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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: 13 Sa 350/04
Rechtsgebiete: BGB, BBiG


Vorschriften:

BGB § 174 Satz 1
BBiG § 15
1. Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis gem. § 15 Abs. 1 BGB von beiden Vertragsparteien jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Kündigungsgrund gelöst werden. Dabei kann die Kündigung auch am letzten Tag der Probezeit zugehen. Die Probezeit nach § 13 BBiG kann nach Vereinbarung eines weiteren Ausbildungsverhältnisses im Anschluss an ein vorzeitig beendetes Berufsausbildungsverhältnis mit einem anderen Ausbildenden erneut vereinbart werden.

2. Die Zurückweisungserklärung einer Prozessbevollmächtigten nach § 174 Satz 1 BGB kann ihrerseits wegen der Nichtvorlage einer Vollmacht zurückgewiesen werden.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

13 Sa 350/04

Verkündet am 30.04.2004

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 30.04.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Fenski als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Wagner und Herrn Gebauer

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Januar 2004 - 54 Ca 1159/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten unter anderem um die Wirksamkeit einer Kündigung einer Auszubildenden am letzten Tag der Probezeit.

Die beklagte Auszubildende war zunächst bei einem anderen Ausbildungsbetrieb derselben Handwerkssparte vom 01. August 2001 bis zum 30. Juni 2003 beschäftigt. In diesem Ausbildungsverhältnis wurde eine Probezeit vereinbart. Mit Ausbildungsvertrag vom 15. Juli 2003 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag unter Anrechnung der vorausgegangenen Ausbildung vom 01. Juli 2003 bis zum 31. August 2004 mit einer Probezeit von drei Monaten (vgl. dazu den Ausbildungsvertrag in Kopie Bl. 10 d. A.).

Mit Schreiben vom 29. September 2003, der Beklagten am 30. September 2003 zugegangen, kündigte eine Steuerberaterin im Namen des klagenden Arbeitgebers das Ausbildungsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 30. September 2003. Unterschrieben war das Schreiben nicht von der Steuerberaterin, sondern von deren Angestellter, einer Frau Z..

Mit Schreiben vom 01. Oktober 2003 wies die Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter anderem die Kündigung unter Hinweis darauf zurück, dass eine Vollmachtsurkunde nicht beigefügt worden sei. Ferner heißt es dort: "Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert."

Mit weiterem Schreiben vom 06. August 2003 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinerseits die Zurückweisung unter anderem mit Hinweis darauf zurück, dass der Zurückweisung selbst keine Vollmacht beigefügt war.

Der von der Beklagten angerufene Schlichtungsausschuss für Lehrlingsstreitigkeiten bei der Frisörinnung Berlin hob unter anderem die Kündigung vom 29. September 2003 mit Beschluss vom 12. November 2003 auf. Der Spruch wurde von der Beklagten, jedoch nicht vom Kläger anerkannt. Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 26. November 2003 eingegangenen Klage hat er unter anderem die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Kündigung vom 29. September 2003 beendet worden ist.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage mit Urteil vom 13. Januar 2004 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Zurückweisung der Kündigung seitens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten selbst gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam gewesen sei, da sie keine Vollmacht beigefügt hätte. Das Ausbildungsverhältnis habe noch am letzten Tag der Probezeit gekündigt werden können. Wegen des konkreten Wortlauts der Entscheidung und des Vortrags der Parteien in der I. Instanz wird auf das Urteil Bl. 60 bis 64 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihr am 06. Februar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 13. Februar 2004 eingegangene und am 16. März 2004 begründete Berufung der Beklagten. Sie rügt eine Rechtsverletzung durch das Arbeitsgericht. § 174 Satz 1 BGB sei auf die Zurückweisungserklärung selbst nicht anwendbar. Eine Bevollmächtigung nach §§ 164 ff BGB habe nicht vorgelegen. Die Beklagte habe ihr am 01. Oktober 2003 eine Vollmacht im Original erteilt. Diese Vollmacht sei der Steuerberaterin ebenso wie dem Kläger übersandt worden (Beweis: Frau C.R.).

Weiter sei durch das Arbeitsgericht Berlin nicht berücksichtigt worden, dass die Beklagte bereits im vorangegangenen Ausbildungsverhältnis erprobt worden sei, so dass die Vereinbarung einer erneuten Probezeit unzulässig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Januar 2004 54 Ca 1159/04 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des konkreten Vortrags der Parteien in der II. Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 09. März 2004 (Bl. 82 ff d. A.) und des Klägers vom 19. April 2004 (Bl. 100 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässig Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch keinen Erfolg. Zu Recht sowohl im Ergebnis als auch größtenteils in der Begründung hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Klägers vom 29. September 2003 zum 30. September 2003 beendet worden ist.

1.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Berlin dabei erkannt, das die Klage zulässig ist. Da die Beklagte die Kündigung ihres Ausbildungsverhältnisses nicht gegen sich gelten lässt, hat der klagende Arbeitgeber das von § 256 ZPO geforderte Feststellungsinteresse.

2.

Die Klage ist auch begründet. Denn die Kündigung vom 29. September 2003 hat das Ausbildungsverhältnis der Parteien zum 30. September 2003 beendet.

a.

Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 15 Abs. 1 BBiG von beiden Vertragsparteien jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Kündigungsgrund gelöst werden (vgl. BAG 27.11.1991 AP Nr. 2 zu § 13 BBiG, zu B IV 3 a aa der Gründe m.w.N.). Dabei kann die Kündigung wie hier auch am letzten Tag der Probezeit zugehen (vgl. nur Arbeitsgericht Verden 09.01.1976 EzB § 15 Abs. 1 BBiG Nr. 3; KR-Weigand, 6. Aufl., §§ 14, 15 BBiG Rz. 42 a).

b.

Die Probezeit nach § 13 BBiG kann nach Vereinbarung eines weiteren Ausbildungsverhältnisses im Anschluss an ein vorzeitig beendetes Berufsausbildungsverhältnis mit einem anderen Ausbildenden erneut vereinbart werden. Denn die Probezeit soll auch die Möglichkeit einer individuell auf den jeweiligen Vertragspartner zugeschnittenen persönlichen und fachlichen Eignungsprüfung ermöglichen (vgl. bereits BAG, a.a.O., zu B IV 6 der Gründe; LAG Sachsen-Anhalt 25.02.1997 EzB § 13 BBiG Nr. 26).

c.

Die von der Angestellten Frau Z. der Steuerberaterin Frau R. des Klägers unterschriebene Kündigungserklärung vom 29. September 2003 ist wirksam und namens und in Vollmacht des Klägers ausgesprochen worden.

aa.

Frau Z. wie Frau R. sind ausdrücklich vom Kläger mit der Vollmacht vom 02. Februar 2003 (Bl. 59 d. A.) bevollmächtigt worden. Die Kündigung ist auch im Namen des Klägers ausgesprochen worden.

bb.

Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Zwar ist die Kündigungserklärung vom 29. September 2003 unverzüglich mit Schreiben vom 01. Oktober 2003 wegen der Nichtvorlage einer Vollmacht zurückgewiesen worden. Der Zurückweisungserklärung ihrerseits lag jedoch keine Vollmacht bei, weswegen die Zurückweisung der Zurückweisung durch den Kläger vorliegend möglich (vgl. nur bereits BAG 16.02.1982 BAGE 41, 54 ff = AP Nr. 24 zu § 123 BGB, zu III 3 der Gründe; Brehsan/Gohrke/Opolony, ZIP 2001, 773, 779; KR-Friedrich, a.a.O., § 13 KSchG Rz. 287; Lunk ZIP 1999, 1777, 1778; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., § 123 I 2 c) und erfolgreich war.

Dabei war das widersprüchliche Handeln bzw. der widersprüchliche Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Hinblick auf die Vollmachtserteilung seitens der Beklagten nicht zu beachten. Denn die Prozessbevollmächtigte der Beklagte hatte bereits bei Zurückweisung der Kündigung vom 29 September 2003 geschrieben, dass "eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert" werde. Dies bedeutet jedoch, dass eine anwaltliche Vollmacht nicht beilag, denn sonst wäre auf diese verwiesen worden. Die nunmehr im Berufungsverfahren unter Hinweis auf eine Zeugin neue Behauptung, dass eine Vollmacht beigelegen hätte, ohne den Widerspruch zum Schreiben vom 01. Oktober 2003 aufzuklären, ist unbeachtlich und stellt im Übrigen auch einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantritt dar.

III.

Die Beklagte trägt die Kosten ihrer erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die o. g. Grundsatzentscheidung des BAG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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