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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 1926/03
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 130 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
1. Eine Kündigung, die am letzten Tag der Sechs-Monatsfrist des § 1 Abs. 1 KschG um 16:00 Uhr in den Wohnungsbriefkasten des Arbeitnehmers eingelegt wird, geht jedenfalls dann noch an diesem Tag zu, wenn der Arbeitnehmer nach vorangegangenen Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag damit rechnen musste, dass der Arbeitgeber ihm das Kündigungsschreiben noch durch Boten überbringen lässt.

2. Zur Unterrichtung des Betriebsrats vor einer Kündigung im ersten Beschäftigungshalbjahr kann die allgemeine Umschreibung von Leistungsmängeln genügen, wenn der Arbeitgeber konkrete Fehlleistungen nicht substantiieren kann, Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, nur für den Betriebsrat "überwachende Aufzeichnungen" zu führen, die er dem Arbeitnehmer gegenüber nicht benötigt.


Landesarbeitsgericht Berlin

16 Sa 1926/03

Verkündet am 11.12.2003

Im Namen des Volkes Urteil

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Hein und Roschakowski

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. August 2003 - 29 Ca 10297/03 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine Kündigung mit Datum vom 31.03.2003, die das seit 01.10.2002 bestehende Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.07.2003 beenden soll, sie streiten ferner über den Beschäftigungsanspruch der Klägerin. Der Streit geht wesentlich darum, ob das Kündigungsschreiben, welches am 31.03.2003 gegen 16.00 Uhr in den der Klägerin zugeordneten Hausbriefkasten (durch Boten) gelegt wurde, noch am 31.03. oder erst am 01.04.2003 zugegangen ist.

Durch Urteil vom 06.08.2003, auf dessen Tatbestand wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 91 ff. d. A.), hat das Arbeitsgericht Berlin antragsgemäß

1. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 31.03.2003, der Klägerin zugegangen am 01.04.2003, nicht mit Wirkung zum 31.07.2003 aufgelöst wird;

2. den Beklagten verurteilt, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 12.08.2002 geregelten Arbeitsbedingungen als Referentin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

Zwar sei das Kündigungsschreiben noch am 31.03.2003 in die Verfügungsgewalt der Klägerin gelangt; nach der Verkehrsanschauung sei aber nicht zu erwarten gewesen, dass die Klägerin an diesem Tage noch einmal in ihren Briefkasten schaue, nachdem sie diesem die von der Post AG ausgelieferte Post bereits am späten Vormittag entnommen habe. Obwohl die Klägerin sich am Morgen des 31.03.2003 krankgemeldet und am Nachmittag in ihrer Wohnung aufgehalten habe, sei es nicht ihr zuzurechnen, dass der Beklagte so lange zugewartet habe, um das Kündigungsschreiben durch Boten zuzustellen. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen (Bl. 93 ff. d. A.).

Gegen dieses am 30.08.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.09.2003 eingegangene und am 15.10.2003 begründete Berufung des Beklagten. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach die beiden Boten zunächst vor ihrem Einlass ins Haus um 15.50 Uhr und sodann nach dem Einwurf des Briefes um 16.03 Uhr mehrfach die Wohnungsklingel der Klägerin betätigt hätten, ohne dass diese reagiert habe. Im Übrigen sei es in Berlin inzwischen üblich, dass die Post AG Briefe auch noch nach 17.00 Uhr zustelle (Beweis: Auskunft der Post AG sowie Zeugnis von deren Mitarbeiter Z.). Auch andere Anbieter stellten Briefe heute noch am Nachmittag zu. Selbst wenn dem nicht so wäre, dürfe sich die Klägerin auf einen etwa verspäteten Zugang nicht berufen, da sie nach der Vorgeschichte (Angebot eines Aufhebungsvertrages am 26.03.2003 mit Bedenkzeit bis 31.03.2003, Krankmeldung am 31.03.2003, Ablehnung des Angebots durch Botenbrief am späten Vormittag) mit der Überbringung des Kündigungsschreibens durch Boten habe rechnen müssen. Die Klägerin habe durch ihr eigenes Schreiben vom 30.03.2003 (Bl. 25 d. A.) sowie das gleichzeitig, aber getrennt übergebene Anwaltsschreiben mit Datum vom 28.03.2003 (Bl. 26 d. A.) versucht, die Beklagte in die Irre zu führen und einen rechtszeitigen Kündigungszugang zu vereiteln.

Die Kündigung sei auf Defizite im persönlichen und sachlichen Bereich gestützt, die Klägerin habe zu wenig Eigeninitiative entwickelt und die von ihr gefertigten Rundschreiben nicht adressatengerecht verfasst. Dies sei dem Betriebsrat durch Anschreiben vom 26.03.2003 (Bl. 145 d. A.) und sodann unmittelbar vor der Betriebsratssitzung am 31.03.2003 telefonisch durch den Personalleiter Sch. mitgeteilt worden (Beweis: Zeugnis Sch. und H.). Der Betriebsrat habe im unmittelbaren Anschluss an die Betriebsratssitzung am 31.03.2003 mitgeteilt, der Betriebsrat habe mit dem Ergebnis beraten, dass er keine Gründe für eine Kündigung nach Ablauf der Probezeit sehe, andererseits jedoch auch eine Zustimmung zur Kündigung innerhalb der Probezeit nicht für erforderlich halte (Beweis: Zeugnis B.).

Die Klägerin hat die Betätigung der Wohnungsklingel durch die Überbringer des Kündigungsschreibens zunächst mit Nichtwissen bestritten und auf richterlichen Vorhalt in mündlicher Verhandlung erklärt, sie habe sich zur fraglichen Zeit möglicherweise im Bad aufgehalten und durch das Geräusch des dortigen Ventilators die Klingel überhört. Eine ordnungsgemäße Betriebsratsunterrichtung bestreite sie.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 123 ff. d. A.), auf den Schriftsatz des Beklagten vom 18.11.2003 (Bl. 147 f. d. A.) sowie auf die Berufungserwiderung (Bl. 169 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Berufung ist nach Auffassung der Berufungskammer begründet. Die Kündigung ist wirksam, womit auch dem Beschäftigungsanspruch eine Rechtsgrundlage fehlt.

1.1

Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei Kündigungszugang noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat.

Die Kündigung ist der Klägerin am 31.03.2003, somit noch innerhalb des ersten Beschäftigungshalbjahres, zugegangen. Eine schriftliche Kündigung geht dem Empfänger nach § 130 BGB zu, sobald er sie entweder tatsächlich in Händen hält oder sobald sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das war hier am 31.03.2003 nach 16.00 Uhr der Fall.

Erreicht das Kündigungsschreiben den Briefkasten des Empfängers zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine Entnahme nicht mehr erwartet werden kann, so ist die Willenserklärung an diesem Tag nicht mehr zugegangen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies auch in dem Fall angenommen, in dem das Schreiben deutliche Zeit "nach den allgemeinen Postzustellzeiten" in den Briefkasten gelangt (vgl. BAG 2 AZR 337/82 vom 08.12.1983, NJW 1984, 1651). Ob dies unter heutigen Verhältnissen, insbesondere nach der Privatisierung der Post und dem Auftreten anderer Anbieten einschließlich zahlreicher Kurierdienste noch in dieser Allgemeinheit aufrechtzuerhalten ist (vgl. kritisch dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Auflage 2003, § 130 Rz. 6 m.w.N.), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn nach den unstreitigen Umständen des vorliegenden Falles musste die Klägerin ganz konkret am Nachmittag des 31.03.2003 mit einer Überbringung des Kündigungsschreibens durch Boten rechnen, und nach Überzeugung der Kammer hat sie damit auch tatsächlich gerechnet. Der Beklagte hatte die Klägerin - nach deren Behauptung überraschend - am 26.03.2003 mit seiner Kündigungsabsicht konfrontiert für den Fall, dass die Klägerin einer juristisch nicht anfechtbaren "Verlängerung der Probezeit" nicht zustimmt. Da die Sechsmonatsfrist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht verlängerbar ist, war diese "Verlängerung der Probezeit", wenn nicht sogleich eine Kündigung (zum 30.04.) ausgesprochen wurde, nur in der vom Personalleiter des Beklagten vorgeschlagenen Weise möglich, nämlich durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung mit geräumiger Auslauffrist und dem - rechtlich unverbindlichen - Inaussichtstellen einer späteren Vertragsverlängerung. Dies hätte der Klägerin zwar die - normalerweise ab Beginn des siebten Beschäftigungsmonats eintretende - relative Arbeitsplatzsicherheit zunächst vorenthalten, ihr andererseits aber die sofortige Kündigung mit kurzer Frist erspart und eine Chance auf dauerhaften Erhalt des Arbeitsplatzes gegeben, war also eindeutig ein Entgegenkommen des Beklagten. Die Klägerin sollte sich zu diesem Angebot bis zum 31.03.2003 erklären, und zwar selbstverständlich nicht bis 24.00 Uhr, sondern, da die Klägerin auch an diesem Tage zur Arbeit erwartet wurde, bis zum Vormittag dieses Tages. Wenn die Klägerin sich nun krankmeldete, konnte sie nicht erwarten, dass der Beklagte tatenlos hinnahm, dass man nun die Frist für eine "kündigungsschutzfreie" Kündigung bereits versäumt habe. Zwar hat es die Klägerin ersichtlich darauf angelegt, eine Kündigung am 31.03. zu vereiteln: Sie hat ihr eigenes Schreiben nicht an den - zur Kündigung berechtigten - Personalleiter Sch. gerichtet (der ihr das Angebot gemacht hatte), sondern an ihren Abteilungsleiter, der wegen Urlaubs an dem Gespräch am 26.03. gar nicht teilgenommen hatte und erst am 31.03. aus dem Urlaub zurückkehrte, somit möglicherweise auch einige andere Arbeit vorfand. Sie hat zweitens es nicht für nötig gehalten, sich gegenüber dem Personalleiter (oder wenigstens gegenüber dem Abteilungsleiter) telefonisch zum Angebot zu äußern. Sie hat drittens in ihrem eigenen, gegen 11.00 Uhr durch Boten überbrachten Schreiben mitgeteilt, sie nehme Willenserklärungen des Beklagten (welche sollten das sein, wenn nicht eine Kündigung?) nicht entgegen sondern verweise an ihren Rechtsanwalt. Selbst wenn die Klägerin nicht vorausgesehen haben sollte, dass das gleichzeitig, aber in einem anderen Umschlag übergebene, anders adressierte Anwaltsschreiben vom 28.03.2003 zunächst der Rechtsabteilung und erst einen Tag später der Personalabteilung zugeleitet werden würde, zeigt doch der Verweis an den in Essen ansässigen Rechtsanwalt, dass die Klägerin sich zunutze machen wollte, dass die Überbringung eines Kündigungsschreibens mit der Originalunterschrift eines Vertretungsberechtigten des Beklagten noch am 31.03. dorthin faktisch nicht mehr möglich war. Die Klägerin konnte nicht ernsthaft erwarten, dass diese "juristische Gesamtinszenierung" auf Beklagtenseite zwar mit erheblicher persönlicher Verärgerung, ansonsten jedoch tatenlos hingenommen würde. Die Klägerin (die Volljuristin ist) wusste ganz genau, dass der Beklagte eine Chance zur Lösung des Arbeitsverhältnisses unter den gegebenen Umständen nur noch dann hatte, wenn er das Kündigungsschreiben durch Boten überbringen würde, und sie hat damit auch deshalb rechnen müssen, weil sie ihre eigenen Schreiben hat durch Boten überbringen lassen.

Darüber hinaus ist die Kammer - unabhängig von den vorstehenden Erwägungen - der Überzeugung, dass die Klägerin das Kündigungsschreiben am 31.03.2003 tatsächlich dem Briefkasten entnommen hat. Zwar hat sie dies auf ausdrückliche richterliche Frage geleugnet. Sie hat dazu aber angegeben, sie habe am 31.03. deshalb nicht ein zweites Mal in den Briefkasten geschaut, weil sie gar nicht mit einer Kündigung des Beklagten gerechnet habe. Dies ist nach den geschilderten Umständen ersichtlich unwahr. Wenn die Klägerin aber nach dem Gespräch am 26.03. auch nur halb so betroffen war, wie sie im Prozess angibt und wie sie in der Berufungsverhandlung zum Ausdruck brachte (sie brach mehrmals in Tränen aus), kann sich die Kammer nach der intensiven "juristischen Abstimmung", die die Klägerin mit ihrem Rechtsanwalt vorgenommen hat, nicht vorstellen, dass die Klägerin die Ungewissheit über den Erfolg ihrer juristischen Inszenierung bis zum nächsten Vormittag ertragen hat.

1.2

Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Zu dieser Norm ist anerkannt, dass die Unwirksamkeitsfolge nicht nur bei vollständig unterbliebener Anhörung vor einer Kündigung, sondern auch bei einer unzureichenden Unterrichtung des Betriebsrats vor einer Kündigung eintritt und dass eine nur pauschale, schlagwortartige Unterrichtung in der Regel nicht genügt, somit unzureichend ist (vgl. etwa BAG 2 AZR 974/94 vom 15.11.1995, NZA 1996, 419). Das Bundesarbeitsgericht hat ferner seine Auffassung bekräftigt, dass diese Grundsätze auch im ersten Beschäftigungshalbjahr gelten, wenn also der Arbeitgeber seine Kündigung nicht an § 1 KSchG messen lassen muss und er weder dem Arbeitnehmer gegenüber noch im Prozess dem Gericht gegenüber eine besondere Begründungspflicht hat; denn dies schließe eine kollektivrechtliche Pflicht zur Angabe der Kündigungsgründe gegenüber dem Betriebsrat nicht aus; auch wenn ein individualrechtlicher Kündigungsschutz noch nicht bestehe, solle der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen (vgl. 2 AZR 234/98 vom 03.12.1998, NZA 1999, 477). Auf der anderen Seite entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung "subjektiv determiniert" ist, d. h., dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe und Umstände mitteilen muss, die ihn subjektiv zur Kündigung veranlassen, wozu unter Umständen eine rein subjektive Wertung genügen kann. Der Arbeitgeber genügt seiner Begründungspflicht hiernach auch dann, wenn er die Arbeitsweise des zu kündigenden Arbeitnehmers nur in allgemeiner Form beanstandet, weil er im 1. Halbjahr keine Aufzeichnungen geführt und deshalb konkrete Fehlleistungen nicht substantiieren kann; der Arbeitgeber ist nicht gehalten, nur für den Betriebsrat "überwachende Aufzeichnungen" zu führen, die er dem Arbeitnehmer gegenüber weder benötigt noch verwenden will.

Diesen Maßstäben wird die Unterrichtung des Betriebsrats im Streitfall gerecht. Dabei geht die Kammer in tatsächlicher Hinsicht vom Vortrag der Beklagten aus, nämlich, dass der Betriebsrat am 31.03.2003 getagt und das Kündigungsbegehren des Beklagten behandelt hat, dass er vor dieser Sitzung das Schreiben des Beklagten vom 26.03.2003 (unterzeichnet vom Personalleiter Sch.) erhalten hat und zusätzlich die telefonische Information, dass man Leistungsdefizite bei der Klägerin sehe, dass die Klägerin zu wenig Eigeninitiative entwickele und dass sie ihre Rundschreiben nicht adressatengerecht für die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe verfasse. Die Klägerin hat zwar eingeräumt, dass das eigens zu dem Personalgespräch am 26.03.2003 entsandte Betriebsratsmitglied Prof. Dr. A. bei Erörterung der behaupteten Leistungsdefizite zugegen war, im Übrigen hat sie aber sämtliche Details der von der Beklagten behaupteten Betriebsratsunterrichtung bestritten. Damit kann sie keinen Erfolg haben. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren, das die Klägerin Ende Juni 2003 gegen ihre kurz zuvor erfolgte Suspendierung angestrengt hat (29 Ga 17218/03 ArbG Berlin - die Akte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung), hat die Klägerin selbst ein Protokoll der Betriebsratssitzung vom 31.03.2003 eingereicht, das in wesentlichen Zügen den Vortrag des Beklagten bestätigt. Die Klägerin hat nicht näher ausgeführt, weshalb sie ungeachtet dieses Protokolls die Durchführung einer Betriebsratssitzung mit anschließender Beschlussfassung bestreiten will, und sie hat auch nicht ausgeführt, was an diesem Protokoll sonst inhaltlich unrichtig sein soll. Sie hat insbesondere auch nichts dazu vorgetragen, welche Informationen sie zu dem Vorgang von dem Betriebsratsvorsitzenden, der ihr das Protokoll offensichtlich zur Verfügung gestellt hat, erhalten hat. Dies erscheint umso bemerkenswerter, als die Klägerin in mündlicher Verhandlung angegeben hat, der Betriebsratsvorsitzende sei nunmehr ihr Gruppenleiter. Solange sie sich nicht dazu verhält, welche Informationen sie von ihm über das Anhörungsverfahren bekommen hat (ggf.: weshalb sie diesen Informationen nicht traut), erscheint das sozusagen "flächendeckende" Bestreiten der Klägerin nicht substantiiert und nötigt deshalb nicht zu der von der Klägerin begehrten Beweisaufnahme auf den Beweisantritt des Beklagten hin.

Die hiernach der Entscheidung zugrunde legenden Einzelheiten der von der Beklagten vorgetragenen Betriebsratsanhörung werden den Anforderungen (gerade noch) gerecht, die an die Anhörung zu stellen sind. Zunächst steht es der Wirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht entgegen, dass der Beklagte bei Einleitung des Anhörungsverfahrens noch nicht vollkommen einschränkungslos zur Kündigung entschlossen war, weil bis in den Vormittag des 31.03.2003 hinein die Klägerin noch Gelegenheit hatte, das ihr am 26.03.2003 unterbreitete Angebot der Beklagten anzunehmen. Dass der Klägerin noch am 31.03.2003 eine Kündigung übergeben werden musste, falls sie das Angebot nicht annimmt, war allen Beteiligten des Gesprächs am 26.03.2003 klar. Es war auch dem Betriebsrat als Gremium offensichtlich klar, wie das bereits erwähnte Protokoll vom 31.03.2003 ergibt. Die Kammer hält es nicht für zwingend, in der gegebenen Situation vom Beklagten zu verlangen, das Anhörungsverfahren erst nach einer eindeutigen Äußerung der Klägerin zu dem Angebot vom 26.03.2003 einzuleiten. Auch in inhaltlicher Hinsicht genügt die Unterrichtung (noch) den Anforderungen. Zwar hat der Beklagte sein Kündigungsbegehren auf Leistungsdefizite der Klägerin gestützt, die ihr Gruppenleiter und ihr Abteilungsleiter festgestellt hätten. Sie hat diese Leistungsdefizite aber nicht substantiieren können, da weder der Gruppenleiter noch der Abteilungsleiter substantiierungsfähige Aufzeichnungen geführt haben. Der Beklagte hat auch im Prozess und insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer keinerlei konkrete Vorwürfe nachgeliefert. Wenn aber die zusammenfassende Bewertung der Arbeitsleistung der Klägerin nicht substantiierbar ist (was sich mit dem Vortrag des Klägerin deckt, dass beanstandungswerte Fehlleistungen tatsächlich gar nicht vorgekommen seien), kann auch nicht angenommen werden, dass dem Betriebsrat bei der Unterrichtung über die Kündigungsabsicht tatsächliche Umstände vorenthalten worden sind. Dies gilt umso mehr, als das Betriebsratsmitglied Prof. Dr. A. bei der Erörterung am 26.03.2003 zugegen war und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er das Gremium, das ihn zu diesem Gespräch entsandt hatte, nicht vollständig über den Inhalt und den Verlauf dieses Gespräches unterrichtet hat. Schließlich folgt ein Unwirksamkeitsgrund nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auch nicht daraus, dass die Kündigung noch vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausgesprochen worden ist. Ausweislich des bereits erwähnten Protokolls hat der Betriebsrat am 31.03.2003 einen abschließenden Beschluss zu dem Kündigungsbegehren des Beklagten gefasst, und dieser Beschluss ist dem Beklagten nach der Sitzung mitgeteilt worden. Dann aber konnte der Beklagte die Kündigung unmittelbar danach an die Klägerin auf den Weg bringen.

1.3

Sind hiernach Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung nicht gegeben, fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage für den auf tatsächliche Beschäftigung gerichteten Klageantrag zu 2).

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

3.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nach Einschätzung der Kammer nicht vor.



Ende der Entscheidung

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