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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 19.12.2003
Aktenzeichen: 13 Sa 1481/03
Rechtsgebiete: TVG, BAT


Vorschriften:

TVG § 4
BAT § 59 Abs. 1
BAT § 59 Abs. 3
§ 59 Abs. 1 i.V. m. Abs. 3 BAT umgeht nach der Neufassung des § 59 Abs.3 BAT das KSchG nicht (mehr).
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

13 Sa 1481/03

Verkündet am 19. Dez. 2003

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Fenski als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Bräuer und Herrn Niederberger

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Juni 2003 - 91 Ca 6613/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine auflösende Bedingung in einem Tarifvertrag (§ 59 Abs. 1 Satz 1 BAT).

Die am .....1946 geborene Klägerin war seit dem 1. Mai 1971 gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.351,94 € als Lehrerin bei dem beklagten Land beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung (vgl. dazu den Arbeitsvertrag in Kopie Bl. 16 d.A.).

Nach längerer Krankheit beantragte die Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilnahme am Arbeitsleben unter dem Datum des 29. Mai 2001. Mit Bescheid vom 11. Februar 2003, der ihr am 18. Februar 2003 zuging, erhielt die Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung rückwirkend ab 1. Mai 2001 unter Hinweis darauf, dass ihr Antrag gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag galt.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2003, welcher ihr am 28. Februar 2003 zuging, wies das beklagte Land darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am 28. Februar 2003 gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT ende. Unmittelbar nach Erhalt des Schreibens wandte sich die Klägerin telefonisch an den Absender des Schreibens in Person ihres Sachbearbeiters, des Herrn K.. Sie teilte diesem mit, dass der Bescheid sich allein auf eine Erwerbsminderung beziehe, sie wolle und könne aber weiterhin für das beklagte Land arbeiten.

Mit Klageschrift vom 7. März 2003, die dem beklagten Land am 27. März 2003 zugestellt worden ist, hat sich die Klägerin gegen das Schreiben vom 26. Februar 2003 gewandt, welches sie zunächst für eine Kündigung gehalten hat.

Sie sei in der Lage, weiterhin regelmäßig mehr als 6 Stunden täglich unter bestimmten Bedingungen ("ohne hohen Leistungsdruck in einer kleiner gruppierten Klasse möglichst in einer reinen Mädchenklasse......" ,vgl. den ärztlichen Entlassungsbericht Bl. 22 d.A.) zu arbeiten. § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT sei wegen Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes dahingehend auszulegen, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eintrete, wenn eine Beschäftigung, wenn auch zu geänderten Bedingungen, noch möglich sei. Die zwei Wochen-Frist zur Geltendmachung einer anderen Beschäftigung des § 59 Abs. 3 BAT sei wegen Verletzung des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere der Klagefrist des § 4 KSchG, unwirksam.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 28. Februar 2002 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT hingewiesen und die neue Fassung des § 59 Abs. 3 BAT.

Mit Urteil vom 20. Juni 2003 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf den Wortlaut des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT und wegen der behaupteten Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes auf die Neufassung des § 59 Abs. 3 BAT verwiesen, mit dem die Tarifpartner den Bedenken des Bundesarbeitsgerichts zur früheren Regelung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit nicht vorsah, Rechnung getragen hätten. Die Klägerin hätte nicht binnen der Zwei-Wochen-Frist schriftlich ihre Weiterbeschäftigung verlangt.

Ob die Tarifvertragsparteien mit der Regelung einer Ausschlussfrist von zwei Wochen die Klagefrist des § 4 KSchG unzulässig abgekürzt hätten, könne dahinstehen, da die Klägerin die Weiterbeschäftigung auch nicht innerhalb von drei Wochen geltend gemacht hätte.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Parteivortrags erster Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil Bl. 30-34 d.A. verwiesen.

Gegen dieses ihr am 11. Juli 2003 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 22. Juli 2003 eingegangene und am 11. September 2003 begründete Berufung der Klägerin.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag erster Instanz und hält die Entscheidung der ersten Instanz aus Rechtsgründen für unrichtig. Die Ausschlussfrist des § 59 Abs. 3 BAT sei zu kurz bemessen, die dort geregelte Schriftform nicht konstitutiv. Die Klägerin hätte auf Frist und Form des § 59 Abs. 3 BAT hingewiesen werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.6.2003 - 91 Ca 6613/03 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 28.2.2002 hinaus fortbesteht.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass nach der Neufassung des § 59 Abs. 3 BAT ab 1. Januar 2002 in § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT ein unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie der Parteien nicht mehr erblickt werden könne. § 59 Abs. 3 BAT eröffne dem Angestellten die Möglichkeit, durch rechtzeitige Stellung eines Antrags auf Weiterbeschäftigung den Eintritt der das Arbeitsverhältnis auflösende Bedingung zu verhindern. Es verhalte sich gerade nicht so, dass allein der Eintritt des auflösenden Ereignisses ungeachtet vorhandener Beschäftigungsmöglichkeiten das Arbeitsverhältnis beenden könnte. Vielmehr sei der Eintritt der auflösenden Bedingung selbst an eine Bedingung geknüpft, nämlich das Nichtstellen bzw. nicht form- und fristgerechte Stellen eines Weiterbeschäftigungsantrages durch den Arbeitnehmer.

Die Frist von zwei Wochen sowie die Formulierung eines Schriftformerfordernisses für die Stellung des Weiterbeschäftigungsantrages sei im Interesse der Rechtsicherheit geboten. Warum das Frist- oder das Formerfordernis oder die - absolut übliche und auch dem Gesetzesrecht nicht fremde - Verknüpfung von Form- und Fristerfordernis für die Stellung des Weiterbeschäftigungsantrages rechtswidrig sein solle, lege die Klägerin nicht dar und sei auch aus Sicht des beklagten Landes nicht nachvollziehbar.

Wegen des Weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 11. September 2003 (Bl. 43 ff d.A.) und 15. Dezember 2003 (Bl. 95 ff d. A.) sowie des beklagten Landes vom 20. Oktober 2003 (Bl. 76 ff d.A.) und 3. Dezember 2003 (Bl. 86 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT, der kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme Anwendung findet, zum 28. Februar 2003 beendet worden. An der Wirksamkeit des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT bestehen keine Bedenken in Hinblick auf höherrangiges Recht. Diesen Bedenken ist durch die Neufassung des § 59 Abs. 3 BAT durch die Tarifvertragsparteien Rechnung getragen worden. Die dort normierten Frist- und Formvorschriften begegnen kein Bedenken. Sie sind von der Klägerin jedoch nicht eingehalten worden.

1.

Wie die gebotene Auslegung des Klageantrages der Klägerin ergibt (vgl. zur Auslegung eines allgemeinen Feststellungsantrages wie dem vorliegenden nur BAG 19.9.2001 EZA § 1 BeschFG 1985 Klagefrist Nr.7, zu I der Gründe) begehrt die Klägerin mit dem Klageantrag die in § 17 TzBfG in Verbindung mit § 20 TzBfG vorgesehene Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die auflösende Bedingung der Zustellung des Rentenbescheides vom 11.Februar 2003 beendet worden ist. Unabhängig davon, ob die dreiwöchige Klagefrist dafür ab Zustellung des Bescheides am 18. Februar 2003 oder ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab 28. Februar 2003 läuft, hat die Klägerin diese Klagefrist mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 7. März 2003 eingegangenen Klage gemäß § 270 Abs. 3 ZPO eingehalten.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT geendet, die Ausnahmevorschrift des § 59 Abs. 3 BAT ist tatbestandlich nicht erfüllt, da die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung nicht schriftlich innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheides am 18. Februar 2003 beantragt hat.

a) § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT und § 59 Abs. 3 BAT lauten:

" (1) wird durch den Bescheid des Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte erwerbsgemindert ist, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, sofern der Angestellte eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch den Arbeitgeber oder durch eine Versorgungseinrichtung erhält, zu der der Arbeitgeber Mittel beigesteuert hat. Der Angestellte hat den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheides unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst nach der Zustellung des Rentenbescheides, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten von dem Tage an, der auf den nach Satz 1 oder 3 maßgebenden Zeitpunkt folgt, bis zum Ablauf des Tages, bis zu dem die befristete Rente bewilligt ist, längstens jedoch bis zum Ablauf des Tages, an dem das Arbeitsverhältnis endet........

(3) Das Arbeitsverhältnis endet bzw. ruht nicht, wenn der Angestellte, der nur teilweise erwerbsgemindert ist, nach seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegen stehen, und der Angestellte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheides seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt."

b) Der Tatbestand des § 59 Abs.1 Satz 1 BAT ist vorliegend erfüllt: Durch den Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 11. Februar 2003 ist festgestellt worden, dass die Klägerin (teilweise) erwerbsgemindert ist. Die Klägerin erhält außerdem mit der Zusatzversorgung der VBL eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch eine Versorgungseinrichtung, zu der das beklagte Land Mittel beigesteuert hat. "Erhalten" im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT bedeutet dabei "einen Anspruch haben" (vgl. zutreffend Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, BAT, Loseblattkommentar, Stand Januar 2002, § 59 Erl. 7).

c) Die Ausnahme des § 59 Abs. 3 BAT greift bereits deshalb nicht ein, weil die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung nicht schriftlich innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheides beantragt hat. Da ihr der Bescheid am 18. Februar 2003 zugestellt worden ist, hätte sie die Weiterbeschäftigung bis einschließlich 4. März 2003 beantragen müssen. Zwar hat sie dies telefonisch noch am 28. Februar 2003 getan, nicht jedoch schriftlich. Die Klage hingegen, die die Schriftform wahrte, stammt vom 7. März 2003, wäre also selbst dann zu spät erhoben, wenn man (unzutreffenderweise) auf die Anhängigkeit und nicht auf die Rechtshängigkeit der Klageschrift abstellte.

3.

§ 59 Abs. 1 Satz 1 BAT verstößt durch die Neuregelung der Ausnahmevorschrift des § 59 Abs. 3 BAT nicht (mehr) gegen höherrangiges Recht. Dabei ist die zwei Wochen-Frist im Rahmen des § 59 Abs. 3 BAT ebenso wenig zu beanstanden wie die Schriftform. Endlich bestand keine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf das Schriftformerfordernis des § 59 Abs. 3 BAT.

a) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BAG 6.12.2000 NZA 2001, 792 ff m.w.N. aus der Rechtsprechung zu § 59 BAT und § 25 II Abs. 1 TVArb) sind tarifliche Regelungen über auflösende Bedingungen grundsätzlich möglich. Sie dürfen aber nicht zu einer objektiven Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Normen führen. Sofern zwingendes Kündigungsschutzrecht objektiv umgangen wird, bedürfen auflösende Bedingungen eines sie rechtfertigenden Sachgrundes, womit sie auch mit der grundrechtlichen Gewährleistung des Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar sind. Sinn und Zweck der Tarifvorschrift sowie verfassungsrechtliche Gesichtspunkte gebieten allerdings insoweit eine einschränkende Auslegung, als eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich dann nicht eintritt, wenn der Arbeitnehmer noch auf seinem oder einem anderen, ihn nach seinem Leistungsvermögen zumutbaren freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Dies setzt jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer durch seinen Rentenantrag eine Voraussetzung für den Eintritt der auflösenden Bedingung selbst geschaffen hat, voraus, dass er vor der tarifvertraglich vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber gegenüber sein Verlangen nach einer derartigen Weiterbeschäftigung zum Ausdruck gebracht hat. In aller Regel darf der Arbeitgeber nämlich davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer, der einen Rentenantrag wegen verminderter gesundheitlicher Leistungsfähigkeit stellt und dessen Arbeitsverhältnis nach Bewilligung der Rente nach einer entsprechenden Tarifbestimmung endet, kein Interesse an seiner Weiterbeschäftigung hat. Der Arbeitgeber muss daher in einem solchen Fall nicht von sich aus prüfen, ob und welche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Dies gilt umso mehr, als ihm häufig das gesundheitliche Leistungsvermögen des erwerbsgeminderten Arbeitnehmers nicht näher bekannt ist. Es ist somit eine den Arbeitnehmer in seinem eigenen Interesse treffende Obliegenheit, den Arbeitgeber beizeiten zu informieren, wenn er trotz Erfolgs seines Rentenantrags meint, weiterbeschäftigt werden zu können (vgl. dazu nur BAG 6.12.2000, a.a.O., zu B II 3 der Gründe, S. 494).

Dieser einschränkenden Auslegung der Rechtsprechung zur früheren Fassung des § 59 BAT dient die Neufassung des § 59 Abs. 3 BAT, der genau diesen Bedenken der Rechtsprechung Rechnung getragen hat (so auch Böhm/Spietz/Sponer/Steinherr, BAT, Loseblattkommentar, Stand 2002, § 59 Rz. 102; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Loseblattkommentar, Stand 2002, § 59 Erl. 4; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, a.a.O., § 59 Erl. 2).

Dabei geht § 59 Abs. 3 BAT mit der Zwei-Wochen-Frist ab Zugang des Rentenbescheides sogar weiter als die Rechtsprechung, die forderte, dass der Arbeitnehmer vor der tariflich vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber gegenüber sein Verlangen nach einer Weiterbeschäftigung zum Ausdruck bringen musste (vgl. BAG 6.12.2000, a.a.O., 797, 794; BAG 9.8.2000 ZTR 2001, 270 ff, zu A II 2 c aa) der Gründe).

b) Die kurze Zwei-Wochen-Frist begegnet keinen Bedenken. Wie oben ausgeführt, verlangte das BAG sogar einen Antrag bis zum tariflichen Vertragsende, dies wäre vorliegend der 28. Februar 2003 gewesen. Nach der Zwei-Wochen-Frist des § 59 Abs. 3 BAT blieb der Klägerin Zeit bis zum 4. März 2003. Die Rechtsprechung verlangte vor der Neufassung des § 59 Abs. 3 BAT einen Weiterbeschäftigungsantrag, der "beizeiten" (vgl. BAG 6.12.2000, a.a.O., S. 494, zu B II 3 der Gründe) gestellt werden sollte. Da der Weiterbeschäftigungsantrag eine dem Arbeitnehmer in seinem eigenen Interesse treffende Obliegenheit ist (so BAG, a.a.O.), ist auch die Kürze der Frist gerechtfertigt. Gerade in dem vorliegenden Fall vergleichbaren Situationen, in denen dem Arbeitnehmer ausnahmsweise noch die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung wegen eines in seiner Sphäre liegenden Grundes eingeräumt wird, obwohl nach dem Regelfall sein Arbeitsverhältnis sonst beendet wäre, knüpft das Gesetz die Ausnahme an eine Zwei-Wochen-Frist. So darf die schwangere Arbeitnehmerin gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuschG noch bis zu zwei Wochen nach der Kündigung durch den Arbeitgeber diesen auf ihre bis dahin nicht offenbarte Schwangerschaft hinweisen mit der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG muss der Arbeitnehmer die nachträgliche Klagezulassung einer nach § 4 KSchG bereits verspäteten Kündigungsschutzklage innerhalb von zwei Wochen erheben. Gleiches gilt für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 234 Abs. 1 ZPO im Prozessrecht.

Hinzu kommt, dass in allen genannten Fällen die Initiative für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einem anderen als dem Arbeitnehmer ausgegangen ist. Vorliegend hat die Klägerin aber selbst den Antrag gestellt, der zu ihrer Berentung führte. Umso mehr ist auch im vorliegenden Fall die Kürze der Frist gerechtfertigt.

c) Auch das Schriftformerfordernis, das der Beweissicherung dient, ist nichts Ungewöhnliches. Es muss gerade Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, die schon solange wie die Klägerin bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes beschäftigt war, bekannt sein. Denn die Wahrung der Ausschlussfristen nach § 70 BAT knüpft ebenfalls an die Schriftform. Diese ist konstitutiv (vgl. BAG 12.2.1981 AP Nr. 1 zu § 5 BAT). Gleiches gilt für die vorliegende Schriftform.

d) aa) Endlich war das beklagte Land auch nicht verpflichtet, die Klägerin auf die Einhaltung der Schriftform hinzuweisen. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis umfasst nicht die Verpflichtung, den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall seiner Ansprüche durch eine tarifliche Ausschlussfrist hinzuweisen. Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes ist es Sache des Arbeitnehmers, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, in welchen Formen und Fristen er seine Ansprüche geltend zu machen hat (vgl. nur BAG 22.1.1997 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 125, zu II 2 b der Gründe m.w.N.).

bb) Auch dem Nachweisgesetz ist vorliegend Genüge getan. Denn der Arbeitsvertrag verweist auf den BAT und damit auch auf die Regelung des § 59 Abs. 3 BAT. Dies ist ausreichend (so für die Ausschlussfristen auch BAG 23.1.2002 EzA § 2 Nachweisgesetz Nr. 3; BAG 17.4.2002 EzA a.a.O. Nr. 5; vgl. auch BAG 24.10.2002 DB 2003, 2656 f.).

cc) Daran ändert auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. März 2003 - 2 AZR 50/02 - nichts. Zum Einen ist die Entscheidung nach Auffassung der Kammer nicht übertragbar auf die vorliegende Situation, da im Gegensatz zum dortigen Fall das beklagte Land nicht von sich aus die Initiative ergriffen hat, um ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Vielmehr hat das beklagte Land lediglich die im gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung zur Anwendung kommenden Tarifvertrag normierten Rechtsfolgen umgesetzt, deren Voraussetzungen die Klägerin durch Stellung des Rentenantrages allein herbeigeführt hat. Aus diesem Grunde greifen auch die vom 2. Senat in der vorgenannten Entscheidung angestellten Überlegungen, wonach die einschlägige (arbeitnehmerschützende) Norm ohne einen vorherigen Hinweis des Arbeitgebers "stets zu spät käme und ins Leere liefe" ebenso wenig wie die dortigen Ausführungen, dass der öffentliche Arbeitgeber die Vorschriften nicht in einer Weise handhaben dürfe, dass der Arbeitnehmer faktisch keine Möglichkeit habe, seine Rechte auszuüben. Weder kann im vorliegenden Fall von einem vollständigen Leerlauf der Antragsmöglichkeit des § 59 Abs. 3 BAT bei nicht erfolgtem Hinweis des Arbeitgebers auf das Schriftformerfordernis die Rede sein noch hat das beklagte Land eine Tarifvorschrift derart gehandhabt, dass die Arbeitnehmerin keine Möglichkeit gehabt hätte, ihr Antragsrecht auszuüben, worauf das beklagte Land in seinem letzten Schriftsatz zutreffend hingewiesen hat.

Zum anderen konkretisiert § 241 Abs. 2 BGB n.F. nur die Fürsorgepflicht nach altem Recht. Eine gegenüber dem alten Rechtszustand bestehende Neuerung in der Form einer verstärkten oder einer über die Spezialnorm des § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz hinausgehenden Hinweispflicht kann die Berufungskammer nicht erkennen.

III.

Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

IV.

Die Revision war für die Klägerin wegen der grundsätzlichen Bedeutung nach der Neufassung des § 59 Abs. 3 BAT zuzulassen.

Hinweis der Geschäftsstelle

Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7facher Ausfertigung bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.

Ende der Entscheidung

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