden. Der ausdrückliche Hinweis auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG spricht vielmehr gegen einen solchen Weiterbildungszweck. Es ist auch nicht erkennbar, dass das im zweiten, am 29. Juli 2004 geschlossenen Arbeitsvertrag genannte Weiterbildungsziel der "Aneignung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten in der Angiographie" die Fortsetzung einer bereits vom vorigen Vertrag erfassten Weiterbildung sein sollte.

Im Übrigen verbietet § 1 Abs. 2 ÄArbVtrG lediglich die Zweckbefristung: die Dauer der Befristung muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Ein Verstoß hiergegen führt zur Unwirksamkeit der Befristung (BAG vom 14. August 2002, 7 AZR 266/01, AP Nr. 1 zu § 1 ÄArbVtrG). Eine solche Zweckbefristung haben die Parteien hier aber nicht vereinbart, das Beendigungsdatum ist im Arbeitsvertrag ausdrücklich bezeichnet. Eine zu kurze Dauer der Befristung oder ein Verstoß gegen die in § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG genannte Befristungsdauer führt nicht zur Unwirksamkeit der Befristungsabsprache. Das ÄArbVtrG hat - anders als die übrigen Befristungsregelungen - nicht den allgemeinen Bestandsschutz zum Zweck, sondern will den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung erleichtern und das Erreichen des Weiterbildungsabschlusses gewährleisten (vgl. Müller-Glöge, a. a. O., Rz. 1; KR-Lipke, a. a. O., Rz. 23 m. w. Nw.). Eine unzureichend bemessene Dauer der Befristung führt deshalb nicht zur Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, vielmehr richtet sich die rechtswirksame Befristungsdauer nach der zum Erreichen des Weiterbildungsziels erforderlichen Zeitspanne (KR-Lipke, a. a. O. Rz. 23; Müller-Glöge, a. a. O., Rz.13).

2.3.3.

Erforderlich für eine nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG wirksame Befristung ist jedoch, dass es sich um eine Befristung zur Weiterbildung handelt, das heißt, dass die Beschäftigung eine inhaltlich und zeitlich strukturierte Weiterbildung zum Inhalt haben muss. Hieran fehlt es vorliegend. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der "Aneignung spezieller Fähigkeiten und Kenntnisse in der Angiographie" um den Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt, den Erwerb einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG handelt oder ob der Vertrag zur Anerkennung des Klägers als Facharzt für Radiologie führen sollte. Denn eine inhaltlich und zeitlich strukturierte Weiterbildung hat offensichtlich nicht stattgefunden. Dabei ist unerheblich, ob die Beschäftigung des Klägers der genannten Weiterbildung förderlich war. Dies ist nach nunmehr geltendem Recht nicht ausreichend.

Bislang entsprach es der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass eine stillschweigende Aufnahme des Weiterbildungszwecks in den Vertragswillen ausreicht, wobei es genügen sollte, dass die Beschäftigung des Arztes den Weiterbildungszweck fördert (vgl. BAG vom 24. April 1996, 7 AZR 428/95, AP Nr. 10 zu § 57b HRG; LAG Köln vom 2. November 2000, 5 Sa 770/00; a. a. O.; vgl. a. KR-Lipke, a. a. O. Rz. 11 m. w. Nw.). Hiervon ist offensichtlich auch das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen. Sie entsprach dem Gesetz in der bis zum 19. Dezember 1997 geltenden Fassung, wonach ein Sachgrund vorlag, "wenn die Beschäftigung des Arztes seiner Weiterbildung zum Gebietsarzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für ein Teilgebiet oder dem Erwerb einer Zuatzbezeichnung dient".

Nach der ab dem 20. Dezember 1997 geltenden Fassung liegt ein die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem Arzt rechtfertigender sachlicher Grund nur vor, "wenn die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt oder dem Erwerb einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung dient". Mit dieser Verschärfung der Befristungsvoraussetzungen ist eine gelegentliche oder nur beiläufige Förderung der Weiterbildung während der befristeten Beschäftigung nicht mehr erlaubt. Vielmehr muss die Weiterbildung den wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses ausmachen und zeitlich und inhaltlich strukturiert sein (vgl. KR-Lipke, a. a. O. Rz. 11a m. w. Nw.; Müller-Glöge a. a. O. Rz. 5).

Mit dem am 29. Juli 2004 abgeschlossenen Arbeitsvertrag haben die Parteien ausweislich der schriftlichen Vereinbarung den Weiterbildungszweck zum Vertragsinhalt gemacht. Tatsächlich hat aber eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung nicht stattgefunden. Zwar verweist die im März 2004 für den Kläger erstellte Stellenbeschreibung auf persönliche Qualifikationspläne und beschreibt die Stelle als "AiW". Keine der Parteien hat jedoch vorgetragen, dass es solche Qualifikationspläne gab. Obwohl sich der Kläger selbst darauf beruft, es habe sich um eine Beschäftigung zur ärztlichen Weiterbildung gemäß § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG gehandelt, hat die Beklagte vorgetragen, der Arbeitsvertrag habe nur "in nebengeordneter Linie" der Weiterbildung gedient, der Kläger sei aus sozialen Erwägungen erneut beschäftigt worden, wobei diese Tätigkeit dem Erwerb einer Zusatzqualifikation dienlich gewesen sei, ein strukturiertes Weiterbildungsziel sei jedoch nicht verfolgt worden. Auch nach den Erörterungen in der mündlichen Berufungsverhandlung konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger inhaltlich und zeitlich strukturiert weitergebildet worden ist. Damit scheidet eine sachliche Rechtfertigung der Befristung auch nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG aus.

3.

Weitere Sachgründe für die Befristung sind nicht erkennbar, so dass sich die Befristungsvereinbarung vom 29. Juli 2004 als unzulässig erweist. Der Kläger ist nicht gehindert, dies geltend zu machen. Bei vertraglichen Befristungsabreden ist es regelmäßig erlaubt, sie auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen, Vertragsschluss und Klage sind nicht widersprüchlich im Sinne eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB, was bereits aus der gesetzlichen Regelung in § 17 TzBfG folgt (vgl. BAG vom 16. März 2005, 7 AZR 289/04, AP Nr. 16 zu § 14 TzBfG; vom 1. Dezember 2004, 7 AZR 198/04, AP Nr. 15 zu § 14 TzBfG m. w. Nw.).

4.

Aufgrund der unzulässigen Befristungsvereinbarung steht der Kläger in einem unbefristeten Vertragsverhältnis zur Beklagten. Er hat Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Beklagte und Berufungsklägerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Anforderungen an den Inhalt von Verträgen mit Ärzten in der Weiterbildung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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