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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 2210/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
Der Annahmeverzug kann auch im Arbeitsrecht nicht Gegenstand einer isolierten Feststellungsklage sein (im Anschluss an BGH 31.05.2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663 f.)
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

13 Sa 2210/04

Verkündet am 20.01.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Fenski als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Bräuer und Herrn Dykczak

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. September 2004 - 96 Ca 32360/03 - wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Annahmeverzugsansprüche des Klägers nach einer vorausgegangenen erfolglosen fristlosen Kündigung seitens der Beklagten sowie um Urlaubsansprüche des Klägers.

Der Kläger ist seit 1989 bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeintlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) sowie der Zusatztarifvertrag BVG Nr. 1 Anwendung.

§ 46 Abs. 1 BMT-G II lautet auszugsweise:

"(1) Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen, wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjahres für dieses Urlaubsjahr festgelegter Urlaub auf Veranlassung des Arbeitgebers in die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubsjahres verlegt worden und konnte er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis zum 30. September anzutreten. ..."

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis unter dem 15.6.2001 fristlos. Nach der Behauptung des Klägers war er vom 17.5. bis zum 16.12.2001 arbeitsunfähig krank (Schriftsatz vom 6.1.2005, Seite 3, Bl. 306 d. A.), nach der Behauptung der Beklagten vom 18.5.2001 bis zum 7.2.2002 (Schriftsatz vom 30.11.2004, Seite 4, Bl. 294 d. A.). Die gegen die Kündigung rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Erstmals mit Schreiben vom 30.6.2003 machte der Kläger seine Urlaubsansprüche ab 2001 geltend. Nach Rechtskraft des Urteils nahm der Kläger am 7.7.2003 seine Arbeit wieder auf. Ab 14.7.2003 war er wieder im Besitz des Führerscheins zur Fahrzeugbeförderung (FzF-Schein).

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 9.12.2003 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst konkret bezifferte Annahmeverzugsansprüche ab 15. 6. 2001 sowie die Gewährung von Urlaubstagen verlangt.

Nach einem Teilvergleich hat der Kläger zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte sich für den Zeitraum 8.2.2002 bis 13.7.2003 im Annahmeverzug befunden hat;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für das Jahr 2001 18 Urlaubstage und für das Jahr 2002 34 Urlaubstage zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und darauf verwiesen, dass der Urlaub für die Jahre 2001 und 2002 verfallen sei und ein Annahmeverzug nicht bestehe, weil der Kläger erst ab 14.7.2003 wieder im Besitz des FzF-Scheins gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 9. 9. 2004 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Annahmeverzugsfeststellungsklage zulässig sei, da es sich bei der Beklagten um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handele, die bei rechtskräftiger Feststellung des Annahmeverzuges die entsprechende Annahmeverzugsvergütung an den Kläger auszahlen werde. Die Feststellungsklage sei auch begründet, da nicht der Kläger, sondern die Beklagte sich um die Verlängerung des FzF-Scheins habe kümmern müssen.

Die Leistungsklage auf Urlaubsgewährung sei begründet, da der Kläger während des Annahmeverzugszeitraums so gestellt werden müsse, wie er stehen würde, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch die unwirksame Kündigung unterbrochen gewesen wäre. Da in diesem Fall der Kläger den Urlaub ohne sein Dazutun gewährt bekommen hätte, habe es auch während des Annahmeverzugszeitraumes keiner Geltendmachung bedurft, also keinem Dazutun des Klägers. Nur dann, wenn auch im normal laufenden Arbeitsverhältnis ein Arbeitnehmer seinen Urlaub geltend machen müsse, um diesen zu erhalten, müsse er dieses auch in einem eventuellen Annahmeverzugszeitraum tun.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das Urteil Blatt 275 - 281 d. A. verwiesen.

Gegen dieses hier am 30.9.2004 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 21.10.2004 eingegangene und am 30.11.2004 begründete Berufung der Beklagten. Sie hält das Urteil aus Rechtsgründen für falsch, da der Urlaub des Klägers für 2001 und 2002 verfallen sei und die Annahmeverzugsansprüche wegen des nicht vorhandenen FzF-Scheins bis zum 14.7.2003 nicht bestanden hätten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zum Az.: 96 Ca 32360/03 vom 9.9.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die einschlägige BGH-Rechtsprechung zur unzulässigen Feststellung von Annahmeverzugsansprüchen hingewiesen, ohne dass der Kläger seine Anträge geändert hätte (vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2005, Bl. 316 d. A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig, die Leistungsklage auf Gewährung von Urlaub zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

a)

Wie das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2005 erläutert hat, kann nach § 256 Abs. 1 ZPO Gegenstand einer Feststellungsklage - abgesehen von der hier nicht in Betracht kommenden Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sein. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zur anderen Person oder einer Person zu einer Sache zu verstehen. Der Annahmeverzug ist aber lediglich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich eine Vorfrage für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Er ist selbst kein Rechtsverhältnis, das § 256 ZPO festgestellt werden könnte, so dass - abgesehen von der hier nicht vorliegenden beabsichtigten Verurteilung zu einer Zug- um- Zug-Leistung - eine entsprechende Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BGH 31.5.2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663 f.; BGH 19.4.2000 - XII ZR 332/97 -; KG 1.10.2001 - 8 U 3861/00 -; OLG Sachsen-Anhalt 27.11.2001 - 9 U 186/01; OLG Koblenz 16. 5. 2002 - 5 U 1982/99 -; OLG Dresden 18.6. 2002 - 5 U 260/02 -; vgl. auch Timme NJW 2001, 271 ff.).

b)

Darüber hinaus fordert der Kläger die Feststellung für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit, nämlich für den Zeitraum vom 8.2.2002 bis zum 13.7.2003. Eine solche vergangenheitsbezogene Feststellung ist jedoch unzulässig, da sich aus der Feststellung Folgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben müssen (vgl. nur BAG 20.7.1994, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 26; BAG 23.4.1997 NZA 1997, 1246; BAG 5.6.2003 EZA § 256 ZPO 2002 Nr. 2, zu 1 a) der Gründe mit weiteren Nachweisen.).

c)

aa)

Für eine Feststellungsklage kann allerdings ein Feststellungsinteresse bestehen, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (vgl. nur BAG 5.6.2003, aaO, zu I 1 b) der Gründe mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch im Bereich des öffentlichen Dienstes, wenn nicht der Beklagte die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestreitet oder erklärt, sich nicht an das Feststellungsurteil zu halten (vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl. 2004, § 46 Rdziff. 68 a.E.).

bb)

So liegt es hier. Zum einen würde durch ein Feststellungsurteil nicht der Streit zwischen den Parteien endgültig geklärt. Denn die Parteien würden weiter wie bisher darum streiten, welche Zulagen der Kläger während des Annahmeverzugs erhalten würde (vgl. dazu nur die Schriftsätze der Beklagten aus der ersten Instanz vom 1.7.2004, Bl. 209 ff. und des Klägers vom 6.7. 2004, Bl. 231 ff.). Zum anderen war die Beklagte nicht Willens, auf ein Feststellungsurteil hin zu leisten. Im Schriftsatz vom 6.7.2004 erklärt der Kläger ausdrücklich auf Seite 2, Bl. 132 d. A.: Über die Zulässigkeit des Feststellungsantrages gibt es erheblichen Streit zwischen den Parteien. Die Kammer hat sich nicht abschließend positioniert, ob dieser Antrag zulässig ist." An dieser zutreffenden Feststellung hat sich in den darauf folgenden Schriftsätzen bis zum Urteil nichts geändert, so dass nicht nachzuvollziehen ist - insbesondere nicht aus einer Protokollierung der ersten Instanz -, weshalb das Arbeitsgericht davon ausgeht, dass die Beklagte den Annahmeverzug (in welcher Höhe?) leisten werde.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Urlaubsgewährung für das Jahr 2001 und 2002.

a)

Der Anspruch auf Urlaubsgewährung für das Jahr 2001 und 2002 ist erloschen.

aa)

Dies folgt aus § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Urlaubsjahres für den Fall der Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG gewährt und genommen werden muss (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa nur BAG 29. 7.2003 - 9 AZR 270/02 - EzA § 7 BUrlG Nr. 111, zu B I 2. a der Gründe). § 46 Abs. 1 Satz 2 BMT - G II verlängert diese Übertragungsfrist bis zum 30.4. des Folgejahres. Nur wenn der Urlaub aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen, wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz nicht bis zum 30. April angetreten werden kann, ist er bis zum 30. Juni des Folgejahres anzutreten gem. § 46 Abs. 1 Satz 3 BMT - G II. Der Zusatztarifvertrag BVG Nr. 1 verlängert diese Übertragung nicht.

bb)

Der Kläger war nach seiner Behauptung nur bis zum 16.12.2001 arbeitsunfähig krank, nach der Behauptung der Beklagten bis zum 7.2.2002. Selbst wenn man der Behauptung der Beklagten folgte, wäre der Urlaub 2001 bis zum 30.4.2002 anzutreten gewesen, der Urlaub 2002 selbst bei einer Übertragung jedenfalls bis zum 30.4.2003.

b)

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz.

aa)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (siehe nur BAG 18.9.2001 - 9 AZR 570/00 - EzA § 7 BUrlG Nr. 109, zu II 1 der Gründe mit weiteren Nachweisen) kann der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber wegen des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, anstelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadensersatz Urlaub (Ersatzurlaub) im gleichen Umfang und im Fall der Beendigung einen entsprechenden Abgeltungsbetrag dann verlangen, wenn die Urlaubsgewährung während des Verzugs des Arbeitgebers unmöglich wird (§§ 286 Abs. 1, 287 Satz 2, § 280 Abs. 1, § 249 Satz 1 BGB). Der Arbeitgeber gerät in Verzug, wenn er den vom Arbeitnehmer angemahnten (§ 284 Abs. 1 BGB) Urlaub grundlos nicht gewährt. Er hat für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs auf Grund der gesetzlichen Befristung einzustehen. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt (vgl. nur BAG 18. 9. 2001, aaO. zu II 2 der Gründe; BAG 21.9.1999 BAG E 92, 299; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Danach liegt ein Verzug nicht vor. Denn nach der nach den obigen Ausführungen irrelevanten Erhebung der Kündigungsschutzklage hat der Kläger erst am 30.6.2003 seinen Urlaub geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Urlaubsanspruch bereits erloschen.

III.

Der Kläger trägt daher die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 ZPO bei unverändertem Streitwert.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

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