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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 05.01.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 1801/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Die soziale Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG ist nach ständiger zutreffender Rechtsprechung des BAG auf den Betrieb bezogen. Die Befugnis des Inhabers des Unternehmens, jederzeit in die Einzelheiten der arbeitstechnischen Leitung einer Betriebsstätte einzugreifen, schließt allein die Annahme eines eigenständigen Betriebs nicht aus (gegen BAG 26.8.1971, EzA Nr. 1 zu § 23 KSchG). Maßgeblich ist vielmehr, wo der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird (im Anschluss an BAG vom 3.6.2004 AP Nr. 33 zu § 23 KSchG). Dies setzt eine allgemeine Organisationsentscheidung und Funktionszuweisung des Arbeitgebers bezüglich der Kernbereiche der Arbeitgeberfunktionen voraus. Entscheidend ist dann nicht die Zuweisung von Funktionen und Befugnissen auf dem Papier, sondern deren tatsächliche Handhabung.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

14 Sa 1801/05

Verkündet am 05.01.2006

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 14. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 05.01.2006 durch den Richter am Arbeitsgericht Rache als stellvertr. Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Christen und Herrn Hemmen

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.08.2005 - 28 Ca 10603/05 - wird - soweit der Rechtsstreit nicht durch übereinstimmende Erklärung beider Parteien für erledigt erklärt wurde - zurückgewiesen.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen sowie hilfsweise die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites. Die am .... 1969 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 15. Oktober 1990 als Verkäuferin/Kassiererin für ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.589,87 EUR in einem Verbrauchermarkt der Sparte "e." in der Filiale Nr. 2934 in Alt-R. 64 - 66, 12355 Berlin beschäftigt. Die Sparte "e." bei der Beklagten ist bundesweit in drei Vertriebscenter untergliedert (Nord, Nord-West und West). An der Spitze der Vertriebscenter steht der Vertriebsleiter. Jedes Vertriebscenter ist in Bezirke untergliedert. Das Vertriebscenter Nord-West, welches vom Vertriebsleiter Herrn Sp. geleitet wird, gliedert sich in ursprünglich neun, nunmehr acht Bezirke (2001 bis 2005, 2007 bis 2009), die von Bezirksleitern geführt werden. Die Bezirke wiederum gliedern sich in die einzelnen "e.-Märkte", die von Marktleitern geführt werden. Die Filiale 2934, in der die Klägerin zuletzt arbeitete, gehörte zum Bezirk 2007, der von der Bezirksleiterin Frau R. geleitet wird Wegen der Einzelheiten der Struktur wird auf die von der Beklagten als Anlage BK 1 eingereichte Übersicht der "e.-Vertriebsstruktur" Bl. 244 d.A., sowie die von der Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 28.11.2005 eingereichte Aufgliederung Bl. 289 ff d.A. mit dem Stand 12.09.2005 verwiesen. Neben dieser Struktur existieren im Vertriebscenter Nord-West zwei Personalabteilungen. Für die Bezirke 2007 bis 2009 ist der Personalleiter Herr Sch. zuständig, außerdem die Personalreferentin Frau St.. Die einzelnen Bezirke werden darüber hinaus von sogenannten "Merchandisern" (MD) beraten. Dieser Vertriebsorganisation steht keine entsprechende Betriebsratsstruktur gegenüber. Bei der Beklagten sind für einzelne Märkte auch im Vertriebscenter Nord-West Betriebsräte nach § 1 BetrVG gebildet, z.B. in Bielefeld oder Braunschweig. Ansonsten sind Flächenbetriebsräte nach § 3 BetrVG gebildet. Deren Kompetenzen überschneiden sich mit den Aufgaben der Vertriebscenter. So ist der Betriebsrat Nord 3 für die Bezirke 2001 bis 2005 des Vertriebscenters Nord-West zuständig, darüber hinaus aber auch für den Bezirk 1006, der zum Vertriebscenter Nord gehört. Für den hier interessierenden Bezirk 2007 ist der nach § 3 BetrVG gewählte Betriebsrat Ost 1 zuständig. Nach der von der Klägerin als Anlage 1 zum Schriftsatz vom 12. Juli 2005 eingereichten Aufgabenbeschreibung der Marktleitung vom 3.4.2000 (Anlage 1, Bl. 75 ff d.A. in Kopie) hat der Marktleiter folgende Aufgaben: "1. Schwerpunkte Die Schwerpunktaufgabe des Marktleiters ist die erfolgreiche Führung des Marktes durch das Erreichen der geplanten Ziele. Als wichtigste Instrumente dienen dem Marktleiter dazu: - Planzahlen für Umsatz, Rohertrag, Personalkosten, Leistungskennziffern, Soll-/Ist-Vergleiche, Vorjahresvergleiche. Der Marktleiter ist verpflichtet, mit diesen Zahlen zu arbeiten und Abweichungen zu kommentieren und zu begründen. 2. Unterstellung/Überstellung Der Marktleiter ist unmittelbar dem Bezirksleiter Markt und dem Verkaufsleiter verantwortlich. Er ist fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter aller Mitarbeiter des Marktes. 3. Stellvertretung Während der Abwesenheit des Marktleiters ist der stellvertretende Marktleiter/Assistent für die Führung des Marktes verantwortlich. Dem Marktleiter obliegt die Schulung seines Stellvertreters, damit dieser in der Lage ist, den Markt im Sinne der Aufgabenbeschreibung des Marktleiters zu führen. Bei Abwesenheit des Marktleiters muss gewährleistet sein, dass in diesen Fällen der Stellvertreter anwesend ist. 4. Urlaub und Freizeit Der Urlaub des Marktleiters ist rechtzeitig beim zuständigen Bezirksleiter Markt anzumelden. 5. Personaleinsatzplanung Zur Sicherstellung einer zu jeder Zeit bestmöglichen Personalbesetzung erstellt der Marktleiter einen Personaleinsatzplan. 6. Einstellung und Entlassung Die Vorgehensweise gemäß des Personalhandbuches ist einzuhalten. Die formellen Vorbereitungen vor Ausspruch einer Kündigung werden grundsätzlich durch die Personalabteilung eingeleitet. Insofern besteht Konsultationspflicht. 7. Gehaltsänderung Gehaltserhöhungen der Marktmitarbeiter sind mit dem Bezirksleiter Markt/Verkaufsleiter abzustimmen. 8. Vorschuss Der Marktleiter ist nicht berechtigt, Vorschüsse auszuzahlen bzw. anzuweisen. 9. Aus- und Weiterbildung Der Marktleiter ist verantwortlich für die ordnungsgemäße Ausbildung der im Markt eingestellten Auszubildenden. Außerdem soll er entwicklungsfähige Mitarbeiter fördern und seinen Bezirksleiter Markt auf diese Mitarbeiter aufmerksam machen. 10. Alkoholverbot Vor, während und nach der Geschäftszeit, ebenso in den Pausen, ist im gesamten Markt Alkoholverbot einzuhalten. Dazu gehört neben dem Verkaufsraum und dem Außengelände auch der Parkplatz, die Sozialräume und die sanitären Anlagen. Der Marktleiter verletzt seine Dienstaufsicht, wenn er es zulässt, dass ein Mitarbeiter im gesamten Markt Alkohol zu sich nimmt. ... 18. Allgemeine Verwaltung Der Marktleiter ist verantwortlich für die Kontrolle aller Verwaltungsarbeiten im Markt. Er stellt einen dauerhaften Informationsfluss zur Zentrale sicher. 19. Kasse und Tresor Der Kassenbericht (incl. Aller Belege) ist täglich vom Marktleiter zu prüfen. In regelmäßigen Abständen sind Kassen- und Bonkontrollen durchzuführen und festzuhalten. 20. Inventuren Der Marktleiter ist verantwortlich für die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle der Inventur im Rahmen der Organisationsanweisung. ..." Nach dem unter 6. angesprochenen Personalhandbuch, welches synonym ist mit dem Organisationshandbuch Markt Teil 4 Personal, ist die Marktleitung befugt, das Verkaufspersonal sowie die "Verräum-/Packteams" einzustellen, während die Befugnis zur Einstellung der stellvertretende Marktleiter, die Abteilungsleiter/Gruppenleiter, die "Ersten Kräfte Warenannahme" und die "Ersten Kräfte Kasse" dem Bezirksleiter und Personalreferent zukommt (Auszug aus dem "Organisationshandbuch Markt", Anlage B6, in Kopie Bl. 48 d.A.). In einem Aushang vom 1.7.2004 (Bl. 292 d.A.) an die Mitarbeiter der Sparte e. Verbrauchermärkte heißt es unter dem Betreff "Bevollmächtigung bei personellen Maßnahmen":

"In vorgenannter Angelegenheit weisen wir darauf hin, dass nachfolgende Funktionsträger als leitende Angestellte bevollmächtigt und jeweils alleine berechtigt sind, im Namen des Arbeitgebers personelle Maßnahmen durchzuführen:

- Marktleiter in Betrieben gemäß § 1 BetrVG

- ...

Diese Vollmacht bezieht sich nicht nur auf die Einstellung von Mitarbeitern und den Abschluss von Arbeitsverträgen, sondern insbesondere auch auf die Erteilung von Abmahnungen, den Ausspruch von Kündigungen und den Abschluss von Aufhebungsverträgen.

..."

Im Sommer 2004 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, den "e. Verbrauchermarkt" 2934 in Berlin-R. in Franchise zu vergeben. Zu diesem Zweck wurde am 25. August 2004 mit den Franchisenehmern Su. und So. Ah. ein entsprechender Franchisevertrag sowie am 13. Januar 2005 ein Kauf- und Übertragungsvertrag bezüglich des Marktes 2934 geschlossen. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 25. Januar 2005 über den Übergang des Marktes auf die Gebrüder Ah. gemäß § 613 a Abs. 5 BGB informiert (Kopie Bl. 43 d.A.). Die Klägerin widersprach dem Betriebsübergang mit Schreiben vom 22. Februar 2005. Am 26. Februar 2005 wurde der Markt an die Gebrüder Ah. abgegeben und durch diese weitergeführt. Mit Schreiben vom 28. Februar 2005 (Kopie Bl. 4 d.A.) wurde die Klägerin von der Beklagten widerruflich von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung bei Fortzahlung ihrer Bezüge freigestellt. Am 13. April 2005 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat Ost 1 einen Interessenausgleich und Sozialplan unter anderem für die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis durch Abgabe des Marktes 2934 Berlin, Alt-R. zum 26. Februar 2005 auf die Franchisenehmer Ah. übergegangen war. Wegen des konkreten Inhalts wird auf die Kopie von Interessenausgleich und Sozialplan, Anlage B1, Bl. 37 ff d.A. verwiesen. Mit Schreiben vom 19. April 2005 beteiligte die Personalabteilung der Beklagten den Betriebsrat Ost 1 zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin. Wegen des Inhaltes des Anhörungsschreibens wird auf die Anlage B8 (Kopie Bl. 58 bis 61 d.A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 28. April 2005, der Klägerin am gleichen Tage per Bote überbracht, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. September 2005 "aus dringenden betrieblichen Gründen" (Kopie Bl. 7 d.A.). Hiergegen und gegen die Freistellung hat sich Klägerin mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 10. Mai 2005 eingegangenen Klage gewandt. Mit beim Arbeitsgericht Berlin am 5. Juli 2005 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag (Bl. 62 f d.A.) hat die Klägerin die Klage gegen eine weitere, vorsorglich ausgesprochene Kündigung vom 28. Juni 2005 aus denselben Gründen erweitert. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Markt in Alt-R. nicht als Betrieb anzusehen sei. In der Berufungsinstanz ist sie der Auffassung, der Bezirk 2007 sei ihr Beschäftigungsbetrieb im Sinne des KSchG. Aus diesem Grunde sei kein Betrieb auf die Gebrüder Ah. übergegangen, sondern nur ein Teilbetrieb. Die Klägerin habe diesem Betriebsteilübergang aus sachlichen Gründen widersprochen, da die Betriebsübernehmer ihre Arbeitsbedingungen hätten massiv verschlechtern wollen. Kerngedanke der Franchisierung sei es, die Wirtschaftlichkeit des Marktes durch erhebliche Lohnkürzungen zu erreichen. Die Übernehmer seien nicht mehr bereit, Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu zahlen, der Urlaub solle um eine Woche gekürzt werden. Den Mitarbeitern seien völlig unregelmäßige Arbeitszeiten verordnet worden, es sei von den Mitarbeitern erwartet worden, dass pro Woche mindestens fünf Überstunden unbezahlt abgeleistet würden. Endlich schreckten die Übernehmer auch vor strafrechtlich relevanten Handlungen nicht zurück. Durch den Widerspruch sei die Klägerin mit den übrigen Verkäuferinnen des verbleibenden Bezirks, des Bezirks 2007, zu vergleichen. Es habe eine Sozialauswahl unter diesen Mitarbeitern und ihr stattfinden müssen. Sie sei gegenüber zahlreichen Mitarbeitern sozial schutzwürdiger. Insoweit wird auf die Auflistung im Schriftsatz vom 12. Juli 2005, dort Seite 7, Bl. 71 d.A., verwiesen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Klägerin hat beantragt, 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung im Schreiben vom 28. April 2005 aufgelöst wird 2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum 30. September 2005 zu den bisherigen Bedingungen als Verkäuferin bei einer 30-Stunden-Woche zu beschäftigen; 3. hilfsweise, für den Fall der Klagestattgabe des Antrages zu 1, die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Verkäuferin weiterzubeschäftigen.

4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung im Schreiben vom 28. Juni 2005 aufgelöst wird

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat bereits die erste Kündigung für wirksam gehalten. Der einzelne Markt sei der Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Dieser sei auf die Gebrüder Ah. übergegangen. Nach dem Widerspruch der Klägerin bestehe für diese keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr. Eine Sozialauswahl mit anderen Verkäufern anderer Betriebe sei nicht nötig gewesen, die Sozialauswahl sei betriebsbezogen. Die Betriebsratsanhörung sei nach den überreichten Unterlagen ordnungsgemäß erfolgt. Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags in erster Instanz wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 12. August 2005 (Bl. 154 bis 159 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 12. August 2005 der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 28. April 2005 noch durch die Kündigung vom 28. Juni 2005 aufgelöst worden sei. Die Klägerin sei bis zum 30. September 2005 als stellvertretende Assistentin bei einer 30-Stunden-Woche zu beschäftigen und darüber hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu denselben Bedingungen weiterzubeschäftigen. Denn die Kündigungen seien bereits unwirksam, weil die Beklagte weder die Namen aller "in der Region Ost" als Verkäufer(innen) beschäftigten Mitarbeiter noch deren Sozialdaten mitgeteilt habe. Dies habe sie tun müssen, weil sich die Sozialauswahl über den einzelnen Markt hinaus erstrecke. Es verbiete sich nach der sogenannten Filialentscheidung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 26. August 1971 und der Auffassung von Gramm (AuR 1964, 293, 295) in einer örtlichen Betriebsstätte einen eigenständigen Betrieb zu sehen, wenn die Leitung des Unternehmens auch nur das Recht habe, jederzeit unmittelbar in Einzelheiten der arbeitsrechtlichen Leitung einer Betriebsstätte einzugreifen. Dies sei vorliegend unstreitig jedenfalls möglich, da ein Geschäftsführer der Beklagten theoretisch jederzeit gegen den Willen des Marktleiters einem Arbeitnehmer kündigen oder einen Arbeitnehmer einstellen könne. Auf Sachgründe der Klägerin für den Widerspruch gegen den Betriebsübergang komme es nicht an. Da die Beklagte die Namen und Sozialdaten der vergleichbaren Verkäuferinnen trotz des entsprechenden Auskunftsverlangens der Klägerin nicht mitgeteilt habe, könne die soziale Schutzbedürftigkeit der in Betracht kommenden Kolleginnen der Klägerin nicht im Verhältnis zu den Gründen ihres Widerspruchs gewichtet werden. Im Übrigen sei die Klägerin wegen ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als 14 Jahren ohnehin schutzbedürftiger als die anderen Verkäufer. Die Klägerin sei als Verkaufsassistentin bis zum 30. September 2005 zu beschäftigen, und zwar in einer anderen der mehr als 30 verbliebenen Filialen. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ergebe sich aus den Grundsätzen, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 27. Februar 1985 aufgestellt habe. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bl. 159 ff d.A. nebst Anlagen Bl. 177 ff d.A. verwiesen. Gegen dieses ihr am 24. August 2005 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 23. September 2005 im Original eingegangene und am 24. Oktober 2005 im Original begründete Berufung der Beklagten. Sie hält nach wie vor den einzelnen Markt für einen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und führt dies ausführlich und gegen die Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts insbesondere im Hinblick auf die Kompetenzen des Marktleiters in Abgrenzung zur Bezirksleitung, der Personalabteilung, der Vertriebsleitung im Bezirk Nordwest und der Geschäftsführung aus. Der Marktleiter habe umfassende Kompetenzen im personellen und sozialen Bereich. Er entscheide, ob und welcher Arbeitnehmer eingestellt werde. Die Entscheidung übermittle er dann an die Personalabteilung in A. und bitte um Übersendung eines Arbeitsvertrages. Dieser werde im Markt vom Marktleiter und vom Bewerber unterzeichnet. Soweit er laut "Organisationshandbuch Markt" keine Einstellungsbefugnis für bestimmte Personengruppen habe, machten diese Personen nur ca. 10 % der Belegschaft eines Marktes aus. Bei personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen ermittele der Marktleiter den Sachverhalt und wende sich an die Personalabteilung mit der Bitte, die Betriebsratsanhörung durchzuführen. Da der für die Berliner Märkte zuständige § 3 BetrVG-Betriebsrat ebenso wie die Personalabteilung in A. ansässig sei, kommuniziere nicht jeder einzelne Marktleiter die Anhörung vor Ausspruch einer Kündigung. Dass sich die Marktleiter mit der Personalabteilung beraten, stehe der dezentralen Organisationsstruktur der Beklagten nicht entgegen. Die Personalabteilung nehme eine Funktion als interner Dienstleister ein. Dass in den letzten eineinhalb Jahren Einstellungen dem Grunde nach in der Region Nord-West von Herrn Sp. mit dem Geschäftsführer Herrn M. hätten bewilligt werden müssen, sei auf Grund des Sanierungsprogramms in den e.-Verbrauchermärkten, das einen Einstellungsstopp vorgesehen habe, geschehen. Hierbei sei es nur um die Schaffung einer Stelle gegangen. Es gebe bei Einstellungen allerdings auch Fälle, in denen die Marktleiter die geschilderte Struktur noch nicht in die Praxis umgesetzt hätten und sich bei der Personalgewinnung durch die Bezirksleiter absichern. In diesen Fällen helfe der Bezirksleiter bei der Personalsuche. Auch bei Abmahnungen liege die Entscheidungsbefugnis beim Marktleiter. Richtig sei, dass manche Marktleiter zur eigenen Absicherung bei Gesprächen mit betroffenen Mitarbeitern ihren Bezirksleiter hinzuzögen. Gleiches gelte bei verhaltens- und personenbedingten Kündigungen, bei der manche Marktleiter ihren Bezirksleiter zu den Gesprächen hinzuzögen und sich Ratschläge geben ließen. Bei betriebsbedingten Kündigungen falle die Entscheidung durch die Geschäftsführung. Die Dienstpläne würden eigenverantwortlich durch die Marktleiter erstellt. Urlaubspläne ließen sich die Bezirksleiter nur dann vorlegen, um die Funktionsfähigkeit der Märkte in Ferienzeiten zu überprüfen. Bei Ein- und Umgruppierungen ordneten die Marktleiter die Mitarbeiter einer Tarifgruppe zu, die regionale Personalleitung überprüfe, ob hinsichtlich der tarifvertraglichen Vorgaben die Eingruppierung richtig vorgenommen worden sei und ändere diese gegebenenfalls. Für Beförderungen gelte das gleiche. Über Stundenreduzierungen und - erhöhungen hätten eigenverantwortlich im Rahmen des vorgegebenen Budgets an Stunden pro Markt die Marktleiter zu entscheiden. Versetzungen habe es in den Berliner e.-Märkten gegen den Willen eines Mitarbeiters seit 1999 nicht gegeben.

Die Kompetenzen der Marktleiter in den so genannten "Flächenbetrieben" und den Betrieben nach § 1 BetrVG seien die gleichen. Die Marktleiter in Betrieben nach § 1 BetrVG seien lediglich im Gegensatz zu den anderen Marktleitern bevollmächtigt, das Unternehmen bei personellen Maßnahmen nach außen zu vertreten. Dies sei notwendig, weil sie das Unternehmen ständig bei Verhandlungen mit ihrem Betriebsrat vertreten müssten. Durch den Betriebsübergang der Filiale Alt-R. auf die Gebrüder Ah. sei kein Betrieb mehr existent, in dem die Klägerin hätte eingesetzt werden können. Da die Sozialauswahl betriebsbezogen zu erfolgen habe, habe sie allen nach dem Widerspruch gegen den Betriebsübergang noch vorhandenen Arbeitnehmern des Betriebes e.-Verbrauchermarkt Alt-R. kündigen können, ohne diese im Rahmen einer Sozialauswahl mit Verkäuferinnen anderer Märkte zu vergleichen. Im Übrigen sei der Widerspruch der Klägerin auch nicht sachgerecht. Endlich habe sie vorsorglich eine Sozialauswahl mit anderen Verkäufern anderer Betriebe nach Altersgruppen vorgenommen, wonach die Klägerin sozial weniger schutzbedürftig sei als andere. Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt haben, als die Klägerin ihre Beschäftigung bis zum 30. September 2005 begehrt hat,

beantragt die Beklagte, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. August 2005 - 28 Ca 10603/05 - die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe, dass sie nunmehr den Bezirk 2007 für den Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes hält. Sie benennt namentlich fünf weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Schriftsatz vom 28.11.2005, Bl. 288 d.A.), die sozial weniger schutzbedürftig und die sämtlich in Filialen tätig seien, die von der Bezirksleiterin Frau R. betreut würden. Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 24. Oktober 2005 (Bl. 194 ff d.A.) und 22. Dezember 2005 (Bl. 322 ff d.A.) und der Klägerin vom 28. November 2005 (Bl. 263 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe: I. Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Dass die Beklagte in der Berufungsbegründungsschrift entgegen dem Wortlaut des §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO noch keinen Berufungsantrag angekündigt hat, hat die Kammer für unschädlich gehalten, da sich aus dem Vorbringen der Beklagten in der Begründungsschrift klar ergibt, dass sie jedenfalls hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Frage der Wirksamkeit der Kündigungen sowie der Weiterbeschäftigungspflicht eine Abänderung des Urteils begehrt.

II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. 1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde weder durch die Kündigung vom 28. April 2005 zum 30. September 2005 noch durch die vom 28. Juni 2005 zum 31. Dezember 2005 aufgelöst. Denn diese Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 mit der Folge ihrer Unwirksamkeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. Unzweifelhaft findet das KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. a)

Beide Kündigungen sind nach dem unstreitigen Übergang des Marktes Alt-R. auf die Betriebsübernehmer Ah. ausgesprochen worden und damit nach dem Ausscheiden dieses Marktes aus dem Unternehmen der Beklagten. Zwar ist dieses Ausscheiden des Marktes unabhängig von dessen Eigenschaft als Betrieb durch Betriebsübergang keine Betriebsstilllegung, da der Betrieb oder Betriebssteil bei einem anderen Unternehmen weiterexistiert. Im Fall des Widerspruchs nach einem Betriebsübergang liegt jedoch der gleiche Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auf Dauer vor wie bei einer Betriebsstilllegung, so dass auch in diesem Fall die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich gerechtfertigt ist (vgl. nur BAG 18.9.1997, NZA 1998, S. 189 ff, zu C II 2 b der Gründe; BAG 25.05.2000, NZA 2000, S. 1115, zu III 1 b, 2 der Gründe; jeweils mit weiteren Nachweisen). Dies gilt vorliegend auch dann, wenn die einzelne Filiale kein Betrieb, sondern ein Betriebsteil wäre (vgl. nur BAG 25.05.2000, a.a.O.), da die Klägerin vorliegend keine andere Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Markt aufgezeigt hat. Insoweit ist die erkennende Kammer der gleichen Rechtsauffassung wie das LAG Berlin, Kammer 13, im Urteil vom 16.12.2005 im Parallelverfahren 13 Sa 1800/05. b)

Anders als die Kammer 13 des LAG Berlin ist die erkennende Kammer jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte bei der Auswahl der Klägerin den Grundsatz der ausreichenden sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG gewahrt hat. Dies führt gemäß § 1 Abs. 3 KSchG dazu, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, auch wenn dem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt wurde. aa)

Grundsätzlich ist auch bei einer betriebsbedingten Kündigung nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang eine soziale Auswahl durchzuführen (BAG vom 18.3.1999, NZA 1999,S. 870 ff, 871 f.; BAG vom 22.4.2004, NZA 2004,S. 1389 ff, 1391). Daran ist auch nach der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes mit Wirkung ab dem 1.1.2004 festzuhalten (siehe dazu unten dd/S. 25 f.). Allerdings findet eine unternehmensbezogene Sozialauswahl auch nach dem Widerspruch nicht statt. Somit entfällt eine Sozialauswahl, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses anlässlich der Übertragung eines Betriebes in seiner Gesamtheit widerspricht (vgl. Gaul, NZA 2005, 730, 731). Die nach § 1 Abs. 3 KSchG vom Arbeitgeber zu treffende Sozialauswahl ist streng betriebsbezogen. Selbst bei einer entsprechenden Ausweitung des Direktionsrechts des Arbeitgebers ist sie grundsätzlich nicht unternehmensbezogen (BAG vom 2.6.2005 - 2 AZR 158/04 - EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 61, zu II 2 der Gründe mit weiteren Nachweisen; BAG 15.12.2005 - 6 AZR 199/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach § 1 Abs. 2 Satz KSchG ist die Kündigung unter anderem dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG hat dabei die Funktion festzulegen, welchen von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung zu treffen hat, wenn das dringende betriebliche Erfordernis der Weiterbeschäftigung eines von diesen Arbeitnehmern entgegensteht. Auch der Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG knüpft an die dringenden betrieblichen Erfordernisse des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG an und stellt in der sogenannten Leistungsträgerregelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ebenfalls auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers ab. Der danach eindeutig aus Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang des § 1 KSchG herzuleitenden Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl steht auch nicht die Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG entgegen, wonach betriebs- und dienststellenübergreifend Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer zu prüfen sind. Diese Ausnahmeregelung entspricht dem ultima-ratio-Grundsatz und betrifft nur freie Arbeitsplätze. Würde man auch die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ganz oder teilweise auf den Unternehmensbereich ausdehnen, so würde dies notwendigerweise zu Austauschkündigungen führen. Besteht in einem der Betriebe eines Unternehmens ein dringendes betriebliches Erfordernis etwa wie hier, so kann dies grundsätzlich nur die Kündigung gegenüber Arbeitnehmern dieses Betriebes sozial rechtfertigen. Dafür, im Wege der Sozialauswahl für die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens Arbeitsplätze frei zu kündigen, besteht kein dringendes, auf deren Beschäftigungsbetrieb bezogenes Erfordernis, das eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte (LAG Berlin vom 16.12.2005, 13 Sa 1800/05 unter Hinweis auf BAG vom 2.6.2005, aaO). bb)

Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Übertragung des Marktes Alt-R. auf die Gebrüder Ah. ein Betriebs-, und nicht lediglich ein Teilbetriebsübergang zu sehen ist. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht mit ausreichender Substanz dargelegt, dass der Markt ein Betrieb im Sinne von §§ 1, 23 KSchG ist (insoweit abweichend vom Urteil des LAG Berlin vom 16.12.2005 im Parallelverfahren 13 Sa 1800/05). (1) Das Kündigungsschutzgesetz enthält keine Definition des Betriebsbegriffs. Für §§ 1, 15 und 17 KSchG wird weitgehend der Betriebsbegriff verwendet, der dem Betriebsverfassungsgesetz zu Grunde liegt. Nach der allgemein üblichen Definition ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der sich nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpft (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG vom 3.6.2004, AP § 23 KSchG Nr. 33 = NZA 2004, S. 1380 ff, zu B I 1 mit weiteren Nachweisen). (2) Der Betriebsbegriff im kündigungsschutzrechtlichen Sinn ist nicht deckungsgleich mit dem Betriebsbegriff im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn (vgl. BAG 20.8.1998 AP Nr. 50 zu § 2 KSchG, zu II 2 a cc der Gründe mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts; BAG vom 3.6.2004, aaO, zu C I 1 der Gründe m.w.N.), so dass es nicht entscheidend ist, dass vorliegend für die Bezirke 2007 bis 2009 der Betriebsrat Ost 1 zuständig ist. Dabei stellt die Bildung eines Flächenbetriebsrates nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b BetrVG, der den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit gibt, abweichende Regelungen auf der Basis des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs zu schaffen, allerdings nicht bereits ein Indiz dar für die Qualität der streitigen organisatorischen Einheit als Betrieb (anders das LAG Berlin vom 16.12.2005, im Parallelfall 13 Sa 1800/05). Denn gerade wegen der fehlenden Deckungsgleichheit des Betriebsbegriffs in kündigungsschutzrechtlicher und in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht kann nicht unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien eine Entscheidung zu Gunsten eines bestimmten Betriebsbegriffs in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht treffen wollten.

(3) Der Betriebsbegriff knüpft an die organisatorische Einheit an. Eine betriebliche Struktur setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Betriebsmittel und der Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt wird. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, wo - schwerpunktmäßig - über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG vom 3.6.2004 AP Nr. 33 zu § 23 KSchG, zu B II 1 der Gründe). Dies bedeutet zunächst, dass die rein theoretische Rechtsmacht der übergeordneten Einheit in einem hierarchisch oder funktional gegliederten Unternehmen, die Arbeitgeberfunktionen auch "vor Ort" im Sinne eines Evokationsrechts auszuüben, nicht maßgeblich sein kann. Wenn das BAG in der sogenannten "Filialentscheidung" vom 26.8.1971, EzA Nr. 1 zu § 23 KSchG, davon spricht, dass immer schon dann, wenn die Leitung des "Gesamtbetriebes" auch nur das Recht habe, jederzeit unmittelbar in Einzelheiten der arbeitstechnischen Leitung einer Betriebsstätte einzugreifen, scheide ein eigenständiger Betrieb aus, so greift dies auch nach Meinung der erkennenden Kammer zu kurz. Denn in der Tat hat die jeweilige Unternehmensleitung immer das Recht, in Entscheidungen "vor Ort" einzugreifen. Käme es allein auf die diesbezügliche Rechtsmacht an, so bedeutete dies, dass eine Filialbetriebsstruktur schon im Ansatz ausgeschlossen wäre (so zutreffend LAG Berlin vom 16.12.2005, 13 Sa 1800/05), ein weder mit der Praxis der Betriebs- und Unternehmensstruktur noch dem bisher einhellig als faktisch zu verstehenden Betriebsbegriff in Einklang zu bringendes Ergebnis.

Maßgeblich im Ausgangspunkt ist damit die Prüfung, wo faktisch die Arbeitgeberfunktionen im beschriebenen Sinne ausgeübt werden. Dies wiederum setzt eine allgemeine Organisationsentscheidung und Funktionszuweisung des Arbeitgebers bezüglich der Kernbereiche der Arbeitgeberfunktionen voraus. Insoweit spielen durchaus allgemeine Kompetenzzuweisungen wie etwa Organisationshandbücher o.ä. eine Rolle. Allerdings ist dann konsequenterweise nicht die Zuweisung von Funktionen und Befugnissen auf dem Papier entscheidend, sondern deren tatsächliche Handhabung. Weist der Arbeitgeber zwar allgemein bestimmten Funktionsträgern "vor Ort" formal Befugnisse zu, werden diese Befugnisse aber nicht, nur eingeschränkt oder nicht mit Letztentscheidungskompetenz umgesetzt, so wirft dies Zweifel an der Leitungsmacht der in Rede stehenden Betriebsstätte auf.

(4) Sind die Tatsachen, die den Schluss auf das Vorliegen eines (Filial-) Betriebes zulassen, dem Streitstoff nicht offenkundig zu entnehmen, so hat nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts diejenige Partei diese Tatsachen vorzutragen und im Streitfalle zu beweisen, die daraus eine für sie günstige Tatsache herleiten will. Das ist zur Rechtsüberzeugung der erkennenden Kammer im Rahmen der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber (anders bei der Frage des Überschreitens des Schwellenwertes nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG das BAG, Urteil vom 18.1.1990 AP Nr. 9 zu § 23 KSchG). Bezüglich der Darlegungslast folgt dies zum einen aus dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KSchG, wonach auf Verlangen des Arbeitnehmers der Arbeitgeber die Gründe anzugeben hat, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Hier ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit den "Gründen, die zu der getroffenen Auswahl geführt haben" nur die Auswahlkritierien im engeren Sinne oder die Vergleichsgruppenbildung gemeint hat. Zum anderen folgt aber auch aus dem Grundsatz der größeren Sachnähe, die zweifellos gerade in größeren Einheiten wie denen der Beklagten, der Arbeitgeber hat, während der Arbeitnehmer zu den meisten Detailfragen des Betriebsbegriffes mangels Einblicke in die Arbeitgeberstrukturen gar nicht wird vortragen können. Die Argumente, die im Bereich der Voraussetzungen des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast vorgebracht werden (vgl. zum Streitstand Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Auflage 2005, Rn 898 m.w.N.) gelten mindestens in gleicher Weise auch dann, wenn der Betriebsbegriff als Vorfrage bei der Prüfung der ausreichenden sozialen Auswahl streitig ist. Hier wie dort ist dem Arbeitnehmer kaum zuzumuten, Tatsachen darzulegen, die er schlechterdings nicht kennen kann, weil er keinen Einblick in die Personal- und Leitungsstruktur der streitbefangenen organisatorischen Einheit hat. Mehr noch als bei der reinen Angabe der Zahl der Beschäftigten sowie deren Arbeitszeitvolumina gilt bei der den Betriebsbegriff ausmachenden Leitungsstruktur, dass der Arbeitnehmer auch durch Erkundigungsmaßnahmen kaum jemals die maßgeblichen Tatsachen wird ermitteln können. Sieht man demgegenüber über die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG den Arbeitnehmer als beweisbelastet auch für die Tatsachen an, die den Schluss auf die Betriebseigenschaft zulassen, so kommt man über die o.g. Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers zumindest zum gleichen Ergebnis, weil den Arbeitgeber dann eine entsprechende Darlegungslast auch im Hinblick auf den Betriebsbegriff trifft. Verweigert der Arbeitgeber die Auskunft nach § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz KSchG oder sind seine Mitteilungen unvollständig, gilt die Behauptung des Arbeitnehmers, die Sozialauswahl sei fehlerhaft, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG vom 5.5.1994 AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Stahlhacke/Preis/Vossen, aaO, Rn 1153 m.w.N.). Diese Rechtsprechung ist zumindest auf den vorliegenden Fall zu übertragen, sofern der Arbeitgeber die Tatsachen, die den Schluss auf den Betriebsbegriff zulassen, unvollständig darlegt.

cc)

Bei Anwendung dieser Rechtssätze auf den Streitfall ergibt sich Folgendes:

(1) Es kann bereits nicht festgestellt werden, ob vorliegend im Markt Nr. 2934 in Alt-R., dem die Klägerin im Zeitpunkt des Betriebsübergangs zugeordnet war, tatsächlich schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen und über Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen im Markt durch den (jeweiligen) Marktleiter entschieden worden ist. Die Ausführungen der Beklagten zu den Befugnissen des bzw. der Marktleiter sind abstrakt gehalten, ohne sich mit dem konkreten Markt in Alt-R., dem die Klägerin zugeordnet war, zu befassen. Da die Frage der den Betrieb konstituierenden Leitungsmacht nicht nur anhand abstrakter Vorgaben durch die Geschäftsführung der Beklagten, etwa der "Aufgabenbeschreibung Funktion: Marktleitung" oder dem so genannten "Organisationshandbuch", sondern vornehmlich anhand der tatsächlichen Handhabung der Arbeitgeberbefugnisse vor Ort zu bestimmen ist, hätte es konkreter Darlegungen zu der Frage bedurft, wie denn der jeweilige Marktleiter bzw. Marktleiterin diese Befugnisse ausgeübt hat. Insofern ist es nicht unbedeutend, dass die Fluktuation in der Marktleiterfunktion - soweit von der Beklagten vorgetragen - offensichtlich erheblich ist. So weisen die von der Beklagten vorgelegten und von der jeweiligen Marktleiterin mit "i.A. Marktleitung" unterzeichneten Arbeitsverträge im Zeitraum April bis Dezember 2003 (Bl. 144 ff d.A.), also in gerade einmal neun Monaten, nicht weniger als drei verschiedene Namen von Marktleiterinnen auf. Bereits dieser häufige Wechsel in der Marktleiterstellung spricht gegen eine dauerhafte und eindeutige Ausübung der wesentlichen Arbeitgeberfunktionen "vor Ort", denn es kann kaum angenommen werden, dass unerfahrene Führungskräfte bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit ohne Rücksprache mit den übergeordneten Stellen ihre Entscheidungen treffen, mögen sie theoretisch auch durchaus hierzu befugt sein. Dies aber spricht gegen eine institutionelle Leitung vor Ort, denn die Ausübung der Arbeitgeberfunktionen muss nach Auffassung der Kammer eine gewisse Kontinuität aufweisen und kann nicht von den Zufälligkeiten der "Entscheidungsfreude" der unterschiedlichen Führungskräfte "vor Ort" abhängig sein. Dazu passt es wenn die Beklagte selbst mehrfach davon spricht, "manche" Marktleiter würden die Vorgaben der Beklagten noch nicht in ausreichendem Maße umsetzen. Dies zeigt des weiteren, dass die Praxis der Ausübung der Befugnisse der Marktleiter durchaus verschieden ist, so dass allgemeine Ausführungen zu den Befugnissen aller Marktleiter sich verbieten. Stellt man schwerpunktmäßig auf die Praxis der Entscheidungen der Marktleiter ab, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Beklagten e.-Märkte gibt, die auf Grund der Vorgaben der Beklagten in Verbindung mit der tatsächlichen Ausübung der Marktleitertätigkeit selbständige Betriebe sind und andere nicht. Es geht zu Lasten der Beklagten, wenn sie - auf der Basis ihrer eigenen Rechtsauffassung - es unterlässt, die konkrete Praxis der Ausübung der Arbeitgeberfunktionen vorzubringen.

(2) Aber auch auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten zu den allgemeinen Befugnissen der Marktleiter ergibt sich zumindest kein klares Bild, was in Anwendung der o.g. Beweislastregel zu Lasten der Beklagten geht.

Die Beklagte hat nicht mit ausreichender Substanz dargelegt, dass sie die einzelnen "e.-Märkte" so strukturiert hat, dass die tatsächlichen Befugnisse durch den Marktleiter ausgeübt werden, während die nach A. ausgegliederte Personalabteilung bzw. die Bezirksleiter lediglich eine "beratende" Funktion haben.

(a) Generell spricht gegen eine autonome Stellung der Marktleiter in Märkten wie dem in Alt-R., die Flächenbetriebsräte nach § 3 BetrVG gewählt haben, dass die Beklagte selbst per Aushang vom 1.7.2004 (Bl. 292 d.A.) nur Marktleitern in Betrieben nach § 1 BetrVG, also nicht in Betrieben nach § 3 BetrVG, die alleinige Berechtigung zur Durchführung personeller Maßnahmen zukommen lässt. Die Formulierung in diesem "Hinweis an alle Mitarbeiter" lässt keinen Zweifel daran, dass der Umkehrschluss geboten ist. Die Ausführungen der Beklagten zu diesem Aushang, es handele sich bei der unterschiedlichen Kennzeichnung der verschiedenen Marktleiter lediglich um eine Frage der formellen Vertretungsbefugnis, nicht der materiellen Entscheidungsbefugnis, führt nicht zu dem von der Beklagten gewünschten Ergebnis. Die Frage der materiellen Entscheidungsbefugnis lässt sich nicht trennen von der Vertretungsbefugnis nach außen. Dies sind nur Umschreibungen der allein wichtigen Frage, wer letztlich die Entscheidungen im Regelfall "vor Ort" trifft, und zwar die Letztentscheidung; diese hat der Marktleiter aber gerade nicht. Der Hinweis auf die Pflicht der Marktleiter in Betrieben nach § 1 BetrVG, mit ihrem jeweiligen Betriebsrat Verhandlungen führen zu müssen, überzeugt nicht, denn insoweit geht es gerade nicht um eine "Vertretungsbefugnis nach außen". Dann hätte es näher gelegen, im besagten Aushang die Befugnisse der Marktleiter lediglich bezüglich der Verhandlungen mit dem jeweiligen Betriebsrat zu beschränken.

(b) Hinsichtlich der besonders wichtigen Arbeitgeberfunktion der Einstellung von Mitarbeitern entscheidet der Marktleiter nur ausweislich des "Organisationshandbuch Markt" (Anlage BK 4, Bl. 248 d.A.) über Einstellungen von normalem Verkaufspersonal, Verräum- und Verpackungsteams und der Auszubildenden. Gleiches findet sich in der von der Klägerin eingereichten Aufgabenbeschreibung des Marktleiters (Kopie Bl. 75 ff d.A., mit Stand aus dem Jahr 2000), wonach sich die Einstellungsbefugnis nach dem Personalhandbuch richtet. Die Verträge werden nach den Einstellungsbögen, die durch die Marktleitung ausgefüllt werden, von der Personalabteilung erstellt. Allerdings sind auch die von der Beklagten eingereichten Arbeitsverträge, die durch die Marktleiter "i.A." unterschrieben worden sind, nur solche, die entweder befristet und/oder für Teilzeitkräfte abgeschlossen worden sind (vgl. die Verträge in der Anlage B 10, Bl. 144 ff d.A.). Dies mag noch damit zu erklären sein, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt hat, dass in der Zeit seit 2003 auf Grund eines "Einstellungsstopps" wenig Personal überhaupt eingestellt wurde. Allerdings spricht dies auch nicht für die von der Beklagten zu beweisende Tatsache der Autonomie der Marktleiter im beschriebenen Sinne. Wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass in der Zeit seit der Umstrukturierung im Jahr 2003 bezüglich der Personalzuständigkeiten und -befugnisse keine Arbeitnehmer mehr eingestellt wurden, so stellt dies zwar kein Indiz für die fehlende Betriebsqualität des Marktes dar, aber eben auch keines für die von der Beklagten vertretene Auffassung.

Die Kammer hat auch Zweifel, ob durch eine "Beratung" vor personellen Einzelmaßnahmen wie der Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung, Versetzung und Kündigung durch die Personalabteilung oder die Bezirksleitung die Befugnisse des Marktleiters nicht entscheidend eingeschränkt werden. Zwar ist es gewiss unschädlich, formelle Fragen wie die Erstellung von Arbeitsverträgen durch das ausgelagerte Büro erledigen zu lassen, auch ein externes Anwaltsbüro könnte gegebenenfalls in Vertretung handeln. Dies spräche nicht gegen eine faktische Einstellungsmacht, die wie auch bei dem Vergleichsfall eines ausgelagerten Anwaltsbüros bei der Marktleitung liegen kann (so das LAG Berlin im Parallelfall 13 Sa 1800/05). Eine klare Grenzziehung zwischen lediglich formeller Beratung und inhaltlicher Einflussnahme lässt sich allerdings schwer ziehen. Auch insoweit kommt zum Tragen, dass die Beklagte selbst ausführt, manche Marktleiter würden ihre Befugnisse noch nicht nach den Vorgaben der Beklagten umsetzen. Das Kriterium der "Beratung" durch die Personalabteilung in A. gibt so eher Anlass zu Zweifeln an der Autonomie der Marktleiter, als das es die Auffassung der Beklagten untermauert.

Schließlich haben bei bestimmten Personengruppen auch nach den abstrakten Vorgaben der Beklagten (siehe das "Organisationshandbuch Markt") die Bezirksleiter, Vertriebsleiter und Geschäftsführer Einstellungsbefugnisse, etwa bei den sogenannten "Ersten Kräften" und dem stellvertretenden Marktleiter. Zwar ist das Prinzip, den jeweiligen Stellvertreter nicht vom Funktionsinhaber selbst bestimmen zu lassen ("Großvater-Prinzip") durchaus verständlich und wegen der damit verbundenen Distanz der Marktleitung sowie des Vertreters auch sinnvoll, spricht aber eben auch indiziell nicht gerade für die von der Beklagten behauptete Autonomie der Marktleiter. (c) Auch bei den anderen personellen Einzelmaßnahmen wie Eingruppierungen, Umgruppierungen, Versetzungen innerhalb des Marktes und Kündigungen ist eine klare Letztentscheidungskompetenz des Marktleiters für den Regelfall nicht ersichtlich. So wird hier in mehrfacher Hinsicht die Personalabteilung tätig, was die Beklagte mit "Beratung" oder dem Begriff der Überprüfung umschreibt. Bei der neben der Einstellung wichtigsten Maßnahme von Kündigungen gilt nach dem Vorbringen der Beklagten, dass Kündigungen von der regionalen Personalleitung ausgefertigt und unterschrieben werden. Die "Aufgabenbeschreibung Funktion: Marktleitung" spricht unter Ziffer 6. sogar von einer "Konsultationspflicht" bei der Personalabteilung vor Ausspruch einer Kündigung. Auch vorliegend sowie in den Parallelfällen wurden die streitbefangenen Kündigungen durch den Personalleiter Sch. "i.V." unterschrieben. Gleiches gilt im Übrigen für das Belehrungsschreiben an die Klägerin bezüglich des Betriebsüberganges nach § 613a Abs. 5 BGB (Kopie Bl. 43 d.A.). Dies kann man nach Auffassung der erkennenden Kammer auch nicht mehr unter den Begriff der "Beratung" fassen. Es stellt vielmehr einen weiteren Hinweis dafür dar, dass die Marktleiter eben nicht autonom bei ihren personellen Maßnahmen sind. Selbst bei vergleichsweise weniger bedeutsamen Maßnahmen wie dem Ausspruch von Abmahnungen ziehen manche Marktleiter nach dem Vorbringen der Beklagten "zur eigenen Absicherung" bei Gesprächen mit den betroffenen Mitarbeitern den Bezirksleiter hinzu. All dies spricht gegen die behauptete Autonomie der Marktleiter im Regelfall. Dabei sei noch einmal betont, dass es unschädlich ist, wenn sich ein Betriebsleiter bei übergeordneten Stellen etwa Rechtsrat einholt; entscheidend ist aber die Frage, ob für den Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass personelle Einzelmaßnahmen im Schwerpunkt vom Leiter der Organisationseinheit autonom mit Letztentscheidungsbefugnis vorgenommen werden. Eben dies lässt sich auf der Grundlage des umfassenden Vortrags der Beklagten nicht feststellen.

(d)Dass der Marktleiter der "fachliche und disziplinarische Vorgesetzte aller Mitarbeiter des Marktes" ist ("Aufgabenbeschreibung Funktion: Marktleitung", Bl. 75 d.A. unter Punkt 2) mag im Sinne der Ausübung des Direktionsrechts durchaus zutreffend sein. In Ansehung der o.g. eingeschränkten Handhabung der Ausübung der Arbeitgeberfunktionen bei personellen Einzelmaßnahmen erscheint dieser Punkt allerdings in der Praxis nicht eindeutig umgesetzt worden zu sein. Die Personaleinsatzplanung wird allerdings unstreitig durch den Marktleiter durchgeführt (vgl. Punkt 5 der "Aufgabenbeschreibung Funktion: Marktleitung" Bl. 75 d.A.). Dies gilt namentlich für die Dienstplanerstellung, was aber im Grunde eine Selbstverständlichkeit darstellt, da Dienstpläne regelmäßig sinnvoll nur unter Berücksichtigung der Wünsche und Besonderheiten der Arbeitnehmer "vor Ort" erstellt werden können, will man nicht ständige Änderungen in Kauf nehmen. Dies begründet kein wesentliches Indiz für eine durch die Marktleitung ausgeübte Leitungsmacht. Auch bei der Aufstellung der Urlaubspläne der Mitarbeiter handelt der Marktleiter nach dem Vortrag der Beklagten nur eingeschränkt autonom, denn die Bezirksleiter ließen sich diese vorlegen, um die Funktionsfähigkeit der Märkte insbesondere in Ferienzeiten zu überprüfen.

Zusammenfassend lässt sich bei einer wertenden Gesamtschau aller vorgenannter Aspekte die Feststellung nicht treffen, dass schwerpunktmäßig im Markt über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und dass über Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vom Marktleiter autonom entschieden wird.

Die Kammer hat die Frage diskutiert, ob zwingend eine Antwort auf die Frage nach der Betriebsstruktur gegeben werden muss. Dies ist indes entgegen der Auffassung der Beklagten zu verneinen, denn es bleibt der Befund, dass es sich bei der hier streitigen Frage des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin um eine solche handelt, die im Urteilsverfahren auf der Grundlage des Verhandlungsgrundsatzes zu klären ist. Dann aber ist bei nicht ausreichendem Sachvortrag zu einem die Beantwortung der rechtlichen Obersätze entscheidenden Merkmal lediglich zu prüfen, ob dieses Merkmal in Ansehung des Vortrages der darlegungsbelasteten Partei vorliegt. Was an die Stelle zu treten hat, kann wie auch sonst im Zivilprozess offen bleiben. dd) Hat damit nach dem Ausgeführten eine "marktübergreifende" Sozialauswahl zu erfolgen, so ist die Klägerin nicht deshalb gehindert, sich auf die Grundsätze des § 1 Abs. 3 KSchG zu berufen, weil sie dem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 6 BGB widersprochen hat. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Klägerin genannten - durchaus den Widerspruch als plausibel erscheinen lassenden - Gründe, nämlich die genannten deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen bei den Gebrüdern Ah., tatsächlich zutreffend sind.

Nach der Neufassung u.a. des § 1 Abs. 3 KSchG mit Wirkung zum 1.1.2004 lässt sich die bisherige Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 18.3.1999, NZA 1999, S. 870 ff), wonach bei der Prüfung der sozialen Gesichtspunkte die Gründe des Arbeitnehmers für den Widerspruch in dem Sinne zu berücksichtigen sind, dass die Gründe für den Widerspruch um so gewichtiger sein müssen, je geringer die Unterschiede in der sozialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer sind, nicht mehr aufrechterhalten, denn nach der Neufassung des Gesetzes dürfen nur noch die vier Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeitszeit, Unterhaltspflichten und etwaige Schwerbehinderung berücksichtigt werden (vgl. Gaul, NZA 2005, aaO, S. 732 m.w.N. aus der Literatur). Die Frage, ob überhaupt noch die Gründe für den Widerspruch zu prüfen sind und gegebenenfalls was an die Stelle der bisherigen Rechtsprechung zu treten hat, ist vom BAG noch nicht entschieden worden. Die Kammer schließt sich der Auffassung von Gaul, aaO, an, wonach bei einer betriebsbedingten Kündigung nach Widerspruch eine volle und uneingeschränkte Sozialauswahl vorzunehmen ist, an. Die von der Beklagten favorisierte Erweiterung der Auswahlkriterien im Sinne einer teleologischen Reduktion um den sachlichen Widerspruchsgrund oder gar die völlige Herausnahme aus der Sozialauswahl, findet keine Stütze im Gesetz. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das Problem möglicher Wertungswidersprüche im Bereich der Sozialauswahl nach sachgrundlosem Widerspruch gesehen hat (Gaul, aaO, NZA 2005, S. 733). Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB würde entscheidend entwertet werden, sofern man eine Einschränkung in der genannten Weise vornähme. Damit ist auch die Frage nach dem sogenannten "gravierenden Gerechtigkeitsproblem" zu beantworten: denn ebenso wie ein im beim Betriebsveräußerer verbleibenden Betrieb (-steil) zugeordneter Arbeitnehmer kann auch der im übergehenden Betrieb (-steil) befindliche Arbeitnehmer es als unbillig empfinden, dass er als sozial möglicherweise deutlich schwächerer Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht nur noch in dem Bewusstsein ausüben kann, dass dann die sichere betriebsbedingte Kündigung des Betriebsveräußerers folgt, während ein anderer, sozial deutlich stärkerer Arbeitnehmer aus Gründen, auf die beide keinen Einfluss haben, verbleiben darf. Dies erscheint nicht minder ungerecht. Im Übrigen kann Missbrauchsfällen, etwa der Ausübung des Widerspruchsrechts ohne jeden Sachgrund lediglich, um anderen Arbeitnehmern oder dem Arbeitgeber Schaden zuzufügen, mit § 226 oder 242 BGB begegnet werden. Freilich werden dies extreme Ausnahmefälle bleiben.

ee) Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe vorsorglich eine Sozialauswahl durch die Bildung von Altersgruppen vorgenommen und in der Altersgruppe der Klägerin gebe es keine sozial stärkeren Arbeitnehmer, so genügt dies nicht den Vorgaben des § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz KSchG. Es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, die in die Sozialauswahl einbezogenen Arbeitnehmer im Prozess namentlich zu kennzeichnen und die Auswahlkriterien im Einzelnen zu nennen. Gleiches gilt, sofern der Arbeitgeber sich auf die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, für das Vorliegen der Sicherung (also nicht der Schaffung) einer ausgewogenen Personalstruktur bzw. des berechtigten betrieblichen Interesses. An substantiiertem Vortrag in diesem Sinne fehlt es jedoch vorliegend. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz nach § 1 Abs. 4 KSchG liegt hier ebenso wenig vor wie ein Interessenausgleich mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG.

c)

Es kann nach alledem dahinstehen, ob die Kündigungen auch wegen einer mangelhaften Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam sind. Gleiches gilt für die Frage, ob die Kündigungen wegen eines Verstoßes gegen § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam sind. 2. Da die Kündigungen unwirksam sind, hat auch der Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin Erfolg. Dieser folgt aus den Grundsätzen, die der große Senat des BAG aufgestellt hat (vgl. BAG vom 27.2.1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) und auf die zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO bzw. hinsichtlich der Kosten des für erledigt erklärten Beschäftigungsanspruches in entsprechender Anwendung des § 91a ZPO. Die Revision war zuzulassen, da zum einen eine grundsätzliche Bedeutung vorliegt als auch eine Divergenz zu den die Entscheidung tragenden Rechtsfragen des Urteils des LAG Berlin vom 16.12.2005 - 13 Sa 1800/05 - besteht.

Ende der Entscheidung

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